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Die Sehnsucht nach dem kleinen Glück. Die Freude über einen unerwarteten Fund. Menschliche Begegnungen. Zwischen den Gegebenheiten des Alltags und dem Wunsch daraus auszubrechen liegen allerlei Ereignisse. Mal komisch, mal emotional einem besonderen Blick auf den unerklärlichen Zufall. Das ist, was Robert A. Hehmann in seinem zweiten Poeticum für Sie zum mitlesen aufgeschrieben hat.
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Seitenzahl: 154
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Zur Freude aller Menschen, die eine*n Partner*in haben, der zu jedem Wochenende einen Käsekuchen backt, und hören müssen: „Gel, meiner isch der Beschte!“
Der 60. Geburtstag
Herbst II
Herbstkomplexe
Zu Beginn
Haftungsausschluss
Künstlers Lob
Wissen
Herbstzeit
Waschmaschinen Blues
Boulevard Bohlweg
Rotwein
München
Ist ja doch ein bisschen Zuhause
Die Weißwurst
Das Lied von der Gurke
Vom Essen
Zu dick
Liebesgrüße aus der Hosentasche
Ja, das muss er auch noch lernen
Zu denken gedacht
Wenn Wünsche in Erfüllung gehen
Verlorene Zeit
Armbanduhr
Die Uhr war schneller
Zeitgedanken
Heute
Sorgen
Was mein Füllfederhalter erzählt
Was soll das
Burn out
Burn out II
Last Christmas
Der Nikolaus kommt
Weihnachtsplätzchen
Weihnachten – aber nee
Gegen den Wind
Ich hatte einen Traum
Ein Prinzenmärchen
Der Muse
Glück
Aus deinem Mund
Der Sex des Autors
Langeweile
Meinesgleichen
Von Jägern und Sammlern
Ich liebe dich
Gelegenheit macht Liebe
Zum ersten Mal verliebt
Alles
Treue
Hand in Hand
Lieben
Entenhausen
Erinnerungen III
Funkloch
Mein eigenes Land
Besitz
Am Wochenende führe ich mich aus
Norderney I
Der Sommer macht mal Pause
Urlaub
In der Ferienwohnung
Rovinj
Der Markt
Der Fang des Tages
Die Welt
Paloma
Riviera
Der Eisverkäufer
Nochmal Reisen
Griechisch
Vom Suchen und Finden
Suchen
Finden
Der Weg
Vom Suchen und Finden II
Suchen
Die Blattlaus
Der Verlust der gesunden Verdauung
Kloake – des Flusses Rauschen
Zuversicht
Hurra, ab heute bin ich Rentner
Klimakatastrophe
Spritzwoch
Schlüssel
Kaputt gegangen
Ansichten eines Stutenkerls
Mein Leben ist ganz einfach hier
Homo Erectus
Sackratten
Das Lied von der Liebe
Der Held
Papier
Reminiszenz
Der Rollmops
Es war einmal
Staub
Meine Gedichte
Wind – „Jammer“
Abgebräunt
Ein Gedicht
Es ist schon wieder Herbst. Noch nicht nach dem Kalender, in dem auch die Herbstferien angekündigt werden. Früher Kartoffelferien genannt, nicht ohne Grund.
Die Sonne hat ihre Kraft verloren. Es fröstelt einem, morgens an den Armen, wenn man am Frühstückstisch sitzt, noch im T-Shirt. Als erstes denkt man an eine Strickjacke. Die fehlt wirklich im Kleiderschrank. So etwas hatte eigentlich nur Opa. Strickjackenzeit, das ist Übergangszeit. Mit Sehnsucht nach Geborgenheit und Kuscheln. Nichts für Einzelgänger.
Mein Leben begann auch im Herbst. Diesmal mein Sechzigster. Ich habe nicht mitgezählt beim Herbst, aber der Kalender ist vertrauenswürdig.
Zum ersten Male fühle ich mich alt. Es fröstelt mich bei dem Gedanken, nicht nur an den Armen.
Eigentlich wäre es Zeit, die Wanderschuhe anzuziehen und den Tag zwischen Reben, den Tritt auf sonnengewärmtem Schiefergestein zu verbringen. Mit einer deftigen Brotzeit im Rucksack den Winzern bei der Lese zuzusehen, in der Hoffnung auf eine zünftige Einkehr, den neuen Most zu probieren. Am Berg, mit weitem Blick, oberhalb des Tales, oberhalb eines Flusses, Städten, Menschen, des Alltags.
Woanders fahren Traktoren mit riesigen Anhängern, voll von Äpfeln. Nach den süßen, saftigen, folgt als einer der letzten der saure Boskop. Ich liebe den Boskop. Ideal für die Lagerung und später, im Geschmack sauer, mit Nüssen, Rosinen und Marzipan als Bratapfel. Aber dann ist schon Winter und so weit sind wir noch nicht.
Jetzt ist erst einmal Herbst. Auch mein Herbst und ja, der Sechzigste.
Und wie habe ich ihn mir gewünscht? Auf einer hölzernen Bank, der man das Alter ansieht. Vor der Wand einer kleinen Berghütte. Von der Sonne beschienen mit einem Blick auf die Berge. Berge, die in den Himmel wachsen mit einem freundlichen:
„Grüß Gott!“
Oberhalb eines Tales, eines Flusses, vielleicht einer Stadt.
Oberhalb von Menschen und des Alltags!
Es ist noch einmal Herbst. Frische Luft weht in die Stadt, schon kühl nach einem langen, heißen Sommer. Auf den Bänken im Park und am See liegt Tau, dessen Tropfen in der Mittagssonne glänzen. Gelegenheit noch ein paar Sonnenstrahlen zu genießen, die jetzt wohlig wärmen, unter blauem Himmel.
Im Rücken das geschäftige Treiben der Stadt, im Widerhall der Gebäude und Hochhäuser. Verkehr, der nicht endet zu rauschen, auch nachts das Grundgeräusch der Stadt bestimmend.
Irgendwo weint ein Baby, das besorgt von seiner Mutter aus dem Wagen an die Brust gehoben wird und sich mit letztem Schluchzen beruhigt, während die Mutter ein Lied singt, dessen Worte ich nicht verstehen kann, dessen Melodie mir unbekannt ist.
Es ist mein 61. Herbst nach einem besonderen Jahr, voll von Sehnsüchten und Enttäuschungen. Und ja, es fröstelt mich noch immer des morgens, am Frühstückstisch und des abends bei der Lampe, ein Buch in der Hand, während die Gedanken durchs Leben tanzen. Wo ist meine Musik geblieben?
Ich habe eine Strickjacke gekauft, die mich auch wärmt.
Es wird wieder einen Geburtstag geben, von dem ich noch nicht weiß, ihn zu verbringen. Vielleicht am Tisch in meinem Wohnzimmer, mit einem Freund, für den ich gekocht habe, anschließend ein Glas Wein zu trinken und die Kerzen anzuzünden, zu Geschichten, die lachen machen. Einem Freund, der mir hilft, die Melodie meines Herzens wieder zu finden.
Ich bin alt geworden, denke ich, wenn ich die jungen Leute auf der Straße sehe, von meinem Balkon aus, aus meinem Sessel. Jünglinge, in denen sich meine Erinnerung spiegelt, eine Zeit, die längst vergangen ist, jedoch nicht ihr Begehren verloren hat.
Sehe ich in der Zeitung oder dem Internet, vielleicht den ein oder anderen dem ich begegnet bin, freue ich mich, der auch! Ja, auch den anderen bleibt es nicht erspart alt, oder vorsichtiger, älter zu werden. Vom Habitus noch gleich, doch sind die Zeichen der Zeit nicht zu übersehen. Dabei war das doch so ein Netter. Dass der auch so alt ist, erschreckt mich. Wir hatten doch erst vor kurzem miteinander gespielt. Doch auf den nächsten Blick erscheint es logisch; muss ja!
Dort wo es Bilder gibt, sprechen diese für sich. Manch einer ist doch – nicht älter geworden, – nur gereift. Sein Gesichtsausdruck noch klarer, noch erfüllter. Es sind wenige, denen über die Jahre ein Strahlen ins Antlitz gewachsen ist. Sehen so glückliche Menschen aus? Es fängt Blicke ein, ist auffällig in der Trostlosigkeit der Massen.
Ich schaue erst gar nicht in den Spiegel. Was verraten meine Bilder? Dem Spiegel traue ich nicht, sind es doch meine Augen, die sehen.
Hält jedoch ein liebender die Kamera, sehe ich meiner Bilder durch andere Augen und spüre, auch gewachsen zu sein.
Ein Anfang ist gemacht, wie schön,
so kann man gleich die Worte seh´n,
die ich zu Beginn meiner Geschichte,
schreibe und auch dichte.
Sie führen in meine Schrift,
wo Feder und Papier sich trifft,
dort wohlgeformt von meiner Hand,
dunkelblau, fließend und galant,
entstehen wahre Schätze,
erzählen Worte und auch Sätze,
von meinen ganz privaten Sinnen,
und was in meinem Kopf herinnen.
Mal zur Freude und zum Schmunzeln,
mal nachdenklich zum Stirne runzeln.
Oft ganz unterschiedliche Ideen,
die durch meines Hirnes Windung wehen.
Auch schreibe ich es hin,
wenn ich mal ganz traurig bin,
oder gerade frisch verliebt,
falls sich das ergibt.
Dann wieder voll von Schmerz,
ein gebrochenes Herz,
Ich frage bei den Leuten:
„Was soll es bedeuten?“
„Wo ist denn der Sinn?“
Ich schreibe einfach alles hin.
Auch wenn ich die Wahrheit meide,
alles großes Geschmeide.
Doch, das ist nicht alles gewesen,
ich lasse es auch alle lesen.
Und damit nicht genug,
ich lasse es drucken in einem Buch.
Für meine Sprache, voll mit Worten,
lässt sich Heimat hier verorten.
Und in mein Zuhause schreiten,
auf den vielen weißen Seiten.
So träume ich schon jetzt,
mein Buch ist wohl gesetzt,
und auch klar gestaltet,
wenn Ihr es auffaltet.
So füllt es mir den Teller,
armem Poeten und Schriftsteller.
Für meines Geistes Qualen,
sollt ihr mit goldner Münze zahlen.
Und bitte nicht in den Ofen zum Verfeuern,
es bringt dem Staate ja auch Steuern,
und ganz nebenbei,
doch auch Unterhaltung bei der Schmökerei!
Die folgenden Geschichten
sind frei erfunden,
wenn von Menschen sie berichten,
haben niemals stattgefunden.
Es gibt keine Ähnlichkeiten,
auch die Orte rein fiktiv.
Sogar dargestellte Zeiten,
sind im Ablauf relativ.
Alles frei von jeglicher Verbindlichkeit,
aus des Autors Gedanken nur,
Fantasie und Freiheit,
von Realität keine Spur.
Selbst Namen sind keine Realitäten,
genau wie das Geschlecht,
auch wenn Personen diese hätten,
für alles gilt des Zufalls Recht.
Marken und Produkte,
soweit sie hier genannt,
sowie rechtliche Konstrukte,
sind als Beispiel nur genannt.
Auch betreibe ich keine
Werbung nicht,
soweit meiner Personen eine
von einer Marke spricht.
Zum Abschluss sag´ ich dann,
meine Weste die ist rein,
denn alles kann,
doch nichts muss wirklich sein.
Die beste Kunst
spaltet das Publikum!
Die einen „loben“ von vorne,
die anderen „hinten rum“!
Früher hieß der Google
- Brockhaus.
Mit über 260.000 Stichworten,
und rd. 17.000 Seiten, *wikipedia.org / 2023
gewichtig und schwer.
Das Leben ist um vieles leichter,
wenn man nicht alles weiß.
Sommersonne ist erloschen,
Gesichter leuchten nicht mehr.
Das Korn ist gedroschen,
es folgt nun Erntedank.
Die Stühle vor dem Kaffee sind leer,
niemand noch am See auf einer Bank.
Unter den Bäumen Kastanien,
und erstes gelbes Laub.
Menschen gehen mit Schirmen dahin,
mit Gummistiefeln an den Füssen,
wenn des Sommers Hitze und Staub,
schwindet mit des Regens Flüssen.
Ob der Kamin noch geht?
Wärme kommt vom Feuern.
Holz das vor der Hütt´n steht,
und ein alter Cognac zum Kaffee.
Den Tod des Sommers zu betrauern,
vor dem ersten Schnee.
In den Geschäften schon Lebkuchen,
wenn Gänse noch auf Wiesen schnattern.
Kürbisse die Heimat suchen,
wenn des Sommers Freude verhallt.
Noch laufen die Braten hinter Gattern,
doch ist St. Martin schon bald.
Für Glühwein ist es noch zu früh im Jahr,
zunächst ist Federweißer Herbstgenuss,
der Begleiter des Zwiebelkuchens war.
Jahreszeit voll Überschwang,
mit Eicheln, Wall- und Haselnuss,
Zunächst ist erst einmal Ernte Dank.
Er saß auf dem Klo, seinem Rückzugsort, wenn er nicht in seinem Bett lag, um sich geborgen zu fühlen. Gedankenversunken starrte Konrad auf die Waschmaschine, ihm gegenüber. Er stutzte, als er den Eindruck gewann, diese Waschmaschine rede mit ihm.
Die drehende Wäsche ließ im Rund des Bullauges einen Film vor ihm ablaufen, während die rauschende Wasseruhr ihre Melodie dazu spielte. Was sich im Schaum vor ihm drehte, war sein Leben und in der Trommel war fast alles, was dieses Sein ausmachte. Konrad wurde schwindelig bei dem Gedanken, alles zu verlieren.
Es war der alltägliche Kampf um saubere Unterhosen und frische Socken, die gewohnte Ordnung und gebügelte Hemden. In Summe sein Image, nein viel mehr, sein wirkliches Leben, das er allem zum Trotze aufrecht zu erhalten suchte.
Schwindelig machte ihn die Gewissheit, dass seine Kräfte und Möglichkeiten damit so gut wie erschöpft waren. Fremde Hilfe wollte er nicht in Anspruch nehmen. Auch nicht die der Verwandtschaft, derer er sich nicht verlässlich sein konnte.
Ein neues Leben anzufangen, hieß zunächst das alte abzuschließen. Und so oft er beides versuchte, so oft musste Konrad feststellen, dass ein Erfolg gegen den Willen anderer unmöglich war. Er fühlte sich fremdgesteuert, was für ihn geradezu eine Herausforderung war, nicht und niemals aufzugeben. Er hatte keine Kraft mehr, noch einmal zu verlieren.
Das Leben ist kein Computer, den man bei Bedarf auf Werkseinstellungen oder zu einem beliebig gewählten Zeitpunkt zurück stellen kann. Es funktioniert oder besser, es läuft anders ab. Freude und Traurigkeit, besondere Momente, die wir fühlen oder erleben, machen Lebenserfahrung aus; Im positiven wie im negativen und beeinflussen unser zukünftiges Handeln. Ein Lernprozess, wie ihn keine Maschine nachvollziehen kann. Emotionen ganz persönlich und individuell, einmalig auf der Welt.
So, wie die Füllung der Waschmaschine, deren Inhalt außer Konrad niemand kennt.
„Ich hätte mir mehr Bäume gewünscht“, bemerkt eine ältere Dame, „Wie eine Schatten spendende Allee.“, die schon seit vielen Jahren hier am Bohlweg wohnt, ihren Hund über den Hörster Friedhof führt und sich mit der Nachbarschaft über die Neuigkeiten am Boulevard Bohlweg austauscht.
Andere, weniger Schilder; wieder andere, mehr Sitzgelegenheiten, vielleicht einen Kiosk oder ein Café. So hat jeder etwas zu sagen, zum neuen Boulevard Bohlweg. Jetzt am Ende der Bauarbeiten. Da, wo er nun so gut wie fertig ist, der Radweg für Millionen.
Es ist ruhig geworden, mitten in der Stadt. Nur gelegentlich schallen das Flattern und Flügelschlagen der turtelnden Tauben aus dem Grün des Hörster Friedhofs. Es hat ja auch lange gedauert, aus einer Straße eine Straße zu machen.
Vielleicht empfindet man die Ruhe am Boulevard Bohlweg so beeindruckend, weil noch immer das Kreischen und Dröhnen der Betonsägen und Baumaschinen in den Ohren nach klingt, das Vibrieren der Gläser in der Schrankvitrine noch nach schwingt und der Baustaub noch deutlich auf den Büchern in der Bibliothek zu sehen ist.
Doch, es ist mit Sicherheit ruhiger geworden. Es fehlt der Sattelzug, der all morgentlich um sechs Uhr, auf der Höhe, Am Hörster Friedhof, über die Asphaltkante rumpelte. Besonders ruhig am Abend, wenn die PS-starken Boliden nur noch ausrollen, auf dem Weg in die Tiefgaragen.
Geblieben ist die Zukunft, das Leben, das vormittags zu festen Zeiten über den Boulevard kreischt, und hier, unweit der mondänen Bushaltestelle, seine „Raucherecke“ betreibt. Was auch bleibt, sind die Laubbläser, die mit ihrem nervtötenden Getöse, das Laub vom Gehweg auf die Fahrbahn blasen, um die Ruhe am Bohlweg gleichsam erlebbar zu machen, wenn der Wind ganz leise die Blätter wieder auf den Bürgersteig zurück weht.
Eine Straße wie ein roter Teppich, eingerahmt von historischem Backstein und futuristischem Beton. Begleitet von immer mehr Fahrrad fahrenden, und Roller wie Rollator rollenden Menschen, die gemeinsam mit den Anwohnern und wochenendlichen Spaziergängern den Boulevard Bohlweg in Besitz nehmen.
Doch falsch gedacht. Seit wenigen Monaten ist die Baustellenmelodie verklungen. Enttäuschung macht sich breit, wie mehrfach aus der Tagespresse zu entnehmen ist, vom Bauherren bestätigt. Der Verkehr ist wieder da, noch schneller, mit mehr Gewicht und eher von Fern als von Nah, dafür aber mit wesentlich mehr Aggressivität.
Dabei hatten sich doch alle gewünscht: weniger Verkehr, mehr Fahrräder, weniger Krach, weniger Dreck.
Man muss befürchten, dass aus dem roten Teppich ein roter Faden wird, der sich durch die Stadt zieht, für Millionen.
Ein guter Rotwein bereitet nur Freude,
wenn man ihn mit einem guten Freund,
in angenehmer Atmosphäre teilen kann,
um gemeinsam
über den miserablen Abgang
zu philosophieren.
Wieder einmal München. Noch einmal München. Drei Jahre ist es her, dass ich diese Stadt besucht habe. Mir scheint es ist ein Abschied.
Ein Abschied, der schon begonnen hat, als mich ein des Weges unkundiger Taxifahrer zu einer nächtlichen Stadtrundfahrt einlud. Dunkeldeutschland im Westen. Novembertristesse in der Oktoberfeststadt.
Corona hat auch hier eine Schneise durch die Altstadt geschlagen. Verschlossene Geschäfte mit verbretterten Schaufenstern. Die Stadt ist ärmer geworden. Ärmer an Exklusivität und ärmer an schönen Menschen, die sonst auf den Boulevards und vor den teuren Edelboutiquen flanieren. Dafür dominieren Großbaustellen die ehemals zum Verweilen einladenden Plätze der Innenstadt.
München baut um für die Urbanität der nächsten Generationen, die sich maulwurfartig in den Untergrund begeben. Hotspots wie der Brunnen am Stachus mutieren zu cold places. Lost in Corona.
Ich bin hergekommen, meinen Herzschlag zu spüren. Doch muss ich wohl zunächst einen Pulswärmer kaufen. Die Weltstadt mit Herz hat ebenso ihren Puls der Zeit verloren. Die Zukunft verharrt im Werden und die Vergangenheit ist der letzte Schrittmacher, um den Mythos München lebendig zu halten.
Wann werde ich dich wiedersehen. Wann werde ich wieder spüren, dass du lebst um mich herum, mich liebst, Stadt meiner Liebe, meines Herzens. München, Weltstadt mit Herz.
Ob es mich wirklich ganz unberührt lassen würde, darüber habe ich eigentlich gar nicht nachgedacht, auf meiner Reise nach München. Es war und ist doch vorbei. Eine schöne Vergangenheit, aber ganz unsentimental. Auch mein Ex hatte erklärt, mich nicht sehen zu wollen. Wofür, nach so langer Zeit oder besser nach noch nicht genügend Zeit, um genug Abstand zu haben, sich für das Leben des anderen wieder zu interessieren. Außerdem ist es ja nur eine Durchreise mit Aufenthalt, nicht länger als ein paar Stunden.
Meine alte Adresse stecke ich locker weg. Den Gedanken, auch auf das Klingelschild zu schauen habe ich unterdrückt. Das ist es nicht. Leider spielt auch das Wetter nicht mit, sonnenlos von Fön keine Spur. So macht sight seeing auch nicht wirklich Freude. Trotzdem habe ich einige Stationen meiner Münchener Zeit besucht. Doch es kommt keine Freude auf, bei leichtem Schneeregen ziehen sich auch die wenigen Besucher auf dem Viktualienmarkt in die Standerl zurück. Insgesamt scheint mir, ist der Abstand größer geworden.
Eine Weißwurst, dazu ein dunkles Bier mit Blick auf die Frauenkirche, nur etwas Münchener Flair. Und dann ist es da, das Gefühl: „Ist ja doch ein bisschen Zuhause!“
Ich kann es gar nicht kontrollieren, es überkommt mich. Die Tränen laufen mir über die Wangen. Ich könnte schreien. Die Leute schauen mich irritiert an.
Ich muss nicht suchen, hier finde ich.
Und, ja, … : „Es ist nur ein bisschen Zuhause."
Die Weißwurst an sich, und ihr Genuss sind in Bayern etwas, über das keinesfalls gestritten wird, weder in der Öffentlichkeit noch privat. Das machen, wenn überhaupt nur Preissen und Zuagroaste. Aber darüber reden, das machen alle, auch diejenigen, die gar keine Essen.
Sie, die Weißwurst gilt als unantastbar, ebenso wie der Kinni, F.-J. Strauss oder die schöne Münchenerin. Im Gespräch, am Jogltisch eines Brauhauses, wird man jedoch erleben, dass jeder so seine eigene Weißwurst-Philosophie hat, gleich seinem morgendlichen Gebet. Und diese auch zur Not mit einem ehrlichen: „Ja, sakra!“ verteidigen wird.
Oh du Wurst,
du weißes,
in jungfräulichem Kleid,
oh du Bier,
du helles,
stehst im Krug bereit.
Oder so ähnlich.
So lässt sich vortrefflich über Aussehen, Inhaltsstoffe, Gewürze, Zubereitung und den Zeitpunkt, sowie die Art des Verzehrs philosophieren. Von der Qualität des Darmes ganz zu schweigen und von der Herkunft des Metzgers, der sein Handwerk ja wiederum in einer ganz besonderen, speziellen und traditionellen Wurstküche gelernt haben muss. Das Ganze kann natürlich nicht gelingen, ohne den begleitenden süßen Hausmachersenf und die resche Breze in die Beurteilung einzubeziehen. Ebenso wie den Gebrauch von Messer und Gabel oder eben nicht.