"Ich schaffs!" in der Schule -  - E-Book

"Ich schaffs!" in der Schule E-Book

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Beschreibung

"Ich schaffs!", das lösungsfokussierte Programm des finnischen Psychiaters Ben Furman, hat in viele Bereiche der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Eingang gefunden. Thomas Hegemann und Birgit Dissertori Psenner beschreiben hier erstmals ausführlich den Einsatz im Kontext Schule. Zusammen mit 21 weiteren Autor:innen erklären sie das Konzept der lösungsfokussierten Vorgehensweise und erläutern es an vielen Praxisbeispielen, und zwar für alle Schulformen und für zahlreiche verschiedene Anlässe. Im ersten Teil des Buches werden die Grundlagen der lösungsfokussierten Arbeit generell und für Schulen im Besonderen vorgestellt, und es werden die 15 Schritte des Programms beschrieben. Der zweite Teil vermittelt die Grundlagen einer lösungsfokussierten Schulentwicklung und ihre Umsetzung. Im dritten und größten Teil des Buches stellen Praktiker:innen die vielfachen Einsatzmöglichkeiten von "Ich schaffs!" im Schulalltag vor. Von der großen Bandbreite der beschriebenen Anwendungen profitieren alle Mitarbeiter:innen in Schulen sowie Organisationen, die mit Schulen zusammenarbeiten – von Lehrer:innen, Schulleiter:innen und Schulrät:innen über Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen bis zu Bildungspolitiker:innen. Mit Beiträgen von: Anke Brönstrup • Melisa Budimlic • Corinna Cappel-Sellin • Frank Dandyk • Stephan Deiner • Michael Eß • Michael Franz • Ben Furman • Karin Gummerer • Claudia Guth • Kirsten Hitter • Claudia Höhendinger • Amelie Huth • Eszter Jókay • Susanne Kaplan • Achim Korths • Adelheid Lücke • Iris Pescolderung • Martin Rederlechner • Robert Roedern • Gerd Seebacher • Ruedi Spiegel.

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Systemische Pädagogik

Was treibt Menschen zum Lernen an? Was hält sie davon ab? Wie kann eine funktionierende Lehrer-Schüler-Eltern-Beziehung entstehen? Wie gelingen Erziehung und Bildung? Was sind Kompetenzen und wie lässt sich deren Reifung unterstützen? Wie fördert man Persönlichkeiten?

Diese und ähnliche Fragen stehen im Mittelpunkt der Systemischen Pädagogik. Das Ziel ist ein von wechselseitigem Respekt geprägter Umgang von Schülern, Lehrern, Erziehern und Eltern. Gemeinsames Lernen mit Zuversicht und Spaß, der Blick auf die Potenziale und Fähigkeiten – zwei Grundannahmen der Systemischen Pädagogik. Gleichzeitig ist sich die Systemische Pädagogik der Tatsache bewusst, dass Menschen lernfähig, aber unbelehrbar sind. Welche Konsequenzen sich daraus für gelingende Lern- und Bildungsprozesse für Lehrende bzw. Lernbegleiter ergeben, ist eine wichtige Zukunftsfrage der Systemischen Pädagogik.

Der Ansatz der Systemischen Pädagogik verbindet systemtheoretische Erkenntnisse, Sicht- und Handlungsweisen mit dem Forschungsstand und den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaften und macht sie für den pädagogischen Alltag nutzbar. Auch im familiären Erziehungsalltag lässt sich systemisches Denken und Handeln gut nutzen, ohne Kinder zu disziplinieren oder ihnen mit Anpassungsforderungen zu begegnen. Selbstkritische und selbststeuerungsfähige Menschen benötigen sehr spezifische Möglichkeiten der Reifung und Auseinandersetzung beim Aufwachsen. Welche das sind und wie das gehen kann, zeigen anerkannte Therapeuten, Pädagogen und Berater in den Büchern dieser Reihe.

Prof. Dr. Rolf Arnold

Herausgeber der Reihe Systemische Pädagogik

Thomas Hegemann/Birgit Dissertori Psenner (Hrsg.)

»Ich schaffs!« in der Schule

Das lösungsfokussierte 15-Schritte-Programm für den schulischen Alltag

Mit Beiträgen von: Anke Brönstrup • Melisa Budimlic • Corinna Cappel-Sellin • Frank Dandyk • Stephan Deiner • Michael Eß • Michael Franz • Karin Gummerer • Claudia Guth • Kirsten Hitter • Claudia Höhendinger •Amelie Huth • Eszter Jókay • Susanne Kaplan • Adelheid Lücke • Iris Pescolderung • Martin Rederlechner • Robert Roedern • Gerd Seebacher • Ruedi Spiegel

Grafiken: Achim Korths

Mit einem Geleitwort von Ben Furman

Dritte Auflage, 2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Systemische Pädagogik«

hrsg. von Rolf Arnold

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel

Umschlagmotiv: © Shutterstock

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Dritte Auflage, 2023

ISBN 978-3-8497-0247-2 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8162-0 (ePub)

© 2018, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlagund Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

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Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

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Inhalt

Geleitwort von Ben Furman

Vorwort

1 EinleitungIch schaffs! als Leitungsmaxime, Grundzüge der Lösungsfokussierung und des Ich schaffs!-Programms

1.1 Was ist Lösungsfokussierung?

1.2 Was ist Lösungsfokussierung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?

1.3 Was ist das Besondere an Ich schaffs!?

1.4 Die 15 Schritte des Ich schaffs!-Programms

2 Die systemisch-lösungsfokussierte Schule

2.1 Gelebte Haltungen und Denkweisen der Menschen in einer mit Ich schaffs! geführten Schule

2.2 Gestaltung und Leitung einer lösungsfokussierten Schule

2.3 Praxismodell zum Aufbau einer Ich schaffs!-Schule – Interview mit Schulleiter Martin Rederlechner

2.4 Auf dem Weg zur Ich schaffs!-Schule

2.4.1 Pädagogische Tage zur Vorstellung von Ich schaffs!

2.4.2 Entwicklung eines Plans zur Einführung von Ich schaffs! durch ein Kernteam

3 Aus der Praxis für die Praxis

3.1 Anforderungen in unterschiedlichen Schulformen

3.1.1 »Alle meine Schätze«Die positiven Seiten wieder sehen – Ich schaffs! in Kindergärten und Kitas

Ruedi Spiegel

3.1.2 »Hallo, hier bin ich!«Wie Grundschüler neue Mitschüler kennenlernen und Freundschaften schließen können

Claudia Guth

3.1.3 »BLUE«Mit Ich schaffs! das Arbeitsverhalten verbessern

Amelie Huth

3.1.4 »Von der Drachenmeisterklasse und der Schatzsuche im Grundschulmeer«Klassenführung in der Grundschule lösungsfokussiert gestalten

Robert Roedern

3.1.5 »Gipfelstürmer«Mit Schülern einer Mittelschule zu neuen Zielen

Stephan Deiner

3.1.6 »›Gegegu‹ – Ich gestalte meinen Schulalltag gewissenhaft, gelassen und mit gutem Überblick!«Umgang mit selbst gesetztem Leistungsdruck

Claudia Höhendinger

3.1.7 »Mit ›Skills‹ in die 5. Klasse«Selbstwirksamkeit beim Übergang von der Grundschule ins Gymnasium

Michael Eß

3.1.8 »Ein großer Schritt für mich … ein kleiner für die Schule«Mit Ich schaffs! nächste Schritte in der Berufsschule machen

Gerd Seebacher

3.1.9 »Taube Menschen können alles machen, was Hörende können – außer Hören«Ich schaffs! für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche

Eszter Jókay

3.1.10 »Das Spielfeld ganz nutzen«Selbstwirksamkeit im Kontext von Körperbehinderung oder chronischer Erkrankung

Adelheid Lücke

3.1.11 »Auf zu neuen Ufern!«Ich schaffs!-Projekt mit einer Abschlussklasse

Birgit Dissertori Psenner

3.2 Schulübergreifende Modelle

3.2.1 »Motivation für die Schule – als Gruppenziel!«Ein Ich schaffs!-Gruppenprojekt für die Arbeit mit Schülern mit Migrationshintergrund

Melisa Budimlic

3.2.2 »Mit Spider-Man zum Lernerfolg!«Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule

Frank Dandyk

3.2.3 »Ich schaffs? … Wir schaffen das!«Ein spezielles Motivationsprogramm für die Grundschule

Anke Brönstrup

3.2.4 »Schule macht Schüler rundum stark!«Ein Jahresprogramm im offenen Ganztag – Mit Ich schaffs! die Persönlichkeit stärken

Corinna Cappel-Sellin

3.2.5 »Da war mal jemand, der an mich glaubte«Vom beziehungsunfähigen Monster zum Pferde liebenden Mädchen – ein Mentoring-Projekt in der Berufsschule

Karin Gummerer und Iris Pescolderung

3.2.6 »Am Ball bleiben mit Ich schaffs!«HandballPLUS – der Weg ist das Spiel! Ich schaffs! im Schulsport

Michael Franz

3.2.7 »Mit Ich schaffs! junge Geflüchtete einladen, ermutigen und inspirieren«Der Kompetenzcheck komPASS für die Berufsorientierung junger Menschen in der Berufsschule

Susanne Kaplan

3.2.8 »Mit Ich schaffs! die Kooperation mit dem Elternhaus stärken«Fünf Elternabende mit interaktivem Inhalt

Birgit Dissertori Psenner und Thomas Hegemann

3.2.9 »Von der Kunst, in der Schule eigene Ziele zu entwickeln«Ich schaffs!-Trainingsmodul »Ziele setzen« in der Ausbildung von Lehrkräften

Kirsten Hitter

4 Zusammenfassung

Literatur

Über die Autoren

Über die Herausgeber

Geleitwort

Zu den Herausforderungen, die Schulen und Lehrer heute zu bewältigen haben, gehört die Belastung durch eine wachsende Zahl von Schülern mit Verhaltensschwierigkeiten oder psychischen Problemen. In vielen Ländern wenden sich die Schulen deshalb in ihrer Verzweiflung zunehmend an medizinische Fachleute, die das Problem lösen sollen. Zwangsläufig führt das zu dem weltweit beobachteten Trend, Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten mit Diagnosen wie ADHS, Verhaltensstörung, oppositionell aufsässiges Verhalten oder Asperger-Syndrom auszustatten. Solche diagnostischen Labels rechtfertigen dann den Einsatz psychotroper Medikamente. Diese mögen kurzfristig die störenden Symptome reduzieren; aber sie befähigen Kinder und Jugendliche nicht, die psychosozialen Kompetenzen zu erwerben, die sie brauchen, um Situationen zu meistern, vor denen sie im Sinne neuer oder alter Herausforderungen stehen.

Wir sollten uns eingestehen, dass Schulen dringend dauerhaftere Lösungen für diese Anforderungen finden müssen.

Die lösungsfokussierte Psychologie bietet hier vielversprechende Möglichkeiten. Sie ist nicht anspruchsvoll, erfordert aber eine neue Art zu denken oder, wie manche sagen würden, eine andere Haltung. Ich nenne diese gern »Skills Thinking« oder Denken in Fähigkeiten. Das bedeutet, dass wir uns von der lange gepflegten Tradition verabschieden, auf Probleme und deren Ursachen und Hintergründe zu fokussieren, und stattdessen damit beginnen, konsequent über Fähigkeiten zu reden. Wir fragen nicht mehr, welche Probleme die Schüler haben und warum, sondern wollen wissen, welche Fähigkeiten sie brauchen, um zufriedener zu sein und einen besseren Platz in der Gruppe oder der Klasse zu finden, und wie wir dabei helfen können, diese Fähigkeiten zu lernen. Diese erst einmal klein erscheinende Veränderung der Perspektive – von Problemen hin zu Fähigkeiten – hat signifikante Effekte auf Kinder, Eltern und Lehrer sowie auf ihre Beziehungen untereinander.

Ich schaffs! ist ein einfach und übersichtlich strukturiertes Beratungs- und Motivationsprogramm für Kinder und Jugendliche. Im Vergleich zu manch anderen, eher komplizierten Programmen reden wir mit Kindern und Jugendlichen nicht über ihre Probleme, sondern über Fähigkeiten – soziale, emotionale, körperliche –, die sie lernen und von denen sie vor allem profitieren können.

Die meisten Kinder und Jugendlichen reden nicht gern über Probleme, sondern – kaum erstaunlich – viel lieber über Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie fitter, zufriedener oder erfolgreicher machen oder bei ihren Peers besser ankommen lassen. Sobald es gelingt, mit ihnen eine Vereinbarung zu treffen, was sich zu lernen lohnt, gilt es in eine Rolle als Ich schaffs!-Coach einzusteigen. Seine Aufgabe ist es, sie beim Lernen der neuen Fähigkeit zu unterstützen, damit sie beim Lernen Freude haben und Helfer in der Familie und unter Freunden finden.

Pädagogen in vielen Ländern der Welt sind mittlerweile von diesem innovativen Ansatz fasziniert. Bücher zu Ich schaffs! wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt, und an vielen Orten der Welt haben Hunderte von Menschen, die diesem Ansatz folgend mit Kindern und Jugendlichen, die ihnen anvertraut waren, gearbeitet haben, beeindruckende Fallbeschreibungen veröffentlicht (einige sogar mit den eigenen Kindern).

Wir, die wir diesen Ansatz vermitteln, sind überzeugt, dass Ich schaffs! erfolgreich in der Arbeit mit den meisten Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden kann, weil sich damit eine große Breite von Problemen und Schwierigkeiten bewältigen lässt. Damit hat sich ganz zwangsläufig die Frage gestellt, wie dieser Ansatz in Schulen eingesetzt werden kann, nicht nur, um einzelnen Schülern zu helfen, sondern die Arbeitssituation ganzer Klassen oder gar ganzer Schulen zu verbessern.

Dieses jetzt von Thomas Hegemann und Birgit Dissertori Psenner zusammengestellte Buch ist das erste, das sehr praktische Ich schaffs!-Modelle sammelt und beschreibt, wie sie in Schulen gelingend umgesetzt werden können.

Wenn Erwachsene sich darauf konzentrieren, den besten Weg zu finden, um Schüler beim Erlernen nützlicher Fähigkeiten zu unterstützen, werden sie sich automatisch den Schülern gegenüber anders verhalten. Schüler zu strafen, ihnen mit Konsequenzen zu drohen oder mit ihnen zu schimpfen, kann nicht länger eine Option sein. Die Rolle der Erwachsenen verändert sich dann weg von der eines Kontrolleurs hin zu der eines Coachs. Coachs stellen Fragen wie: »Von welcher Fähigkeit könntest du profitieren, wenn du sie besser beherrschst?« oder »Wer kann dir beim Lernen helfen?« oder »Was hättest du davon, diese Fähigkeit zu lernen?«.

Coachs gehen nicht von der Annahme aus, Schüler seien stur oder hätten Widerstand gegenüber Veränderungen. Warum sollten sie auch? Natürlich wollen Schüler nur für sie nützliche Fähigkeiten lernen – besonders wenn das Lernen Freude macht und wenn sie einsehen, dass sie vom Lernen profitieren und sich dadurch ihre Beziehungen zu anderen Menschen verbessern. Kinder werden mit einer hohen Motivation geboren, die davon ausgeht, dass der Erwerb neuer Fähigkeiten ihre Lebensqualität verbessert. Gerade die Beobachtung sehr junger Kinder zeigt das besonders anschaulich.

Schulen sind relevante Plätze für alle Schüler, geradeso wie Arbeitsplätze für Erwachsene. Schüler wollen sich in der Schule wohlfühlen und sind bereit, sich einzusetzen, damit die Schule ein besserer Platz für sie wird. Die Motivation ist da! Wir müssen einfach Wege finden, sie zu mobilisieren. Beim Lesen der inspirierenden Fallbeschreibungen in diesem Buch werden Sie einen großen Schatz von Anregungen finden, wie das erreicht werden kann – nicht nur zum Wohlergehen der Schüler, sondern auch der Lehrer sowie anderer an der Erziehung Beteiligter, einschließlich der Eltern.

Mit den besten Wünschen

Ben Furman, Helsinki

Vorwort

Die Idee zum Buch

Ich schaffs! begeistert immer mehr Praktiker in Schulen. Diese stehen vor beeindruckenden Herausforderungen, Kinder und Jugendliche für die Anforderungen der Zukunft fit zu machen. Begeisterung dafür, Neues zu entdecken, Verantwortung zu übernehmen, Motivation, auch in frustrierenden Zeiten durchzuhalten, und der Aufbau von Unterstützungsnetzwerken werden zu zentralen Fähigkeiten, um in einer immer komplexeren und sich rasch ändernden Welt zu bestehen.

Ich schaffs!, das lösungsfokussierte Motivationsprogramm für Kinder und Jugendliche (Furman 2005; Bauer u. Hegemann 2008), fokussiert genau auf diese Fähigkeiten und findet daher gerade auch in Schulen immer mehr Anhänger, die in den letzten Jahren eine breite Erfahrungspalette von Umsetzungsmöglichkeiten entwickelt haben.

Daran möchten wir Sie, liebe Leser,1 teilhaben lassen. Bei der Vorbereitung dieses Buches waren wir tief beeindruckt von der Vielzahl und der Breite der Anwendungsmöglichkeiten mit Schülern und in Schulen aller Schulformen. Es ist uns bei dem beschränkten Umfang eines solchen Werkes sehr schwergefallen, eine Auswahl der vielen Praxisbeispiele zu treffen.

Dieses Buch basiert auf unserer langjährigen Lehrtätigkeit als Trainer für Beratungslehrer und Schulpsychologen sowie unseren Erfahrungen als Supervisoren für Schulen. Es richtet sich an alle Professionellen, die sich in Schulen oder im Umfeld von Schulen um Schüler kümmern: an Lehrer genauso wie an alle, die in Schulleitung oder Schulverwaltung Verantwortung für das gute Funktionieren von Schulen und für deren Weiterentwicklung tragen; an Schulsozialarbeiter ebenso wie an alle, die in anderen Einrichtungen mit Schulen zum Wohl von Schülern zusammenarbeiten, und an alle, die in Schulen explizit mit Beratungsaufgaben betraut sind, wie Beratungslehrer und Schulpsychologen.

Mit diesem Buch möchten wir Profis in Schulen beim Erlernen von Ich schaffs! unterstützen und sie mit dem lösungsfokussierten Ansatz vertraut machen. Wir möchten aber auch erfahrenen Praktikern sowohl Anregungen als auch Bestätigung geben, dass Entwicklung immer möglich ist, und damit zu weiterer Vernetzung im Schulwesen beitragen.

Aufbau des Buches

In der Einleitung erklären wir die Grundlagen zu Ich schaffs!, die für jede Arbeit in unterschiedlichen Schultypen gelten. Zuerst finden Sie eine Einführung in die Grundzüge des lösungsfokussierten Ansatzes (Kap. 1.1 und 1.2) und von Ich schaffs! (Kap. 1.3) mit seinen 15 Schritten (Kap. 1.4).

In Kapitel 2 folgt eine Diskussion darüber, dass Lösungsfokussierung in erster Linie eine Haltung ist, für deren Umsetzung Ich schaffs! ein Instrumentarium darstellt (Kap. 2.1). Ohne diese Haltung, für deren Umsetzung es förderliche oder auch behindernde Rahmenbedingungen gibt, kann die Motivation, um die es ja letztlich geht, kaum entstehen. Wir stellen Möglichkeiten dar, wie Professionelle in Schulen Ich schaffs! für sich nutzen können. Wer persönlich eine lösungsfokussierte und entwicklungsorientierte Haltung einnimmt, kann diese glaubwürdiger an Schüler weitergeben.

In Kapitel 2.2 folgt eine Übersicht, welche Leitungsanforderungen auf Schulen zukommen, die sich mit Ich schaffs! auf die Reise hin zu mehr Lösungsfokussierung machen. Hier geht es um die Gestaltung von Rahmenbedingungen und die Pflege einer entsprechenden Gesprächskultur.

In Kapitel 2.3 bringen wir ein Interview mit dem Leiter der Schule, die sich als allererste Ich schaffs!-Institution hat zertifizieren lassen. Martin Rederlechner stellt die Entwicklung seiner Schule und die Implementierung von Ich schaffs! als durchgängiges Konzept des Hauses ganz praktisch vor.

Das Kapitel schließt mit einer Darstellung, wie Schulen beginnen können, Ich schaffs! einzuführen (Kap. 2.4). Gerade beim Start gilt es, auf günstige Augenblicke zu achten, möglichst viele Akteure in der Schule mitzunehmen und für den lösungsfokussierten Ansatz zu begeistern. Letztlich gelten dafür vergleichbare Kriterien wie für die Motivierung der Schüler auch.

Im Praxisteil (Kap. 3) stellen Praktiker Beispiele vor, wie sie mit Ich schaffs! in unterschiedlichen Schulsettings arbeiten. Hier geht es sowohl um die diversen Schulformen als auch um Settings wie Einzelarbeit, Arbeit mit Gruppen oder mit ganzen Klassen (Kap. 3.1). Zusätzlich werden Modelle beschrieben, wie Ich schaffs! mit Schülern mit besonderem Förderbedarf genutzt werden kann (Kap. 3.1.9 und 3.1.10). Diese Ideen bewähren sich in Förderschulen genauso wie in der Inklusionsarbeit.

Des Weiteren haben wir Praxismodelle ausgewählt, die zeigen, wie Ich schaffs! in der Kooperation mit schulnahen Einrichtungen eingesetzt werden kann (Kap. 3.2). Dazu gehören Sportvereine, Einrichtungen der Jugendhilfe oder Freizeitprogramme. Ein Beispiel beschreibt zudem, wie an einer Schule ein flankierendes Angebot für Eltern gestaltet werden kann. Das Kapitel schließt mit einem Beispiel, wie Ich schaffs! sich in der Qualifizierung des professionellen Nachwuchses einsetzen lässt.

Anonymisierung und Begrifflichkeit

Alle Praxisbeispiele beschreiben die Arbeit mit konkreten Schülern und Klassen. Dabei wurden die Namen der erwähnten Personen verändert. Weiterhin bestehende Ähnlichkeiten von Namen und Orten wären rein zufällig.

Unsere Koautoren kommen aus Südtirol, der Schweiz und Deutschland; hier wiederum aus unterschiedlichen Bundesländern, die bekanntlich die Schulhoheit haben. Daher verwenden sie Begriffe, die in anderen schulrechtlichen Kontexten ungebräuchlich sind wie »Ex«, »Schulkollege« oder »Sekundarschule«. Wir haben darauf verzichtet, diese zu erklären, da wir dann ja eine Entscheidung hätten treffen müssen, welches Schulsystem wir als Referenz nehmen. Die Begriffe erklären sich meist aus dem Zusammenhang, und die Herkunft der Autoren wird im Autorenverzeichnis am Ende des Buches beschrieben.

Zu den Herausgebern

Dieses Buch ist aus unseren Erfahrungen der letzten Jahre bei der Qualifizierung von Beratungslehrern und Schulpsychologen zum systemischen Berater in der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalentwicklung des Bayerischen Kultusministeriums entstanden. Eine weitere Quelle sind zahlreiche Supervisionsprozesse und pädagogische Tage für Schulen ganz unterschiedlicher Schulformen und Trägerschaften. Viele Absolventen unserer Kurse habe in ihren Abschlussarbeiten sehr kreative Modelle der Umsetzung dargestellt, ebenso wie viele Ich schaffs!-Coaches in ihren Praxisberichten. Auf all dem basieren die Ideen, die dieses Buch ausmachen.

Wir kommen aus unterschiedlichen beruflichen und persönlichen Sozialisierungen und Ländern. Gerade den Austausch über immer neue Innen- und Außenperspektiven zu Schule erleben wir als eine besondere Qualität, die unseren gemeinsamen Erfolg ausmacht. Dabei beschäftigen uns Fragen wie: Was unterscheidet eine Mittelschule von einem Gymnasium? Was eine Förderschule von einer Berufsschule? Worin unterscheiden sich bayerische Schulen von hamburgischen? Worin eine deutsche von südtirolerischen, italienischen, schweizerischen oder österreichischen? Worin unterscheiden sich staatliche von kirchlichen Schulen, von Waldorf- oder Montessori-Schulen oder gar von internationalen Schulen, in denen auf Englisch unterrichtet wird? Meist liegen diese Unterschiede nicht nur in den Schülern und den akademischen und pädagogischen Anforderungen. Vielmehr machen sie sich an Stil- und Beziehungsfragen fest, nicht nur im Kontakt mit den Schülern und deren Eltern, sondern auch im Kontakt der Professionellen in den Schulen untereinander.

Neben dem offensichtlichsten Unterschied zwischen uns beiden, dem Geschlecht, sind für mich, T. H., meine Schullaufbahn in einem altsprachlichen Gymnasium in Nordrhein-Westfalen prägend, meine langjährige Tätigkeit als Arzt, später als Leiter in psychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen sowie die damit verbundene Kooperation mit Klinik- und Förderschulen; meine Tätigkeit in Einrichtungen der Jugendhilfe und den damit verbundenen Kooperationen mit allen anderen Schulformen. Während längerer Arbeitsphasen mit Jugendlichen in England, Ghana und Spanien hatte ich mit den dortigen Schulen zu tun. Zwanzig Jahre war ich Leiter eines Münchner Instituts für systemische Fort- und Weiterbildung, vier Jahre im Vorstand der Systemischen Gesellschaft (SG) und drei Jahre im Aufsichtsrat einer bayerischen Privatschule.

Für mich, B. D., waren besonders prägend: die Grund- und Mittelschulzeit in meinem Heimatort Tramin in Südtirol, wobei die Schüler in Italien bis zur 8. Klasse in inklusiven Einheitsschulen unterrichtet werden, meine ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzende der Katholischen Jungschar als größter Kinderorganisation in Südtirol und Österreich, meine jahrelange berufliche Erfahrung als Lehrerin in unterschiedlichen Schulstufen; dann meine Erfahrungen in entwicklungspolitischen Projekten vor allem in Südamerika und Afrika. Die Freuden und Nöte vieler Eltern im Zusammenhang mit Schule wurden mir besonders in meiner Tätigkeit als Leiterin eines Familienbildungshauses deutlich. Ich schaffs! war dann vor allem in der Zeit, in der ich die Führung eines großen Gastronomiebetriebs übernommen habe, mein sehr persönliches Motto.

Wir sind jetzt beide als Coaches und Supervisoren unterwegs. Einen beträchtlichen Teil dieser Arbeit leisten wir für Schulen – in letzter Zeit aber auch für andere Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens oder für Betriebe in der Wirtschaft, vorwiegend im Dienstleistungsbereich. Wir leben beide in Familien und haben Kinder, die wir auch auf ihrer Schullaufbahn begleitet haben und noch begleiten. Gerade dies hat uns noch einmal eine ganz andere Perspektive auf Schule ermöglicht.

Dank

Keine guten Ideen ohne gute Kooperationen, keine guten Kooperationen ohne Dank!

Danken möchten wir denen, die uns mit ihren kreativen Gedanken bereichert haben. Dies sind vor allem die weiteren Autoren dieses Buches und die Teilnehmer unserer Kurse. Ganz besonders möchten wir uns bedanken bei Ben Furman für die jetzt fast 20-jährige Zusammenarbeit und bei Christina Achner, Brigitte Andres, Eia Asen, Christiane Bauer, Wolfgang Bauhofer, Katharina von Cranach, Neil Dawson, Stephan Deiner, Simone Liedtke, Katalin Lutzenberger, Brenda McHugh, Martin Rederlechner und Siegrid Zwerger für die vielen guten Ideen zur lösungsfokussierten Arbeit in Schulen. Einige von ihnen sind auch in diesem Buch vertreten.

Unser Dank gilt weiterhin Achim Korths, der mit seinen anregenden Cartoons auch dieses Ich schaffs!-Buch auflockert und vor allem die einzelnen Schritte anschaulich macht.

Weiter möchten wir denen danken, die uns in der praktischen Zusammenarbeit angeregt haben. Das sind aktuell die Kollegen von InterCultura München, der Landesberufsschule C. J. Tschuggmall in Brixen und der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalentwicklung in Dillingen an der Donau sowie seinerzeit die Kollegen des ISTOB – Institut für Systemische Therapie und Organisationsberatung in München, des Marlborough Family Service in London, der Klinikschulen der Heckscher Klinik in München, der Landesklinik Nordschwarzwald in Hirsau sowie aus dem Haus der Familie in Lichtenstern in Südtirol.

Last, but not least möchten wir uns beim Carl-Auer Verlag für die jahrelange Förderung der Ich schaffs!-Idee und bei unseren Familien bedanken, die die Toleranz aufgebracht und uns die Zeit gegeben haben, damit wir dieses Buch überhaupt fertigstellen konnten.

Thomas Hegemann, Birgit Dissertori Psenner

München/Tiers, im April 2018

1 Auf Wunsch des Verlages wird in diesem Werk darauf verzichtet, jeweils die männliche und die weibliche Form (hier: Leserinnen und Leser) anzuführen. Gemeint sind jeweils beide Geschlechter, unabhängig davon, ob die männliche oder die weibliche Form benutzt wird.

1 EinleitungIch schaffs! als Leitungsmaxime, Grundzüge der Lösungsfokussierung und des Ich schaffs!-Programms

»Ich schaffs!« ist eine praktische Anwendung zur Umsetzung des lösungsfokussierten Ansatzes in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

1.1 Was ist Lösungsfokussierung?

Lösungsfokussierung ist ein von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg ursprünglich als Solution Focused Brief Therapy (SFBT) entwickelter Beratungs- und Therapieansatz (de Shazer 2008, 2010; de Shazer a. Dolan 2008, de Jong a. Berg 2010). Er bündelt die Aufmerksamkeit aller Gesprächsteilnehmer konsequent darauf, dass Probleme als Hinweise auf zu erlernende Fähigkeiten anzusehen sind, dass wir alle an der Weiterentwicklung unsere Fähigkeiten arbeiten können, seien es psychische, soziale oder körperliche Fähigkeiten, und dass wir in Kooperation mit anderen Menschen besser lernen können. Auf diese Weise können für als »problematisch« angesehene Ist-Zustände zuerst mehr Handlungsmöglichkeiten gedacht und später umsetzbar werden.

Das Konzept der Lösungsfokussierung hat eine seiner Wurzeln in den Konzepten der Systemtheorie und dabei vor allem in denen der systemischen Therapie, wie sie ursprünglich im kalifornischen Mental Research Institute (MRI), Palo Alto, von Bateson und seinen Schülern Jackson, Weakland, Fisch und Watzlawick als Familientherapie entwickelt wurde (Foerster et al. 1992). Zentrale Idee ist die der Zirkularität. Es geht um die Interaktionen der Mitglieder eines Systems untereinander und mit der Umwelt, systemisch als Kontext bezeichnet. Nützlich ist es dabei, mehrere Dimensionen im Auge zu behalten (Bauer u. Hegemann 2018, S. 22):

1)

Personen als die Elemente eines sozialen Systems,

2)

die subjektiven Wirklichkeitsdeutungen der Beteiligten,

3)

die expliziten und impliziten Regeln in Systemen,

4)

die Muster und Regelkreise, nach denen sich die Mitglieder verhalten,

5)

die Beziehungen zur relevanten Umwelt des Systems,

6)

die Geschichte und Entwicklungsrichtung des Systems.

Die zweite Wurzel ist die Hypnotherapie nach Milton Erickson (Haley 2010; Zeig 2013), die ihre Klienten durch Erfindung potenzialaktivierender Geschichten in einer Lösungstrance hält. Hier geht es darum, solche Geschichten zu verwenden, die anschlussfähig an die Erlebniswelt der Klienten sind und als Modelle dienen können, wie mit aktuellen Anforderungen variabler als bisher umgegangen werden kann.

Die Begründer des lösungsfokussierten Ansatzes de Shazer und Berg haben die Leitsätze der Lösungsfokussierung so formuliert (de Shazer u. Dolan 2008):

Was nicht kaputt ist, muss auch nicht repariert werden!

Demnach sind Beratung und Therapie nur angezeigt, wenn Klienten etwas als problematisch erleben. Prophylaktische Beratung ist nach diesem Ansatz nur dann erforderlich, wenn die Furcht vor zukünftigen Problemen als problematisch erlebt wird.

Das, was funktioniert, sollte man häufiger tun!

Entsprechend dem genannten pragmatischen Vorgehen werden Klienten konsequent ermutigt, nützliche und bewährte Vorgehensweisen zur Bewältigung des Alltags und von Problemen einzusetzen und möglichst viele Erfahrungsfelder dazu zu nutzen.

Wenn etwas nicht funktioniert, sollte man etwas anderes probieren!

Im Umkehrschluss werden Klienten dazu ermutigt, Umgangsweisen mit den Anforderungen des Alltags ebenso wie mit Problemen, die von ihnen als beklagenswert beschrieben werden, zu ändern und dazu dosierte, überschaubare (emotionale) Risiken einzugehen.

Kleine Schritte können zu großen Veränderungen führen!

Unter dieser Annahme werden mit den Klienten »kleinstmögliche« Veränderungsschritte ausgehandelt. Dieses pragmatische Vorgehen erhöht die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung und damit von Erfolgserlebnissen, was seinerseits die Zuversicht, sich Veränderungen zu stellen, stärkt.

Die Lösung hängt nicht zwangsläufig direkt mit dem Problem zusammen!

Dieser Leitsatz fokussiert auf die Erkenntnisse der Resilienztheorien und der Salutogenese, wonach Veränderungen nicht notwendigerweise eine Analyse oder Betrachtung von Problemen voraussetzen; vielmehr lernen wir am besten von den Menschen, die Veränderungen ohne professionelle Unterstützung erreichen.

Die Sprache der Lösungsentwicklung ist eine andere als die, die zur Problembeschreibung notwendig ist!

Dieser Leitsatz bezieht sich am stärksten auf Ludwig Wittgenstein und sein Statement (Wittgenstein 1997, S. 83, § 6.43): »Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.« Um in die Zukunft zu schauen, ist eine optimistische und (selbst)ermutigende Sprache erforderlich, die sich deutlich von einer problem- und vergangenheitsorientierten Sprache unterscheidet.

Kein Problem besteht ohne Unterlass; es gibt immer Ausnahmen, die genutzt werden können!

Hier wird davon ausgegangen, dass kein Problem kontinuierlich gleich bleibt und gleich erlebt wird. Daher ist es Aufgabe von Beratern und Therapeuten, nach Ausnahmen zu suchen, also nach Zeiten, in denen der problematisch erlebte Zustand nicht oder seltener oder weniger problematisch auftritt. Denn diese Situationen bieten den Schlüssel zu Veränderungen.

Die Zukunft ist sowohl etwas Geschaffenes als auch etwas Verhandelbares!

Mit diesem Leitsatz wird die Verbindung zum Konstruktivismus hergestellt. Menschen werden nicht als Determinanten ihrer eigenen Handlungen oder ihres Kontextes gesehen – seien es soziale und kulturelle Hintergründe oder Diagnosen –, und die Zukunft wird als Ort der Zuversicht betrachtet, der Visionen ermöglicht, die als Leitlinien für neues Handeln dienen.

Steve de Shazer und Insoo Kim Berg sowie weitere Praktiker haben konkrete Vorgehensweisen beschrieben, wie lösungsfokussiertes Arbeiten beobachtbar wird (z. B. Dolan 2009; Furman 2008a, 2008b; Furman u. Ahola 2010; Isebaert 2009; Walter u. Peller 1996; Bamberger 2015). Hier zeigt sich, ob und wie eine lösungsorientierte Haltung in lösungsfokussiertes Handeln in der Beratung umgesetzt wird. Die wichtigsten Vorgehensweisen sind:

Eine

Haltung, ein Auftreten und eine Sprache, die jeweils konsequent auf Lösungen ausgerichtet sind

, verbreiten den Klienten gegenüber die Zuversicht, dass es möglich ist, das Leben zu verbessern und zu erleichtern. Keinesfalls geht es darum, Schweres schönzureden oder zu bagatellisieren. Diesem ist mit Respekt zu begegnen, vor allem den damit verbundenen Gefühlen. Der Respekt äußert sich auch darin, dass allen Reaktionen der Klienten, die die Wünsche nach Schutz, Vorsicht und Langsamkeit ausdrücken – und von anderen Ansätzen gerne als Widerstand bezeichnet werden –, wertschätzend begegnet wird. Lösungsfokussierte Berater reagieren daher mit Fragen und nicht mit Konfrontationen. Eine Haltung der anteilnehmenden Neugier drückt sich in einer Sprache aus, die konkret und zukunftsorientiert alle Veränderungen, auch die kleinen, wertschätzt.

Eine

Suche nach früheren Lösungen, Ausnahmen und Unterstützern

fokussiert die Klienten auf ihre Ressourcen und äußert sich in der Suche nach Kompetenzen in vergangenen Situationen und in Nischen, in denen das Problem geringer erlebt wurde oder wird. Der Fokus auf Unterstützer fördert die Orientierung auf Netzwerke, die über die jetzige Beratung hinaus Bestand haben.

Fragen nach Sichtweisen und Perspektiven

, die auf die Gegenwart und die Zukunft fokussieren, helfen den Klienten, sich auf einer Entwicklungslinie zu verorten, die einen zunehmend besseren Umgang mit den Anforderungen des Lebens gestattet.

Skalierungsfragen

rücken die Entwicklung in den Vordergrund, die

Wunderfrage

orientiert hin zu einer besseren Zukunft. Lösungsfokussierte Berater enthalten sich daher Interpretationen und Deutungen.

Komplimente, Anerkennung und Ermutigung

drücken Anteilnahme aus und fokussieren auf Kompetenzen, die zu wenig beachtet werden. Ermutigungen regen eher zu Experimenten mit eigenen Planungen an als Verschreibungen.

Die von vielen Autoren gewählte Bezeichnung »Lösungsfokussierung« zeigt deutlich, dass dieser Ansatz eine Haltung der »Lösungsorientierung« an konkrete Vorgehensweisen knüpft, die beobachtbar und überprüfbar sein müssen (Hegemann 2012).

1.2 Was ist Lösungsfokussierung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?

Am besten erlernen wir den lösungsorientierten Ansatz, wenn wir junge Kinder beobachten, die motorische Fähigkeiten lernen, oder Jugendliche, die ein Computerprogramm lernen. Diese machen keine Problemanalyse, bevor sie loslegen. Sie stehen vor einer Anforderung und fangen einfach an. Sie machen erste Schritte und erleben dabei sowohl Erfolge als auch Misserfolge.

Nehmen wir als Beispiel Kinder, die Purzelbaum-Schlagen lernen. Erst rollen sie nur vor und fallen viele Male zur Seite. Sie machen das alles am liebsten mit anderen Kindern zusammen, vor allem dann, wenn Publikum dabei ist. Auch wenn sie zur Seite kippen, kommt immer ein aufmunternder Kommentar. Skeptische männliche Personen, die Bedenken äußern, ob das wohl noch etwas wird, werden darauf hingewiesen, dass Skepsis »schlechte Laune macht« und vor allem den gewünschten Erfolg eher behindert. Durch das gemeinsame Erleben und die kontinuierliche Bestätigung in der Gruppe lernen auch Kinder, die sich schwerer tun, altersadäquat die Technik des Purzelbaum-Schlagens.

Gleiches können wir bei Jugendlichen beobachten, die Computerprogramme oder soziale Kompetenzen erlernen, wie beispielsweise sich in einem neuen sozialen Kontext sicher zu bewegen.

Ja, werden viele entgegnen, das mag für Kinder und Jugendliche gelten, die gut ausgestattet sind – körperlich, psychisch und sozial. Aber auch die Lebensgeschichten von Menschen, die schweren Belastungen ausgesetzt waren, zeigen, dass eine lösungs- und ressourcenorientierte Haltung Voraussetzung dafür war, sich im Leben gut zu platzieren. Es ist unumstritten, dass schwierige Kindheitserlebnisse oder gar Traumen Spuren in uns hinterlassen und dass der Kontext, in dem wir aufwachsen, unser Leben beeinflusst. Aber nur ein Teil der Menschen, die Kriege und andere Traumen überstanden haben oder die in miserablen Verhältnissen aufgewachsen sind, werden später auffällig. Ein anderer Teil geht gut daraus hervor und kann auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Von diesen können wir lernen (Bauer u. Hegemann 2018, S. 30)!

Wie wir von den genannten Pionieren lernen, ist Lösungsorientierung in erster Linie eine Frage der Haltung und nur in zweiter Linie eine Frage der Technik.

Und so, wie es für uns gilt, diese Haltung weiterzugeben, bemisst sich auch der Erfolg lösungsorientierter Arbeit nicht so sehr nach den unmittelbar beobachtbaren Effekten. Wichtiger ist es, unsere Gespräche so zu führen, dass eine Atmosphäre geschaffen wird, die Jugendliche ermutigt, für sich passende Lösungen zu suchen und zu finden (Abb. 1).

Abb. 1: Lösungstrance (nach Ben Furman)

Damit wird Motivation zu einer zentralen Frage von Lösungsfokussierung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die Frage ist also: Wie können wir Begeisterung zur Veränderung hervorrufen und fördern? Wir möchten dazu ein kleines Modell anbieten (Abb. 2):

Kinder und Jugendliche brauchen – wie alle Menschen – beides: ein selbst gewähltes, attraktives Ziel und das Vertrauen, dass sie dieses auch erreichen können.

Es handelt sich um eine Multiplikationsgleichung, von der wir wissen, dass das Gesamtergebnis gleich null ist, wenn ein Faktor null ist: Ist das Ziel für die Jugendlichen nicht attraktiv (sondern z. B. nur für die betroffenen Erwachsenen), also gleich null, so ist auch die Motivation, es zu erreichen, gleich null; und ist umgekehrt das Ziel attraktiv, aber das Zutrauen in den Erfolg gleich null, so ist die Motivation ebenfalls gleich null.

Abb. 2: Motivation (nach Ben Furman)

Ein lösungsorientiertes Gespräch zu führen, heißt Ermutigung zur Veränderung, Klärung des Nutzens von Veränderung, Ermutigung zum Vertrauen in die eigenen Ressourcen durch beständige Suche nach früheren und aktuellen Erfolgen sowie die Suche nach Helfern und Unterstützerinnen.

Demnach besteht Lösungsfokussierung nicht darin, für Kinder und Jugendliche Lösungen zu suchen oder sich den Kopf zu zerbrechen, was für sie das Beste ist oder was sie wohl Gutes für sich tun könnten. Lösungsorientierung kommt darin zum Ausdruck, alle Gespräche so zu führen, dass Kinder und Jugendliche bestmöglich ermutigt werden, auf eigene, für sie in der aktuellen Lage passende Lösungen zu kommen und ihre eigenen oder neuen Ressourcen dafür bestmöglich zu entwickeln.

Eine kooperative Gesprächssituation herzustellen ist das A und O!

Mit unseren Klienten können wir nur erfolgreich mit dem lösungsfokussierten Ansatz arbeiten, wenn es uns gelingt, eine kooperative und vertrauensvolle Gesprächssituation herzustellen. Kleine Kinder lernen vielleicht noch, »weil die Mama oder die Lehrerin sich freuen«. Erwachsene lernen vielleicht noch, »weil ihnen nichts anderes übrig bleibt«. Für beide wird das auch nur vorübergehend zutreffen. Jugendliche und vor allem solche, die eine Kette von Entmutigungen erlebt haben, lernen nach unserer Erfahrung nur, wenn ihnen der Nutzen klar ist, sie Vertrauen in den eigenen Erfolg haben und sie dem Berater vertrauen. In jedem Fall gehört zum Herstellen einer Arbeitsbeziehung die Achtung des Autonomiebedürfnisses und die Würdigung der aktuellen Problemlage der Klienten. Letzteres bedeutet wertzuschätzen, dass Kinder und Jugendliche gute Gründe haben können, weshalb eine spezielle Situation für sie nicht einfach ist. Entsprechende Sätze können wie folgt lauten (Bauer u. Hegemann 2018, S. 34):

Ich kann gut verstehen, dass das für dich in dieser Situation nicht leicht ist.

Das klingt ja alles nicht so einfach.

Das fordert einem ja schon einiges ab.

Gleichzeitig gehört zur Lösungsfokussierung, eine Haltung der Zuversicht einzuführen und die Problemsicht wieder etwas zu relativieren, zu »normalisieren«. Passende Sätze dazu können sein (ebd.):

Diese Probleme haben viele andere auch, aber im Laufe der Zeit schaffen es die meisten schon, damit zurechtzukommen.

Auch wenn es schwer ist, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, damit umzugehen.

Wir sehen hier viele Kinder und Jugendliche, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben; aber es lohnt sich, mit anderen gemeinsam zu schauen, wie man da auch wieder rauskommt.

Oder: Ja, das ist wirklich blöd für dich. Doch jetzt bist du hier, um eine gute Lösung zu finden.

Oder in Klassen: Ja, da habt ihr wirklich eine Menge Probleme, die ihr bewältigen wollt! Und heute geht ihr den ersten Schritt, zu dem ihr gemeinsam überlegt, was ihr dafür tun könnt, dass ihr euch wieder wohler in eurer Klasse fühlt!

Wir brauchen für lösungsorientierte Beratung im Allgemeinen und für das Ich schaffs!-Programm im Speziellen eine Haltung der »anteilnehmenden Neugier«, wie Giancarlo Cecchin (1988) sie am besten beschrieben hat. Mit dieser suchen wir das Gespräch mit unseren Klienten, um gemeinsam mit ihnen zu erforschen, wie die Dinge sind und welche Veränderungsmöglichkeiten es gibt.

Für uns als Beratende wird dieses Ideal nicht immer durchzuhalten sein. Gerade Jugendliche verstehen es meisterhaft, Erwachsene an ihre Grenzen zu bringen. Eigene innere Bilder können aktiviert werden, die uns aus der anteilnehmenden Neugier ablenken – ein ganz normaler Prozess, denn auch wir haben unsere Geschichte. Daher ist es wichtig, die eigene Aufmerksamkeit dafür zu schärfen, wann wir sie verlieren und wie wir sie wiederfinden können. Besser ist es daher, in solchen Situationen das Gespräch zu unterbrechen, um es später wiederaufzunehmen.

1.3 Was ist das Besondere an Ich schaffs!?

Ben Furmans einmaliger Beitrag zum Feld der Lösungsfokussierung besteht darin, dass er für die Arbeit mit Kindern aus dem lösungsfokussierten Ansatz mit Ich schaffs! einen praktischen und leicht zu erlernenden Ablaufplan entwickelt hat, der es in einer speziellen Systematik in 15 Schritten ermöglicht, Lösungsfokussierung in ganz unterschiedlichen Settings umzusetzen (Furman 2005). Diese Schritte bilden den Ablauf einer Beratung in einer logischen, aufeinander aufbauenden Reihenfolge ab. Jeder Schritt fokussiert auf einen relevanten Aspekt des lösungsfokussierten Vorgehens. Nicht alle diese Schritte müssen in jedem einzelnen Fall auch umgesetzt werden. Wenn der Prozess aber mal stocken sollte oder die Entwicklung nicht weitergeht, kann immer auf die vorhergehenden Schritte zurückgegriffen werden. Gerade in solchen Situationen zeigt sich meist, dass wichtige Schritte nicht ausreichend beachtet wurden.

Bauer und Hegemann (2008) haben den Ansatz für die Arbeit mit Jugendlichen weiterentwickelt, einzelne Schritte und ihre Reihenfolge wurden für diesen Personenkreis modifiziert. Im folgenden Abschnitt werden sie in einer Weiterentwicklung im Detail dargestellt.

1.4 Die 15 Schritte des Ich schaffs!-Programms

Schritt 1: Das Leben als Zeitreise betrachten!

Stell dir vor, du reist durch dein Leben! Denk mal nach, was du bisher schon alles geschafft und gelernt hast? Wie sieht denn für dich eine richtig gute Zukunft aus?

Dieser Schritt holt die Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebenswelt ab, um mit einer Haltung der anteilnehmenden Neugier den Einstieg in das Ich schaffs!-Projekt zu erleichtern. Zentrale Idee ist die Vorstellung, dass wir Menschen durch unser Leben reisen, dass wir eine Vergangenheit haben, auf der wir aufbauen können, und eine Zukunft, die wir gestalten können.

So wird einerseits fokussiert auf bisherige Erfolge und auf schon erlernte Fähigkeiten. Hier kann nach Helfern gefragt werden, die uns dabei unterstützt haben. Immer bewährt sich ein Interesse für motorische Fähigkeiten wie Radeln oder Schwimmen ebenso wie handwerkliches Geschick für alles, was mit den eigenen Händen geschaffen wurde. Auch der Umgang mit jüngeren Kindern oder mit Tieren setzt eine Reihe von sozialen Kompetenzen voraus.

Andererseits gilt es, nach Visionen zu suchen. Diese dienen dazu, die Motivation zu erhöhen. Sie beschreiben »das Land der guten Zukunft«, für das sich der eigene Einsatz lohnt. Die Tauglichkeit einer Vision richtet sich demnach weniger danach, ob sie realistisch ist, sondern danach, ob sie trägt. Fußballprofi oder Model zu werden sind daher für viele Jugendliche taugliche Visionen. Sie fördern die Motivation und tragen die Jugendlichen über Hindernisse. Erst wenn Visionen stark und motivierend sind, sollten wir uns den konkreten Zielen zuwenden.

Schritt 2: Sich Ziele setzen!

Setz dir ein Ziel, was du erreichen möchtest!

Wenn es gelungen ist, mit den Jugendlichen einen guten Rapport herzustellen, gilt es, Probleme einzugrenzen. Viele sind sehr in ihrer Problemwelt gefangen und werden dabei auch noch von einer Vielzahl von Erwachsenen bestätigt. Daher gilt es, auf der Reise weg von der Problemtrance erst einmal die Probleme einzugrenzen und in einen Kontextrahmen zu setzen, sodass sie nicht mehr wie Eigenschaften einer Person erlebt werden.

Mit manchen Jugendlichen kann man auch gleich beginnen, nach Zielen zu suchen, da ihre Probleme weniger komplex sind. Dies geschieht am besten durch offene Fragen – die im Deutschen mit »W« beginnen:

Was

ist dein Problem? Was ist es ganz genau? Was ist das Problematische für dich daran? Was hat es für Auswirkungen auf dein Leben? Was soll anders werden? Was möchtest du lernen?

Wie

beeinflusst das Problem dein Leben? Wie nehmen die betroffenen Menschen Einfluss auf das Problem?

Wer

hat das Problem? Wer ist beteiligt, wenn das Problem auftritt? Wer kann es schlimmer machen, wer leichter? Wer nimmt in welcher Weise Einfluss auf das Problem?

Wo

tritt das Problem auf? Wo ist es schlimmer, und wo ist es leichter? Wo ist es kaum auszuhalten, und wo hast du Ruhe vor ihm?

Wann

tritt das Problem auf? Wann tritt es nicht auf? Wann ist es schlimmer, und wann ist es leichter? Wann hat es begonnen? Wann wird es von selbst wieder verschwinden?

Sinn dieses Vorgehens ist es, mit den Jugendlichen zu erforschen, dass Probleme an bestimmte Kontextbedingungen gebunden sind: In ganz konkreten Situationen wird es schwierig, aber im Übrigen meistern Jugendliche ihr Leben ganz gut! Dies relativiert Problemsichten und schärft die Aufmerksamkeit für die anstehenden Aufgaben und die Fähigkeiten, die gelernt werden müssen, um Probleme angehen zu können.

Sinn dieser Operationalisierung ist es, die Verbindlichkeit zu erhöhen. Nur wenn es objektiv beobachtbare, mess- und zählbare Kriterien für Ziele gibt, kann geklärt werden, ob Fortschritte gelingen oder nicht. Fortschritte in Bezug auf innere Haltungen – wie Mut, Zuverlässigkeit oder Selbstbewusstsein – sind sehr viel schwerer erkennbar.

Hier fragen wir nach: »Woran kannst du und können andere erkennen, dass du mutig bist? Was tust du da genau?«

Wir treffen viele Jugendliche, die ihre Ziele gleich in diesem Sinne beschreiben können. Viele brauchen dazu aber Hilfestellung. Unsere Idee, die Ziele mit einer konkreten erlernbaren Fähigkeit zu verbinden, wie in Schritt 4 gezeigt, hilft Jugendlichen, sich auf Konkretes zu konzentrieren.

Schritt 3: Nach dem Nutzen schauen!

Stell dir vor, du hast es geschafft! Überleg mal, welchen Nutzen du und andere, die dir wichtig sind, davon hätten!

Hier knüpfen wir wieder an die oben beschriebene Motivation an. Nur wenn die Attraktion für das zu verfolgende Ziel stark genug ist, besteht hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass Kinder und Jugendliche sich dafür einsetzen, es erreichen zu wollen. Daher gilt es, ganz genau nachzufragen, worin denn der Nutzen besteht, und sich das ausreichend bildhaft beschreiben zu lassen: »Welche besseren Möglichkeiten hast du dann?«, »Was kannst du dann machen, erleben, ausprobieren, was heute noch nicht geht?« und Ähnliches.

Schritt 4: Fähigkeiten lernen!

Überlege dir, welche Fähigkeiten du entwickeln musst, um dein Ziel zu erreichen!

Von Visionen haben wir schon gesprochen. Nützlich ist es, bei der Arbeit mit Jugendlichen sorgfältig zwischen Visionen und Zielen zu unterscheiden. Ziele sollten machbar und realisierbar sein. Sie sollten den Kriterien genügen, die Wissenschaftler operationalisierbar nennen – also beobachtbar und zählbar. Wir nennen sie wohl definiert. Damit Ziele wohldefiniert sind, sollten sie den fünf Kriterien in Tabelle 1 entsprechen. Wir haben dazu die Leitfragen von Walter und Peller (1996) gleich mit eingefügt.

Kriterium

Schlüsselwort

Leitfrage

1. Positiv

»stattdessen«

»Was wirst du stattdessen machen?«

2. Prozesshaft

»wie« (Verbalform wählen)

»Wie wirst du das machen?«

3. Hier und jetzt

»jetzt«

»Was wirst du jetzt bei nächster Gelegenheit anders machen, oder wie wirst du jetzt anders mit dir selbst sprechen?«

4. So spezifisch wie möglich

»ganz genau«

»Wie machst du das ganz genau?«

5. Im eigenen Kontrollbereich bleiben

»du«

»Was kannst du persönlich dazu tun/beitragen?«

Tabelle 1: Kriterien wohldefinierter Ziele(modifiziert nach Walter u. Peller 1996, S. 82).

Diese Formulierungen helfen dabei, sehr konkrete Fähigkeiten zu beschreiben. Wie wir aus den in Kapitel 1.1 beschriebenen Ideen der Hypnotherapie lernen, gilt es, mit unseren Klienten ein konkretes Bild zu entwerfen, wie sie sich dann anders und neu verhalten werden, sodass das fühlbar und erlebbar wird.

Schritt 5: Helfer suchen!

Suche dir Helfer, die dich auf dem Weg zu deinem Ziel unterstützen!

Entsprechend der anfänglich beschriebenen Idee, dass Lernen leichter mit anderen gelingen wird, sollten wir unsere Kinder und Jugendlichen ganz konkret dazu anleiten, Netzwerke aufzubauen. Lösungsfokussiert können wir das am besten bei kompetenten Kindern und Jugendlichen abschauen. Sie verfügen über die Fähigkeit, sich bei Schwierigkeiten an andere zu wenden. Entsprechend ist es unsere Aufgabe, Kinder und Jugendliche, die darin nicht so kompetent sind, zu ermutigen, dasselbe zu tun. Helfer können in der Schule gefunden werden, sowohl unter den anderen Schülern als auch unter den Erwachsenen, ganz gleich, in welcher Profession und Funktion sie dort tätig sind. Nützlich ist es auch, Helfer nach unterschiedlichen Kompetenzen auszuwählen: Anleiter, Erinnerer, Vormacher, Ermutiger, Tröster etc. Weiterhin bewährt es sich, mit den Kindern und Jugendlichen sorgfältig zu überlegen, wie, wann und wo diese am besten angesprochen werden.

Schritt 6: Motto und Symbol finden!

Finde für dein Projekt ein tolles Motto oder Symbol, das dich immer daran erinnert!

Reale Helfer sind nicht immer greifbar. Sie sind woanders, haben frei, können krank werden oder haben schlechte Tage etc. Daher sind imaginäre Helfer nützlich, die man mit sich tragen kann. In der englischsprachigen Pädagogik sind »power animals« bekannt und bewährt. Gerade für junge Kinder, deren Imaginationsfähigkeit noch sehr ausgeprägt ist, sind imaginäre Helfer von unschätzbarem Wert. Wir sollten jedoch darauf achten, dass sie nicht nach Kriterien der aktuellen Identifizierung ausgewählt werden, sondern die neue Fähigkeit abbilden. Für einen Schüler, der beispielsweise zur impulsiven Aggressivität neigt und der langsamer und aufmerksamer werden will, ist ein Adler besser geeignet als ein Wolf. Für eine Schülerin, die nach Traumatisierung besser standhalten möchte, ist ein Pinguin besser als ein kuschliger Hase.

Für ältere Schüler sind auch Idole aus der Sport- und der Medienwelt geeignet. Hier geht es ja nicht um die konkreten Personen in Kalifornien, beim FC Bayern oder beim BVB, sondern um das, wofür sie stehen. Auch hier geht es nicht um die aktuelle Identifizierung, sondern um die Zukunft. Gleiches gilt für fetzige Mottos oder Musik. Für einen Schüler, der ruhiger werde möchte, ist Heavy Metal nicht das Richtige. Für eine eher Verschüchterte, die lernen möchte, sich besser zu behaupten, ist diese Musik aber gerade recht!

Zielführend ist es, bei den Vorschlägen der Schüler nachzufragen: »Wofür steht das?« Meistens suchen sie schon etwas Passendes aus. In anderen Fällen reicht es dann, einfach darauf hinzuweisen, dass der Vorschlag zwar die aktuellen Stärken abbildet, dass jedoch eher etwas gebraucht wird, was die gute Zukunft abbildet.

Die Kinder und Jugendlichen können nun ihr jeweiliges Symbol zeichnen oder ausschneiden und dann laminieren und ständig bei sich tragen, als Figuren an ihren Ranzen hängen, als Schmuck am Körper tragen oder als Foto oder Grafik auf das Display des Handys laden.

Schritt 7: Gründe für Optimismus suchen!

Finde gute Gründe, warum du erfolgreich sein wirst!