Hymnos an den Süden - Michael Dangl - E-Book

Hymnos an den Süden E-Book

Michael Dangl

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Beschreibung

Michael Dangls HYMNOS AN DEN SÜDEN steht in der Tradition des klassischen Epos – der erzählenden Dichtung im Hexameter. Es ist nichts weniger als die Biografie eines von klein auf die Sonne suchenden, sich ganz der Sonne, dem Süden verschreibenden Mitteleuropäers. Der CANTO VENEZIANO ist eine poetische Fahrt vom Flughafen Venedig über die Lagune zum Markusplatz. Kürzere Gedichte (wie die UDINESER ELEGIE) sind Ernten vieler Reisen zu den Wundern, die dort, wo die Sonne zuhaus ist, Wirklichkeit sind.

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Seitenzahl: 55

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MICHAEL DANGL

Hymnos an den Süden

GEDICHTE

Der Umschlag zeigt „Die letzte Glut“von Eduard Angeli.Danke dem Künstler!

„È lui che comanda“

Neapolitanischer Tomatenbauer über die Sonne

Inhalt

HYMNOS AN DEN SÜDEN

CAFFÈ FLORIAN

SOMMER

ROSINA

EXCELSIOR

DIE ENGEL

KLEINE GRADESER ELEGIE

MAHLER IN VENEDIG

SAN TROVASO

CANTO VENEZIANO

CAMPO PATRIARCA ELIA

MALAMOCCO

HYMNOS AN DEN SÜDEN

Singe mir, Muse, das Lied von der Rückkehr des südlichen Sommers,den ich zwei Jahre vermisst – zwei Jahre, beinahe ganz ohneden Glanz des Südens sind Jahre des Winters in meiner Brust,um meine Schläfen, die kindheitsbeflaumt von jenem geküsst,gestreichelt, mit Lorbeer gekränzt, seinem duftenden, von seinen Winden,den süßen, umspielt und göttlich gesegnet gewesen sind.War doch die Zeit seit September ein Warten stets auf den Mai;drei Teile des Jahrwegs ein Gehen durch dunkles Tal hin zum hellerenViertel; ein langer eisiger Pfad bis zum ersten Blinkendes Tauens von Flüssen und Seen, zu den ersten Glockenblumenund Ostersonntags frühlingsverkündendem Glockengeläut.Was andre nur dumpf so empfunden, hab ich lebendig gespürt –die stickige Luft in den Bronchien, den beißenden Frost in den Knochen,die feuchte Fäulnis im eignen Gebälk und das schwere Gemüt –das, was meine Heimat sich nennt, wie wusste ich es schon frühdavon geprägt und geschunden – das schöne Land meiner Herkunft,es seufzt unter seiner zu spärlichen Sonne und schmiedet darausein allzu oft unterkühltes Herz, das nach Wärme sich sehntund seine Sehnsucht in traurigem Wohlstand beschwichtigt und zähmt.

Doch habe ich vor der eigenen Türe das ewig übrigeHerbstlaub zu kehren gelernt gerade auf meinen Reisenund will nicht anklagen noch klagen. Selbst bin ich, was die Göttermir schenkten, zu sein und daraus zu machen. Ihr Werk, und meins.Friedvoll soll es anheben, das Hochlied des Sommers, friedvollwie die zahllosen Reisenden, funkelnde Wellchen, anlaufendas morgendlich stille Gestade, harmonisch wie der Möwenfrüher Ausflug, melodisch wie der Marktfrauen ersterGruß auf der Straße zum Dorf, und wie das Nicken des Gärtnersein Ausdruck der arbeitsamen, schöpfungsfreundlichen Zuversicht.

Sommerlich eben, und südlich, duftend von der letztenNacht Würze, welche jetzt im Frühwind zerstiebt, im linden,der in der Pinien und Kiefern sonnengeübten Häupternspielt: Ein Musicus stimmt seine Laute; ein Kind bestimmtschlaftrunken sein Spielzeug des Tags; offen noch sind die Wegedes südlichen Morgens, unverbraucht von Jahrmillionenund recht von des Menschen eitlem Getu’ die steigende Sonne,das Land unter ihr. Die Schöpfung gebiert sich täglich neu, dich mit ihr, wenn du ihr dein nächtlich verworrenes Gesichthinreichst und deine Arme, schwer allein vom Gewichtdes Schlafs, aufhebst zum glühenden Ball, als könnte sein Fallin ihnen landen – oder so, als hübst du ihn hoch.Du allein: Am Morgen bist du es immer, und gut.Ist doch alles Gemeinsame nichts als das Kreuzen von einsamenLinien im All. Dann trifft der Schreibende auf den Lesenden,grüßt den Seienden der Gewesene, ergibt sich so etwaswie Sinn. Aus den Tiefen nur ahnen wir langsam der Übrigen Licht.

Aufsteigt die Sonne. Nichts anderes zählt. Die südliche Frühe –die leere Bühne vor Spielbeginn, das weiße Blatt,zitternd vor Unschuld, und sehnsüchtig wartend deiner Ideen.

Wintergeborene, heißt es, strebten besonders zur Sonne,weil ihrer Sinne Erwachen zusammenfiel mit dem Erwachendes Jahres, des Frühlings, weil ihre erste Welterfahrungdie einer wachsenden, werdenden, blühenden Erde war.Als aus den Winterkammern ihrer Ankunft man siemutig ins Freie gezogen, war oft das Schlimmste vorbei,gewichen die Massen von Schnee, vom Eise befreit lag das Land,der Neuankömmling in ihm, aufatmend beide im Glänzender wiederaufsteigenden Sonne, des neuaufsteigenden Seins.Das erste eidechsenhafte Sondieren des Planeten, die frühenmondlandungsähnlich hopsenden, torkelnden Schritte auf ihm:Schicht um Schicht von weniger hemmendem Stoff beschwert –das In-die-neue-Welt-Steigen war selbstverständlich begleitetvom leichter Werden des Lebens in ihr, von wärmer Werden,freundlicher, heller – südlicher, wie man es später denkt.Denn bald war klar, dass, was zuhause Sommer sich nannte– so prächtig die früchtebeladenen Wägen auch zogen durchs Land –nur blasse Schwestern der stolzen südlichen Königin waren.Sehr früh, ach, weist man für den, dem früh man den Süden gibt,den Reiz des Eigenen, Nördlichen in die Schranken. Beschränktwird fortan er alles finden in ihm; die Hitze der Tage,die räumemeiden- und unter Sternen auf Dächern schwärmenlassendeGlut der Nächte, er wird sie vermissen, sobalder sie einmal gekostet; und auch der kunstvoll geschnitzte Witzseiner Heimat wird stumpf ihm vorkommen, hält er ihn von früh

an im Geist

neben das, was südlich der Alpen an Fröhlichkeit blüht. Natürlichwird, wer im steigenden Jahr aufgetreten und bald schon im Südengastiert, die Sonne als gottgegeben, die Wärme als Lebenverstehen, und die Trübnis und Kälte gleich immer als tödlich empfinden.Schwer wird dem sonnengeküssten Kind der Aufwuchs in dem,was nach Vorschrift und Reisepass Wirklichkeit heißt, und schwer

verständlich.

Dass kirchliche Feiern im Innern sich abspielten, war zu begreifen.Der kirchliche Innenraum schien auch der einzige, der ausgenommenvom Konkurrenzkampf mit dem Außen war: ein Raum,den man betrat mit so viel Ahnung, solcher Achtungfür die andere Welt, die er verhieß, die Weltdahinter, dass das Hineingehen mehr wie ein Aufgehen war,marmorglänzender Zuspruch, Versprechen, wie ein geheimesReich, ein goldenes Flüstern, das den Augen lohnte,lange im Dunkel einer Kapelle haften zu bleiben,bis ein Heiliger löste sich still aus dem rußgeschwärztenBild, oder ein Engel, mädchenhaft, der den Blicknach oben wies, ins Kuppelblau, das nie verhangen,nie verdüstert wie der Himmel draußen lag,ein besserer Himmel, den der Baumeister da uns ersonnen,der italienisch wohl war, sein Himmel daher auch – südlicher.Wenn man dann hinging in Frieden, orgelumwogt, und draußendie Sonne schien, war das kein Widerspruch, passte vielmehr zur Feier,setzte ins Freie sie fort. Der Tag war noch jung, der Morgen,den man verlassen, nun in den strahlendsten Mittag gewachsen;ein Mann, der Tag, ein Knabe man selbst, der’s mit ihm aufnahm.Doch man war nicht allein. Je höher der kirchliche Festtag, des größerdie Schar der Verwandten mit Spitzenbluse und feixendem Mund.Der Gang durch Gottes Natur war nichts als der Weg ins Wirtshaus.Die eben noch Kreuze geschlagen, die Speisekarten schlugensie auf. Und schlugen zu mit Speis und Getränk, als hättensie lange gedarbt. Doch was das Unverständlichste war:Sie taten’s nicht draußen. Eingesperrt in luftlosen Sälensaßen sie schwitzend im Trachtengewand, während steinerne Storesden blühenden Mittag verbargen, verwehrten, versehrten, verdarben,