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Vor vier Jahren traf sich eine Gruppe engagierter Lyriker und Lyrikerinnen zum ersten Mal. Sie waren sich einig: "Unser Schreiben soll etwas bewirken." Diese Anthologie soll dazu beitragen, die Lyrik aus ihrem Nischendasein zu befreien. Zeigen, wie wichtig politische Lyrik auch heute ist. Wir zeigen unsere Papiere. Mögen sie uns die Landeerlaubnis erteilen in diese hektische Welt. Mit Gedichten von Günther Bach, Ute Eckenfelder, Wolfgang Endler, Wolfgang Fehse, Frederike Frei, Gabriele Fritsch-Vivié, Dorle Gelbhaar, Renate Gutzmer, Joachim von Hildebrandt, Christine Kahlau, Henning Kreitel, Salean A. Maiwald, Steffen Marciniak und Reinhild Paarmann.
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Seitenzahl: 61
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Gedichte zur Zeit
Gesellschaftsrelevante Lyrikder „Copyright-Poesie“-Gruppe
Herausgegeben von derLyrik-AG des VS Berlin
© 2020 Hirnkost KG
Lahnstraße 25
12055 Berlin
www.hirnkost.de
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage März 2020
Vertrieb für den Buchhandel:
Runge Verlagsauslieferung: [email protected]
Privatkunden und Mailorder: shop.hirnkost.de
Layout: benSwerk
Titelbild: Henning Kreitel
ISBN:
PRINT: 978-3-948675-06-6
PDF: 978-3-948675-08-0
EPUB: 978-3-948675-07-3
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Vorwort
Günther Bach
Ute Eckenfelder
Wolfgang Endler
Wolfgang Fehse
Frederike Frei
Gabriele Fritsch-Vivié
Dorle Gelbhaar
Renate Gutzmer
Joachim von Hildebrandt
Christine Kahlau
Henning Kreitel
Salean A. Maiwald
Steffen Marciniak
Reinhild Paarmann
Wenn die Gefühle gleichzeitig mit den Worten da sind, ist das ein Geschenk für einen Lyriker. Man sagt ja: Eine Zeile wird ihm geschenkt. Bei den nächsten muss er daran arbeiten, den rechten Ausdruck für seine Gefühle und Gedanken zu finden. Dabei können Kolleginnen und Kollegen helfen, durch den Abstand, den sie als Lesende haben.
Vor vier Jahren traf sich die Lyrik AG zum ersten Mal im Gewerkschafts-Haus. Vorausgegangen war der Beschluss des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Berlin, Arbeitsgruppen zu bilden, u. a. auch eine AG Lyrik. Kontaktperson für die AG Lyrik war Michael-André Werner. Zu diesem ersten Treffen erschienen dreizehn Lyrikerinnen und Lyriker. Unterdessen sind wir 14.
Wir trafen uns alle zwei Monate, lasen uns Gedichte vor und diskutierten heftig. Ich erinnere noch die an Brecht anknüpfende Frage eines Autors, wie man politischen Gedichten mehr Gewicht verleihen könnte, damit sie nicht nur zu Eintagsfliegen taugten. Das Thema interessierte uns, schließlich sind wir alle bei ver.di organisiert, politisch engagiert und entsetzt über die gegenwärtige politische Lage. Wir konzentrierten uns nun auf gesellschaftlich relevante Gedichte. Es gab ja genug davon in unseren Schreibtischschubladen.
Für eine Aktion mit Tischgedichten nannten wir uns „Copyright Poesie“. Ein Signet wurde entworfen. Das brachte uns einander näher. Wir traten zum ersten Mal als Gruppe auf in der Galerie/Restaurant GM 26, wo wir unser Projekt ausprobierten.
Beim Lesen werden Sie feststellen, dass die Gedichte in ihrer Form verschieden sind, teils gereimt, teils freie Verse. Alle haben ihren eigenen Ton.
Unser nächstes Thema wird „Musik“ sein. Lyrik – das Wort leitet sich vom Musikinstrument des Orpheus her, der zu seiner Lyra singt, mit der magischen Kraft der Poesie. Lyrik ist universal. Das älteste Gedicht entstand 2200 v. Chr. in Ägypten, dann in Indien und Griechenland im 8. Jahrhundert v. Chr. Wir sind damit als Lyrik Schreibende mit der ganzen Welt verbunden.
Die vorliegende Anthologie soll dazu beitragen, die Gattung aus ihrem Nischendasein zu befreien auch für Aussagen gegen die bedrohlichen rechten Tendenzen in unserer Gesellschaft. Wir zeigen unsere Papiere! Mögen Sie uns die Landeerlaubnis erteilen in diese hektische Welt.
Reinhild Paarmann
Günther Bach, 1935 in Stendal geboren, Beruf Architekt und Designer, schreibt Prosa und Lyrik. Vier Romane beim Verlag Angelika Hörnig seit 2000, eine Sammlung früher Gedichte Toter Briefkasten 2007, danach 2010 der Gedichtband Wirrwahr, 2014, Artbook Lesezeichen beim Tobusch Verlag für Kunst und Medien.
Die Würde des Menschen
ist unantastbar. Na gut –
mehr oder weniger,
solange sie denn bezahlbar bleibt.
Falls nicht – für ein Leben in Würde,
besonders wenn es zu lange dauert,
will manche Rente nicht reichen –
wird würdiges Sterben empfohlen.
ERDE
Am Anfang gehörte die ERDE niemand.
Als der Erste damit begann,
einen Zaun zu errichten
um Haus und Hof,
gab es noch Bären und Wölfe
in den Wäldern, die es umgaben,
und das Beil, mit dem er die Bäume fällte,
es war aus Stein.
Das war der Beginn jener Zeit,
in der nicht mehr alles allen gehörte.
Und die Zahl der Zäune nahm zu,
die die Erde teilten,
und sie wurden höher und fester
und irgendwann
wurden aus ihnen Mauern aus Stein.
WASSER
Zu Beginn jener Zeit,
war das WASSER noch rein
in den Flüssen und Bächen.
Wer Durst hatte, kniete am Ufer
und trank aus der hohlen Hand.
Jahrhundertelang
strömte in Dörfern und Städten
das Wasser frei zum Gebrauch
für jedermann.
Doch auch das Wasser
gehörte schon bald nicht mehr allen,
denn in den großen Städten
starben die Flüsse und Bäche.
Aus tiefen Brunnen
floss nun das Wasser in endlosen Röhren.
Wer davon trinken will,
zahlt nun dafür an den,
der den Brunnen besitzt.
Und bald hatten alle vergessen,
dass es einst eine Zeit gab,
in der das Wasser allen gehörte,
denn Erde und Wasser
ließen sich messen und teilen.
LUFT
Es heißt, ohne zu essen
könne ein Mensch überleben
eine Zeit von drei Wochen.
Ohne zu trinken, so sagt man,
sind es vielleicht nur drei Tage.
Doch ohne zu atmen
bemisst sich die Frist nach Minuten.
So ist zu bedenken,
dass die am Hunger verdienen,
die Teile der ERDE besitzen,
so wie die am Durst sich bereichern,
die das WASSER verteilen.
Wie lange wird es noch dauern,
bis uns die LUFT verkauft wird,
die wir atmen müssen?
Nein,
ich habe sie nicht gepachtet,
die Wahrheit. Vielmehr
bin ich gelegentlich auf ihrer Spur,
um ihr die Ehre zu geben.
Doch liegt ihr wohl nichts daran:
sie hält sich gerne bedeckt.
Manchmal erinnert ein fernes Leuchten
an ihre Nähe. Doch selten nur
kommt sie wirklich ans Licht.
Bei genauer Betrachtung
scheint sie oft seltsam verbogen
und auch ihr Gewand
wirkt manchmal ein wenig fremd.
Es mag daran liegen, dass ihre nackte Form
nicht immer gefällt. In aller Eile
wirft man ihr dann etwas über,
was ihr leidlich zu passen scheint.
Der Aufwand jedoch, sie zu verbergen,
ist minimal zu halten, denn meist
ist sie zuvor auf der Strecke geblieben.
Dies ist die Zeit
der prophylaktischen Revolutionen,
des Aufstands der Reichen gegen die Armen;
dies ist die Zeit,
in der das Unrecht Gesetz wird
und das Recht zur Straftat;
dies ist die Zeit,
in der die Betrüger bewundert werden,
die Betrogenen aber belächelt;
dies ist die Zeit,
in der Vertrauen verachtet wird,
weil es als Dummheit gilt.
Dies ist eine Zeit,
die schon viel zu lang dauert.
Machen wir ihr ein Ende.
All dieser Zorn,
der sich gegen die Falschheit richtet,
dieser ehrliche Zorn,
der das Übel erkennt
und es doch nicht vermag,
sich dagegen zu einen –
all dieser Zorn,
der sich verbrennt in sinnlosem Streit
zwischen links und rechts
um das gleiche Ziel:
das Falsche zu stürzen,
sorgsam bewacht von 15.000 Behelmten,
die Knüppel schwingen
im Namen der Demokratie.
All dieser ehrliche, hilflose Zorn,
der nicht verhindern wird,
dass alles so bleibt
wie es ist …
Freischwebend
von Gipfel zu Gipfel
fliegt sie dahin.
Weit unter ihr, erdenschwer,
mühen sich kollabierende Koalitionen
um gekunkelten Konsens,
doch bei ihr, hoch oben,
wird schwere- und mühelos
Übereinstimmung festgestellt.
Das gipfelt und gipfelt.
Mild perlt der Sekt in den Gläsern.
Bildung, Finanzen und Energie,
nachhaltig und immer erneuerbar,
natürlich,
Klartext auch vor der NATO,
wie beim Atomprogramm in Tomsk.
Keine Frage.
Eiskalt der Wodka,
Na sdorowje.
Bei der EU mit Nachdruck:
Breitband aufs Land!
Kaum mehr als vierzig Milliarden –
wir haben es ja.
Zur Riesenrunde in Kopenhagen,
dem gewaltigen Schuss in den Ofen,
lautet der launige Kommentar:
Dies war nur der erste Schritt,
nicht mehr, aber auch nicht weniger.
So geht man ein in die Geschichte.
Briefe die ihn nie erreichten