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Winter, College, Schlittenfahrten und die große Liebe Summer hat genug davon, sich immer wieder von dem ungehobelten Bruder ihrer Mitbewohnerin aufziehen zu lassen - vor allem, weil sie ihn mehr mag, als sie jemals zugeben würde. Um sich Hunter endgültig aus dem Kopf zu schlagen, küsst sie auf einer Studentenparty einen Unbekannten in einem Piratenkostüm. Summer will ihn unbedingt wiedersehen, doch ohne den kleinsten Hinweis auf Captain Hooks Identität ist die Suche schwieriger als gedacht – und dass ausgerechnet Hunter ihr immer wieder in die Quere kommt, macht Summers Mission nicht einfacher ...
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Seitenzahl: 451
Veröffentlichungsjahr: 2021
Hook me up
Julia Pelzer wurde 1982 in der Nähe von Hannover geboren, wo sie auch heute noch mit ihrer Familie lebt. Schon als Teenager mochte sie am liebsten Geschichten, in denen die Liebe eine große Rolle spielt. Bis heute hat sich das nicht geändert - genau wie ihr Hang zu Tagträumen. Nicht selten entstehen so neue Ideen zu Love Storys, die dann unbedingt niedergeschrieben werden müssen. Wenn sie nicht gerade einen Stift in der Hand hält, steckt ihre Nase in einem Buch oder sie lebt ihre Sammelleidenschaft für Tassen aus, auf denen sich mit Vorliebe Disney-Motive befinden.
Winter, College, Schlittenfahren und die große Liebe
Summer hat genug davon, sich immer wieder von dem ungehobelten Bruder ihrer Mitbewohnerin aufziehen zu lassen - vor allem, weil sie ihn mehr mag, als sie jemals zugeben würde. Um sich Hunter endgültig aus dem Kopf zu schlagen, küsst sie auf einer Studentenparty einen Unbekannten in einem Piratenkostüm. Summer will ihn unbedingt wiedersehen, doch ohne den kleinsten Hinweis auf Captain Hooks Identität ist die Suche schwieriger als gedacht – und dass ausgerechnet Hunter ihr immer wieder in die Quere kommt, macht Summers Mission nicht einfacher ...
Julia Pelzer
Roman
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Dezember 2021 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-644-6
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Das Buch
Titelseite
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Epilog
Danksagung
Leseprobe: Nothing Like You
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Kapitel 1
Für alle Piraten-Mädchen da draußen, die nie aufgehört haben an Märchen zu glauben. Diese Geschichte ist für euch.
Love isn’t something you find.Love is something that finds you.
Loretta Young
Der Typ unter meiner Dusche gehörte weder in mein Badezimmer noch in diese Wohnung. Er gehörte noch nicht einmal in mein Leben – schon gar nicht splitterfasernackt.
Gerade als ich das Badezimmer betrat, wurde der Duschvorhang zur Seite geschoben, und ich war unerwartet mit der geballten Männlichkeit von Hunter Stevens konfrontiert.
»Oh Shit.« Ich stoppte so abrupt, dass mir die Tür aus der Hand flog und gegen die Wand donnerte.
Ohne mit der Wimper zu zucken, stieg Hunter völlig unbeeindruckt aus der Dusche. Ich war es gewohnt, ihm ständig in unserer Studentenwohnung über den Weg zu laufen, aber dass er hier duschte, das war neu.
»Shit? Normalerweise reagieren Frauen anders, wenn sie mich anschauen.« An seinem tiefen Kinngrübchen zuckte ein Muskel. Trotz des Wasserdampfs, der das winzige Bad vernebelte, konnte ich seine Reaktion ganz genau erkennen. Ich konnte alles sehen. Wirklich … alles.
Es gab keinen Zweifel daran, dass Hunter einen anderen Effekt gewohnt war, wenn Frauen ihn nackt zu Gesicht bekamen. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er selten ein Angebot ausschlug, bei dem man nichts – oder nur sehr wenige Klamotten – trug. Die feine Gänsehaut, die seinen ganzen Körper überzog, ließ mich schlucken. Auch ich war gegen seinen ganz besonderen Charme nicht immun und hatte mir schon öfter vorgestellt, wie es wäre, wenn er mir eins seiner unmoralischen Angebote machen würde. Doch das würde ich ihm noch nicht mal unter Folter gestehen. Ganz abgesehen davon, dass er mich sowieso nicht auf diese Weise sah. Für ihn sollte es unverbindlicher Spaß mit jemandem sein, an dessen Namen man sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern musste. Das wusste ich aus sicherer Quelle. Ich selbst wollte mehr. Und damit rangierte ich auf der Hunter-Stevens-Skala für One-Night-Stands irgendwo im Minusbereich.
»Wenn dir gefällt, was du siehst …« Hunter stoppte mitten im Satz.
Er zog mich nur auf.
Natürlich tat er das.
Wie immer machte er sich einen Spaß daraus, mich zu ärgern.
»So eine Frau bin ich nicht.« Auch wenn ich mir da gar nicht so sicher war, jetzt wo er nur mit diesem wissenden Lächeln bekleidet vor mir stand.
Seine braunen Augen, die im diffusen Licht der Badezimmerlampe noch dunkler wirkten, sahen mich unverwandt an.
»Summer Foster hat immer alles unter Kontrolle, hm?« Er zog eine Braue nach oben. In einer lässigen Bewegung strich er sich die dunklen, noch nassen Haare aus dem Gesicht. »Du könntest mir aber behilflich sein.« Sein Mundwinkel hob sich leicht und er zwinkerte. Er wusste nicht, dass es genau das war, was meinen Verstand aussetzen ließ. Diese kleine Geste, auf die ich mir so viel eingebildet hatte, als Kat ihn mir zum ersten Mal auf einer Party vorgestellt hatte. Ich war mir sicher, dass er es nicht einmal merkte, wenn er zwinkerte. Er hatte an diesem Abend viel gezwinkert. Am meisten in die Richtung von Delia Fischer. Mit ihr hatte er am Ende die Party gemeinsam verlassen und dummerweise mein Herz dabei mitgenommen.
»Handtuch, Summer. Ich brauche eines.« Er zog beide Augenbrauen nach oben.
Ich war nur die Handtuchreicherin, keine der aufreizenden Delia Fischers dieser Welt. Wieder einmal erinnerte er mich eindrücklich daran, warum der andere Teil von mir – der größere Teil – nur genervt von ihm war. Nie würde er etwas anderes als die Mitbewohnerin seiner Schwester in mir sehen. Das hatte er schon zu oft bewiesen.
Hunter zuckte mit den Schultern. »Dann hole ich es mir eben selbst.«
Es waren nur zwei Schritte für ihn, um an das Regal hinter mir zu kommen. Zwei Schritte, für die er sich splitterfasernackt an mir vorbeischieben müsste. Dieses Badezimmer war definitiv zu klein für uns beide. Ich wirbelte herum und schnappte mir ein Handtuch vom Stapel und schleuderte es ihm zu. Mit Leichtigkeit fing er es mit einer Hand auf.
»Auf einmal doch so stürmisch?« Er nahm das Handtuch und rubbelte sich damit über die Haare. Augenrollend drehte ich mich zum Spiegel über dem Waschbecken und atmete tief durch. Meine verräterische Libido brauchte definitiv eine Pause. »Was machst du überhaupt hier?« Ich biss mir auf die Unterlippe und bereute die Frage sofort, da ich die Antwort doch sowieso kannte. Sein Wohnheim lag außerhalb vom Campus. Ziemlich häufig tauchte er dann einfach bei uns auf, wenn ihm der Weg in seine Wohnung zu weit war.
»Kat hat dir geschrieben, dass ich da bin.«
Ich war so im Stress gewesen, dass ich schon seit einer Weile nicht mehr auf mein Handy geguckt hatte. Aber ich zweifelte nicht daran, dass sie mich vorgewarnt hatte. Das tat sie fast immer.
»Stürmst du immer ohne anzuklopfen ins Badezimmer?«
»Es ist immerhin mein Badezimmer. Kannst du nicht einfach abschließen?«
Der Typ hatte echt Nerven. Er war nur ein geduldeter Gast. Ich drehte mich halb zu ihm um, erstarrte dann aber in der Bewegung und drehte mich wieder zum Spiegel. Er war mit Sicherheit immer noch nackt. Sein Körper war wie eine fleischfressende Pflanze und ich wollte keine der Fliegen sein, die ihm zum Opfer fielen. Gott, ich war einundzwanzig Jahre alt und dachte so einen Blödsinn?
Hunter lachte leise. »Du kannst dich entspannen. Ist alles sicher verstaut.«
Ich hasste es, wenn er merkte, dass er mich aus dem Konzept brachte.
Energisch wischte ich mit dem Unterarm über den beschlagenen Spiegel. Ich war spät dran und hatte nicht damit gerechnet, dass ich mir mein Badezimmer auch noch teilen müsste. Nach den Winterferien stieg immer eine große Kostümparty bei Delta Delta Phi. Die würde in einer Stunde beginnen und ich musste mich unbedingt fertig machen. Hektisch steckte ich den Lockenstab in die Steckdose und kramte in meiner Kosmetiktasche nach einem roten Lippenstift. Vorsichtig zog ich die Konturen meines Mundes nach, als ich im Spiegel bemerkte, wie mich Hunter beobachtete. Er hatte sich das Handtuch um die Hüften gebunden und lehnte mit den Armen vor der Brust verschränkt an der Wand. Auf seinem Oberkörper glitzerten immer noch Wassertropfen, als sich unsere Blicke trafen.
»Was?« Ich ließ den Lippenstift zurück in die Kosmetiktasche fallen.
Hunter musterte mich auf eine Art, die ich nicht deuten konnte. »Willst du so zu Delta Delta Phi?«
»Das ist eine Kostümparty, das ist dir schon klar, oder?« Ich verdrehte meine Augen und suchte nach der Schachtel mit den falschen Wimpern.
»Absolut klar.« Hunters Mundwinkel zuckten verdächtig.
Nachdem ich die Wimpern angeklebt hatte, wickelte ich vorsichtig eine lange blonde Strähne um den heißen Lockenstab. Ich sah Hunter erneut durch den Spiegel an. Er starrte mir derweil unverfroren auf den Hintern und grinste.
Schlagartig drehte ich mich zu ihm um. »Glotzt du mir auf den Arsch?«
»Sollte ich nicht? Dein Kostüm lässt mir da echt keine Wahl.« Das Wort Kostüm betonte er dabei fast schon obszön.
»Keine Wahl, ja?« Ich sah an mir herunter. Zu einem schwarzen Top trug ich eine rot-weiß geringelte Strumpfhose, die Teil meines Piratinnen-Outfits war. »Was stimmt denn damit nicht?«
Er stieß sich von der Wand ab und stand jetzt direkt vor mir. Ihm so nahe zu sein, wenn er nur ein Handtuch um die Hüften trug, brachte mich nur noch mehr durcheinander. Hastig machte ich einen Schritt nach hinten, um mehr Abstand zwischen uns zu bringen, und stieß unsanft gegen das Waschbecken.
»Das Kostüm ist ein feuchter Traum für alle Möchtegern-Matrosen im Umkreis von zehn Meilen.« Er legte nachdenklich einen Finger an die Lippen. »Ist das nicht eine Nummer zu groß für dich? Oder willst du es heute Nacht wissen?« Hunter zwinkerte mir zu und bückte sich, um seine Klamotten aufzusammeln, die auf dem Hocker neben mir lagen.
Ich hatte mich schon seit Wochen auf diese Kostümparty gefreut, und er schaffte es in weniger als fünf Minuten, mir den Spaß zu verderben. »Möglicherweise will ich es ja wirklich wissen.« Herausfordernd und trotzig streckte ich das Kinn vor.
Hunter lachte amüsiert. »Natürlich.«
Als er nach seiner Jeans griff, fiel etwas aus der Gesäßtasche. Ich runzelte die Stirn. Waren das Kondome? Wir bückten uns gleichzeitig. Jep, ich hatte mich nicht verguckt. Es waren Kondome. Ganz besonders auffallende. Auf den bunten Verpackungen waren Sprüche mit eindeutigen Statements abgebildet.
»Suck me I’m famous? Echt jetzt?« Ich drehte das Kondom in meiner Hand hin und her. »Männer wie du dürfen diese Art von Spaß haben, hm?«
Er sah mir sekundenlang in die Augen, ohne ein Wort zu sagen. Sein Blick war so intensiv, dass sich Gänsehaut von meinen Armen über meinen ganzen Körper ausbreitete.
»Männer wie ich?« Ohne sich von mir abzuwenden, legte er seine Hand auf meine. Seine rauen Fingerspitzen strichen sanft über meine Haut und lösten ganz langsam das Kondom aus meinem Griff.
»Vielleicht bin ich ein Mann, der total auf Humor steht und keine bösen Überraschungen mag.«
Ich schluckte schwer, als er mir das Kondom endgültig aus der Hand nahm. »Die brauchst du nicht. Das ist nichts für tugendhafte Piratinnen.« Langsam richtete er sich auf.
»Keine Sorge, ich stehe eh nicht auf Typen, die offensichtlich ihre Hose nicht zulassen können und …«
Ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen, verließ er das Bad – und meine Chance richtig zu kontern, war verpasst.
Hatte ich mir wirklich ernsthaft Hoffnungen gemacht, dass Hunter sich für mich interessieren könnte? Das hier war nur ein weiterer Beweis dafür, dass er es nicht tat. Kein Stück. Er sah in mir nur das verklemmte Anhängsel seiner jüngeren Schwester und sonst nichts. Wir waren so unterschiedlich wie Feuer und Wasser. Wobei ich mir nicht sicher war, was von beidem er verkörperte.
»Das war eine blöde Idee. Eine verdammt blöde Idee.« Genervt zog ich immer wieder am Rock meines Kostüms herum.
Kat sah mich mit großen Augen an. »Du hast dich seit Wochen auf diese Party gefreut. Jetzt nicht mehr?«
»Dieses Outfit ist …«
Kat unterbrach mich. »Total süß?«
»Ich hätte lieber eine andere Strumpfhose kaufen sollen.« Leise seufzend zupfte ich erneut an diesem viel zu kurzen Rock herum. Das Ding war nicht süß, es war obszön. In Kombination mit der Strumpfhose sah ich zwar wie eine verwegene Piratin aus, doch eher wie die nicht jugendfreie Variante.
Kat schüttelte den Kopf und ihre braunen Locken schwangen dabei hin und her. »Die Strumpfhose ist perfekt. Du hast ewig nach ihr gesucht.«
Sie hatte recht. Wir hatten einen ganzen Nachmittag damit verbracht, in allen möglichen Geschäften nach passenden Klamotten zu gucken. Eine einzelne, geringelte Strumpfhose zu finden, war fast unmöglich gewesen. Ich hatte schon aufgegeben und wie Kat einfach ein Kostüm von der Stange kaufen wollen, als ich sie endlich entdeckt hatte. Dass in Wirklichkeit nicht mein Piratenoutfit der Grund für meine Laune war, sondern meine Begegnung mit Hunter, wollte ich Kat nicht erzählen. Auf noch mehr Mister-sexy-und-unwiderstehlich hatte ich im Augenblick wirklich keine Lust. »Jetzt ist es sowieso zu spät.« Ich wurde langsamer, als wir uns dem Verbindungshaus von Delta Delta Phi näherten. Das ganze Gebäude war von außen mit Lichterketten dekoriert. Im Winter übertrafen sich die Studentenverbindungen mit den ausgefallensten Mottopartys gegenseitig und ich liebte jede einzelne davon.
»Jep, ist es.« Kat zog mich am Arm weiter. Es hatte wieder angefangen zu schneien und eine dünne Schneeschicht hatte sich bereits auf die Kapuze ihres roten Umhangs gelegt.
»Deinetwegen habe ich mir extra dieses Kostüm gekauft. Du wirst jetzt keinen Rückzieher machen. Heute Nacht ist Spaß angesagt, das bist du mir schuldig.«
Ich hatte sie tagelang überreden müssen, mit mir auf diese Party zu gehen. Auf unserer Shoppingtour hatte sie sich für ein Rotkäppchen-Kostüm entschieden, das zusätzlich zu dem Umhang aus einem roten Samtkleid mit weißer Spitze an den Säumen bestand. Ja, das war ich ihr definitiv schuldig. Ich verzog den Mund zu einem übertriebenen Lächeln.
»Geht doch.« Jetzt musste auch Kat lachen. Ich hatte vor über zwei Jahren wirklich großes Glück bei der Zuteilung der Studentenzimmer gehabt. Kat und ich hatten uns auf Anhieb verstanden. Wir teilten die gleiche Leidenschaft für scharfes asiatisches Essen, das wir uns ziemlich oft in unserer kleinen Wohnung gönnten. Dazu sahen wir uns immer einen Bruce-Lee-Film aus meiner Sammlung an. Außerdem hatten wir zufällig Professor Higgins zusammen in Amerikanischer Geschichte. Wir konnten uns stundenlang über diesen alten Sturkopf aufregen. Ich schleppte sie gerne auf eine der vielen Studentenpartys, als Ausgleich dazu musste ich mit ihr zu den Schwimmwettkämpfen von ihrem Freund Jordan gehen. Es hätte alles perfekt sein können, wenn da nicht ihr Bruder gewesen wäre.
»Bist du Hunter eigentlich noch über den Weg gelaufen? Du hast nicht auf meine Nachricht geantwortet.«
Ich atmete geräuschvoll aus. »Kann man so sagen.«
»Das hört sich nicht gut an. Was ist passiert?«
»Dein Bruder hat seine exhibitionistische Ader in unserem Bad ausgelebt und während seiner Dusche nicht abgeschlossen. Ich habe mehr gesehen, als ich wollte. Viel mehr.«
Kat schlug sich prustend die Hand vor den Mund. »Davon hat er am Telefon überhaupt nichts erzählt.«
Ich blieb abrupt stehen. »Du hast mit ihm gesprochen?« Was für eine doofe Frage, natürlich hatte sie das.
»Nur ganz kurz, aber diese Sache hat er nicht erwähnt.«
Es war ja auch kein großes Ding. Für Hunter sowieso nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn die Hälfte der weiblichen Studentinnen der University of Concord ihn bereits nackt gesehen hätte. Doch ich war bestimmt die Einzige, die dieses Bild am liebsten wieder aus ihrem Gedächtnis löschen wollte. Oder versuchte, sich das einzureden.
»Was ist das eigentlich zwischen euch?« Kat musterte mich aufmerksam von der Seite. Ich stehe auf deinen Bruder, für ihn bin ich aber nur ein verklemmtes Mädchen in einem lächerlichen Piratenkostüm, und das will einfach nicht in meinen Kopf.
»Was meinst du?« Ich schob mit meinem Stiefel einen kleinen Haufen Schnee zusammen. Kat hakte sich bei mir unter und zog mich weiter in Richtung des Verbindungshauses.
»So wie ihr immer voneinander genervt seid, könnte man denken, ihr beiden seid die Geschwister.«
»Oh bitte, das ist jetzt nicht dein Ernst.« Die Vorstellung Hunter als Bruder zu haben, war noch absurder, als ihn nackt unter der Dusche zu erwischen. Es war wirklich Zeit, endlich auf andere Gedanken zu kommen. Noch einmal zog ich meinen Rock zurecht, bevor wir die Stufen des imposanten Verbindungshauses hinaufstiegen.
Selbst die Eingangshalle war mit jeder Menge Luftballons geschmückt. Überall unterhielten sich verkleidete Cowboys, Engel und andere Fantasie-Gestalten, die bunte Drinks in den Händen hielten. Wer keine Lust hatte sich zu verkleiden, trug zumindest eine rote Nase. Aus den Boxen des angrenzenden Wohnbereiches dröhnte PINKsMegahit Get the Party Started. Ein verführerischer Duft von Erdbeerlimes, Vanille und Zuckerwatte lag in der Luft. Wer hier nicht in Partystimmung kam, dem war definitiv nicht mehr zu helfen.
»Hey, Babe.« Jordan kam um die Ecke und zog Kat in seine Arme. Mir nickte er kurz zu, bevor er sich wieder seiner Freundin widmete. »Ist dein Bruder heute auch am Start?«
Wie sollte man auf andere Gedanken kommen, wenn immer wieder jemand Hunter ins Spiel brachte?
»Hey, du sollst dich um mich kümmern und nicht um meinen Bruder.« Sie boxte ihm spielerisch gegen den Oberarm. »Er kommt vielleicht später noch.«
Bei dem Gedanken, Hunter heute doch noch einmal zu begegnen, pustete ich mir genervt eine Locke aus der Stirn. Obwohl er vorhin ohne ein weiteres Wort einfach verschwunden war, hatte ich das Gefühl, er würde unsere Begegnung im Bad doch noch einmal kommentieren. Jordan zog Kat hinter sich her, als sie sich noch einmal zu mir umdrehte. »Kommst du mit? Wir gehen rüber zu den Jungs.«
Ich schüttelte vehement den Kopf. Das Schwimmteam war zwar nicht besonders erfolgreich, doch dies änderte nichts daran, dass sich die Schwimmer für die Größten hielten. Wie Kat es immerzu mit ihnen aushielt, war mir ein Rätsel. Ich wollte jetzt dringend so einen kleinen, bunten Drink, der hoffentlich so schmeckte, wie es hier duftete.
Die Musik war in der Küche nur noch gedämpft zu hören. Ein paar Leute standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich. Die Getränke entdeckte ich im hinteren Teil des Raumes. Ich schnappte mir eines der Gläser, die gerade von einem verkleideten Engel gefüllt wurden, und lehnte mich gegen die Anrichte in meinem Rücken. Oder willst du es heute wissen? Hunters Worte von vorhin ließen mich nicht los. War es falsch an die große Liebe zu glauben und eben nicht jede Gelegenheit zu nutzen um … Frustriert stieß ich die Luft aus. Schon wieder war er es, der in meinem Kopf herumspazierte. Oder besser das, was er gesagt hatte. Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas. Am besten wäre es, ihn und seine blöden Sprüche einfach zu ignorieren. Auf keinen Fall würde ich Kat als meine Mittbewohnerin und Freundin in irgendeiner Weise aufgeben. Wenn ich dafür eben auch Hunter ab und zu ertragen musste, würde ich das tun. Ihm aus dem Weg zu gehen, konnte ja nicht so schwer sein. Ich nahm noch einen Schluck. Das Zeug war echt lecker. Im nächsten Moment wurde die Küchentür polternd aufgerissen. Ein großer Typ in einem Piratenkostüm schlenderte in die Küche. Sein gemächlicher Gang passte überhaupt nicht zu dem Lärm, den er veranstaltet hatte. Genauso wenig wie sein Outfit. Er trug einen dunklen langen Mantel und einen dazu passenden großen Hut mit einer weißen Feder daran, den er weit ins Gesicht gezogen hatte. Sein schwarzer, langer Fake-Bart verdeckte den Rest. Auf seiner Schulter saß etwas schief ein grüner Plastikpapagei und anstatt seiner linken Hand hatte er dort nur einen Haken. Die andere Hand steckte in einem Lederhandschuh. Ich hatte hier heute noch keinen Piraten gesehen, der es im wahrsten Sinne des Wortes so bunt trieb. Unwillkürlich musste ich lachen. CaptainHook sah mich an und kam langsam auf mich zu. Kurz vor mir blieb er stehen.
»Ganz schön mutig sich über einen Piraten lustig zu machen.«
Der eine Drink hatte mich nicht unbedingt zu Braveheart gemacht, aber definitiv schlagfertiger.
»Ich lebe eben gerne gefährlich.« Grinsend hob ich das Glas an meine Lippen und leerte es.
»Ist das so?« Er verschränkte die Arme vor der Brust. Anscheinend nahm er sein Piraten-Alter-Ego ziemlich ernst.
»Muss ich jetzt Angst haben? Ein Pirat wird doch seinen eigenen Leuten nicht den Hintern versohlen, nur weil sie über ihn gelacht haben.«
»Da würde ich mich nicht drauf verlassen.«
Captain Hooks Stimme war durch den Bart stark gedämpft und klang irgendwie auch tief verstellt. Ich hatte wirklich Mühe ihn zu verstehen. »Dann muss ich eben woanders anheuern, das werde ich schon verkraften.« Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern und schob mir ein paar Locken aus der Stirn.
»Er aber nicht.«
»Was?«
»Es verkraften, wenn du woanders anheuerst.« Captain Hook stellte sich neben mich und lehnte sich ebenfalls gegen die Küchenzeile.
»Ich bin ja nicht die einzige Piratin.« Mit dem Glas deutete ich in Richtung von ein paar anderen Studentinnen, die alle eine Augenklappe trugen.
»Die sind aber nicht so hübsch wie du. Hook würde dich gerne in seiner Crew behalten.«
Schüchtern war er definitiv nicht. »Und woher willst du wissen, dass ich gut auf dein Schiff passe?«
Er deutete mit einer Handbewegung von seinem Scheitel bis zu seinen Füßen. »Dieser Captain hat gerne süße Piratinnen um sich.«
»Oh, es reicht also aus, dass der Chef einen süß findet, um Mitarbeiterin des Monats zu werden? Für so oberflächlich habe ich Captain Hook überhaupt nicht gehalten. Oder bist du gar nicht der echte Captain Hook?« Gespielt schockiert sah ich ihn an.
»Sicher bin ich der echte. Alle anderen hier sind nur schlechte Kopien.«
»Kannst du das beweisen? Vielleicht bist du ja in Wirklichkeit ein Serienkiller und hast es auf unschuldige kleine Piratinnen abgesehen.«
»Reicht dir mein Bart nicht als Beweis? Er legte theatralisch eine Hand auf sein Herz.«
Herausfordernd sah ich ihn an. »Das ist doch kein Beweis. Der könnte ja nur angeklebt sein.«
»Okay, was willst du wissen?« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wenn du der Echte bist, müsstest du mir ja ohne Probleme den Namen deines Schiffs nennen können.«
»Das hat einen Namen?«
Möglicherweise irrte ich mich, aber ich war mir sicher, die Irritation in seiner Stimme herausgehört zu haben.
»Du weißt ihn nicht? So wie es aussieht, bist du wohl die schlechte Kopie.« Grinsend stupste ich ihn mit dem Ellenbogen an. »Jedes Kind kennt den Namen des Schiffs vom legendären Nimmerland-Piraten.«
Captain Hook strich sich mit der Hand über den Hinterkopf. »Ehlich, ich habe keine Ahnung. Du kannst mir ja auf die Sprünge helfen. Gibt es da nicht so ein Lied?« Dabei wackelte er auffordernd mit den Augenbrauen.
»Darauf falle ich nicht rein.« Der Typ dachte doch nicht wirklich, dass ich ihm jetzt auch ein Lied vorsingen würde? »Was würde die Personalabteilung wohl dazu sagen?«
»Okay, ich hab‘s verstanden.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich werde brav sein. Gute Crewmitglieder sind schwer zu finden und noch schwerer zufriedenzustellen.«
»Da bin ich aber gespannt, was du so draufhast, um mich zufriedenzustellen.« Mein Gesicht wurde schlagartig heiß. »Um dein Personal nicht zu verlieren, meine ich.«
Er lachte tief und melodisch. »Schon klar, was du meinst.« Mit einer geschmeidigen Bewegung stieß er sich von der Küchenzeile ab.
»Willst du noch so einen?« Er deutete auf das leere Glas in meiner Hand. Ich nickte, bevor er Handschuh und Haken auszog und zum anderen Ende der Küche ging. Einen Moment später kam er mit zwei Flaschen Bier in der einen Hand und einem Glas mit bräunlicher Flüssigkeit in der anderen Hand wieder zurück.
Leise räuspernd sah ich zu ihm hoch. Das intensive Hellblau seiner Kontaktlinsen, faszinierte mich nur noch mehr. »Hook trinkt also Bier, ja?« Vorsichtig nahm ich ihm das Glas ab. Meine Finger streiften dabei ganz kurz seinen Handrücken.
Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, ließ er die Hand, mit der er die beiden ineinander verhakten Bierflaschen hielt, neben seinen Oberschenkel sinken. Er trat mit der Ferse einmal kurz gegen den einen Flaschenboden und der Kronkorken der anderen Flasche löste sich zischend. »Jep. Bier aus der Flasche kann man mit so einem Ding im Gesicht am besten trinken. Der Bart ist echt nicht so cool, wie er aussieht.«
»Der Bart nicht, die Aktion eben schon«, sagte ich mehr zu mir selbst als an ihn gerichtet. Captain Hook schlug leicht mit dem Hals seiner Flasche an mein Glas.
»Das war jetzt aber kein großes Ding.« Er hob die Bierflasche an seine Lippen. »Ich dachte, du bist schwerer zu beeindrucken.«
»Freu dich nicht zu früh. Ich kann eine ganz schön harte Nuss sein.« Kaum hatte ich den Satz beendet, stolperte eine Gruppe lautstarker Matrosen in die Küche. »Vielleicht wechsle ich auch in ein anderes Seemannsteam.«
»Keine Chance. Ich teile nicht.« Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und sah mir wieder in die Augen. »Nicht mein wertvollstes Crewmitglied.«
Ich hatte keine Ahnung, wer der Typ hinter dem Bart war, aber ich wollte es unbedingt wissen.
»Warum bist du dir so sicher, dass ich die Beste bin? Du kennst mich gerade mal zehn Minuten.«
»Das sagt mir mein Piraten-Instinkt und der hat mich noch nie im Stich gelassen. Ich muss einen Seeräuber nur ansehen und weiß, ob er was taugt.«
Wenn ich doch nur ein bisschen mehr von seinem Gesicht erkennen könnte. Ich streckte die Hand aus und zupfte ganz leicht an seinem Bart. »Du könntest den hier abnehmen, dann hätte ich auch eine Chance.«
Er umschloss mein Handgelenk mit seinen Fingern und sofort begann meine Haut unter seiner Berührung leicht zu kribbeln. »Und damit mein großes Geheimnis verraten?«
So langsam kam mir der Gedanke, dass er die harte Nuss war und nicht ich. »Und wie soll ich dich dann außerhalb der Arbeitszeiten ansprechen?«
Sein Blick glitt zu meinen Beinen. »Wenn du diese Strumpfhose trägst, darfst du mich nennen, wie du willst.«
Grinsend schüttelte ich den Kopf. »Du stehst also auf unser Arbeitsoutfit? Ich muss dich enttäuschen, das trage ich nicht in meiner Freizeit. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Dates unter Crewmitgliedern verboten sind.«
»Ach, echt? Ich dachte, ich bin der Boss und mache die Regeln.«
»Never fuck the company ist ein ungeschriebenes Gesetz. Man fängt nichts mit Kollegen an.«
»Dann muss ich mir wohl einen anderen Job suchen, hm?«
»Und tausende Kinder unglücklich machen?»
Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin ein egoistischer alter Mann.«
»Ein alter Mann, der mit einer Piratin flirtet. Technisch gesehen gibt es keine weiblichen Piraten.«
»Dann muss ich dich wohl an Deck schmuggeln.«
»Und monatelang in deiner Kajüte verstecken?« Das Zuckerzeug half dabei, dass ich sogar einen halbwegs flirtenden Satz zustande brachte.
»Es gibt wirklich Schlimmeres, als mit dir zusammen zu sein. Oder findest du den Gedanken so schlimm, dir mit mir eine Kajüte zu teilen?« Er ließ mich nicht aus den Augen, was die Spannung zwischen uns fast greifbar machte.
»Wenn ich nein sage, verrätst du mir dann, wer du bist?«
»Du lässt nicht locker, oder?« Sein Blick lag immer noch fest auf mir. »Und wenn dir nicht gefällt, was du siehst?«
»Hältst du mich für so oberflächlich?«
Er schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ist nur eine Vermutung.«
»Schiefe Zähne oder eine Tätowierung wären kein Problem.« Ich nahm einen Schluck von dem verführerisch nach Kakao riechenden Getränk und verzog den Mund. Der Eiswürfel in meinem Glas war schon lange geschmolzen.
»Du hast also kein Problem mit schiefen Zähnen, aber bei Drinks bist du so wählerisch?«
»Das ist was anderes.« Ich stellte das Glas neben mir ab. »Man findet ja jemanden nicht nur attraktiv, weil er gut aussieht. Da gibt es ja noch viele andere Dinge, die wichtig sind. Und ein lebloser Papagei auf der Schulter ist keins davon.«
Captain Hook lachte leise neben mir. »Du willst mich also kennenlernen.« Er amüsierte sich sichtlich. »Jetzt besorgen wir dir was Richtiges zu trinken und dann spielen wir ein Spiel.« Er sah sich suchend in der Küche um.
Erschrocken riss ich die Augen auf. »Was für ein Spiel?« Spiele auf Partys endeten nur auf zwei Arten. Entweder es wurde geknutscht oder die Spieler tranken so viel auf einmal, dass sie sich übergeben mussten. Und das wollte ich auf keinen Fall.
Captain Hook hatte offensichtlich gefunden, wonach er gesucht hatte, und stellte eine Wodka-Flasche und zwei Shotgläser vor uns ab. »Wir spielen Zwei Wahrheiten und eine Lüge. Ich stelle drei Behauptungen über mich auf. Eine davon ist gelogen. Wenn du es schaffst, die Lüge zu erraten, muss ich trinken und du bist an der Reihe. Liegst du falsch, musst du trinken und ich bin noch mal dran.«
Meine Mundwinkel hoben sich zu einem breiten Grinsen. »Wir spielen drei Runden. Verlierst du, nimmst du deinen Bart ab.« Herausfordernd hob ich den Kopf. Jetzt hatte ich ihn.
Er schraubte die Wodka-Flasche langsam wieder zu und sah mich dabei an. »Deal.«
»Ich werde das Ding auf jeden Fall gewinnen.«
»Aber sicher.« Seine Augen funkelten amüsiert. »Bereit?«
Ich nickte.
»Jeden Sonntag besuche ich meine Grandma. Als Kind wollte ich unbedingt Farmer werden und ich hasse Tomaten auf meinem Burger.« Ohne mich weiter anzusehen, nahm er einen Schluck aus seiner Bierflasche.
»Hm, jeder Junge will als Kind Farmer werden und Tomaten auf Burgern sind echt widerlich. Wer hat überhaupt entschieden, dass die Dinger da drauf gehören?« Vor Ekel musste ich mich schütteln.
Captain Hook verzog keine Miene und ich stellte weiter meine Theorien auf.
»Die Sache mit deiner Grandma klingt echt total süß, aber das glaube ich dir nicht.«
Er zog die schwarzen Brauen nach oben. »Du hältst mich für so einen Arsch?«
»Niemand auf dem College hat Zeit, jeden Sonntag seine Grandma zu besuchen. Ich auch nicht, leider.«
Captain Hook legte den Kopf schief. »Bist du dir sicher?«
Ich schob ihm eines der Shotgläser hin. »Wenn du mir jetzt sagst, dass die Tomaten eine Lüge sind, werde ich nie wieder ein Wort mit dir reden.«
Er lachte und nahm ohne weitere Einwände das kleine Glas in die Hand. »Aber ich versuche meine Grandma echt so oft zu besuchen, wie ich kann.« Er prostete mir zu und kippte den Inhalt hinunter.
Der Punkt ging an mich.
»Du bist dran.«
»Und du zweifelst daran, dass ich hier gewinne?«
»Vielleicht war das nur Glück und die nächste Runde gewinne ich.«
So einfach würde ich es ihm nicht machen. »Ich vergöttere unser Schwimmteam. Ich habe eine drei Zentimeter lange Narbe hinter dem rechten Ohr. Ich stehe total auf Kung-Fu-Filme.«
Captain Hook musterte mich, als könnte er die Antwort in meinem Gesicht lesen. »Gutes Pokerface.«
»Dachtest du, ich mache es dir genauso leicht?«
»In der nächsten Runde wird es schwerer, versprochen.«
»Es wird keine nächste Runde geben. Wenn du jetzt verlierst, war es das für deinen Bart.«
»Werden wir sehen. Was ist dein Wetteinsatz?«
Darüber hatte ich mir vor dem Spiel überhaupt keine Gedanken gemacht. »Ich brauche keinen.«
»Das wird sich noch zeigen.« Wieder musterte er mich und stieß dabei langsam die Luft aus. »Kung-Fu-Filme also«, sagte er mehr zu sich selbst. Ich versuchte nicht zu blinzeln. Auf keinen Fall wollte ich mich selber verraten.
»Eine Narbe hinter dem Ohr?« Er beugte sich etwas vor. Blitzschnell drehte ich den Kopf. »Hey, wir spielen fair.« Lachend richtete Captain Hook sich wieder auf und hob abwehrend die Hände. »Es war einen Versuch wert.«
Immer noch den Kopf zur Seite gedreht, verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Gibst du auf oder kriege ich endlich eine Antwort?«
»Du kannst dich wieder entspannen. Ich guck auch nicht.«
Langsam drehte ich den Kopf zurück.
»Du vergötterst also unsere Schwimmer, hm? Ich bin im Schwimmteam und ich habe dich noch nie bei einem Wettkampf gesehen.«
Entgeistert sah ich ihn an. »Du gehörst zu Jordan und seinen aufgeblasenen Badekappenträgern?«
»Aufgeblasene Badekappenträger, die du vergötterst«, verbesserte er mich.
Oft genug schleppte Kat mich in eine der Sportbars, in denen sich die Schwimmer nach ihren Wettkämpfen trafen. Egal ob verdient oder nicht. Diese Selbstbeweihräucherung wurde immer mit einer Menge Alkohol und Mädchen gefeiert. Kat hatte erfolglos versucht, mich ein paarmal zu verkuppeln. Fakt war aber, dass niemand außer Jordan dort eine feste Freundin hatte. Mit Sicherheit wollte das auch keiner aus dem Team ernsthaft ändern. Auch nicht dieser mysteriöse Pirat.
»Du überlegst gerade, wie schnell du hier verschwinden kannst, oder?« Er nahm die Wodkaflasche in die Hand. »Ich stehe nicht so auf Badekappen. Genau wie du. Der Punkt geht wohl an mich.« Er nahm das volle Glas und hielt es mir hin.
»Du bist nicht im Schwimmteam?« Vorsichtig nahm ich ihm das viel zu volle Glas ab. »Du hast mich reingelegt.«
»Jep. Und dein Gesichtsausdruck war es so was von wert.«
»Das war unfair. Dafür trinkst du mit.«
»Steht das so in den Regeln?« Ohne eine Antwort abzuwarten, schüttete er eine neue Ladung der klaren Flüssigkeit in sein Glas. »Immer noch so sicher, dass du gewinnen wirst?«
Empört stemmte ich die freie Hand in die Hüfte. »Du kämpfst mit miesen Tricks. Das ist unsportlich.«
Er zuckte gelassen mit den Schultern. »Ich bin eben kein Sportler. Ich dachte, da stehst du drauf?«
Gleichzeitig setzten wir die Gläser an die Lippen, ohne dabei den anderen aus den Augen zu lassen. Der Alkohol brannte in meiner Kehle und ich stellte das leere Glas etwas zu heftig zurück auf die Anrichte. Sofort machte er beide Gläser wieder voll.
»Wer sagt, dass ich nicht auf Sportler stehe? Vielleicht schlägt mein Herz ja für Football.«
»War nur so ein Gefühl.« Er schob sich noch ein Stück weiter zu mir, sodass nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte. »Zeigst du sie mir jetzt?«
»Was?« Ich verstand nicht, was er meinte.
Er tippte mit dem Finger gegen sein Ohr. »Deine Narbe.«
Kopfschüttelnd ließ ich meinen Blick über seinen Bart und von dort bis zu seinen Augen wandern. »Warum willst du sie unbedingt sehen?«
»Ich glaube, du hast geblufft und da ist überhaupt keine.«
»Um mit Absicht zu verlieren? Niemals.« Ich drehte mich ein wenig, damit er besser gucken konnte. Er senkte den Kopf und strich vorsichtig meine Haare zur Seite.
»Wie ist das passiert?« Er war so nah, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Sofort stellten sich die feinen Härchen in meinem Nacken auf.
»Beim Probetraining. Taekwondo.« Ich hielt den Atem an, als er mit dem Daumen vorsichtig die Narbe nachfuhr.
»Für so badass hätte ich dich überhaupt nicht gehalten. Das ist mit mindestens vier Stichen genäht worden.«
»Sechs Stiche. Die Stockkämpfer können ganz schön hart zuschlagen.«
»Stockkämpfer? Ernsthaft? Welchen Gürtel trägst du mittlerweile?«
»Keinen. Ich bin nie wieder hingegangen.« Zögernd drehte ich den Kopf in seine Richtung. Mein Gesicht war seinem so nah, dass sein Atem federleicht über meine Lippen strich.
Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen und schien nicht einmal zu blinzeln. »Bereit für Runde drei?«
Wenn das bedeuten würde, dass er wieder mehr Abstand zwischen uns bringen würde, war ich nicht bereit. Ich war nicht bereit dafür, diesen Moment einfach so aufzugeben. Ich wollte weiter seinen Blick auf mir spüren. Seine Wärme und auch seine Berührungen. Wenn das bedeutete, dass ich dieses Spiel verlieren würde, war es mir egal. Ebenso egal war es mir, wer uns sehen konnte, wenn ich das vermutlich Verrückteste in meinem ganzen Leben tat.
»Ich gebe auf.« Ich beugte meinen Kopf ein kleines Stück vor und überbrückte so die letzte Distanz zwischen uns. Unsere Blicke verhakten sich ineinander und seine Augen verdunkelten sich.
Ist das nicht eine Nummer zu groß für dich? Oder willst du es heute Nacht wissen? In diesem Moment an Hunter zu denken, kam mir mehr als falsch vor. Vor allem, weil er mir mal wieder mit diesem Spruch einen heftigen Stich versetzt hatte. Wahrscheinlich war ich wirklich nicht für diese Art von Spaß gemacht. Vielleicht würde das hier auch nicht funktionieren und vielleicht würde ich es schon in einigen Stunden bereuen. Doch um Hunter endlich aus meinem Kopf zu vertreiben, war es den Versuch wert. Ich schlang meine Arme um Captain Hooks Hals, um ihn noch näher an mich ziehen zu können. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb, während er seine Hand vorsichtig in meine Haare schob.
»Was hast du vor?« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Meinen Wetteinsatz einlösen.«
Langsam legte ich meine Lippen über dem Bart auf seine. Ganz leicht, sanft und vorsichtig, während wir uns immer noch ansahen. Ich veränderte den Druck meiner Lippen nur ein wenig, aber diese kleine Bewegung reichte aus, um die Welt um uns herum endgültig zu vergessen.
Die Tür zum Cake ‘n’ Coffee öffnete sich. Erwartungsvoll hob ich den Kopf, ein Pärchen betrat das Café und klopfte sich den Schnee von den Stiefeln. Enttäuscht sah ich wieder auf den Bestellzettel, der vor mir lag, und massierte dabei mit den Fingern meine Schläfen. Das Schlimmste nach einer Party war nicht ein mittelschwerer Kater oder der extreme Schlafmangel. Das größte Problem war nicht einmal, dass ich am Sonntag die Frühschicht abbekommen hatte. Das Schlimmste war, wenn dein Herz vor lauter Glück überlief und du darauf warten musstest, es endlich jemandem erzählen zu können, aber dieser jemand einfach nicht auftauchte.
»Summer, kannst du für meinen Tisch auch zwei Espresso machen?«
Geistesabwesend nickte ich Betty zu und stellte zwei Tassen unter den Kaffeeautomaten. In kürzester Zeit hatte ich zwei Tabletts mit Schokoladencupcakes, Latte Macchiato und Espresso beladen. Betty kam und nahm dankend ihre Bestellung entgegen. Ich hatte mit meinem Job großes Glück gehabt. Die Spätschichten gingen nie länger als 18.00 Uhr, Betty, die Besitzerin, war supernett und die Bezahlung war mehr als okay. Das kleine Campuscafé war gerade zur Winterzeit ein Geheimtipp. Hier gab es nicht nur die leckersten Kuchen und Kaffeekreationen, für die es sich zu sterben lohnte. Der verführerische Duft dieser Dinge stieg einem schon auf der Straße in die Nase und machte es einem unmöglich, einfach vorbeizugehen. Außerdem hatte Betty das sowieso schon kleine Café mit vielen Buddelschiffen und anderem Seemannszeug dekoriert, das überall herumstand. Niemand konnte sich frei zwischen den Tischen bewegen, ohne an etwas zu stoßen. Obwohl das Meer meilenweit entfernt war und dieses Café überhaupt nicht hierher passte, war es der gemütlichste Ort, den ich kannte.
Nachdem auch ich die Bestellung an den Tisch gebracht hatte, ging ich zu dem Pärchen, das vor wenigen Minuten zur Tür hereingekommen war.
»Hey, was kann ich euch bringen?« Mit einem Feuerzeug, das ich aus meiner Kellnerschürze gefischt hatte, zündete ich die kleine Kerze auf dem Tisch der beiden an. Der Typ trug eine dunkle Hornbrille und dazu ein Baseball-Cap, das in dem gleichen Blau gehalten war wie sein Hemd. Während er noch unschlüssig in die überschaubare Karte starrte, tippte sie ohne hochzusehen auf ihrem Smartphone herum. Ihre zum Bob geschnittenen platinblonden Haare bewegten sich nicht einen Millimeter.
»Wenn ihr noch einen Moment braucht, komme ich gleich noch mal wieder.« Das Dröhnen meines Kopfes ließ meine heute ohnehin kleine Geduldsspanne für unschlüssige Gäste auf null sinken.
»Nein, wir nehmen zweimal die heiße Schokolade mit Sojamilch und extra viel Zimt und einen von diesen gefüllten Kirschcupcakes.« Sie strich sich mit ihren perfekt manikürten Fingernägeln eine helle Strähne aus dem Gesicht. Auch jetzt sah sie mich nicht an. Ich nickte knapp, natürlich bestellten sie das angesagteste Hipster-Getränk der ganzen Winterzeit mit Pflanzenmilch und nur einen Cupcake dazu. Diese leckeren Dinger teilte man nicht. Jede Wette, dass sie später noch einen ordern würden. Bevor ich mich um die Getränke kümmerte, zündete ich auch noch die übrigen Kerzen auf den restlichen Tischen an. Wieder hinter dem Tresen schäumte ich heiße Sojamilch auf und verteilte sie in zwei Gläser mit Schokolade. Beim Anblick der bräunlichen Flüssigkeit machte mein Herz einen kleinen Sprung. Gestern hatte mit einem ähnlichen Drink alles angefangen. Schon verrückt, wie sich ganz plötzlich wegen Kleinigkeiten alles verändert. Noch nie hatte ich so spontan einen Fremden geküsst, von dem ich nicht mal wusste, wer er wirklich war. Das war verrückt und überhaupt nicht typisch für mich. Mir stieg die Hitze ins Gesicht bei dem Gedanken, wie seine Hände mich noch ein weniger näher an seinen Körper gezogen hatten und mich festhielten, als würden sie mich nie wieder loslassen wollen. An unseren atemberaubenden Kuss durfte ich überhaupt nicht denken. Es hatte sich alles einfach so verdammt gut und richtig angefühlt. Mehr als das. Dies war einer der Momente, von denen man sich wünschte, dass sie nie zu Ende gehen würden. Wie Cinderella, die auf dem Ball mit dem Prinzen tanzte, lange bevor der Zauber sich um Mitternacht in Rauch auflöste. Unwillkürlich musste ich lächeln.
»Was ist denn mit dir heute los? Du strahlst ja bis über beide Ohren.« Betty lehnte sich an die Theke und beobachtete mich von der Seite.
Mit gespielt unschuldiger Miene sah ich sie an. »Was meinst du?«
»Du brauchst mir nichts vormachen. Wenn man so strahlt, dann steckt da meistens ein Mann dahinter.«
Ich schnappte mir das Tablett mit dem einsamen Kirschcupcake und den beiden Gläsern mit der heißen Schokolade. »Vielleicht hast du ja recht.« Verschwörerisch zwinkerte ich ihr zu.
»Ich habe immer recht. Ihr jungen Dinger könnt mir da nichts vormachen.«
Ja, Betty konnte man wirklich nichts vorspielen. Sie war nicht nur die gute Seele des Cake ‘n’ Coffee, sie ging auch besonders liebevoll mit ihren Gästen und Mitarbeiterinnen um. Ihre rundliche Figur, die schneeweißen, zum Dutt gebundenen Haare und die kleine Brille, die immer auf ihrer Nasenspitze saß, passten auch einfach perfekt in diese kleine gemütliche Welt.
Ich brachte die Bestellung an den Tisch des Pärchens und stellte alles wortlos ab. In diesem Moment wurde erneut die Tür zum Café geöffnet. Automatisch drehte ich den Kopf in die Richtung. Kat war endlich da und meine Mundwinkel hoben sich sofort.
»Wo warst du so lange? Ich warte schon seit Stunden.« Stürmisch umarmte ich meine beste Freundin, nicht ohne ordentlich nass zu werden. Es hatte wieder angefangen zu schneien und ich hatte Kat keine Zeit gelassen, sich den Schnee von der Jacke zu klopfen.
»Wieso denn gewartet? Du hast doch jetzt erst Pause.« Sie zuckte mit den Schultern. »Deine Nachricht heute Morgen war auch mehr als kryptisch. Bester Kuss aller Zeiten mit Captain Hook. Muss dir alles erzählen.«
Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. Die Nachricht hatte ich ihr nach der Party noch geschrieben.
»Wo bitte bist du gestern gewesen? Ich habe das ganze Verbindungshaus nach dir abgesucht.« Kat ging zu einem der Tische am Fenster, nicht ohne gegen ein altes Fischernetz zu stoßen.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen. Ihr wart auf einmal alle verschwunden.« Mein Ton klang vorwurfsvoller, als er sollte.
»Die Jungs wollten noch ins Dean’s.« Kat rollte mit den Augen. »Es waren ihnen nicht genug Frauen auf der Party. Ich habe versucht dich anzurufen und dir eine Nachricht geschickt. Und als ich nach Hause kam, warst du schon im Bett« Sie zog sich die Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne. Verlegen schaute ich zu Boden. Um mein Handy zu checken, war ich gestern viel zu abgelenkt gewesen. Ihre Nachricht hatte ich erst gelesen, als mir ein paar Mädels von Delta Delta Phi gesagt hatten, dass die Schwimmer schon lange gegangen waren. »Ich hole uns schnell was zu trinken und sage Betty Bescheid.«
»Oh und bringst du bitte einen dieser leckeren, gefüllten Cupcakes mit?«
Das Tablett unter den Arm geklemmt, ging ich zurück zum Tresen, wo Betty schon amüsiert auf mich wartete. »Machst du jetzt Pause?«
»Wenn das okay für dich ist, dann …«
Sie unterbrach mich. »Aber sicher. Du hast deiner Freundin bestimmt eine Menge zu erzählen. Die paar Gäste schaffe ich auch kurz alleine.« Sie griff nach einem Lappen und begann einige Tische abzuwischen. Und ob ich Kat etwas zu erzählen hatte. Die letzten beiden gefüllten Kirschcupcakes in der Auslage legte ich auf einen Teller und machte Kat und mir noch schnell jeweils einen Milchkaffee mit extra viel Schaum. In Windeseile war ich bei ihr und stellte alles mitten auf den Tisch.
»Das brauche ich jetzt ganz dringend.« Sie schnappte sich einen der Cupcakes und biss genüsslich hinein. Grinsend nahm ich eines der Gläser vom Tablett und löffelte den Milchschaum herunter.
»Und jetzt erzähl. Wen hast du geküsst? «
Kleinlaut gab ich Kat eine Antwort. »Ich weiß es nicht.«
Kat sah mich mit großen Augen an. »Warst du so betrunken, dass du seinen Namen vergessen hast?«
»Nein, ich weiß einfach nicht, wie er heißt.« Umständlich rührte ich in meinem Kaffee herum.
»Und das soll ich dir glauben? Normalerweise forderst du doch ein polizeiliches Führungszeugnis an, bevor du dich auch nur mit einem Typen unterhältst.«
»Das stimmt doch gar nicht.« Schmollend schob ich die Unterlippe vor. »Ich bin einfach nur vorsichtig. Es kann ja nicht jeder so ein Glück wie du damals haben und schon im ersten Jahr am College den Mann fürs Leben finden.« Der Sarkasmus in meiner Stimme war überdeutlich zu hören. Nicht dass ich neidisch war, weil sie Jordan hatte. Diesen Typen gönnte ich ihr von ganzem Herzen, auch wenn ich nicht verstehen konnte, was sie an ihm fand.
»Okay, warum hast du dann vergessen nach seinem Namen zu fragen?« Kat steckte sich den Rest ihres Cupcakes in den Mund, um sich sofort daran zu verschlucken. »Hast du bei einem komischen Trinkspiel mitgemacht?«
»Das auch.« Meine Antwort klang, als hätte sie mich bei etwas Verbotenem erwischt.
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Wer bist du und was hast du mit meiner Freundin gemacht?« Kat lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Erwartungsvoll zog sie die Augenbrauen nach oben. Sie wollte alles wissen und würde nicht eher lockerlassen. Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas, bevor ich anfing, ihr alles bis ins kleinste Detail zu erzählen. Angefangen von Captain Hook mit seinem Papagei in der Küche bis zu dem Trinkspiel, das ich mit Absicht verloren hatte.
Kat grinste. »Ich hätte dir das echt fast abgekauft. Aber die Summer, die ich kenne, würde nie mit irgendeinem fremden Typen auf einer Party knutschen oder bei Trinkspielen mitmachen.«
»Hat sie aber und es macht sie sehr traurig, dass ihre beste Freundin ihr nicht glaubt.« Frustriert stützte ich das Kinn in die Handflächen. »Da macht man einmal in seinem Leben etwas Verrücktes und niemand kauft es einem ab.«
»Komm schon, du musst zugeben, dass das total verrückt klingt. So nach dem Motto, wenn der Märchenprinz nicht in Sicht ist, nehme ich einfach den bösen Piraten.« Kat prustete in ihr Glas und eine Wolke ihres Milchschaums landete auf dem Tisch.
»Kat, das ist nicht lustig.«
»Ich lache auch überhaupt nicht.« Sie räusperte sich. »Du weißt also weder, wer er ist, noch irgendetwas anderes über ihn?«
»Es war einfach keine Zeit …« Ich machte eine kleine Pause. »Für solche Dinge.«
»Schon klar. Wer muss auch schon wissen, mit wem er da genau knutscht.« Kat kicherte erneut.
»Nein, das war nicht einfach nur ein Kuss. Das war … wie der erste Bissen von diesem Cupcake. Wenn du in den lockeren Kuchenteig beißt und dir die Kirschfüllung in den Mund läuft und auf der Zunge zergeht und du dir zum Schluss noch einen Hauch von Vanillepuderzucker und Zimt von den Lippen leckst. In diesem Augenblick weißt du genau, dass du dieses himmlische Stück Kuchen mit niemandem teilen wirst, egal was passiert.«
Kat schluckte schwer. »Wow. Du meinst das echt ernst. Ich brauche dich vermutlich gar nicht fragen, ob ich deinen Cupcake auch noch kriege?«
Grinsend sah ich sie an. »Nicht in hundert Jahren.« Schnell schnappte ich mir das Stück Gebäck und biss hinein. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. Es war genauso, wie ich es eben beschrieben hatte, wenn nicht sogar noch besser.
Kat verzog den Mund zu einer Schnute. »Das war eindeutig. Und wann wirst du deinen süßen Seeräuber wiedersehen?«
Resigniert lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück. »Ich weiß es nicht.«
»Habt ihr kein Date ausgemacht?«
Stumm schüttelte ich den Kopf.
»Hast du schon dein Telefon gecheckt. Er hat sich bestimmt schon vor Stunden bei dir gemeldet.«
Als Antwort stieß ich langsam die Luft aus.
»Nicht? Was für ein Arsch.«
»Er ist kein Arsch, ganz bestimmt nicht.«
»Na, dann melde du dich doch einfach bei ihm.« Kat zuckte mit den Schultern, als wäre das alles überhaupt kein Problem.
»Würde ich ja gerne, aber geht leider nicht.«
»Sag jetzt nicht, er hat dir seine Nummer nicht gegeben?«
Mein Blick war auf die Flamme der Kerze gerichtet, die nervös bei jedem Luftzug zuckte. »Wir haben keine Nummern getauscht. Ich weiß nichts über ihn. Nicht mal, wie er ohne seine Verkleidung aussieht.« Was sich in meinem Herzen eben noch so richtig angefühlt hatte, bekam auf einmal einen verzweifelten Beigeschmack. »Was soll ich denn jetzt machen?«
»Summer, bist du dir sicher, dass er das zwischen euch genauso sieht wie du?«
»Alles, was gestern passiert ist, war keine billige Anmache oder ein Spiel. Er hat sich nicht aufgedrängt und ich habe mich nicht eine Sekunde unwohl bei ihm gefühlt. Der Kuss war meine Idee und selbst dabei war er zurückhaltend und …« Seufzend brach ich ab. Auf keinen Fall konnte ich mich in Hook getäuscht haben. Das durfte einfach nicht sein. »Und ich war es auch, die ihn verloren hat, weil ich kurz verschwunden bin, um dich zu suchen.«
»Hast du ihm denn nicht gesagt, dass du gleich wiederkommst?«
»Natürlich. Aber als ich zurück in die Küche kam, gabs da Stress mit ein paar Typen. In dem ganzen Chaos habe ich Hook nicht mehr gefunden.«
»Hook.« Kat hielt sich kichernd die Hand vor den Mund. »Okay, du musst doch irgendetwas wissen, außer seinen Pseudonamen.«
Halbherzig biss ich erneut von meinem Cupcake ab. »Nein.«
»Mit wem ist er auf der Party aufgetaucht?«
»Keine Ahnung.«
»Hat ihn jemand angesprochen?«
Ich überlegte kurz. »Auch nicht.«
»Aber er ist schon Student hier?«
»Das auf jeden Fall. Da bin ich mir sicher.«
Kat pustete sich eine Locke aus der Stirn. »Hast du mit jemandem gesprochen, als du mit ihm zusammen warst? Vielleicht können wir denjenigen fragen, ob er den mysteriösen Piraten erkannt hat?«
»Kat, ich glaube nicht, dass das hier sonderlich viel bringt. Ich habe auf nichts außer auf ihn geachtet.« Mit den Händen rieb ich mir über mein Gesicht. So würden wir nicht weiterkommen.
Kat hatte sich über den Tisch zu mir gebeugt. »Und du hast ihn wirklich mit diesem Seeräuber-Bart geküsst?« Jetzt musste ich kichern. »Ja, und es war der beste Kuss ever.«
»Das ist jetzt schon irgendwie … pervers.«
Ruckartig drehte ich mich um. Hinter mir stand Hunter und hielt sich lässig an meiner Stuhllehne fest. Sofort schoss mir die Hitze in die Wangen. Wie lange stand er schon da und hörte uns zu? Ich drehte mich wieder zu Kat und warf ihr einen strafenden Blick zu. Sie hob nur entschuldigend die Hände. Das Cake ‘n’ Coffee war normalerweise nicht die Art von Café, das Hunter bevorzugte. Er war noch nie hergekommen, egal ob in Begleitung oder weil Kat mich gerade besuchte. Das war der einzige Ort, an dem ich sicher vor ihm und meinen Gefühlen war - immer. Aber auch das konnte er mit seiner Anwesenheit und einem blöden Spruch innerhalb von Sekunden kaputt machen. Hunter schlenderte um den Tisch herum und ließ sich unaufgefordert auf den Stuhl mir gegenüber fallen. Seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und sein ausgewaschenes College-T-Shirt war zerknittert, als hätte er darin geschlafen. Im Sitzen zog er etwas aus seiner Jeans und legte es auf den Tisch. Den Schlüssel zu unserer Wohnung.
»Euer Sofa war wie immer ein Traum.« Das sagte er ständig, wenn er bei uns übernachtet hatte. Man wusste nie, ob er das ernst meinte oder der pure Sarkasmus aus ihm sprach. Genauso wenig war ich mir sicher, ob das komische Gefühl in meiner Magengegend an seiner Bemerkung lag oder daran, dass er mich noch nicht einmal angesehen hatte. Ohne einen weiteren Kommentar zog er sein Smartphone aus der Tasche und starrte hinein. Angespannt wischte ich mir meine Hände an meiner Hose ab und griff dann nach einem der Flyer, die auf dem Tisch lagen. Winter-Jahrmarkt im Merrill Park – Spaß bei Schnee und Eis stand darauf, die Rückseite war leer. Normalerweise war diese Art von Papier nicht so gut geeignet, aber besondere Situationen erforderten außergewöhnliche Maßnahmen. Ich suchte in meiner Schürze nach einem Kugelschreiber und fing an, Muster auf das leere Blatt zu zeichnen. Immer wieder malte ich unterschiedliche Formen und Kreise dicht aneinander, bis kein Platz mehr auf dem Papier war und alles so wirkte, als wäre es mehrdimensional ineinander verschmolzen. Als ich erneut nach einem Flyer greifen wollte, sah ich kurz zu Kat, die mir fasziniert zugesehen hatte und sich dann räusperte. »Wo warst du gestern eigentlich Hunter? Du wolltest doch auch noch zu Delta Delta Phi kommen.«
»Hatte was Besseres zu tun.« Er hob den Kopf und schaute Kat kurz an. »Aber so wie es aussieht, habe ich echt was verpasst.« Jetzt sah er direkt zu mir. Das Papier des Flyers wurde in meinen Händen ganz wellig. Sein Blick hielt mich fest, als wenn er mich gerade nackt unter der Dusche erwischt hätte. Mein Herzschlag begann zu stolpern. Was für einen Schwachsinn dachte ich da bloß schon wieder? Hilfesuchend sah ich Kat an.
»Summer hat gestern jemanden kennengelernt.«
»Kat!« Entsetzt schnappte ich nach Luft. Hunter auch noch mehr Informationen direkt vor die Füße zu werfen, machte es definitiv nicht besser.
»Hm, kann ich mir vorstellen. Summer hat es bestimmt richtig krachen lassen. Du hättest mir aber ruhig sagen können, dass junge Matrosen eigentlich nicht so dein Ding sind und du eher auf alte Seebären stehst.« Ein selbstgefälliges Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Er spielte auf unsere Unterhaltung im Bad an.
Kat sah irritiert zwischen Hunter und mir hin und her. »Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?«
Ich schüttelte den Kopf und sah dann auf meine Armbanduhr. »Meine Pause ist gleich um.«