Ich will einen Papi – keinen Onkel - Isabell Rohde - E-Book

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Isabell Rohde

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. »Simon!« rief Loni Stolten dem jungen Architekten über den Flur nach. »Simon! Nur einen Moment, bitte!« Simon Sodermann blieb stehen und sah der jungen Büroangestellten entgegen. Loni war appetitlich anzuschauen und immer gutgelaunt. Vor einer Woche, als man in der Firma Hagen den Geburtstag des Chefs feierte, hatte sie ihm fast eine Stunde lang Witze erzählt. Weil er keine Witze leiden konnte, hatte er keinen davon behalten. Dabei fehlte es ihm nicht an Humor, und sein Gedächtnis funktionierte tadellos. Aber er gehörte nun mal zu den guterzogenen, zurückhaltenden Männern, die mehr zur feinen Lebensart als zu prustendem Gelächter in angetrunkener Runde neigten. »Aber nur eine Minute, Loni. Der Chef will mich sprechen«, warnte er vorsorglich, um ja nicht unhöflich zu erscheinen. Loni sah ihn aus ihren kecken veilchenblauen Augen an. »Letzte Woche hast du mir einen Kinoabend versprochen.« sich ganz genau daran erinnerte. »Ich?« »Ja, du! Du hast es versprochen, wenn ich endlich aufhöre, Witze zu erzählen.« »Stimmt.

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Mami Classic – 71 –

Ich will einen Papi – keinen Onkel

Isabell Rohde

»Simon!« rief Loni Stolten dem jungen Architekten über den Flur nach. »Simon! Nur einen Moment, bitte!«

Simon Sodermann blieb stehen und sah der jungen Büroangestellten entgegen. Loni war appetitlich anzuschauen und immer gutgelaunt. Vor einer Woche, als man in der Firma Hagen den Geburtstag des Chefs feierte, hatte sie ihm fast eine Stunde lang Witze erzählt. Weil er keine Witze leiden konnte, hatte er keinen davon behalten. Dabei fehlte es ihm nicht an Humor, und sein Gedächtnis funktionierte tadellos. Aber er gehörte nun mal zu den guterzogenen, zurückhaltenden Männern, die mehr zur feinen Lebensart als zu prustendem Gelächter in angetrunkener Runde neigten.

»Aber nur eine Minute, Loni. Der Chef will mich sprechen«, warnte er vorsorglich, um ja nicht unhöflich zu erscheinen.

Loni sah ihn aus ihren kecken veilchenblauen Augen an.

»Letzte Woche hast du mir einen Kinoabend versprochen.«

Simon tat erstaunt, obwohl er

sich ganz genau daran erinnerte. »Ich?«

»Ja, du! Du hast es versprochen, wenn ich endlich aufhöre, Witze zu erzählen.«

»Stimmt. Und du hast dich daran gehalten.« Er schmunzelte. »Also gut. Wann hast du Zeit?«

»Heute?« Unter ihrem enganliegenden Pullover zeichneten sich ihre mädchenhaften Formen ab. Der kurze Rock erlaubte einen Blick auf ihre schlanken Beine. Loni arbeitete erst seit zwei Monaten in der Firma, galt als flink und rührig und war bei allen Kollegen, ob Architekten oder Bürokräften, beliebt.

Simon, der als die rechte Hand des Chefs galt, konnte Georg Hagen keinesfalls warten lassen.

»Ich sag dir noch Bescheid. Jetzt muß ich erst mal zu unserem Boß«, meinte er. »Es geht um das Projekt am Stauwehr, du weißt doch, die Villenanlage mit den Atelierwohnungen.«

Loni nickte, ihr Lächeln schwankte zwischen Zweifel und Bewunderung für den Kollegen. Simon Sodermann war ein richtiges As im Architekturbüro Hagen und der tollste Mann, den sie bis jetzt kennengelernt hatte. Er sah phantastisch aus, war nie überheblich und strahlte doch so eine angenehme Selbstsicherheit aus. Darum verzieh sie ihm auch, wenn er nicht über ihre Witze lachte. Sie wußte ja, daß er sie trotzdem schätzte.

»Du willst also wirklich einen Abend mit mir verbringen?«

»Ja, gern«, versicherte er. »Wenn ich nichts anderes vorhabe, spricht nichts dagegen.« Und schon verschwand er hinter der Tür des Chefzimmers.

»Uff!« ächzte Loni verärgert. »Wenn ich nichts anderes vorhabe!« ahmte sie ihn enttäuscht nach und stapfte davon in Richtung ihres Arbeitszimmers.

Georg Hagen bat den jungen Kollegen auf den Sessel vor seinem Schreibtisch. Er sah ihn lange und forschend an, bis Simon seine Nervosität nicht mehr verbergen konnte.

»Ist irgendwas schiefgelaufen?« fragte er vorsichtig.

Da lachte der Fünfundsechzigjährige. »Im Gegenteil. Alles läuft nach Plan. Und wenn es weiter so gutgeht, bin ich in acht Wochen Großvater.«

»Ach, so? Ja, dann… Ich gratuliere«, erwiderte Simon förmlich.

»Sie verstehen meine Freude wohl nicht?«

»Nun ja, ich bin noch nie Großvater geworden, Herr Hagen.«

»Aber Ihre verehrten Eltern wünschen sich gewiß einen Enkel?«

Simon hatte hellbraune Haare, die ihm manchmal ein wenig wirr in die Stirn hingen. Aber das war auch das einzige an ihm, das nicht ganz korrekt war. Nun strich er sich eine Strähne aus der Stirn.

»Das kann sein. Aber Vicki und ich wohnen noch zu Hause. Bis jetzt…«

»Ihre Schwester ist jünger als Sie?«

»Ja, zwei Jahre. Vicki ist achtundzwanzig.«

»Wie meine Tochter Melanie in Australien! Ja, Melanie erwartet jetzt endlich ein Baby. Meine Frau und ich haben uns entschlossen, im nächsten Monat hinzufliegen, um ihr und dem jungen Vater beizustehen. Melanies Mann Rick ist Känguruh-Forscher. Meine Frau fürchtet, er lehne sein Kind, wenn es ohne Beutel zur Welt kommt, ab. Haha!« lachte Hagen über seinen Witz.

»Hoffentlich kommt es nicht soweit«, entgegnete Simon höflich.

»Wir werden drei Monate bleiben.«

»Das ist eine lange Zeit, Herr Hagen.«

»Ich weiß. Aber ich trage mich sowieso mit dem Gedanken, die Geschicke der Firma Ende des Jahres ganz in junge Hände zu legen.«

Simon drückte seinen Rücken gegen die Lehne und streckte seine Arme mit einer leichten Bewegung nach vorn, um sie dann wieder zur Seite sinken zu lassen. So versuchte er, seine Anspannung zu verbergen. Ob es »dem Alten« mit dem Rückzug ernst war? In wessen Hände wollte er die Geschicke der Firma dann legen? Doch nicht etwa in die von Guido Schilskys oder Bruno Schneiders? Guido Schilsky war etwas über vierzig und ein sehr zuverlässiger Mann. Aber als Architekt war kein Blumentopf mit ihm zu gewinnen. Und Bruno Schneider war ein hervorragender Statiker, benahm sich aber im Umgang mit den Auftraggebern wie ein Gorilla.

»Die jungen Hände, denen ich mein größtes Vertrauen schenke, gehören meiner Tochter Sophie, meiner Ältesten. Ich erzählte Ihnen schon von ihr, Simon. Sie hat in Amerika studiert und arbeitet seit Jahrenn in Boston. Jetzt wird sie zurückkommen und ihr Näschen in unseren Betrieb stecken.«

Herr Hagen war stolz auf seine beiden Töchter, das war seinem Lächeln anzusehen. »Sophie ist der gleiche Jahrgang wie Sie. Sie wird Anfang März eintreffen. Mir bleiben dann nur noch zwei Wochen, um sie einzuarbeiten. Das ist knapp. Darum wollte ich Sie bitten, danach für mich einzuspringen.«

»Sie meinen, ich soll Ihrer Tochter auf die Finger schauen?« fragte Simon verblüfft.

»O nein. So wollen wir es nicht nennen. Sie wird ja Ihre Chefin sein. Ich wünsche mir nur, daß Sie ihr beim Kontakt mit unseren Auftraggebern zur Seite stehen. Sie kennen sich mit unseren Baugesetzen und Vorschriften aus, gelten als weltgewandter und umgänglicher Mensch und verfügen immer über eine gute Idee. Für Ihr Alter sind Sie schon ungewöhnlich erfahren.«

»Hm!«

»Besonders spricht für Sie, daß Sie aus einer guten Familie kommen und ein ungetrübtes Verhältnis zu Ihren Eltern und Ihrer Schwester pflegen. So etwas ist nicht zu unterschätzen. Es beweist Kompromißfähigkeit und menschliche Reife.«

»Ja, wir halten zusammen«, versicherte Simon nicht ohne Stolz.

»Darum glaube ich auch, daß Sie mit einer so erfolgreichen jungen Frau wie meiner ältesten Tochter zu einer zufriedenstellenden Zusammenarbeit fähig sind. Damit wir uns verstehen, Simon – sie wird mich vertreten, also Ihre Chefin sein«, betonte Georg Hagen noch einmal.

»Äh, für immer?«

»Solange Sie in unserer Firma bleiben wollen.«

»Hm«, machte Simon wieder und versuchte damit, seine Enttäuschung zu verbergen.

»Wie Sie mir erzählten, ist Ihre Schwester als Steuerberaterin erfolgreich. Ich nehme deshalb an, Sie finden den richtigen Ton im Umgang mit tüchtigen Frauen.«

»Vicki ist meine Schwester, Herr Hagen«, gab Simon zu bedenken. »Wir wohnen noch beide bei unseren Eltern und sehen uns täglich. Beruflich gehen wir völlig getrennte Wege.«

»Sie bringen Ihrer Schwester aber Respekt entgegen?«

»Sicher. Ich liebe sie doch, solange ich denken kann.« Simon schmunzelte, weil er verschwieg, wie oft es zwischen der verwöhnten Vicki und ihm zu geschwisterlichen Streitereien oder heißen Debatten kam.

»Aber?« fragte Georg Hagen, als er das Schmunzeln bemerkte.

»Nun ja, Vicki hat ihren Dickkopf«, gab Simon zu. »Wie viele junge Frauen, die wissen, was sie wollen. Sie war immer der Sonnenschein meiner Eltern und ist ein wenig verwöhnt. In wenigen Monaten wird sie aber heiraten und zu Hause ausziehen.« Er tat einen tiefen Atemzug. »Mich an diesen Gedanken zu gewöhnen, fällt mir trotz unserer gelegentlichen Meinungsverschiedenheiten gar nicht leicht.«

Der Chef nickte amüsiert. »Sophie läßt sich auch nicht viel sagen. Aber wenn einer der jungen Architektin mit ihr zurechtkommt, dann sind Sie es. Davon bin ich überzeugt.« Da Simon dieses Lob schweigend hinnahm, fügte Georg Hagen noch hinzu: »Ich vertraue Ihnen hiermit einen Teil der Verantwortung für unsere Firma an, denn ich weiß, daß meine Tochter sich ganz auf Sie verlassen kann.«

»Kann sie«, murmelte Simon ohne große Begeisterung. Da klingelte das Handy an seinem Gürtel. Mit einem entschuldigenden Blick nahm er das Gespräch an.

»Vicki?« Er war zweifellos überrascht, um diese Zeit von seiner Schwester angerufen zu werden und wiederholte mehrmals: »Ja, wenn’s sein muß«, bevor er ihr versprach, sich gleich nach Büroschluß mit ihr in einem nahegelegenen Bistro zu treffen.

»Sehr erfreulich, wie Sie zu Ihrer Schwester stehen, wenn Sie gebraucht werden, Simon. Und weil wir Männer schöne Frauen nicht warten lassen dürfen, ist unser Gespräch hiermit beendet. Ihre Schwester ist doch eine Schönheit?« fragte der Chef noch scherzend.

»Das kann man sagen.« Simon erhob sich. »Es hat mich sehr gefreut, Herr Hagen«, dankte er mit einem geraden Blick in die Augen des Älteren. »Ja, Sie können mit mir rechnen.«

Kurz darauf eilte er durch den Korridor, band sich in seinem Büro schnell eine Krawatte um und huschte dann in die Abteilung der Buchhaltung. Loni sah ihm mit glänzenden Augen entgegen.

»Jetzt schon ins Kino? Es ist noch nicht sechs Uhr, Simon«, flüsterte sie. »Ich hab’ noch keinen Feierabend.«

»Ich kann sowieso nicht, Loni. Es tut mir sehr leid. Meine Schwester muß mich dringend sprechen. Verzeihst du mir? Unser Kinoabend ist damit nicht verloren.«

Sie starrte ihn an. »Deine Schwester? Die Steuerberaterin? Ich dachte, die ist so eine tüchtige Superfrau?«

»Ja und? Auch Superfrauen drücken mal kleine Probleme!« Simon fuhr in seinen leichten Trench, nickte ihr zu und verschwand.

»Mensch, Loni!« amüsierte sich eine Kollegin, die den kurzen Wortwechsel der beiden verfolgt hatte. »Simon Sodermann sieht toll aus und ist als Architekt und Kollege echt super. Aber als Mann ist er ein Waschlappen. Der wohnt noch immer bei seinen Eltern. Das ist doch komisch! Und kaum pfeift seine Schwester, läßt er ein Rendezvous mit dir platzen. Mach dir bloß keine Hoffnungen. Der spinnt doch!«

»Ich find ihn süß!« seufzte Loni und machte sich wieder an die Arbeit.

Zehn Minuten später saß Simon Sodermann seiner jüngeren Schwester Viktoria Paulina, genannt Vicki, gegenüber. Sie hatte die gleiche Haar- und Augenfarbe wie er, nur achtete sie darauf, daß ihre schöne Stirn nicht von ihrer Mähne verdeckt wurde und bändigte die widerspenstige Lockenpracht mit einem jeweils zum Kostüm passenden Haarband.

Ihr Gesicht war schmal und ebenmäßig und der Mund eine Spur zu groß geraten, aber gerade das verlieh ihr einen außerordentlich aparten Reiz.

»Ich nehm’ das teuerste Menü. Hauptsache, viel Eiweiß und frisches Gemüse.«

»Warum? Ich dachte, wir treffen uns nur zu einem Drink? Mams und Papsi erwarten uns doch wie immer zum Abendessen«, wandte er ein, griff aber schon gehorsam zur Speisekarte.

»Mich erwarten unsere Eltern nicht mehr.«

»Aha. Du bist später mit Frederick verabredet.«

Seit mehr als einem Jahr war Vicki mit dem erfolgreichen Anwalt Frederick Schildt befreundet, was im Hause Sodermann zu großer Erleichterung geführt hatte. Vickis Eltern waren nämlich schon unruhig geworden, weil ihre schöne Tochter zwischen ihren vielen Verehrern nie den Richtigen fand und überhaupt so hohe Ansprüche stellte, die kaum ein Mann erfüllen konnte. Aber dann war eines Tages Frederick Schildt aufgetaucht.

Inzwischen ging der Enddreißiger in der Villa ein und aus und war auch Simon zum Freund geworden. Horst und Renate Sodermann aber sahen in ihm schon den zukünftigen Schwiegersohn und Vater ihrer Enkel. Einen besseren Mann konnten sie sich für ihre Tochter einfach nicht vorstellen, denn Frederick ließ sich kaum von Vickis Allüren beeindrucken und dachte auch nicht daran, ständig nach ihrer Pfeife zu tanzen.

»Laß Frederick aus dem Spiel, sonst kommt es zwischen uns auch noch zum Streit«, bemerkte Vicki trotzig. »Ich werde mich von ihm trennen und habe mich deshalb schon mit unserer Mams gestritten.«

Simon sah sie über den Kartenrand hinweg an. Sein Blick verriet, daß er um seine Fassung kämpfte.

»Du wirst dich von ihm trennen? Warum? Nächste Woche sollte eure Verlobung gefeiert werden!«

»Gott sei Dank kommt es nicht soweit. Das Schicksal hat mir vorher eine Warnung zukommen lassen. Nun ist es aus zwischen uns. Ich werde mich von ihm, von unseren Eltern und von dir nicht mehr gängeln lassen und endlich mein eigenes Leben leben.«

Vicki war ein Dickkopf, ein verwöhntes, wenn auch blitzgescheites Mädchen, nach dessen Willen sich jeder richten mußte. Simon störte es nicht, dazu liebte er seine Schwester zu sehr. Aber nun wurde er doch unruhig.

»Was hat Frederick denn angestellt?« Er sann schon auf Rache. Wer seiner Schwester Leid zufügte, mußte dafür büßen. Er wußte nur noch nicht, wie.

»Heute mittag saß er mit einer Dame in dem Restaurant, in dem wir verabredet waren.«

»Und?«

»Sie sah rassig aus! Eine Klassefrau! Und weißt du, was er getan hat? Er hat ihr die Hand geküßt – in aller Öffentlichkeit!«

»Das ist nicht verboten. Oder glaubst du, er betrügt dich?«

»Das weiß ich doch nicht! Denkst du, ich bin rein und hab’ ihn gefragt?«

»Wenn ihr verabredet wart, hättest du reingehen sollen. Er hätte dir die Dame vorgestellt und alles erklären können.«

»Das sehe ich aber ganz anders, Simon. Er hätte mich vorher fragen müssen, ob er überhaupt jemanden mitbringen darf, wenn er mit mir verabredet ist.«

»Vicki!« stöhnte Simon auf. »Sei doch vernünftig! Wahrscheinlich war sie eine seiner Mandantinnen. Er muß dich doch nicht um Erlaubnis fragen! Und heimlich hat er sich auch nicht mit ihr getroffen!«

»So? Aber er hat ihr die Hand geküßt, bevor ich an den Tisch trat und er mich bemerken konnte. Es war ziemlich voll im Restaurant, aber ich habe es gesehen. Denkst du, ich phantasiere?«

»Nein, aber vielleicht hörst du die Flöhe husten.«

»Nun mach aber ’n Punkt, Simon! Hör mal, ich bin doch nicht irgendeine hergelaufene Gans, die sich so was gefallen lassen muß! Ich bin Viktoria Paulina Sodermann, stehe auf eigenen Beinen und kann ja wohl gewisse Ansprüche stellen!«

»Das ist ihm bestimmt nicht entgangen. Frederick liebt dich. Es wird sich alles aufklären.« Simon winkte dem Kellner. »Und das ist die Katastrophe, von der du am Telefon sprachst? Deshalb hast du mich herbestellt? Vickilein, geliebte Schwester, manchmal treibst du es wirklich zu weit!«

Er gab die Bestellung auf. Sie waren wieder allein. Vicki funkelte ihn wütend an.

»Du weißt ja noch nicht alles!«

Simon grinste. »Ich kann’s mir denken. Du bist nicht zur Verabredung erschienen, weil du sofort kehrt gemacht hast. Und Frederick besaß die Unverschämtheit, dich später im Büro anzurufen und zu fragen, warum du nicht gekommen bist. Oder hat er dir sogar Vorwürfe gemacht?« setzte er spöttisch hinzu.

»Pah! Ich war gar nicht mehr im Büro. Ich bin nach Hause zu Mams gefahren und habe ihr gesagt, daß ich ausziehe. Und zwar schon in diesem Frühjahr.«

»Du ziehst aus? Aus unserem Elternhaus! Warum denn?«

»Ich habe meine Gründe.«

»Dann heiratest du Frederick also doch!«

»Im Gegenteil. Ich habe es nur satt, mich immer nach anderen Menschen zu richten.«

Er mußte lachen. »Aber Vicki, du läßt mich allein zu Haus? Was soll denn aus mir werden! Ohne dich fühle ich mich daheim wie ein Nesthocker!«

Da schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. »Das ist typisch! Du bist ein Egoist. Frag lieber, warum ich ausziehe!«

»Das hab’ ich doch schon! Also gut, warum? Warum schon jetzt… Monate vor deiner Hochzeit.«

Vicki holte tief Luft, sah sich im Bistro um und beugte sich dann über den Tisch, damit er ihr Flüstern verstand.

»Ich weiß seit zwei Tagen, daß ich ein Kind von Frederick erwarte. Verstehst du nun, warum ich nicht dulden kann, daß er einer anderen die Hand küßt? Ich könnte ja, aber ich werde ihn nicht heiraten. Das habe ich Mams auch gesagt. Sie war so entsetzt, daß es zum Streit zwischen uns kam. Mams hat ja keine Ahnung vom modernen Leben. Sie denkt immer noch, Kinder brauchen einen Vater.«

»Tun sie auch!«

Vicki funkelte ihn zornig an. »Ich bin alt genug, Simon. Und als zukünftige Mutter muß ich mir das Gequatsche unserer Eltern schon gar nicht mehr bieten lassen!«

Simon erholte sich nur schwer von diesem Schreck. »Du bist wohl total verrückt geworden. Mams meint es doch gut.«

In Vicki kochte es. »Soll das heißen, du läßt mich im Stich?«

Simon überlegte. So lange er denken konnte, hatte er Vicki immer beschützt. Zwischen ihnen bestand ein Vertrauen und eine Zuneigung, um die sie viele beneideten und auf die ihre Eltern sehr stolz waren. Horst und Renate Sodermann hatten ihren Kindern eine herrliche Jugend und eine hervorragende Ausbildung ermöglicht, ihnen aber immer viel Freiraum gelassen. In den letzten Jahren waren sie den beiden jungen Menschen zu Freunden geworden, ohne sich in deren Angelegenheiten einzumischen. Es sei denn, Simon oder Vicki kamen mit ihren Kümmernissen zu ihnen. Nein, seinen Eltern war keinesfalls ein Vorwurf zu machen.

Simon schüttelte den Kopf. Wenn seiner geliebten Mams heute mal der Kragen geplatzt war, dann bestimmt nur aus Sorge um Vicki und das ungeborene Kind.

»Mensch, Vicki!« stöhnte er.

Er war ein erfahrener Architekt, aber bei Problemen wie diesem kam er sich wie ein blutiger Anfänger vor. Daran lag es wohl, wenn er sich jetzt wünschte, Vicki sei heute nicht ganz bei sich und mache nur dumme Witze.

Wie gut, daß jetzt der Wein serviert wurde. Simon nahm das Glas und prostete Vicki zu. »Natürlich nicht«, versprach er leichthin. »Niemals lasse ich dich im Stich.«

Vicki atmete auf und wollte trinken. Sofort nahm er ihr das Glas aus der Hand.

»Als zukünftige Mutter mußt du Alkohol meiden«, ermahnte er sie. »Das hab ich in der Zeitung gelesen. Alkohol kann deinem Kind schaden.«

Sie gehorchte tatsächlich. Nein, das alles war kein Witz! »Du wirst ein wunderbarer Onkel, Simon. Der beste der Welt«, versicherte sie strahlend.

Und obwohl er es nicht aussprach, mußte er zugeben, daß er weit und breit keine Frau kannte, die ihn so dankbar und lieb anschauen konnte wie Vicki. Er wußte schon, er würde sich ihren Wünschen nicht widersetzen. Außerdem konnte es Spaß machen, Onkel zu werden.

»Ja, das will ich gern«, versprach er. »Nur braucht das Kind auch einen Vater. Du solltest mit Frederick sprechen und dich mit ihm versöhnen. Es wird sich alles einrenken, davon bin ich überzeugt.«