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Alles oder nichts – große Liebe oder zwei gebrochene Herzen! Hayden erinnert sich noch an den Schmerz, als Shelby in verließ. Jetzt ist sie zurück – und die Sehnsucht brennt in ihm wie damals! Will er noch einmal alles auf die Karte der Liebe setzen und Shelby vertrauen?
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
Ich setze auf Rot erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2006 by Katherine Garbera Originaltitel: „His Wedding-Night Wager“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 1420 Übersetzung: Roswitha Enright
Umschlagsmotive: LightField Studios / Shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2021
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751506885
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Endlos lange Beine und sanft gerundete Hüften, die er gern mit den Händen umspannt hätte. Sie hatte alles, was eine Frau haben musste. Das hatte er schon immer so empfunden. Hayden MacKenzie konnte nicht glauben, dass Shelby Anne Paxton wieder in Las Vegas aufgetaucht war, in seiner Stadt. Er war absolut sicher gewesen, sie nie mehr im Leben wiederzusehen.
Auch ihre Waden waren ideal geformt, ebenso die Füße, die durch die hohen Stilettos noch zierlicher wirkten. Sehr sexy. Er konnte den Blick kaum von ihr abwenden.
Hayden hatte das Hotel Chimera mit dem dazugehörigen eleganten Kasino durch harte Arbeit in den letzten Jahren zu einem der ersten Häuser am Strip, der berühmten Vergnügungsmeile von Las Vegas, gemacht. Die Kasinos waren sein Leben, und er verdiente sich damit seinen Lebensunterhalt. In Las Vegas hatte er sich schon immer zu Hause gefühlt. Nie würde er etwas tun, was den Erfolg von Hotel und Kasino gefährdete, denn sein Herz hing daran, besonders da er nach der großen Enttäuschung, die er erlebt hatte, von den Menschen nicht mehr viel erwartete. Im Grunde verdankte er seinen geschäftlichen Erfolg also dieser Frau, die nicht an ihn und seine Fähigkeiten geglaubt hatte, und seinem Vater.
Denn nur weil er diesen beiden Menschen beweisen wollte, dass er auch ohne ihre Unterstützung erreichen konnte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, war es ihm so wichtig geworden, dass das Chimera zum besten und bekanntesten Kasino von Las Vegas wurde.
Die große Anlage war bis in die letzte Kleinigkeit durchgeplant, von großzügigen Gärten bis zu exklusiven Läden, in denen seine Gäste alles finden konnten, was ihr Herz begehrte. In Kürze würde das Warenangebot noch durch das luxuriöse Wäschegeschäft Becheur d’Or ergänzt werden, dessen Besitzerinnen Paige Williams und Shelby Anne Paxton in einem der größten Wirtschaftsmagazine bereits hoch gelobt worden waren. Offenbar hatte Shelby mehr aus diesem verfluchten Geld gemacht, als er ihr jemals zugetraut hätte.
Als es darum ging, den Pachtvertrag abzuschließen, hatte er allerdings nur mit Paige Williams verhandelt und sich dann auch nur mit ihr getroffen, als der Vertrag unterschrieben werden musste. Das war fatal, denn ihm war der Name ihrer Teilhaberin überhaupt nicht aufgefallen. Dass Shelby jetzt hier aufgetaucht war, kam für ihn vollkommen überraschend. Er war ganz sicher gewesen, dass sie nie wieder nach Las Vegas zurückkehren würde, nachdem sie ihn so kurz vor der Hochzeit verlassen hatte. Doch jetzt stand sie tatsächlich dort drüben in dem neuen Geschäft.
Ein langer Pfiff ließ Hayden zusammenfahren, und er wandte sich überrascht um.
„Hallo, wen haben wir denn da?“ Der große schlanke Deacon Prescott, sein bester Freund, kam auf ihn zu, ließ aber Shelby dabei nicht aus den Augen.
„Du bist es, Deacon“, begrüßte Hayden den Freund zögernd. Es passte ihm gar nicht, dass Deacon Shelby so überaus wohlgefällig musterte. Ja, er wollte nicht einmal, dass der Freund wusste, wer die Brünette war. Nur ein einziges Mal hatte er ihm von seiner missglückten Heirat erzählt, da war er allerdings auch stockbetrunken gewesen. „Du bist ein verheirateter Mann, vergiss das nicht“, warnte er Deacon halb im Ernst.
„Keine Sorge. Ich bin Ehemann aus Überzeugung. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich blind bin. Außerdem weiß Kylie, dass ich nie fremdgehen würde.“
Deacon und Kylie waren jetzt fast zwei Jahre verheiratet. Und zwar sehr glücklich. Hayden, der nach seiner Enttäuschung mit Shelby die Institution Ehe mehr oder weniger nur noch für eine geschäftliche Abmachung hielt, musste zugeben, dass Deacon und Kylie die berühmte Ausnahme von der Regel waren.
„Ja, ich weiß“, sagte Hayden mehr zu sich als zu dem Freund. Deacon hatte etwas gefunden, das er nie gesucht hatte, zumindest redete Hayden sich das ein, nämlich dauerhafte Liebe und Glück. Hayden jedoch war schon vor langer Zeit eines Besseren belehrt worden. Dauerhafte Liebe und Glück waren für Männer wie ihn eine reine Illusion. Das hatte er schmerzhaft erfahren müssen.
Dennoch freute er sich für den Freund. Als er ihm vor vielen Jahren begegnete, war Deacon in allerlei krumme Geschäfte verwickelt gewesen, hatte aber den festen Willen gehabt, da herauszukommen. Allerdings wusste er nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Jetzt war Deacon Besitzer des Golden Dream, eines sehr erfolgreichen Hotels, zu dem ebenfalls ein Kasino gehörte.
Deacon hatte in Kylie die Liebe seines Lebens gefunden und war fest davon überzeugt, dass er bis ans Ende seiner Tage mit ihr glücklich sein würde. Hayden war skeptisch, denn er hatte in dieser Hinsicht ganz andere Erfahrungen gemacht.
Natürlich hatte er sich gewünscht, seine Geschichte hätte damals auch so ein märchenhaft glückliches Ende gefunden, aber die Wirklichkeit war mit ihm rauer umgegangen. Als sei das Schicksal darauf bedacht, alles im Gleichgewicht zu halten und ihn nicht übermütig werden zu lassen, hatte er auf dieses Glück verzichten müssen. Doch da er bereits im absoluten Luxus aufgewachsen war, auch wenn sein Vater ihn nicht zu lieben schien, empfand er das in gewisser Weise als ausgleichende Gerechtigkeit, sosehr er auch darunter gelitten hatte.
„Hast du vor, hineinzugehen, oder willst du den ganzen Tag vor dem Laden stehen bleiben?“, fragte Deacon.
Normalerweise wäre er längst hineingegangen, wenn eine Frau ihn so interessierte, doch da es sich hier um Shelby handelte, zögerte er. „Ich warte auf den richtigen Augenblick.“
„Und wann kommt der?“
„Wenn du endlich verschwindest.“
Deacon lachte. „Warum sollte ich? Du hast mich doch auch keine Sekunde allein gelassen, als ich hinter Kylie her war.“
„Das ist doch etwas anderes. Da ging es um eine Wette.“ Hayden, der ein notorischer Spieler war, hatte mit Deacon gewettet, dass Kylie ihn niemals heiraten würde. Das war eine der wenigen Wetten gewesen, die Hayden verloren hatte, aber er war nicht böse darüber gewesen, denn er gönnte dem Freund sein Glück.
„Wie wäre es mit einer neuen Wette?“, fragte Deacon. „Diesmal allerdings …“
„Ich suche keine Frau fürs Leben wie du damals. Das habe ich doch schon mehrmals eindeutig zum Ausdruck gebracht.“
„Warum denn nicht, Kumpel? Du hast ja keine Ahnung, was dir entgeht.“ Seit Deacon so glücklich verheiratet war, versuchte er ständig, Hayden von den Vorteilen der Ehe zu überzeugen.
„Du weißt genau, dass ich es bereits mit der Ehe versucht habe und das Ganze nicht nach meinem Geschmack war.“ Dabei tat er so, als sei das, was ihm damals widerfahren war, lediglich eine unbedeutende Kleinigkeit gewesen und nicht etwas, das sein Leben total verändert hatte.
„Du hast es doch gar nicht bis zum Ende durchgezogen“, meinte Deacon.
„Aber fast.“ Nie wieder wollte Hayden diese fürchterliche Erfahrung machen. Nie würde er vergessen, wie er vorn am Altar stand und auf Shelby wartete, während die Kirche bis auf den letzten Platz von Freunden und Verwandten besetzt gewesen war. An wenige Gefühle konnte er sich so gut erinnern wie an diese Demütigung und seinen Zorn, als er der versammelten Hochzeitsgesellschaft mitteilen musste, dass die Braut leider nicht kommen würde, weil sie es sich anders überlegt hatte.
Und dennoch konnte er den Blick nicht von der jungen Frau lösen. Hatte das etwas damit zu tun, dass er sich seinem vierzigsten Geburtstag näherte und junge hübsche Frauen besonders anziehend auf ihn wirkten? Oder damit, dass Deacon so glücklich verheiratet war?
„Das bedeutet doch nicht, dass es mit einer anderen Frau nicht klappen kann. Mit dieser da zum Beispiel.“
„Deacon, hör sofort auf, sie so unverschämt anzustarren. Sonst schicke ich das Videoband aus der Überwachungskamera an Kylie. Die wird dir die Hölle heiß machen.“
Deacon hob lachend die Hände und trat einen Schritt zurück. „Ich dachte, du sehnst dich vielleicht nach dem guten Leben. Ich kann dir die Ehe nur wärmstens empfehlen.“
„Danke, kein Bedarf.“
„Okay, falls du deine Meinung änderst, sag mir Bescheid. Ich kann dir vielleicht ein paar gute Ratschläge geben.“
„Inwiefern?“
„Was die Liebe betrifft.“
„Deine Ratschläge brauche ich nicht, Prescott.“
Deacon grinste nur und setzte seinen Weg fort. Hayden lehnte sich gegen die Wand gegenüber der Glasfront und beobachtete die junge Frau, die Kisten öffnete und auspackte. Es war schon lange her, seit eine Frau sein Interesse geweckt hatte. Warum musste es ausgerechnet wieder Shelby sein?
Da er nicht ewig so stehen bleiben konnte, stieß er sich schließlich von der Wand ab und betrat zögernd ihr Geschäft.
Shelby richtete sich auf, und das kastanienbraune Haar fiel ihr in langen Wellen über den Rücken. Das Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt, war sie dabei, Wäschestücke aus einem offenen Karton herauszunehmen, während sie gleichzeitig in den Apparat sprach.
„Ich habe ihn bisher noch nicht gesehen, komme aber am Freitag wie verabredet. Bitte, ruf mich nicht wieder an“, sagte sie gerade, legte den Hörer auf, drehte sich auf dem Absatz um und erstarrte. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, Hayden zu sehen, denn sie wurde kalkweiß und stützte sich Halt suchend auf dem Verkaufstresen ab.
Hayden ging auf sie zu und bemühte sich, freundlich und gelassen zu erscheinen. Er hatte sich vorgenommen, Shelby wie jede andere Geschäftsfrau zu behandeln, die bei ihm einen Laden pachtete. Nicht umsonst war er für sein Pokerface bekannt. Man konnte ihm selten ansehen, was in ihm vorging.
Dennoch schob sich seine Hand automatisch tief in die linke Hosentasche, und er strich leicht über seinen Oberschenkel, dort, wo sich die kleine Tätowierung befand. Sie stellte eine geharnischte Faust dar, die ein blutendes Herz hielt, und sollte ihn daran erinnern, dass er sich nie mehr gefühlsmäßig in eine Beziehung verstricken wollte. Sex konnte er auch ohne feste Bindung bekommen.
Im Grunde war es tollkühn von Shelby, nach Las Vegas zurückzukehren, nach allem, was sie ihm angetan hatte. Sie musste wissen, dass er immer noch hier war. So handelte man nur, wenn man nichts mehr zu verlieren hatte. Zumal sie als Standort für die neue Filiale ausgerechnet sein Hotel ausgesucht hatte.
Sie war immer noch die schönste Frau, die er je gesehen hatte, auch wenn sie sich in mancher Hinsicht verändert hatte. Früher wirkte sie rätselhaft ungezähmt und war von einer Art wilden Schönheit. Sein Vater hatte sich wegen ihrer Beziehung große Sorgen gemacht und ihn gewarnt. Er hatte nicht nur den äußeren Schein gesehen.
Er, Hayden, war früher selbst ziemlich wild und unangepasst gewesen und hatte immer gehofft, dass er diese Seite seines Charakters vor Shelby verbergen konnte. Aber offenbar war ihm das nicht geglückt, sonst hätte sie ihn wohl kaum verlassen und stattdessen die Million genommen. Die hatte sein Vater ihr dafür geboten, dass sie seinen Sohn in Ruhe ließ.
„Was machst du denn hier?“, fragte er mit honigsüßer Stimme.
„Ich habe den Laden gepachtet“, gab Shelby atemlos zurück.
Himmel, ihre Stimme war immer noch so dunkel und samtweich wie damals. Und sie sah auch noch genauso jung wie früher aus, immer noch wie zweiundzwanzig. Das war nicht fair, diese Begegnung fiele ihm sehr viel leichter, wenn sie dick geworden wäre und graues Haar hätte.
„Ich meine in Las Vegas.“ Er beugte sich vor und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tresen ab. Es war zwar bereits zehn Jahre her, aber er spürte wieder diesen Schmerz, als hätte sie ihn gerade verlassen. In den zehn Jahren hätte er eigentlich seinen Zorn überwinden müssen, aber als er sie jetzt so dicht vor sich sah, war alles wieder da. Er konnte sie noch nicht gehen lassen.
Shelbys Stimme hatte er nie vergessen können. Wenn sie einfach nur glücklich war, klang sie anders, als wenn er sie in die Arme nahm. Und nie würde er den Tonfall vergessen, als sie ihm hastig am Telefon erklärte, dass aus der Hochzeit nichts werden könne, weil sie die Stadt verlassen müsse.
„Ich arbeite hier“, sagte sie.
„Ich erinnere mich noch gut daran, dass du sagtest, du würdest nie arbeiten.“
„Ich habe meine Meinung geändert. Geld hat leider die Tendenz, immer weniger zu werden.“
„Selbst die Million, die mein Vater dir gegeben hat?“
Wieder wurde sie blass, und Hayden hasste sich dafür, dass er sich ebenso grausam verhielt, wie sein Vater es damals getan hatte.
„Leider ja“, sagte Shelby leise. Während sie an der Ostküste lebte, war es relativ einfach gewesen, die unerfreulichen Umstände zu vergessen, durch die sie zu dem Anfangskapital für ihr Geschäft gekommen war. Aber hier in Las Vegas war plötzlich alles wieder da.
Shelby Anne Paxton starrte den Mann an, den sie fast wegen seines Geldes geheiratet hätte. Sie hatte sich damals bewusst nach einem reichen jungen Mann umgesehen. Hayden seinerseits hatte nach einem hübschen Mädchen gesucht, um seinen Vater zu ärgern. So hatten sie beide das bekommen, was sie wollten. Aber auch heute konnte sie nicht erklären, warum sie trotz allem immer das Gefühl gehabt hatte, als verbinde sie mehr als nur sein Geld und ihr gutes Aussehen.
Hayden hatte sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert, stellte sie fest. Immer noch hatte er dieses kräftige dunkle Haar und die hellen blauen Augen, die sie sehr genau zu durchschauen schienen. Und seine Lippen … sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie sich anfühlten, wenn er sie küsste.
„Wusstest du, dass dies mein Hotel ist?“, fragte Hayden.
„Ja“, sagte sie leise. Auf keinen Fall würde sie ihm verraten, dass sein Vater extra nach Atlanta geflogen war, um ihr vorzuschlagen, sich um dieses Ladenlokal zu bemühen. Obwohl „vorschlagen“ vielleicht nicht gerade der richtige Begriff war, denn er hatte sie im Grunde dazu erpresst. Alan MacKenzie hatte ihr gedroht, einige interessante Details aus ihrer Vergangenheit, vor allem die Sache mit der Million, die sie von ihm genommen hatte, an einschlägige Magazine weiterzugeben. Und da das Becheur d’Or gerade dabei war, sich einen Namen zu machen, konnte sie eine schlechte Presse nicht gebrauchen. Außerdem hatte Alan ihr Versprechungen gemacht, die zu verführerisch waren, als dass sie sie ablehnen konnte. Er war bereit, ihr alles zu geben, was sie wollte, in gewissen Grenzen natürlich, und Shelby wusste, dass er dabei an Geld dachte.
Alan hatte sie sozusagen gezwungen, nach Las Vegas zurückzukehren. Nun war sie hier, und sie war keineswegs mehr sicher, dass sie sich darauf hätte einlassen sollen. Denn zu ihrem Leidwesen hatte sie immer noch sehr viel für Hayden übrig. Es verging kaum eine Nacht, in der sie nicht intensiv von ihm träumte.
„Warum bist du denn nach Las Vegas zurückgekommen?“
„Also …“ Sie konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen. Auch nach zehn Jahren hatte sie den Eindruck, es sei noch eine Rechnung offen zwischen ihnen. Würde er sie wenigstens teilweise verstehen, etwa dass sie die Sache irgendwie zu Ende bringen musste? Und dass sie den Wunsch hatte, ihm das zurückzuzahlen, was er ihr unwissentlich dadurch verschafft hatte, dass er sie heiraten wollte? Denn wenn er ihr keinen Antrag gemacht hätte, hätte Alan ihr nie das Geld gegeben, das sie brauchte, um ihr eigenes Geschäft aufzumachen. Inzwischen besaßen sie und Paige eine Reihe von exquisiten Boutiquen, die überall auf der Welt zu finden waren, wo die Menschen bereit waren, viel Geld für Luxuswäsche auszugeben. Und all das verdankte sie im Grunde Hayden und seinem Heiratsantrag.
„Was ist, Shelby? Warum bist du hier? Bist du immer noch auf der Suche nach einem reichen Mann?“ Hayden hatte sich drohend vor ihr aufgebaut und konnte seine Wut nur mühsam bezähmen.
Doch Shelby konnte ihm nicht erklären, weshalb sie zurückgekommen war. Und dass sie kommen musste, weil Alan sie dazu gezwungen hatte.
Sie hatte vergessen, wie wütend Hayden werden konnte, vielleicht, weil sie so schöne Erinnerungen an ihr letztes Zusammensein hatte und alles Unangenehme ausblenden wollte. An dem Abend vor ihrer Hochzeit waren sie so fröhlich gewesen …
Plötzlich war alles wieder da, was sie damals gefühlt hatte. „Wenn du das in einem solchen Tonfall sagst …“, fing sie zögernd an.
„Der ist dir doch angemessen. Wie sonst soll ich mit einer Frau sprechen, die bei Männern nur darauf achtet, ob bei ihnen etwas zu holen ist?“
„Die Zeiten sind schon seit Langem vorbei, Hayden. Ich bin in Las Vegas, weil ich mir etwas davon verspreche, hier ein Geschäft aufzumachen.“ Sie hatte ihn vor dem Altar stehen lassen und ihn damals vom Flugplatz aus angerufen, den Scheck seines Vaters in der Handtasche. Wie sollte er ihr das jemals verzeihen?
Und dennoch würde sie in einer vergleichbaren Situation vielleicht wieder so handeln. Sie war in zu ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, als dass sie so tun könnte, als wäre Geld ihr gleichgültig. „Ich bin einigermaßen erfolgreich, wenn man bedenkt, wie ich einmal angefangen habe.“
„Mit nichts“, sagte er.
Er wirkte jetzt nicht mehr so zornig, doch sein Blick war intensiv. Er sah sie an, als wollte er sie mit den Augen ausziehen.
Sex war nie ein Problem zwischen ihnen gewesen, im Gegenteil. Erst nach Jahren therapeutischer Behandlung hatte Shelby erkennen können, dass Sex eben nicht alles war in einer Beziehung und dass sie sich sicher auch von Hayden getrennt hätte, wenn sie das Geld nicht genommen hätte. Hayden war hauptsächlich daran interessiert gewesen, eine hübsche Frau an seiner Seite zu haben, und sie sehnte sich nach finanzieller Sicherheit. Darauf konnte man letzten Endes keine Ehe aufbauen.
„Du bist weit gekommen.“
Er benutzte immer noch das gleiche Rasierwasser mit der maskulinen Note, das er ihres Wissens in Frankreich herstellen ließ.
„Was willst du, Hayden?“, fragte sie jetzt sehr direkt, weil es sie nervös machte, wie er sie ein wenig lauernd musterte.
Hayden streckte eine Hand aus und strich ihr langsam über die Wange. Nur mit Mühe beherrschte Shelby sich, nicht die Augen zu schließen und sich in seine Hand zu schmiegen. Er war immer so sanft mit ihr umgegangen.
Das hatte sie bei Männern vorher höchst selten erlebt.
Hayden hatte sie tatsächlich heiraten wollen, und sie hatte ihn versetzt, sodass er ihren gemeinsamen Freunden etwas erklären musste, was er selbst nicht verstand. Sie hatte deswegen immer ein schlechtes Gewissen gehabt und konnte sich nicht vorstellen, dass Hayden sie je wieder zurückhaben wollte. Allerdings hatte sie plötzlich, als sie sich jetzt so nah gegenüberstanden, das Gefühl, dass sie es nicht ertragen würde, wenn er wieder aus ihrem Leben verschwände.
„Die Hochzeitsnacht, die wir nie hatten“, beantwortete Hayden nach einer Weile schließlich ihre Frage.
„Du meinst Sex?“
Er nickte.
Vor lauter Verblüffung wusste Shelby nicht, was sie sagen sollte. Hayden hatte immer diese sinnliche Wirkung auf sie gehabt. Sein sexuelles Begehren war körperlich spürbar, und wieder reagierte sie, ohne zu wissen, was sie tat. Sie schloss die Augen, öffnete leicht die Lippen und hob ihm das Gesicht entgegen.
Alan erwartete von ihr, dass sie Hayden zur Vernunft brachte, indem sie gemeinsam einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zogen. Das sollte ihm helfen, ein nettes Mädchen zu finden, um endlich eine Familie zu gründen. Langsam kam Alan in das Alter, in dem er sich nach Enkeln sehnte und seinen Sohn als glücklichen Ehemann sehen wollte. In diesem Zusammenhang hatte Alan natürlich nicht an sie, Shelby, gedacht.
Plötzlich wurde ihr klar, was sie gerade im Begriff war zu tun. Schnell duckte sie sich, aber Hayden legte eine Hand in ihren Nacken und hielt sie fest. Und wieder fühlte sie sich wie das arme Mädchen, das sich nach dem reichen Prinzen sehnte. Auch als erwachsene Frau war sie offenbar noch nicht fertig mit diesem Mann.
Seit sie Hayden verlassen hatte, hatte sie zwei länger andauernde Beziehungen gehabt, beide mit wohlhabenden Männern. Aber in beiden Fällen war nichts daraus geworden. Das war ganz eindeutig ihre Schuld. Denn sie hatte Angst vor ihrer eigenen Sexualität. Beim einzigen Mal, als sie ihre Sinnlichkeit leidenschaftlich ausgelebt hatte, hatte sie ihr Herz verloren, und das durfte ihr nicht wieder passieren.
„Du willst wirklich nur Sex?“
Hayden legte den Kopf leicht schräg und betrachtete sie kalt. „Ja.“
„Hat das etwas mit Rache zu tun?“, fragte sie schnell, um ihre Antwort noch etwas hinauszuzögern. Am liebsten hätte sie sich sofort einverstanden erklärt. Wie gern wäre sie jetzt mit Hayden ins Bett gegangen, trotz all der Jahre, die vergangen waren, und all der negativen Gefühle, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatten.
„Vielleicht.“
„Wenigstens bist du ehrlich.“ Hayden hatte nie gelogen. Er hatte ihr von Anfang an gesagt, dass er der verwöhnte Sohn eines reichen Mannes war. Er war noch ziemlich unreif gewesen damals, aber das traf auch auf sie zu. Außerdem war er für sie der Märchenprinz, und sie hatte immer Angst davor gehabt, dass er, wenn sie wirklich heirateten, eines Tages merken würde, was für ein fürchterlicher Irrtum diese Ehe war. Vielleicht war sie auch deshalb so bereitwillig auf Alans Angebot eingegangen.
„Dir gegenüber doch immer.“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Shelby versuchte, aus seiner Reichweite zu kommen, stolperte dabei aber über einen Karton und wäre beinahe hingefallen, wenn Hayden sie nicht am Arm gefasst hätte. Was für einen festen und gleichzeitig sanften Griff er hatte.
„Alles in Ordnung?“, fragte er leise, mit dieser dunklen rauen Stimme, die ihr immer Schauer über den Rücken jagte.
„Ja. Danke.“
Einen Augenblick schwiegen beide. Shelby versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Plötzlich schien ihre Welt aus den Fugen zu sein. Sie sah sich in der Boutique um, und ihr Blick blieb auf einem Plakat hängen, das Puccinis Madame Butterfly ankündigte. Nein, sie würde sich nicht so hoffnungslos an einen Mann verlieren wie die unglückliche Butterfly.
Sie atmete tief durch und löste sich dann vorsichtig aus Haydens Griff. So verführerisch es auch war, mit ihm ins Bett zu gehen, sie konnte und durfte es nicht tun. Auch wenn er bisher der einzige Mann war, bei dem sie sich lebendig und sehr feminin gefühlt hatte. Aber das war lange her, und sie war inzwischen ein anderer Mensch. Keiner der MacKenzies konnte sie noch dazu veranlassen, sich ihrer Herkunft zu schämen.
Sie hatte Angst gehabt, wie ihre Mutter zu werden, und letzten Endes war sie schon auf dem besten Wege gewesen. Hatte sie nicht ihr Aussehen eingesetzt, um an Geld zu kommen und damit Sicherheit zu erlangen? Aber sie hatte sich geändert. Sie hatte sich selbst etwas aufgebaut und war Hayden in jeder Beziehung ebenbürtig.
„Wir können nicht zusammen sein, wenn du mich behandelst wie … nun, wahrscheinlich hast du sogar ein Recht dazu. Aber das kann ich nicht mehr ertragen und werde es nicht akzeptieren.“
„Aber, Shelby, ich möchte dir doch nicht wehtun. Das wollte ich nie.“
Sie glaubte ihm. Obgleich er sich damals wie ein blasierter Playboy benommen hatte, hatte er sie immer wie eine Dame behandelt. Sie hatte es nie jemandem deutlich machen können, der nicht wie sie aufgewachsen war. Aber wenn die Mutter sich wie eine Schlampe anzog und häufig wechselnde Freunde hatte, dann wurde auch die Tochter normalerweise wie der letzte Dreck behandelt. Doch Hayden war immer zuvorkommend und höflich ihr gegenüber gewesen.
„Es ist doch schon zehn Jahre her, Hayden“, sagte sie leise. „Warum haben wir das alles immer noch nicht hinter uns lassen können? Warum empfinden wir noch so viel füreinander?“ Alan hatte ihr einen großen Gefallen getan, als er sie zwang, nach Las Vegas zurückzukehren, das wurde ihr jetzt klar.
„Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung.“
Ihr ging es genauso. Sie wusste nur, dass sie Hayden nie hatte vergessen können. „Ich bin deinetwegen zurückgekommen.“
Er sagte nichts, sondern sah sie nur an.
„Ich kann irgendwie in meinem Leben nicht weiterkommen, bevor ich nicht weiß, was damals zwischen uns schiefgelaufen ist.“
„Aber, Shelby, das ist doch sonnenklar.“
„Bitte, sag das nicht. Ich wünschte, ich hätte das Geld, um deinem Vater die Million zurückzugeben. Dann stünde das nicht mehr zwischen uns.“
Hayden lächelte kurz und kam auf sie zu. „Was hältst du denn von einer Art Kompromiss? Du gibst mir das, wofür ich bezahlt habe.“