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Mason und Jacob teilen ein großes Geheimnis: ihre Homosexualität. Als diese ans Licht kommt, stoßen sie, auf mehr Widerwillen, als den beiden lieb ist. Ihre Eltern setzen alles daran, diese Geschichte unter den Tisch zu kehren, da treffen die beiden aufeinander. Gegen jede Möglichkeit, verlieben sie sich. Wird ihre liebe allein, am ende reichen? Oder ist der Gegenwind zu groß?
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Seitenzahl: 231
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Playlist
Lucas Graham - Love Someone
Callum Scott - No matter What
Jess Benko - A Soulmate wasn´t meant
Sleeping at last - You are enough
Paloma Faith - Only love can hurt like this
Conan Gray - The Cut that always Bleeds
Bebe rhexa - Small Doses
Noah Cyrus - July
Ruelle - War of hearts
The Walters - I love you so
Triggerwarunung
In diesem Buch, werden Themen wie:
- Gewalt
- Homophobie
- Sexuelle Handlungen
- Mobbing
Thematisitert.
Bitte gebt auf euch acht beim Lesen. <3
Cover
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Danksagung
Cover
Kapitel 1
Danksagung
Cover
1
2
3
4
5
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Kapitel 1
Mason
„Guter Wurf, Turner!“, brüllt mein Teamkollege Dean.
Knapp nicke ich ihm zu und mache mich nach Abpfiff auf den Weg zurück in die Umkleide.
Zwischen den ganzen anderen komme ich mir manchmal vor wie ein Zwerg, aber ich bin mit meinen 1,90 cm auch der kleinste im Basketballteam.
Stören tut das hier keinen, da ich trotzdem die gewünschte Leistung erbringe.
„Wie war es gestern mit Sarah?“
Erschrocken fahre ich herum und blicke meinem besten Freund Shawn ins Gesicht.
„Verdammt, Mann! Schleich dich nicht immer so an!“, grummele ich.
Shawn grinst frech.
„Sorry. Jetzt sag schon.“
Neugierig hebt er eine Augenbraue. Was soll ich sagen? Ich habe, als ich mit ihr geschlafen habe, an einen Typen gedacht, damit ich überhaupt einen Hoch kriege? Wohl kaum.
Keiner weiß davon und im Idealfall, bleibt das auch so.
„Ja gut“, antworte ich knapp. „Ich muss jetzt erst einmal duschen.“
„Ich warte draußen.“
Schon ist er verschwunden. Ich hoffe, er quetscht mich gleich nicht weiter, über Sarah aus, denn ich sage ehrlich, viel gibt es da nicht zu erzählen.
Mich reizt absolut nichts daran, mit Frauen zu schlafen, aber wenn ich den Schein aufrechterhalten will, muss ich genauso weitermachen, wie ich es jetzt tue.
Nach dem Duschen stehe ich vor dem Spiegel. Mal wieder bin ich dankbar dafür, meine Haare relativ kurz zu tragen. Ich muss sie nach dem Duschen nicht noch ewig wieder richten, wie die meisten meiner Teamkollegen.
Stechend Grüne Augen starren mich an und wieder einmal fragen sie dasselbe wie immer: Wer bin ich?
Ja, auf diese Frage gibt es entweder die richtige Antwort: Ich bin ein heterosexueller Junge, der beliebt ist und vermutlich aufgrund seiner sportlichen Fähigkeiten ein Stipendium bekommen wird. Auf dem College werde ich dann eine großartige Frau treffen, die ich heiraten werde. Mit dieser werde ich dann auch eine Handvoll Kinder bekommen und meinen Traum (besser gesagt den meines Vaters) berühmter Sportler zu sein ausleben.
Die wahre Antwort wäre: Ich bin ein homosexueller Junge, der pesudomäßig mit Frauen schläft, dessen Eltern unglaublich homophob sind und ihn wahrscheinlich herauswerfen würden, wenn sie es wüssten. Achso und außerdem wäre meine Laufbahn vermutlich zu Ende, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat. Das ist doch alles scheiße.
„Ich dachte schon, du bist unter der Dusche ertrunken“, witzelt Shawn, als ich endlich durch die Tür der Sporthalle nach draußen, auf das Gelände der Regent Highschool trete.
„Leider nicht.“
Ich packe gerade meine Wasserflasche in meine Sporttasche, als jemand hart in mich hereinläuft.
Der ganze Inhalt meiner Sporttasche verteilt sich auf dem Boden.
„Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst, oder was?“, blaffe ich ihn ungehalten an.
Als ich den Blick hebe, sitzt er zusammengekauert da und murmelt eine Entschuldigung.
„Schon gut“, sage ich beschwichtigend, weil es mir jetzt doch ein wenig leidtut.
Beim zweiten Hinsehen stelle ich fest, dass dieser Junge sogar ziemlich hübsch ist. Er ist mir so nah, dass ich einzelne Sommersprossen auf seiner Nase sehen kann, seine pechschwarzen Haare hängen im leicht in die Stirn und seine warmen braunen Augen, schauen mich immer noch entschuldigend an.
Er ist schmaler gebaut als ich, sieht aber absolut umwerfend aus.
Sobald er mir geholfen, meine Sachen wieder in meiner Tasche zu verstauen, sprintet er förmlich davon. Nicht mal Danke sagen kann ich.
„Hast du gesehen, wie der dich angestarrt hat?“, fragt Shawn und sieht angewidert in die Richtung des hübschen Unbekannten.
Leider kann ich mich in dieser Hinsicht nicht mal meinem besten Freund anvertrauen.
Ich weiß ganz genau, dass gerade die Sportler hier dieselbe Meinung vertreten, und das würde es mir nicht unbedingt einfacher machen.
„Kommste heute Abend noch rum?“, fragt Shawn.
Ich zucke die Schultern.
„Weiß ich noch nicht, vielleicht.“
„Du warst schon ewig nicht mehr bei mir, Mason. Wir sehen uns nur noch in der Schule.“
Ein schlechtes Gewissen überkommt mich. Er hat recht, nur hatte ich in letzter Zeit einfach keine Lust auf mehr soziale Kontakte als nötig.
Beschwichtigend sehe ich ihn an.
„Ich versuche heute Abend zu kommen, okay?“
„Okay“, antwortet, er sieht jedoch nicht überzeugt aus.
Wir verabschieden uns und jeder geht seinen weg. Als ich zu Hause ankomme, ist es mucksmäuschenstill. Meine Eltern sind heute beide zu Hause, an solchen Tagen begrüßt meine Ma mich normalerweise schon der Tür, heute ist sie aber nicht zu sehen.
„Ma?“, rufe ich in den stillen Flur.
„Wir sind in der Küche, Mason. Bitte komm zu uns“, ertönt ihre leise Stimme.
Sie klingt schwach und zerbrechlich, etwas Schlimmes muss vorgefallen sein. Augenblicklich setze ich mich in Bewegung, doch bevor ich fragen kann, was los ist, gefriert mir das Blut in den Adern.
Vor meinen Eltern auf dem Tisch liegen meine Hefte. Ich weiß ganz genau, was sie gelesen haben. Scham und Verzweiflung machen sich in mir breit.
„Kannst du uns das erklären?“, fragt mein Vater, um Fassung ringend.
Immer noch starre ich wie gelähmt auf den Tisch und kann nicht fassen, dass sie meine Geschichten gelesen haben. Ich bin richtig am Arsch.
„Ich habe dich etwas gefragt!“, blafft mein Vater und ich sehe, wie schwer es ihm fällt nicht komplett auszurasten. Ich schlucke zweimal, dann räuspere ich mich.
„Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll“, nuschele ich und vermeide Blickkontakt.
Mein Herz pocht doppelt so schnell wie sonst.
Ich kann momentan keinem von beiden in die Augen sehen.
„Hast du diese Geschichten nur aus Spaß geschrieben oder steckt da etwas Wahres hinter?“, fragt meine Mutter und ich höre Hoffnung aus ihrer Stimme heraus.
Wieder ist es still. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt und ich bin mir sicher, da bin ich nicht der Einzige.
„Verdammt Mason, du schreibst Geschichten über Schwule und jetzt stehst du hier und antwortest nicht.“
Ich hebe den Blick und sehe meinen Vater an.
„Ich stehe auf Männer“, sage ich und senke sofort wieder den Blick.
Mein Vater schlägt mit seiner Faust auf den Tisch und meine Mutter schluchzt laut auf. Ich wusste, sie würden es nicht gut aufnehmen, aber diese Reaktion ist wirklich um einiges heftiger als erwartet. Sie tun regelrecht so, als hätte ich jemanden ermordet.
„Warum tust du uns das an?“, Schluchzt meine Mutter in ein Taschentuch.
Ich spüre Wut aufsteigen, doch schlucke sie herunter.
„Ist das wirklich so schlimm für euch? Ist es nicht egal, mit wem ich zusammen bin, solange ich zufrieden bin? Ich habe mir das auch nicht so ausgesucht“, sage ich mit fester Stimme.
„Verdammt, nein Mason!“, brüllt mein Vater jetzt.
Erschrocken weiche ich einen Schritt zurück.
„Deine Sportkarriere kannst du vergessen, wenn die Sponsoren das Herausfinden. Du wirst kein Stipendium bekommen. Warum redest du dir ein, auf Männer zu stehen?“
„Ich rede mir das ein?“, frage ich ungläubig. „Ich versuche es mir seit Jahren auszureden! Es ist nun mal so, ich bin schwul!“
Ich bin lauter geworden und mein Herz rast unaufhörlich.
„Nein, bist du nicht“, sagt mein Vater.
„Doch, Dad.“
„Mason“, durchschneidet die kraftlose Stimme meiner Mutter unser Gespräch. „Ich weiß, du denkst, du bist nun mal so und kannst nichts daran ändern, aber das stimmt nicht. Wir helfen dir dabei, wieder gesund zu werden.“
Sie lächelt warm, als hätte sie mir gerade etwas Großartiges erzählt.
„Ihr denkt, ich bin krank?“, kopfschüttelnd trete ich noch einen Schritt zurück.
„Ja mein junge, du selbst siehst es nur noch nicht.“, erklärt sie und versucht nach meinem Arm zu fassen, doch ich entziehe ihn ihr.
„Ihr könntet mich so nicht akzeptieren?“, frage ich.
Meine Stimme klingt rau und schwach. Es ist dennoch nichts, was ich anders von meinen Eltern erwartet hätte. Sie haben homosexuellen schon immer kritisch gegenübergestanden und sind ziemlich konservativ. Wie konnte ich mit einer positiven Reaktion rechnen?
„Nein“, antwortet mein Vater an ihrer Stelle. „Weil, das nicht normal ist.“
Sie das laut aussprechen zu hören, was ich schon immer gedacht habe, tut furchtbar weh.
Ich habe gehofft, sie sind vielleicht anfangs ein wenig vor den Kopf gestoßen, arrangieren sich, dann aber damit und akzeptieren es zumindest.
„Ich kann nichts daran ändern“, erkläre ich und meine Schultern sacken nach vorn.
„Wir haben Hilfe organisiert“, sagt jetzt wieder meine Mutter.
Ein schlechtes Gefühl überkommt mich.
„Es gibt so eine Art Camp. Homosexuelle Jugendliche werden dort therapiert und wieder auf die richtige Spur gebracht.“
Das kann nicht ihr Ernst sein. Sie möchten mich gegen Homosexualität therapieren lassen?
„Was?“, krächze ich.
„Das ist nicht verhandelbar“, keift mein Vater, bevor ich wieder den Mund aufmachen kann.
„Am Montag fährst du ab. Ohne Widerrede.“
„Das könnt ihr nicht machen. Mom bitte!“, flehe ich meine Mutter an, doch auch sie bleibt eisern.
„Es ist das Beste für dich, Liebling.“
Jetzt reicht es!
„Am besten für mich wäre es, wenn ihr mich einfach akzeptieren könntet, wie ich bin. Stadtessen redet ihr mir ein, ich sei krank und schickt mich zu einer Therapie!“, schreie ich.
Die beiden wirken gänzlich unbeeindruckt. Sie sagen keinen Ton mehr.
Ihr Schweigen macht mich noch wütender. Als ihre Worte.
„Ich fahre da nicht hin.“
Durchbreche ich die stille.
„Wir haben dort schon angerufen, du wirst am Montag in der Früh abgeholt. Noch bist du, Gott sei Dank, minderjährig. Wir wollen dir nur helfen“, kommt es von meinem Vater.
Jetzt schlägt er wieder einen versöhnlichen Ton an. Den kann er sich jetzt auch sparen.
Wieder schüttele ich den Kopf. Ich muss mich geschlagen geben, ich habe keine Chance.
„Okay“, murmele ich und schnappe mir meinen Rucksack vom Boden.
„Mason!“, sagt meine Mutter und will mich in ihre Arme ziehen, doch ich befreie mich sofort.
Ich ertrage ihre Nähe jetzt nicht. Sie sieht verletzt aus, doch das bin ich auch.
Sie wollen mich Therapieren lassen. Ich soll als homosexueller Junge fahren und als Heterosexueller wiederkommen? Was ist das für eine Kranke, Scheiße? Was machen sie in diesem Camp mit uns, um das auszutreiben?
Je länger ich nachdenke, desto mehr Fragen entstehen und ich bekomme immer mehr Angst vor diesem Camp.
Widerwillig beschließe ich Shawn anzurufen.
„Hey. Bist du schon unterwegs?“, begrüßt er mich.
„Nein, ich werde nicht kommen“, sage ich entschuldigend und er seufzt. „Ich brauche deine Hilfe, Shawn.“
„Wobei denn?“, fragt er verunsichert.
„Ich bin schwul“, platze ich heraus.
Einen Augenblick ist es still in der Leitung.
„Alter, wenn du mir jetzt sagst, dass du in mich verknallt bist, flippe ich aus“, sagt er und ich muss grinsen.
„Unsterblich verliebt“, erwidere ich sarkastisch.
Erleichtert atmet er aus.
„Jo, also ich sage dir ehrlich, ich muss mich zunächst an den Gedanken gewöhnen, aber ist eben so.“
Ich glaube, mich verhört zu haben. Die Person, von der ich am ehesten dachte, sie würde komplett toben ist die Verständnisvollste? Bin ich in einem Paralleluniversum gelandet?
„Du … du hast kein Problem damit?“, frage ich, nur, um noch mal sicherzugehen.
„Nein, solange du dich nicht in mich verliebst oder so nicht. Wissen deine Eltern es?“
„Ja“, sage ich zögernd. „Zu viel, um es am Handy zu erzählen. Kann ich Sonntag vorbeikommen und dich auf den neusten Stand bringen?“
„Klar!“, schreit er fast. „Ist es denn schlimm gelaufen?“
„Kann man so sagen“, erwidere ich und klinge zerknirschter als beabsichtigt.
Ich höre ihn zweifeln, aufseufzen.
„Wenn was ist, sag Bescheid. Du kannst notfalls auch hier pennen“, sagt er.
„Dafür bin ich dir sehr dankbar.“
Bin ich wirklich.
Wir legen auf und ich schleppe meinen erschöpften Körper zum Bett.
Ich starte Netflix und schaue mir eine dämliche Serie an. Sie erfüllt ihren Zweck.
Meine Gedanken schalten sich aus und ich kann mich etwas entspannen.
Etwas sagt mir, dass das bald vorbei sein wird.
Kapitel 2
Jacob
Seit ich vorhin in Basketball-Mason hereingerannt bin, kann ich an nichts anderes mehr denken. Unser Basketballstar hat es mir irgendwie angetan, doch sonst habe ich mich immer gefühlt, wie eine 12-Jährige, die für eine Boyband schwärmt.
Als ich ihn umgerannt habe, wurde mir schmerzlich bewusst, dass er eigentlich immer nur eine Tür weiter ist.
Ich war so verdammt aufgeregt, dass ich keinen einzigen Ton herausbekommen habe. Zumindest habe ich ihm dabei geholfen, seine Sachen wieder in die Sporttasche zu räumen, die er meinetwegen verschüttet hat.
Rückblickend war das gar nicht so einfach, weil seine Begleitung, mich permanent angesehen hat, als wäre ich eine Kakerlake, auf die man drauftreten möchte.
Meine Sexualität ist hier auf der Schule nur einer einzigen Person bekannt: meiner besten Freundin Lou. Doch in solchen Momenten habe ich das Gefühl, jeder kann in mir lesen, wie in einem Buch.
Mein Handy unterbricht meine Gedanken.
„Hey Lou. Was gibt’s?“, frage ich in den Hörer.
Am anderen Ende der Leitung fängt sie an zu quatschen wie ein Wasserfall. Obwohl es mir wirklich schwerfällt, ihr immer zuzuhören, geht es mir schon viel besser. Jedenfalls kurz.
„Also sagst du es deinen Eltern heute?“, holt Lou mich zurück in die Realität. Ein schwerer Stein bildet sich in meinen Magen.
„Ja“, antworte ich.
Obwohl meine Nerven, mehr als blank liegen, muss es heute sein. Ich bin es leid, mich zu verstecken und mir bei jeder Familienfeier, Fragen wie: „Hast du schon eine Freundin?“, „Willst du als alte Jungfrau sterben?“ Oder „Vielleicht bist du ja vom anderen Ufer.“ Anzuhören. Letzteres stimmt zwar, aber wenn, ich das so auf einer Familienfeier bekannt gegeben hätte, wären sie wahrscheinlich mit Mistgabeln und Fackeln auf mich losgegangen.
Ich liebe meine Familie, aber sie ist verdammt verklemmt.
„Sollte etwas sein, kannst du bei mir übernachten“, bietet sie an und ich höre die Besorgnis aus ihrer Stimme.
„Ist schon okay“, beruhige ich sie. „Es wird vermutlich heute krachen, aber sie werden sich daran gewöhnen. Ich bin ihr einziger Sohn. Entweder ignorieren sie es oder sie akzeptieren es.“
„Ich hoffe letzteres“, seufzt sie schwer.
Ja. Ich hoffe es auch.
„Melde dich, okay?“, sagt sie streng.
„Du bist die Erste, die ich anrufen werde“, antworte ich und grinse.
Je näher ich meinem Zuhause komme, desto schlimmer flattern meine Nerven.
Meine Eltern sind nette Leute, aber dieses Gespräch, könnte verdammt, unangenehm werden.
Meinen ersten und einzigen Partner, verlor ich vor knapp zwei Monaten, weil er keine Lust mehr hatte verstecken zu spielen, was ich absolut nachvollziehen kann. Gerade deshalb muss ich mein Leben, jetzt endlich in die Hand nehmen und zu mir stehen. Ich bin 16 Jahre alt. Ich werde jawohl ein Gespräch mit meinen Eltern führen können.
Vorsichtig öffne ich die Tür und sofort, weht mir ein köstlicher Duft entgegen.
„Was kochst du, Mom?“, rufe ich durch den Flur.
„Hühnerfrikassee!“, ruft sie zurück und wie auf Stichwort, grummelt mein Magen.
Ich gehe in die Küche, gebe meiner kleinen neunjährigen Schwester Stacy einen Kuss auf die Stirn, wobei ihr meine Haare ins Gesicht fallen, und sie kitzeln.
„Jake, du musst unbedingt zum Friseur, deine Haare sind viel zu lang!“, schimpft sie und ich gebe ihr recht.
„Ich gehe nächste Woche, okay?“
Sie nickt ernst, doch ein kleines Lächeln zupft an ihren Mundwinkeln.
Genervt streiche ich meine pechschwarzen Haare, die ich von unserer Mutter geerbt habe, nach hinten, sie sind wirklich doppelt so lang wie normalerweise.
Stacy dagegen ist das Ebenbild unseres Vaters, mit kastanienbraunem Haar und braunen Augen. Die einzige von uns mit blauen Augen ist Mom. Was im Kontrast zu ihren dunklen langen Haaren jedoch absolut umwerfend aussieht.
Wir setzen uns gemeinsam an den Tisch, schon trommele ich nervös mit den Fingern, auf meinem Oberschenkel. Was soll ich sagen? Wie fängt man so etwas an und bringt es so schonend wie möglich rüber?
„Ist was?“, fragt meine Mutter und runzelt besorgt die Stirn.
„Ich wollte etwas mit euch besprechen“, antworte ich leise und betrachte meine Gabel, als wäre sie das Interessanteste, was ich jemals in meinem Leben gesehen habe.
„Was denn, Jake?“, fragt nun auch mein Vater und alle sehen mich abwartend an.
Ich stammele zusammenhangloses Zeug, bevor ich mich zusammenreiße und es aus mir herausplatzt, als würde es seit Jahren auf den Moment warten. Ja, okay, streng genommen tue ich das ja auch.
„Ich bin schwul.“
Der ganze Raum, füllt sich mit schweigen.
Plötzlich beginnt mein Vater zu lachen, er scheint zu glauben, ich habe einen Witz gemacht, doch als er meine unbewegte Miene sieht, gefriert sein Lachen.
„Jacob!“, ruft meine Mutter vorwurfsvoll.
Irritiert sehe ich sie an. Die Einzige, die mich nicht verachtend, sondern mitfühlend ansieht, ist Stacy.
„Das ist nicht dein Ernst?“, fragt mein Vater und sieht mich Verächtlich an.
Ich spüre Scham in mir aufsteigen. Dieses Outing hat mich so viel Überwindung gekostet und jetzt ist es einfach komplett gegen den Baum gefahren.
„Ich kann verstehen, dass das schwer für euch ist, aber versteht ihr nicht, dass es das für mich auch ist? Wieviel Kraft mich das kostet?“
„Wieviel Kraft es dich kostet?“, schnaubt meine Mutter. Ihre Stimme trieft förmlich vor Sarkasmus.
„Wollt ihr mich verarschen? Ihr tut so als wäre ich ein Schwerverbrecher!“
„Das wäre uns bei weitem lieber“, meldet sich wieder mein Vater zu Wort.
Ich will gerade etwas erwidern, der Zorn, ist kaum zu bändigen doch er schneidet, mir einer Handbewegung das Wort ab.
„Geh auf dein Zimmer. Ich muss mich mit deiner Mutter allein unterhalten und eine Lösung für dieses Problem suche.“, sagt mein Vater.
Seine Stimme klingt, als wäre seine Kehle komplett ausgetrocknet und er sieht mich nicht an.
„Eine Lösung für dieses Problem?“, frage ich fassungslos.
„Geh jetzt hoch!“, befiehlt meine Mutter streng.
Da ist nichts Liebevolles mehr in ihrem Blick. Also tue ich, was sie sagen und trotte hinauf in mein Zimmer. Ein paar Sekunden, nachdem ich meine Tür geschlossen habe, geht sie bereits wieder auf und Stacy betritt mein Zimmer.
Sie kommt auf mich zu und drückt mich fest.
„Mir ist es egal, ich hab’ dich trotzdem lieb“, flüstert sie und ich drücke sie fest an mich. Ein warmes Gefühl durchströmt mich.
Wenn meine kleine Schwester kapiert, dass es eigentlich gar nicht schlimm ist, tun meine Eltern es möglicherweise auch noch. Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Spät am Abend klopft es an meiner Zimmertür, Meine Mutter kommt rein, mit einem Tablett in der einen und einer Flasche Wasser in der anderen Hand.
„Ich wollte dir nur was zu essen bringen, du kamst ja vorhin kaum dazu.“
Sie bemüht sich um einen lockeren Tonfall, doch ich registriere ihre angespannte Körperhaltung.
„Mom- „beginne ich doch, sie macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Iss und wenn du fertig bist, komm runter, wir wollen mit dir sprechen.“
Mit diesen Worten verlässt sie mein Zimmer. Ich sitze vor meinem Teller und bekomme keinen Bissen herunter, so aufgeregt bin ich. Eine halbe Stunde und zwei Gabeln später, beschließe ich nach unten zu gehen. Als ich in das Wohnzimmer trete und meine Eltern auf der Couch sitzen sehe, schnürt sich mir der Hals zu. Sie sehen beide alles andere als glücklich aus. Was habe ich mir hier eigentlich erhofft?
„Setzen“, sagt mein Vater.
Er sieht mich nach wie vor nicht an, diese Tatsache versetzt mir einen schmerzhaften Stich.
Ich nehme auf dem Sessel gegenüber von den beiden Platz und warte.
Mein Vater ergreift das Wort, den Blick starr auf die Wand hinter mir fixiert.
„Deine Mutter und ich haben den Nachmittag damit verbracht, zu recherchieren, wer uns helfen kann. Wir haben ein Camp gefunden, das spezielle Therapeuten, zur Behandlung von Homosexualität hat. Du wirst dorthin gehen.“
Alle Farbe weicht aus meinem Gesicht, ich starre die beiden verstört an.
„Ist das überhaupt erlaubt?“, frage ich.
Keiner von beiden antwortet mir.
„Ich will endlich sein können, wie ich bin! Ich bin zufrieden so!“, sage ich aufgebracht.
„Niemand, der so ist, wie du, ist damit zufrieden“, sagt mein Vater, mit Zusammengebissen zähnen.
Heiße Wut brodelt in mir.
„Gut, also kurz zusammengefasst: Ihr seid homophobe Idioten, die ihr Kind nur lieben können, wenn es heterosexuell ist. Korrekt?“, fauche ich.
„Pass auf, was du sagst!“, schreit meine Mutter plötzlich und sowohl mein Vater als auch ich zucken erschrocken zusammen.
„Wir müssen dir helfen, normal zu werden!“
„Ich bin normal!“, schreie ich den Tränen nahe zurück. „Wir leben im 21. Jahrhundert, verdammt! Das ist schon lange nicht mehr unnormal!“
Wieder herrscht Schweigen, doch dieses Mal ist die Anspannung fast greifbar.
„Dieses Camp wird nichts bringen. Ich bin nun mal schwul.“
Bei dem Wort „Schwul“ zucken beide zusammen, als hätten sie schmerzen.
So sollten Eltern ihre Kinder nicht behandeln.
„Wo ist dieses Camp?“, will ich wissen.
„Das wissen wir auch nicht, es ist anonym“, antwortet meine Mutter.
„Ihr schickt mich weg, ohne zu wissen, wohin ich überhaupt gehe?“, frage ich.
Ich glaube, ich war noch nie so fassungslos wie in diesem Augenblick.
„Sie haben echt gute Bewertungen und eine hohe Erfolgsquote. Es wird dir guttun.“
Die Stimme meines Vaters ist ungeduldig.
„Es würde mir guttun, wenn ihr mich so liebt, wie ich bin“, antworte ich und Tränen treten mir in die Augen.
„Du bist aber nicht so, Jacob“, beharrt meine Mutter.
Ich gebe mich geschlagen, egal, was ich sage, es wird sie nicht davon abbringen, mich in dieses verrückte Camp zu schicken.
„Wann geht es los?“, frage ich erschöpft.
„Am Montag. Zwei Wochen wirst du dort sein“, antwortet meine Mutter zufrieden lächelnd.
Ich nicke, als Zeichen, dass ich verstanden habe und begebe mich zurück in mein Zimmer.
Wie konnte ich so dumm sein zu glauben, sie würden es akzeptieren? Tief in meinem Inneren, wusste ich eigentlich von Anfang an, wie es laufen würde.
Die ganze Situation ist so verdammt traurig.
Ich lege mich auf mein Bett und wähle Lou’s Nummer. Sie wird vermutlich gleich aus allen Wolken fallen.
Sie nimmt nach den ersten drei Freizeichen ab und ich erzähle ihr eine grobe Zusammenfassung des heutigen Tages.
„Du machst Witze, Jacob.“
Sie klingt mindestens genauso verstört wie ich.
„Leider ist es kein Witz“, gebe ich erschöpft zurück.
„Das kann doch nicht erlaubt sein, oder?“
„Keine Ahnung, ehrlich gesagt“, erwidere ich.
„Wir müssen eine Lösung finden, das können sie dir doch nicht antun“, sagt Lou, fast schon verzweifelt.
Resigniert seufze ich auf.
„Es gibt keine andere Lösung, Lou. Ich muss diese zwei Wochen durchziehen, gut abschneiden und zu Hause dann den guten, netten und heterosexuellen Jacob für meine Familie spielen.“
„Das ist so verrückt. Sie behandeln dich wie einen aussätzigen“, flüstert sie.
Zwei Stunden telefoniere ich noch mit Lou und fühle mich am Ende, des Telefonats tatsächlich wieder ein wenig leichter. Sie bekommt es immer wieder hin, egal, wie schlecht mein Tag war, mindestens ein Lächeln aus mir heraus zu locken.
Ich wünschte meine Eltern, wären nur ein kleines bisschen mehr wie sie.
Kapitel 3
Mason
Sonntag stehe ich vor Shawn’s Haus und zittere am ganzen Körper. Nicht nur die Aufregung auf den morgigen Tag und meine Reise in das Camp sind dafür verantwortlich, sondern auch die Angst, dass Shawn es sich anders überlegt hat, ist sehr präsent.
Fünf Minuten drücke ich mich vor der Tür herum, bevor ich mich traue zu klingeln. Sofort steht Shawn da und zieht mich in eine brüderliche Umarmung. Ich bin so erleichtert, dass ich am liebsten heulen würde, aber das, wäre dann wohl doch zu viel, für seine Nerven.
„Komm rein, du siehst scheiße aus, Mase“, sagt er und sieht mich besorgt an.
Keine Sorge, ich fühle mich beschissener, als ich aussehe.
„Sind deine Eltern nicht da?“, frage ich, als ich niemanden weiter sehe.
„Nein, die sind bei Freunden, kommen erst spät wieder. Setz dich schon mal, ich hole uns was zu trinken. Coke?“, fragt er und ich nicke.
Als er sich wieder neben mir fallen lässt, ergreift er das Wort.
„Du stehst also nicht auf Mädchen.“
Es klingt wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage, trotzdem nicke ich.
„Warum hast du dann immer einen Haufen Mädchen abgeschleppt?“, fragt er und sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
Ja, Mason. Warum?
„Tarnung oder so ähnlich, denke ich.“
„Das hättest du echt nicht machen müssen, Mann.“, sagt Shawn und seine Mundwinkel zucken verdächtig.
„Was ist so lustig, Shawn?“, frage ich verwundert.