Ich glaube an dich! - Toni Waidacher - E-Book

Ich glaube an dich! E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Monika Zirbler schaute kopfschüttelnd auf ihren Bruder, der mißgelaunt auf dem Sofa saß und die Wand anstarrte. »Loisl, jetzt hock' doch net den ganzen Tag da herum«, sagte sie ärgerlich. »Willst net mal ein bissel spazierengehn? Der Doktor hat dir Bewegung verordnet.« »Der Doktor, was der schon sagt!« raunzte der alte Senner. »Ich will zurück auf meine Hütte, und sonst gar nix!« Seine Schwester setzte sich in einen Sessel. »Der Herr Hofbauer und Pfarrer Trenker haben dir doch erklärt, daß das net geht. Du mußt doch ein Einsehen haben. Mit deiner Erkrankung ist das keine Arbeit mehr für dich.« Mehr als vierzig Jahre hatte Alois Krinzinger als Senner in der Birrachhütte gelebt. Nach einem Herzinfark war er gerade so eben dem Tode entronnen. Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, richtete ihm seine Schwester ein Zimmer in ihrem Haus ein. Monika Zirbler war verwitwet, die kleine Wohnung im Obergeschoß hatte sie an eine junge Lehrerin vermietet, unten wohnte sie jetzt zusammen mit ihrem Bruder. Alois konnte sich indes nicht mit seiner Situation abfinden. Die Einsamkeit der Berge fehlte ihm, die frische Luft und nicht zuletzt seine Tiere. Der Ruf des von ihm hergestellten Bergkäses war legendär. »Ich muß wieder hinauf!«

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Der Bergpfarrer – 395 –

Ich glaube an dich!

Toni Waidacher

Monika Zirbler schaute kopfschüttelnd auf ihren Bruder, der mißgelaunt auf dem Sofa saß und die Wand anstarrte.

»Loisl, jetzt hock’ doch net den ganzen Tag da herum«, sagte sie ärgerlich. »Willst net mal ein bissel spazierengehn? Der Doktor hat dir Bewegung verordnet.«

»Der Doktor, was der schon sagt!« raunzte der alte Senner. »Ich will zurück auf meine Hütte, und sonst gar nix!«

Seine Schwester setzte sich in einen Sessel.

»Der Herr Hofbauer und Pfarrer Trenker haben dir doch erklärt, daß das net geht. Du mußt doch ein Einsehen haben. Mit deiner Erkrankung ist das keine Arbeit mehr für dich.«

Mehr als vierzig Jahre hatte Alois Krinzinger als Senner in der Birrachhütte gelebt. Nach einem Herzinfark war er gerade so eben dem Tode entronnen. Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, richtete ihm seine Schwester ein Zimmer in ihrem Haus ein. Monika Zirbler war verwitwet, die kleine Wohnung im Obergeschoß hatte sie an eine junge Lehrerin vermietet, unten wohnte sie jetzt zusammen mit ihrem Bruder.

Alois konnte sich indes nicht mit seiner Situation abfinden. Die Einsamkeit der Berge fehlte ihm, die frische Luft und nicht zuletzt seine Tiere. Der Ruf des von ihm hergestellten Bergkäses war legendär.

»Ich muß wieder hinauf!« sagte er. »Der Wendelbauer braucht mich. Sepp wollt’ nur so lang’ einspringen, bis ich wieder zurückkomm’.«

»Gar nix mußt’!« beschied ihm seine Schwester. »Die Luft da oben ist viel zu dünn für dein krankes Herz. Der Bauer muß eben sehn, wie er mit dem Problem fertig wird. Du hast ein viel größeres, nämlich deine Gesundheit!«

Sie deutete auf die Medikamente, die auf einem kleinen Tablett vor ihm standen. Tabletten zur Blutdrucksenkung, welche, die das Blut verdünnen sollten, andere wiederum, die die Arterien von Verkalkung freihalten mußten.

»Hast überhaupt schon deine Pillen genommen?« wollte sie wissen.

Der alte Senner schaute verächtlich auf die Packungen.

»Das Zeug nehm ich net«, antwortete er störrisch.

»Dann weißt ja, was mit dir geschieht. Der Doktor hat’s dir doch beschrieben. Willst etwa ins Krankenhaus zurück, weil du am Herzen operiert werden mußt?«

Dieser Gedanke war Loisl noch schlimmer, als die gräßlichen Tabletten zu schlucken.

Mit einer unmutigen Bewegung griff er nach dem Wasserglas.

Draußen klingelte es an der Haustür. Monika Zirbler öffnete.

»Ach, Hochwürden, was für ein Segen, daß Sie kommen«, sagte die Witwe. »Der Loisl will überhaupt net auf mich hören. Wenn ich ihm net mit dem Krankenhaus gedroht hätt’, würd’ er net einmal seine Medikamente nehmen.«

Sebastian Trenker folgte ihr ins Wohnzimmer.

»Grüß dich, Loisl«, nickte er dem Alten zu. »Ich wollt mal nach dir schaun und mich erkundigen, wie’s dir geht. Hast dich inzwischen gut eingelebt?«

Alois Krinzinger zog ein Gesicht.

»Warum darf ich net in meine Hütte zurück?« fragte er.

Der gute Hirte von St. Johann setzte sich.

»Tja, Loisl, manchmal geht’s eben net so, wie man’s gern möcht«, erklärte er. »Schau, dein Herz ist durch den Infarkt geschädigt. Du hast großes Glück gehabt, daß d’ um eine Bypaß­operation herumgekommen bist. Die Ärzte im Krankenhaus, und auch unser Dr. Wiesinger, sind sehr zuversichtlich, daß d’ noch viele Jahre leben wirst. Aber da mußt selbst bei mithelfen. Viel Bewegung, eine gesunde Er­näh­rung und, leider, auch die Medikamente helfen dir dabei. Aber natürlich liegt’s nur an dir, was d’ daraus machst.«

»Wie geht’s denn auf der Hütte?« wollte Loisl wissen. »Waren S’ in letzter Zeit mal wieder oben? Kommt der Sepp überhaupt zurecht?«

Pfarrer Trenker machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Ja, ich war droben«, antwortete er. »Und ich will dir net verschweigen, daß es dem Sepp überhaupt keinen Spaß macht. Es ist ihm zu einsam. Das was dir überhaupt nix ausgemacht hat, ist ihm ein Greuel. Über kurz oder lang wird sich der Wendelbauer nach einem geeigneten Ersatz umsehen müssen. Aber der wirst net du sein.«

Der Senner seufzte und ließ die Schultern hängen.

»Ich brauch halt noch ein bissel Zeit, mich damit abzufinden«, meinte er.

»Die Monika wird dir dabei helfen, und ich bin auch immer für dich da.«

Loisl nickte.

»Dank’ schön, Hochwürden.«

Sebastian setzte sich in seinen Wagen. Er konnte verstehen, daß es für den alten Mann nicht einfach war, sein Leben von heute auf morgen gänzlich zu ändern, weil eine Krankheit ihn dazu zwang. Aber wenn er konnte, wollte er Loisl beistehen. Es war nicht nur seine Pflicht als Seel­sorger, für seine Pfarrkinder da zu sein, wann immer sie ihn brauchten. Solange er zurückdenken konnte, war es Sebastian Trenker ein Bedürfnis gewesen, Menschen beizustehen, die in Not waren, vielleicht auch deshalb hatte er sich dafür entschieden, Priester zu werden.

Eigentlich fuhr er nie mit dem Auto, es sei denn, es ging nicht anders, so, wie heute. Der Besuch bei Alois Krinzinger war eine Sache, die er an diesem Morgen zu erledigen hatte. Die andere lag noch vor ihm.

Der Weg des Geistlichen führte ihn in das Gefängnis der Kreisstadt.

*

Georg Burgthaler stand mit dem Gesicht zum Fenster und schaute durch die Gitterstäbe. Draußen schien die Sonne, es war ein schöner Spätsommertag. Außer dem Himmel konnte er allerdings nicht viel sehen. Sein Blick fiel genau auf den gegen­überliegenden Trakt des Gefängnisses. Auch dort waren die Fenster vergittert, einzelne Gesichter sahen hindurch, wollten einen kleinen Zipfel der Freiheit erhaschen.

Durch das markant geschnittene Gesicht des Mannes ging ein unmerkliches Zucken, als sich hinter ihm der Schlüssel im Schloß seiner Zellentür drehte. Die Pritsche war hochgeklappt, die Decke für die Nacht ordentlich zusammengefaltet. Auf dem kleinen Tisch standen seine wenigen Habseligkeiten, die er in dem kleinen Raum haben durfte, fein säuberlich in einem offenen Pappkarton.

Waschzeug, Zahnbürste, der eletrische Rasierapparat. Daneben ein Buch aus der Gefängnisbücherei, das Georg ausgeliehen hatte.

»So, Herr Burgthaler, jetzt ist’s soweit«, sagt der Wachbeamte. »Jetzt dürfen S’ hinaus, in die Freiheit.«

Georg hatte sich zu Alfons Steiner herumgedreht. Seine Miene verriet nicht, was er in diesem Moment dachte oder empfand.

»Freun S’ sich net?

Der Justizwachtmeister kannte diese Situation. Hier drinnen war für die Strafgefangenen alles geregelt, wenn sie entlassen wurden, mußten sie selbst zusehen, wie sie ihr Leben wieder auf die Reihe bekamen.

»Keine Angst«, fuhr der Beamte fort. »Pfarrer Trenker ist gekommen, um Sie abzuholen, und Ihr Bewährungshelfer wird sich weiter um Sie kümmern.«

Georg Burgthaler nickte und nahm den Pappkarton auf. Er folgte Alfons Steiner nach draußen. In der Tür blieb er kurz stehen und warf einen letzten Blick zurück.

Zwei Jahre hatte er die weißen Wände angestarrt, jetzt wollte er sie niemals in seinem Leben wiedersehen.

Zwei Jahre und acht Monate Gefängnis, wegen Wilddiebstahls, so hatte das Urteil gelautet, das das Gericht gegen ihn verhängte. Alles Beteuern, er sei nicht der Schuldige, hatte ihm nichts genützt, und er mußte seine Strafe antreten.

Daß Georg jetzt vorzeitig entlassen wurde, lag vor allem auch an seinem Verhalten. Ohne Auflehnung hatte er sich dem Gefängnisalltag untergeordnet und war nie auffällig geworden. Nach einem Jahr schon durfte er als Freigänger draußen in einer Gärtnerei arbeiten. Diese Vergünstigung hatte er auch im wesentlichen Pfarrer Trenker zu verdanken, der sich bei den verschiedensten Stellen für ihn eingesetzt hatte. Ebenso wie der Geistliche sich bemühte, Georgs vorzeitige Entlassung zu erreichen.

Nicht zuletzt war der Bergpfarrer auch der einzige Mensch, der ihn hier im Gefängnis besucht hatte.

Nachdem er sich umgezogen und den Empfang seiner persönlichen Sachen, die er vor zwei Jahren hatte abgeben müssen, quittiert hatte, durfte Georg Burgthaler die Sicherheitsschleuse betreten. Hinter ihm fiel die schwere Eisentür zu, eine andere vor ihm öffnete sich mit einem lauten Signalton.

Draußen, auf dem Hof, stand Sebastian Trenker. Er ging dem entlassenen Strafgefangenen entgegen und reichte ihm die Hand.

»Willkommen in der Freiheit, Georg«, sagte er.

Zum ersten Mal konnte der Dreißigjährige seine Rührung nicht verbergen.

»Dank’ schön, Hochwürden«, murmelte er mit bewegter Stimme, während er den Händedruck erwiderte.

Am Tor mußte er noch einmal seine Entlassungspapiere vorzeigen, dann öffnete sich auch die letzte Sperre, und Georg Burg­thaler war wieder ein freier Mann.

»Was wirst jetzt anfangen?« fragte Sebastian, als sie in seinem Wagen saßen.

Georg zuckte die Schulter.

»Auf jeden Fall nix, was mich wieder hierherbringt«, sagte er. »Irgendeine Arbeit halt.«

»Ich hab mit deinem Bewährungshelfer gesprochen. Es wird net leicht sein, was zu finden. Der Herr Randler hat bereits versucht, in verschiedenen Betrieben eine Stelle für dich zu finden. Aber überall herrscht Einstellungsstop, die wirtschaftliche Lage ist net die Beste.«

Der Mann neben ihm nickte.

»Vielleicht kann ich bei einem Bauern unterkommen.«

Sebastian Trenker sagte nichts darauf. Diese Möglichkeit schien ihm am wenigsten in Betracht zu kommen. Georg Burgthaler war im Wachnertal bekannt, leider eher durch seinen schlechten Ruf denn als guter Arbeiter.

Der gute Hirte von St. Johann mochte nicht bestreiten, daß der Dreißigjährige die letzten zwei Jahre unschuldig im Gefängnis saß – Tatsache war allerdings, daß der Burgthaler Georg bereits mit dreiundzwanzig Jahren wegen Wilddieberei verurteilt worden war. Damals hatte er noch einen gnädigen Richter gefunden, und die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Deshalb war im letzten Fall das Strafmaß so hoch gewesen, weil er als Wiederholungstäter galt.

Zu der Zeit hatte er als Knecht auf einem Bauernhof gearbeitet. Es war nicht sehr wahrscheinlich, daß er dort wieder unterkommen konnte, zumal der junge Mann, der früh Waise geworden war, es mit dem Alkohol nicht so genau nahm und gerne einmal einen über den Durst trank. Von den Schlägereien im Wirtshaus oder auf Kirchweihen, die er dann angezettelt hatte, sprachen die Leute in St. Johann heute noch.

»Jetzt kommst erstmal mit ins Pfarrhaus«, sagte Sebastian. »Da bleibst eine Weile, bis wir was für dich gefunden haben. Meine Haushälterin hat bestimmt schon ein gutes Essen vorbereitet.«

Georg Burgthaler sah ihn unsicher von der Seite her an.

»Was wird denn Ihr Bruder dazu sagen?«

Max Trenker, Polizist in St. Johann, hatte ihn seinerzeit verhaftet.

Der Geistliche schmunzelte.

»Max ist im Urlaub, der kommt erst in der nächsten Woche zurück«, beruhigte er ihn. »Und selbst wenn er daheim wär’ – er hat keine Vorurteile gegen dich. Deine Strafe, ob gerechtfertigt oder net, sei einmal dahingestellt, hast abgesessen, und für ihn bist genauso wieder ein Mitglied der Gesellschaft wie für mich.«

Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Als sie das Ortsschild erreichten, atmete Georg tief durch.

Endlich war er wieder daheim!

Im Pfarrhaus wartete Sophie Tappert bereits mit dem Essen. Ein leckeres Schwammerlgulasch hatte sie gekocht, dazu Semmelnknödel und Salat aus dem Pfarrgarten. Das angebotene Bier lehnte der Gast ab.

»Ich hatte zwei Jahr Gelegenheit, über mein Leben nachzudenken«, sagte er. »Es ist viel verkehrt gelaufen, in vergangener Zeit, und ich weiß, daß ich net unschuldig daran bin. Jetzt will ich net meine Fehler wiederholen. Mag sein, daß ich dann und wann ein Bier trinken werd, aber noch will ich net wieder damit anfangen.«

Diese Worte überzeugten Sebastian, daß es Georg wirklich ernst damit war, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Schon als er ihn im Gefängnis besuchte, hatte er gesagt, daß alles anders werden würde, wenn er wieder draußen war. Für den Seelsorger war es eine erfreuliche Erfahrung, dies zu hören, und er wollte alles in seiner Macht Stehende tun, ihm dabei zu helfen.

Nach dem Essen führte er Georg auf das Zimmer, das er zunächst bewohnen sollte. Am frühen Nachmittag erwarteten sie den Besuch des Bewährungshelfers.

Sie waren gespannt, ob es ihm wider aller Erwartung, gelungen war, für den Entlassenen eine Arbeit zu finden.

*

Peter Randler zog bedauernd die Schulter hoch.

»Es tut mir furchtbar leid, Herr Burgthaler, es ist im Moment unmöglich, Sie unterzubringen«, erklärte er. »Die wirtschaftliche Flaute macht sich in alle Bereichen bemerkbar. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, und wenn jemand tatsächlich einen einstellt, dann schaut er natürlich auf die Qualifikation. Außerdem – entschuldigen S’, wenn ich das so offen sag – bei Ihren Vorstrafen haben S’ da so gut wie keine Chance.«

Georgs Mund war ein schmaler Strich, er nickte düster, als er das hörte.

»Dennoch, lassen S’ den Kopf net hängen«, munterte der Bewährungshelfer ihn auf. »Gehn S’ so schnell wie möglich zum Arbeitsamt. Die werden irgendwas für Sie tun müssen, und wenn’s nur die Zahlung einer Arbeitslosenunterstützung ist. Und denken S’ daran, sich einmal in der Woche auf dem Polizeirevier zu melden. Das gehört zu den Bewährungsauflagen.«

Peter Randler stand auf.

»Ich werd mich natürlich weiter umsehn«, versprach er. »Vielleicht geschieht ja ein Wunder…«

Wunder? Das einzige Wunder, das mir in den vergangenen zwei Jahren widerfahren ist, ist meine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis, dachte Georg Burgthaler, als er nach dem Gespräch einen Spaziergang machte. Aber klar, wer will so einen wie mich schon einstellen?

Er war sich seiner aussichtslosen Lage durchaus bewußt. Aber was hätte er schon selbst dagegen unternehmen können? Das einzige, was ihm einfiel, wäre vielleicht gewesen, woanders hinzugehen und unter neuem Namen ein neues Leben zu beginnen. Doch vorerst durfte er das Wachnertal ja nicht verlassen.

Georg überquerte die Straße. Er achtete nicht auf die Menschen, die ihm begegneten, und sie nicht auf ihn. Die meisten waren Touristen, die die schöne Umgebung und die Ruhe des Alpendorfes genießen wollten.

Eine ältere Frau allerdings schaute dem jungen Mann doch hinterher. Maria Erbling, die Witwe des Poststellenleiters. Sie hatte ihn gesehen und überlegte, woher sie das Gesicht kannte. Immer wieder schaute sie sich um, und plötzlich fiel es ihr ein.

Der Wilddieb! Natürlich, der Burgthaler-Georg war’s und niemand anderer. Aber warum lief der frei herum? Seine Gefängnisstrafe konnte er doch noch gar net abgesessen haben…

Maria eilte zu ihrer Freundin, Theresa Keunhofer. Die ältliche Jungfer, die es nie in ihrem Leben geschafft hatte, einen Mann abzubekommen, und sie waren die dicksten Freundinnen, und sie hatten keine größere Leidenschaft, als bei Kaffee und Kuchen den neuesten Tratsch auszutauschen. Wobei sich Maria Erbling ganz besonders hervortat.