Idyllen - Theokrit - E-Book

Idyllen E-Book

Theokrit

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Beschreibung

Theokrit war als griechischer Dichter Schöpfer und Hauptvertreter der bukolischen Poesie der Griechen. Seine über 30 Gedichte gelten als wegweisend für die Form der Idylle. In diesem Band sind enthalten: I. Thyrsis. II. Die Zauberin. III. Amaryllis. IV. Die Hirten. V. Komatas und Lakon. VI. Die Rinderhirten. VII. Das Erntefest. VIII. Die Wettsänger. IX. Die Aufforderung. X. Die Schnitter. XI. Der Kyklop. XII. Der Geliebte. XIII. Hylas. XIV. Die Liebe der Kyniska. XV. Die Syrakuserinnen am Adonisfest. XVI. Die Chariten. XVII. Lob des Ptolemäos. XVIII. Brautlied der Helena. XIX. Der Honigdieb. XX. Der junge Kuhhirt. XXI. Die Fischer. XXII. Die Dioskuren. XXIII. Der unglücklich Liebende. XXIV. Der kleine Herakles. XXV. Herakles bei Augeias. XXVI. Die Bacchantinnen. XXVII. Liebesgespräch. XXVIIIa. Der Spinnrocken. XXVIIIb. Die Spindel. XXIX. An den Geliebten.

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Idyllen

Theokrit

Inhalt:

Idyllen – Eine Betrachtung

Idyllen

I. Thyrsis.

II. Die Zauberin.

III. Amaryllis.

IV. Die Hirten.

V. Komatas und Lakon.

VI. Die Rinderhirten.

VII. Das Erntefest.

VIII. Die Wettsänger.

IX. Die Aufforderung.

X. Die Schnitter.

XI. Der Kyklop.

XII. Der Geliebte.

XIII. Hylas.

XIV. Die Liebe der Kyniska.

XV. Die Syrakuserinnen am Adonisfest.

XVI. Die Chariten.

XVII. Lob des Ptolemäos.

XVIII. Brautlied der Helena.

XIX. Der Honigdieb.

XX. Der junge Kuhhirt.

XXI. Die Fischer.

XXII. Die Dioskuren.

XXIII. Der unglücklich Liebende.

XXIV. Der kleine Herakles.

XXV. Herakles bei Augeias.

XXVI. Die Bacchantinnen.

XXVII. Liebesgespräch.

XXVIIIa. Der Spinnrocken.

XXVIIIb. Die Spindel.

XXIX. An den Geliebten.

Idyllen, Theokrit

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849637491

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Idyllen – Eine Betrachtung

Idylle heißt ein poetisches Werk, in dem eine eigenartige ästhetische Grundstimmung, nämlich die des Idyllischen, zur Geltung kommt. Das Idyllische wurde von Schiller (in seiner Abhandlung »Über naive und sentimentalische Dichtung«) zu den sentimentalischen, d. h. subjektiven ästhetischen Begriffen gerechnet, denen außerdem das Pathetische, Satirische, Elegische (und der Humor) angehören, und es lässt sich diesen allenfalls insofern gesellen, als auch bei ihm, wie bei jenen andern ästhetischen Begriffen, ein Gegensatz zwischen dem Auffassenden und dem Gegenstand seiner Auffassung hervortritt. So erscheint etwa dem satirischen Dichter der Gegenstand, den er darstellt, verdammenswert und des Spottes würdig, oder dem elegischen der seine als ein solcher, den er mit Schmerz vermisst; die Kluft zwischen Ideal und Leben, Wunsch und Wirklichkeit tritt deutlich hervor. Und so sollte auch der idyllische Dichter, der das Ideal als ein in der Phantasie neu sich vollendendes darstellt, in der sentimentalischen Auffassung wurzeln. Zweifellos kann das Gefühl für das Idyllische nur dort entstehen, wo eine Spaltung der Kulturschichten eingetreten ist und dem Einfachen und Natürlichen das Verbildete und Verkehrte gegenübersteht. Anderseits ist aber der sentimentalische Charakter des Idyllischen doch sehr zweifelhaft: während der Pathetiker, Satiriker, Elegiker und Humorist ihre subjektive Auffassung entschieden geltend machen, tritt sie dagegen bei dem Idylliker durchaus hinter den Objekten zurück. Aus diesem Grunde darf das Idyllische nicht ohne weiteres zu den subjektiven ästhetischen Begriffen gerechnet werden, es kann aber auch mit den objektiven Hauptbegriffen des Schönen, Erhabenen, Tragischen und Komischen nicht in eine Linie treten; vielmehr weist es uns auf ein ganz andres Gebiet ästhetischer Betrachtung hin. Nachdem einmal die in Urzeiten anzunehmende einheitliche Bildung unter den Genossen einer Volksgemeinschaft verloren gegangen war, sonderten sich mehrere Kreise oder Schichten ab, deren Angehörige sehr verschiedene Anschauungsweisen betätigten. Während in der primitiven Kultur der Urzeiten allein die typisch-volkstümliche Auffassungsweise herrschte, kam später durch die Zersplitterung der Bildung die konventionelle Auffassung bestimmter Lebenskreise und die individuelle Auffassung der sich mehr und mehr isolierenden bedeutenden Persönlichkeiten auf; daneben blieb das typisch Volkstümliche auf die niedere Schicht des Volkes im engeren Sinne des Wortes beschränkt. Das Idyllische konnte nur entstehen, nachdem sich diese drei Formen der typisch volkstümlichen, der konventionellen und der individuellen Anschauung getrennt hatten. Die der konventionellen oder gelegentlich auch der individuellen Denkweise huldigenden höheren Gesellschaftsklassen blieben gegenüber den ästhetischen Reizen der ungebrochenen typisch-volkstümlichen Kultur nicht unempfänglich, und von ihrem Standpunkt aus wurde das Schöne und Liebliche der Willens- und Schicksalsgefühle dieser primitiven Kulturschicht als das Idyllische bezeichnet, ebenso wie man das Erhabene dieser Welt mit dem besonderen Ausdruck des Heroischen bedachte. Wollen wir also das Idyllische mit den ästhetischen Hauptbegriffen in Verbindung bringen, so können wir es nur als eine auf eine bestimmte Kulturschicht hindeutende Unterart des Schönen im engeren Sinne des Wortes betrachten. Das Idyllische ist dabei nicht auf eine bestimmte Gattung der Poesie beschränkt: es gibt ebenso gut idyllische Dramen, wie idyllische Epen, Erzählungen, Romane oder Gedichte idyllischen Charakters. Insbesondere aber werden als Idylle solche Gedichte bezeichnet, in denen das breit und liebevoll ausgeführte beschreibende Element sich mit lyrischen und wenig umfangreichen erzählenden Partien vereinigt. Das griechische Wort eidyllion, das verschieden gedeutet wird, als »kleines Bild« oder als »kleines, zum Gesang bestimmtes Lied«, trägt zur Erklärung des Begriffs I. nichts bei.

Die ältesten Spuren des Idylls finden sich bei den Hebräern (Buch Ruth) und bei den Indern (z. B. in den Schilderungen des Priester- und Einsiedlerlebens der »Sakuntala« des Kâlidâsa); zu reicherer Entwickelung kam es in der bukolischen Poesie der Griechen, die vorzugsweise Vorgänge aus dem Leben der Nymphen und Hirten behandelt. Diese im alexandrinischen Zeitalter von Theokrit im Anschluss an alte Wechselgesänge der sizilischen Hirten ausgebildete Gattung, in der sich außerdem Bion und Moschos auszeichneten, wurde von Vergil (»Eklogen«) in die römische Literatur übertragen. Jahrhundertelang wurde dann die idyllische Dichtung so gut wie gar nicht gepflegt. Zuerst versuchte Boccaccio in seinem »Ameto« die geistlich umgedeutete Bukolik zu erneuern, vor allem aber fanden Dichtungen idyllischen Charakters im 16. Jahrh. vielseitigste Pflege in Italien, wo namentlich Tasso durch seinen »Aminta« und Guarini durch seinen »Pastor fido« großen Erfolg erzielten. Von Italien aus tritt die Schäfer- oder Hirtendichtung ihren Siegeszug durch die Literatur aller Kulturländer an. So sind unter den Spaniern Cervantes, Montemayor, Garcilaso de la Vega, unter den Portugiesen Camoes, unter den Engländern Spenser und Gay, unter den Franzosen Ronsard, Marot, Fontenelle, Gresset und insbes. Bernardin de Saint-Pierre mit »Paul und Virginie« und Chateaubriand mit »Atala«, unter den Dänen Öhlenschläger als Idyllendichter rühmend zu erwähnen. In Deutschland erzielte Geßner mit Werken dieser Gattung einen ungewöhnlichen Erfolg, und die Lieblichkeit seiner feinsinnigen Darstellungen verdient in der Tat hohes Lob. Indessen schon früh hatte sich die idyllische Literatur ihres ursprünglichen Charakters entäußert: an Stelle der reinen Natur primitiver Zeiten trat gezierte Unnatur, traten Schilderungen, die der Norm der Lebenswahrheit Hohn sprachen und durch ihre süßliche Lieblichkeit kräftigeren Naturen bald widerwärtig werden mussten. Erst in den 70er Jahren des 18. Jahrh. wurde Wert und Wesen der Volkspoesie wieder erkannt und dadurch auch der Begriff des Idyllischen von seiner langen Entartung befreit. Erst Johann Heinrich Voß (vor allem mit seinem »Sieb zigsten Geburtstag« und seiner »Luise«) und Maler Müller wussten echtes Volksleben und volkstümliche Auffassung in ihren Idyllen zu gestalten und verrieten dabei den heilsamen Einfluss der Herderschen Lehren. Nach ihnen sind Eberhard (mit »Hannchen und die Küchlein«), Kosegarten (»Jukunde«), Ulrich Hegener (»Die Molkenkur«) u. a. zu nennen. Goethe vereinigt in seinem idyllischen Epos »Hermann und Dorothea« idyllische mit welthistorisch bedeutsamer Darstellung und gewann hierdurch einen neuen Typus der epischen Dichtung. Idyllische Züge finden sich aber auch in vielen modernen Werken, namentlich in der Dorfgeschichte; hierher gehören Immermanns »Oberhof«, die Schriften von Auerbach, M. Meyr, Rank, Hermann Schmid, manche Erzählungen von Anzengruber, Rosegger, Ganghofer etc.; aber auch Fritz Reuter, Theodor Storm und Gottfried Keller haben in ihren Novellen und Romanen manche sehr wirksame idyllische Darstellung geboten.

Idyllen

I. Thyrsis.

Thyrsis.

Lieblich, o Geißhirt, ist das Getön, das die Pinie drüben

Säuselnd am Felsquell übt, das melodische; lieblich ertönt auch

Deine Syringe; nach Pan wird billig der andere Preis dir.

Wenn er den Bock sich erwarb, den gehörneten, nimmst du die Ziege,

Wenn zum Lohn er die Ziege behält, dann folget das Zicklein

Dir; und fein ist das Fleisch vom Zickelchen bis du es melkest.

Geißhirt.

Lieblicher tönt, o Schäfer, dein Lied mir als mit Geplätscher

Dort von dem Fels hochher in das Thal sich ergießet der Bergquell.

Wenn die singenden Musen ein Schaf wegführen zum Preise,

Nimmst du das zärtliche Lamm zum Lohne dir; wählen sie aber

Lieber das Lamm für sich, wirst du mit dem Schafe davongeh'n.

Thyrsis.

Wolltest du nicht, bei den Nymphen! o Geißhirt, wolltest du nicht hier

Her dich setzen, am Hang des Hügelchens voll Tamarisken,

Und die Syring' anstimmen? Ich achte derweil auf die Ziegen.

Geißhirt.

Ja nicht um Mittag, Schäfer, die Syrinx blasen! um Mittag

Nicht! Pan fürchten wir da! Denn er pflegt, vom Jagen ermüdet,

Um die Stunde ja immer des Schlafs; gar wunderlich ist er,

Und ihm schnaubet der bittere Zorn aus der Nase beständig.

Aber du kennst ja, Thyrsis, ich weiß, die Leiden des Daphnis,

Und im Hirtengesang bist du vor Allen ein Meister:

Komm', dort sitzen wir unter den Ulmbaum, gegen Priapos

Ueber und gegen die Nymphen des Quells, wo der Schäfer sich Rasen-

Bänke gemacht in der Eichen Umschattung. Wenn du mir sängest,

Wie du einmal mit Chromis, dem Libyer, sangest im Wettkampf,

Eine Ziege bekämst du mit Zwillingen, dreimal zu melken,

Welche die Böcklein säugt und doch zwei Kannen mit Milch füllt.

Auch ein Gefäß sei dein, mit duftendem Wachse gebonet,

Tief, zweihenklig und neu, das Holz noch riechend vom Meisel.

Epheu schlingt sich oben im Kreis umher an der Mündung,

Epheu, versetzt mit dem Golde der Blum' Helichrysos; er ranket

Durch sie hin, anlachend mit safranfarbigen Träublein.

Mitten darauf ist ein Weib, kunstvoll, wie ein Göttergebilde;

Langes Gewand schmückt sie und das Stirnband. Neben derselben

Steh'n zwei lockige Männer, die streiten, ein Jeder von seiner

Seite, mit Worten um sie, doch rühret es wenig das Herz ihr:

Jetzo kehrt sie den Blick mit lachender Miene zum Einen,

Jetzo neigt sie den Sinn zum Andern, und Beide vor Liebe

Brennend, das Aug' vorschwellend, ereifern und mühen umsonst sich.

Außer Diesen sodann ist ein Fischer zu seh'n, ein bejahrter,

Und ein zackiger Fels, auf welchen mit Eifer der Alte

Schleppt zum Wurfe sein Netz, so recht wie ein Mann, der sich anstrengt.

Alle Kraft der Glieder, so glaubest du, beut er zur Arbeit

Auf: so starren ihm rings die geschwollenen Sehnen am Halse,

Zwar bei grauendem Haupt, doch die Kraft ist würdig der Jugend.

Nur ein wenig entfernt von dem meerverwitterten Greise

Steht, gar lieblich mit purpurnen Trauben belastet, ein Weinberg,

Welchen ein Knäblein bewacht, das sitzet am Dornengehege.

Auch zwei Füchse sind dort, der eine durchwandert die Gänge

Zwischen den Reben und nascht von zeitigen Trauben, der andre

Spitzt voll List auf die Tasche des Bübleins, und er gedenkt nicht

Eher zu geh'n, als bis er ihm habe genommen das Frühstück.

Jener flicht sich aus Halmen die zierliche Grillenfalle,

Wohl mit Binsen gefügt, und es kümmert ihn weder der Weinberg,

Weder die Tasche so sehr, als nun das Geflecht ihn erfreuet.

Ringsher endlich umläuft das Geschirr biegsamer Akanthos.

Staunen gewiß wirst du; ein äolisches Prachtstück ist es.

Eine Ziege bezahlt' ich dem kalydonischen Schiffer

Für dasselbe, zusammt dem größesten Käse von Geißmilch.

Noch nicht Einmal die Lippen berührt' es mir, sondern es steht noch

Ungebraucht. Dieß sollte dir jetzt mit Freuden geschenkt sein,

Ließest du jenen süßen Gesang, o Freund, mich vernehmen.

Nein, ich närre dich nicht! Fang' an denn! Sicher ja wirst du

Nicht dem Aïs dein Lied, dem allvergessenden, sparen.

Thyrsis.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Thyrsis vom Aetna ist hier, und die liebliche Stimme des Thyrsis.

– Wo wart ihr, als Daphnis verschmachtete, wo doch o Nymphen?

Fern im peneiischen Tempe, dem reizenden, oder am Pindos?

Denn nicht weiletet ihr um den mächtigen Strom des Anapos,

Nicht um des Aetna Geklüft, noch Akis' heilige Wasser.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Schakaln haben ihn ja, ihn heulende Wölfe bejammert;

Klage des Löwen um ihn, da er hinsank, scholl aus dem Walde.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Ihm zu Füßen gestreckt in Haufen, wie stöhnten die Kühe,

Brüllten in Haufen die Stiere umher, und Kälber und Färsen!

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Jetzt kam Hermes zuerst vom Gebirg' her: Daphnis, begann er,

Wer doch quält dich? Um wen, o Guter, in Liebe vergehst du?

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Jetzo kamen die Schäfer, der Kuhhirt kam und der Geißhirt.

Alle sie fragten: was ist mit dir? Auch selber Priapos

Kam und rief: Was schmachtest du, Daphnis, o Aermster! Das Mägdlein

Irrt ja umher an den Quellen und irrt durch alle die Haine –

(Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!)

Dir nachschleichend! O Thor, der du bist, in der Lieb', unbeholfner!

Kuhhirt nennst du dich wohl, doch ein Geißhirt bist du nun eher.

Sieht so einer die Ziege der Brunst sich fügen des Männchens,

Schmachtend zerfließt sein Auge, daß nicht er selber ein Bock ward.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Also auch dir, wenn du siehst, wie die Jungfrauen scherzen und lachen,

Schmachtend zerfließt dein Aug', daß du nicht mittanzest im Reigen.

Nichts antwortete jenen der Kuhhirt; sondern im Herzen

Trug er die quälende Lieb', und trug bis zum Ende das Schicksal.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Endlich kam Kythereia, die anmuthvolle, mit Lächeln,

Heimliches Lächeln im Aug' und bitteren Groll in der Seele.

Daphnis, sprach sie, du prahltest ja, Eros in Fesseln zu schlagen;

Bist du nicht selbst von Eros, dem schrecklichen, jetzo gefesselt?

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Aber Daphnis darauf antwortete: Grausame Kypris!

Kypris, unselige du! o Kypris, der Sterblichen Abscheu!

Meinest du denn, schon sei mir die Sonne, die letzte, gesunken?

Doch wird Daphnis im Aïdes noch dem Eros ein Dorn sein!

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Geh' doch zum Ida nur hin, wo ein Hirt, wie es heißt, Aphroditen

Einst ... Geh' dort zu Anchises! da grünt's von Eichen und Galgant!

Reif auch schon ist Adonis für dich: er weidet die Schafe,

Oder den Hasen erlegt er und andere Thiere des Waldes.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Tritt noch einmal entgegen dem Held Diomedes und sag' ihm:

Ich bin Daphnis', des Hirten, Besiegerin! Auf, in den Zweikampf!

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Schakal und Wolf und Bär in den Klüften des Bergs, o ihr alle,

Lebet wohl! Ich Daphnis, der Hirt, bin nimmer in Wäldern,

Unter den Eichen mit euch und im Hain! Leb' wohl, Arethusa!

Wohl, ihr Bäche, vom Thymbris die lieblichen Wellen ergießend!

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Daphnis bin ich, derselbe, der hier die Kühe geweidet,

Daphnis, der hier zur Tränke die Stier, und die Kälber geführet.

Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an!

Pan, o Pan, wo du jetzt auch weilst, auf den Höh'n des Lykäos,

Auf dem gewaltigen Mänalos, komm' in der Sikeler Eiland

Her! Die helikischen Gipfel verlaß und das thürmende Grabmal

Jenes Sohns von Lykaon, das selber die Himmlischen ehren.

Laßt den Gesang, ihr Musen, o laßt den Hirtengesang ruh'n!

Komm' und empfang', o Herrscher, die honigathmende Flöte,

Schön mit Wachse gefügt wie sie ist, um die Lippen gebogen.

Denn schon dränget mich Eros, hinab zum Aïs zu wandern.

Laßt den Gesang, ihr Musen, o laßt den Hirtengesang ruh'n!

Fortan traget Violen, ihr Brombeerranken und Dornen!

Auf Wachholdergebüsch soll blühen der schöne Narkissos!

Alles verkehre sich rings! und der Pinie Frucht sei die Birne,

Jetzo da Daphnis stirbt! Und der Hirsch nun schleppe den Jagdhund,

Und mit der Nachtigall kämpf' im Gesang von den Bergen der Uhu!

Laßt den Gesang, ihr Musen, o laßt den Hirtengesang ruh'n!

– Als er Solches gesagt, da verstummt' er. Ihn aufrichten

Wollt' Aphrodita; doch gar nichts mehr von der Mören Gespinnst war

Uebrig. Daphnis durchgieng den Acheron und das Gestrudel

Barg den Geliebten der Musen, den auch nicht haßten die Nymphen.

Laßt den Gesang, ihr Musen, o laßt den Hirtengesang ruh'n!

Und du gib das Gefäß, auch gib mir die Ziege, so melk' ich

Sie und sprenge den Musen zum Dank. O Heil euch, ihr Musen!

Vielmal Heil! Euch will ich hinfort noch lieblicher singen.

Geißhirt.

Honig, o Thyrsis, fülle den reizenden Mund dir, es füll' ihn

Lauterer Seim! und die Feige von Aegilos reife zur süßen

Kost für dich! Du singest melodischer als die Cikade!

Hier, mein Freund, das Gefäß. O schau, wie lieblich es duftet!

Dächte man nicht, es sei in der Horen Quelle gebadet?

Komm' nun her, Kissätha! Du melke sie! – Heda, ihr Geißen,

Habt doch Ruh', mit den Possen! Der Bock wird über euch kommen!

M.

II. Die Zauberin.

Auf! wo hast du den Trank? wo, Thestylis, hast du die Lorbeern?

Komm', und wind' um den Becher die purpurne Blume des Schafes!

Daß ich den Liebsten beschwöre, den Grausamen, der mich zu todt quält.

Ach! zwölf Tage schon sind's, seitdem mir der Bösewicht ausbleibt!

Seit er fürwahr nicht weiß, ob am Leben wir oder gestorben!

Nie an der Thür' mehr lärmt mir der Unhold! Sicherlich lockte

Anderswohin den flatternden Sinn ihm Eros und Kypris.

Morgenden Tags will ich zu Timagetos' Palästra,

Daß ich ihn seh', und was er mir anthut Alles ihm sage.

Jetzo mit Zauber beschwör' ich ihn denn. – O leuchte, Selene,

Hold! Ich rufe zu dir in leisen Gesängen, o Göttin!

Rufe zur stygischen Hekate auch, dem Schrecken der Hunde,

Wann durch Grüfte der Todten und dunkeles Blut sie einhergeht.

Hekate! Heil! du Schreckliche! komm' und hilf mir vollbringen!

Laß unkräftiger nicht mein Werk sein, als wie der Kirke

Ihres, Medeia's auch, und als Perimede's, der blonden.

Roll', o Kreisel, und zieh' in das Haus mir wieder den Jüngling!

Mehl muß erst in der Flamme verzehrt sein! Thestylis, hurtig,

Streue mir doch! wo ist dein Verstand, du Thörin, geblieben?

Bin ich, Verwünschte, vielleicht auch dir zum Spotte geworden?

Streu', und sage dazu: Hier streu' ich Delphi's Gebeine!

Roll', o Kreisel, und zieh' in das Haus mir wieder den Jüngling!