Hier gilt die MdW - Vladi Mir - E-Book

Hier gilt die MdW E-Book

Vladi Mir

4,7

Beschreibung

"Achtung! Russen kommen!", warnten die deutschen Medien vor neuer Flüchtlingswelle, als die UdSSR zerfiel. Achtung! Wir sind da! Vor 20 Jahren landeten meine Frau und ich im Düsseldorfer Flughafen mit zwei Rucksäcken, zwei Taschen und einer Gitarre. Heute haben wir zwei Kinder - Gymnasiasten, einen schwarzen Kater, fühlen uns hier wohl und sind Deutschland sehr dankbar dafür. Obwohl der Weg zum Wohlfühlen schwer war, verlor ich meine Neugier zu diesem Land nie. Ich habe immer mein kleines Notizbuch dabei, das ich seit unseren ersten Tagen in Deutschland führe. So entstanden diese Kritzeleien. Ich hoffe, sie sind humorvoll und unterhaltsam. Oder?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 71

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (16 Bewertungen)
11
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kleingedrucktes

Ankunft

Das pünktliche Wetter

Sprachkurs

Fußball und die weibliche Intuition

Ein Übersetzungsfehler

Akzent

Mathematische Poesie

Die große Oktobersexualrevolution

Opfer der Demokratie

Stolz

Wodka connects people

Alien

Freistaat Bayern

Good Bye, Köln

Ich habe mich verlaufen

Hier gilt die MdW

Taschenrechner

Modernisierung des Taschenrechners

Leselust

Hauptnahrungsprodukt

Sonnenbrille

Herbst

Ich habe keine Zeit

Anti-Stress-Mittel

Nikolaus, Weihnachtsmann und Christkind

Adventskalender

Schnee

Diese komischen Schilder

Das Leben ist teuer, das Sterben aber auch

Geographie

Mama Rennfahrerin

Mama weiß alles

Haussuche

Trödelmarkt

Gartenromantik

Alles super

Ich habe aufgehört zu rauchen

Geschäftsgeheimnisse

Sparmaßnahmen

Hightech in der Küche

Einbürgerung

Vorwort

„Achtung! Russen kommen!“, warnten die deutschen Medien in den 90er Jahren vor neuer Flüchtlingswelle, als die UdSSR zerfiel. Achtung! Wir sind da! Vor 20 Jahren landeten meine Frau und ich im Düsseldorfer Flughafen mit zwei Rucksäcken, zwei Taschen und einer Gitarre. Heute haben wir zwei Kinder - Gymnasiasten, einen schwarzen Kater, fühlen uns hier wohl und sind Deutschland sehr dankbar dafür.

Obwohl der Weg zum Wohlfühlen schwer war, verlor ich meine Neugier zu diesem Land nie. Ich habe immer mein kleines Notizbuch dabei, das ich seit unseren ersten Tagen in Deutschland führe. So entstanden diese Kritzeleien. Ich hoffe, sie sind humorvoll und unterhaltsam. Oder?

Kleingedrucktes

Alle guten Dinge sind drei. Deswegen ist das bereits mein drittes Buch, die ersten zwei habe ich weggelassen.

Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seiten ggf. mit zu verantworten hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesem Inhalt distanziert.

Das oben geschriebene Urteil gilt zwar für die Internetseiten, aber sicherheitshalber distanziere ich mich von allen diesen Geschichten. Diese Geschichten sind frei erfunden. Alle Namen, handelnden Personen und Orte entstanden mit Hilfe der Fantasie des Autors. Jede Ähnlichkeit mit real lebenden oder toten Personen, Ereignissen oder Schauplätzen wäre ein Irrtum und reiner Zufall.

Ankunft

Das Flugzeug landet im Düsseldorfer Flughafen. Oder vielleicht doch direkt im Aufnahmelager für Flüchtlinge? Es ist schwer zu sagen. Der Landungsort sieht sehr komisch aus. Überall stehen die großen und kleinen Zelte. Dazwischen fahren die Dienstautos und landen die Flugzeuge. Sehr komisch. Irgendwie habe ich mir den modernen westlichen Flughafen anders vorgestellt. Wahrscheinlich hatte Karl Marx Recht - der Kapitalismus verfault irreversibel, und wir sind die ersten Zeugen dafür. Vielleicht hätten wir doch lieber zu Hause bleiben sollen? Mit diesem verzweifelten Gefühl steigen wir aus dem Flugzeug und gehen zum Bus, der uns zur Gepäckausgabe bringen soll.

Ich stehe im Bus und lese die Infotafel. Ich lese sehr langsam von links nach rechts, dann noch langsamer von rechts nach links und trotzdem verstehe ich kein einziges Wort auf Deutsch. Traurig. Sehr traurig. Gott sei Dank, gibt es die Information auch auf Englisch.

„Hier hat’s gebrannt!“, sage ich zu meiner Frau.

„Ja. Im April 1996“, antwortet sie, „und zwar ziemlich stark“.

„Woher weißt du das? Du spricht Deutsch noch schlechter als ich.“

„Ich habe auf Französisch gelesen.“

Erstaunlich, aber wahr. Wir zwei können Russisch, Englisch, Französisch und laut meinem Abiturzeugnis auch gut Deutsch. Aber anscheinend nicht gut genug. Wir müssen schnell unsere Deutschkenntnisse verbessern, und das wird ein hartes Stück Arbeit.

Inzwischen hält der Bus vor einem großen Zelt. Gepäckausgabe und Passkontrolle. Ich bin aufgeregt. Ist das ein Grenzübergang? Ja, das stimmt. Das ist der Grenzübergang zum Westen. Der grauhaarige Zollbeamte schaut mich präzise an.

„Ausweis“, sagt freundlich der Zollbeamte.

Ich lächle zurück. Ich bin sehr aufgeregt. Ich werde jetzt die Staatsgrenze übertreten. Wow!

„Ausweis“, wiederholt er.

„Aus St.Petersburg!“, antworte ich fröhlich und möchte vorbei gehen.

Der Beamte hält mich aber an, seufzt tief und sagt auf Russisch mit dem deutschen Akzent: „Ihr Pass, bitte!“

Ich denke, wir müssen noch schneller unsere Deutschkenntnisse verbessern.

Das pünktliche Wetter

Wir sind seit kurzer Zeit in Deutschland, aber stehen bereits unter dem tiefen Kulturschock. Er heißt Pünktlichkeit. Die Züge sind bis auf die Minute genau, die Straßenbahnen und sogar die Busse. Alles läuft wie ein geschmierter Mechanismus.

Ich hatte darüber von meiner Deutschlehrerin gehört, als ich noch ein Student war. Sie machte ein Sprachpraktikum in Deutschland und brachte diese erstaunliche Erkenntnis mit ihr nach Russland zurück.

Damals glaubte ich meiner Deutschlehrerin nicht. Der Verkehr kann nicht pünktlich sein, weil das einfach nicht möglich ist. Das funktionierte nie in der Sowjetunion mit der besten Planwirtschaft der Welt. Warum sollte das bitte schön in Deutschland funktionieren, wo das Chaos des Kapitalismus herrschte? Ich weiß bis heute nicht, wie das möglich ist, aber irgendwie geht das. Das ist einfach ein deutsches Wunder.

Die allgemeine Pünktlichkeit fasziniert und deprimiert mich gleichzeitig. Kommt man eine Minute später zur Haltestelle, und der Bus ist bereits weg. Zwei minütige Verspätung zu einem Termin ist eine Beleidigung. Fünf minütige Verspätung ist ein Motiv für die Blutrache. Wie schaffen bloß die Deutschen immer pünktlich zu sein? Ich nehme meinen Hut ab. Ich bin davon fasziniert, aber es ist für mich unbegreiflich. Ich denke, die Deutschen können einfach nicht, unpünktlich sein. Auch wenn sie das stark wollen. Das geht einfach nicht. Das liegt definitiv irgendwo tief in ihrer Natur. Ja. Bestimmt liegt das in der Natur, und die Krönung dieser Pünktlichkeit gehört auch der Natur.

Der Winter war ungewöhnlich kalt in diesem Jahr. Der Frost hielt bis Ende Februar. Aber pünktlich am 1. März, also laut dem Kalender am ersten Tag des Frühlings, stieg die Temperatur fast auf +20 ºC und brachte das Hochwasser mit. Wir spazierten am Rheinufer entlang und wiederholten zum X-ten Mal:

„Typisch Deutsch. Sogar der Frühling kommt hierher pünktlich!“

In der letzten Zeit hat die Pünktlichkeit überall ein bisschen nachgelassen, auch beim Wetter, aber das ist eine andere Geschichte, und ich lasse sie in Ruhe, ich will nicht pingelig sein. Ich versuche selbst pünktlich zu sein. Und es klappt sogar. Ab und zu.

Sprachkurs

Der Sprachkurs vom Arbeitsamt ist zu Ende. In der Zwischenzeit haben wir uns auch mit einem Haufen verschiedener Anträge gegen die deutschen Beamten durchgesetzt. So viele Papiere und Formulare auf einmal habe ich noch nie im Leben ausgefüllt. Es hat sich aber gelohnt. Wir besitzen jetzt unbefristete Arbeitserlaubnisse und die offiziellen Anerkennungen unserer Diplome. Es fehlt nur der Job.

Ich bewerbe mich als Taucher, Bademeister, Übersetzer, freier Journalist. Leider ohne Erfolg. Es kommen nur Absagen und keine einzige Einladung zum Vorstellungsgespräch. Ich gebe nicht auf, lasse den Kopf nicht hängen und nutze die Zeit, um meine Deutschkenntnisse weiter zu verbessern. Weil es halt keine Grenze für die Verbesserung gibt. Alles ist relativ, wie der große Albert Einstein sagte.

Deutsch zu verbessern in unserer Situation ist leichter gesagt als getan. Wir wohnen in einem Wohnheim, wo alle Mitbewohner unsere russischsprachigen Landsleute aus der ehemaligen Sowjetunion sind. Logisch, dass die Möglichkeiten Deutsch zu sprechen gleich null ist. Als Kommunikationsmittel zur deutschen Kultur bleibt nur der Fernseher übrig.

Ich gucke verschiedene Sendungen ununterbrochen, verstehe aber nur die erotischen Filme und ab und zu die Werbung. Glücklicherweise wird die Werbung sehr oft wiederholt. Die erotischen Filme nach gewissen Zeitabständen auch. Das hilft gewaltig. In Kürze kenne ich sehr viele blöde Slogans und weiß alle Stöhnen der schwarzen Emmanuelle auswendig.

Nachdem ich mein Deutschverständnis auf diese Art und Weise stark verbessert habe und alle Liebesszenen gelernt habe, wechsele ich zu den anderen Sendungen. Ich bin sehr positiv überrascht, dass ich mehr und mehr davon verstehe. Ich überlege mir, ob ich diese Methode als eine neue Sprachenlernenmethode patentieren soll. Es wäre auch eine gute Geschäftsidee. Mir fehlt nur momentan das Geld. Vielleicht, wenn ich einen Sponsor finde, drehe ich irgendwann mal später eine erfolgreiche Seifenoper als Sprachkurs für Ausländer „Das Abc im Bett“.

Also, mein starker Willen zur Integration bringt mich zum Erfolg. Ich besuche einen Sprachkurs für Naturwissenschaftler und Ingenieure. Neben den Deutschkenntnissen verbessere ich auch meine Programmierkenntnisse. Am Ende dieses Sprachkurses finde ich ein Betriebspraktikum bei einer Softwarefirma und werde nach dem Praktikum als Softwareentwickler übernommen.

Ab Morgen beginnt mein Berufsleben in Deutschland.

Fußball und die weibliche Intuition

Gestern war meine erste Mitarbeiterbesprechung. Der Chef betonte mehrmals: „Wir müssen ständig am Ball bleiben.“ Ich habe zwar nicht verstanden, was er gemeint hat, aber nickte wie alle anderen auch.