Im Auge des Drachens - Anett Krause - E-Book
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Im Auge des Drachens E-Book

Anett Krause

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Beschreibung

In einer Zeit voller vergessener Wesen und Drachen, erblickt ein besonderes Kind das Licht der Welt. Als Enkeltochter eines gnadenlosen Königs, wächst Cassandra erst einmal in gesicherten Verhältnissen auf, erlebt aber schnell die Ablehnung und den Zorn, über ihre ungewollte Existenz, durch die eigene Mutter. Selbst mit einer seherischen Gabe geboren, wird sie von kleinauf, ohne es anfangs zu ahnen, von ihrer Seelenverwandten Osmaya, einem Drachen und ihrer Urgroßmutter und deren Begleiter vor dem Hass der Mutter beschützt. Oft entkommt sie nur knapp den Fängen des Todes. Im krisengeschüttelten Land Domia, das durch einen Bruderkrieg geteilt wurde, tobt inzwischen der Kampf um die Macht. Die Drachen, wie auch die Gnome, Feen und Elfen, die vom König Shaitan geächtet und verfolgt werden, suchen dennoch nach einem Weg, dem Volk von Demoria das große Leid eines erneuten Krieges zu ersparen. Im Geheimen werden, über ein großes Netzwerk Gleichgesinnter, Pläne geschmiedet, um die Position Demorias zu stärken und damit auch das Leben Cassandras zu schützen. Und so finden Intrigen, Gewalt und Missbrauch in diesem Buch ebenso ihren Platz, wie Freundschaft, Liebe und Selbstlosigkeit.

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Seitenzahl: 420

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Ich bedanke mich bei

meiner Familie und

all den Freunden,

die mir immer wieder Mut gemacht haben

und mich mit Geduld und

jeder Menge Ratschlägen und

Tipps begleitet haben.

Ohne Euch würde es dieses Buch

sicher heute noch nicht geben.

Ich widme dieses Buch all denen,

die in ihrer Kindheit mit

Gewalt, Missbrauch und

Lieblosigkeit zu kämpfen hatten,

in dem Wunsch,

dass sie die Stärke haben mögen,

all das gut zu überstehen.

© 2024 Anett Krause

Herausgegeben von: Tredition

Umschlag, Illustration: Anett Krause

Lektorat, Korrektorat: Anett Krause

Verlagslabel: Fashionelles

ISBN

Paperback

978-3-384-35670-3

Hardcover

978-3-384-35671-0

e-Book

978-3-384-35672-7

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin Anett Krause:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich.

Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig.

Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter:

Anett Krause, Hauptstraße 26, 01909 Großharthau-Bühlau, Germany.

Anett Krause

Im Auge des Drachens

Teil 1

Seelenfeuer

Inhalt

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

Die Geburt

Der Besuch

Die Rückkehr

Die Höhle der Weisen

Der Name

Die Familie

Das geheime Treffen

Wiedersehen in Matramugh

Der Hoftag

Die Mission des Botschafters

Der Umzug in ein neues Leben

Der Kuss

Das Licht der Zauberwesen

Die Raben Kain und Ciara

Der versteckte Platz

Ein gut durchdachter Plan

In heikler Mission

Sommer in Sylka

Der Gewalt hilflos ausgeliefert

Die Auseinandersetzung

Ein Wiedersehen mit Folgen

Die Flucht

In den Fängen der Angst

Die Anprobe

Die Vorahnung

Das große Treffen

Die Schuleinweihung

Vom Kind zur Königin - Die junge Fia

Das Fieber

Eine Nacht, die alles verändert

Verstoßen und allein

Abenteuer in Matramugh

Das große Geheimnis

Eine Lüge in guten Absichten

Ein Tag am See

Der erste Schritt ins Unglück

Osmayas Traum

Die Suche nach dem Kind

Der Wolf im Schafspelz

Zwischen Hoffen und Bangen

Die unfassbare Tat

Das Ende der Suche

Erklärung und Bedeutung der Namen und Orte

So geht es weiter

Im Auge des Drachens

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Urheberrechte

Titelblatt

Die Geburt

Das Ende der Suche

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Die Nacht ist dunkel und kalt, in der Höhle tropft es stetig,… irgendwo fliest ein Gewässer, beruhigend und klar.

Die Luft riecht nach Winter, der Schnee kommt, klar und rein.

Balthasar steht am Feuer und starrt in die Flammen:

"Wir müssen dem Kind helfen, unser Leben hängt davon ab."

Die grauen Köpfe ringsum nicken. Sie wissen warum.

Balthasar trabt an den Ausgang, atmet tief ein und seine großen starken Flügel schweben kurz darauf in die Nacht.

Die Geburt

7 Jahre zuvor

Das einst prachtvolle Gebäude inmitten eines dichten Nadelwaldes wirkt in der kalten Oktobernacht einsam und verlassen.

Nur vereinzelt leuchtet eine kleine Kerze auf einem Fenstersims und taucht das dahinterliegende Zimmer in gespenstisches Licht.

Einst erbaut als glanzvolles Schloss, wurde es im Laufe der Jahrhunderte zu einer wehrhaften Burg umgebaut.

Ein großer Wohnturm ragt weit über die massiven Wehrmauern, die die Burg umgeben.

Leichter Schneeregen nieselt gegen die Fenster der Burgzimmer und verbindet sich zu dünnen, kleinen Bächen, die dann von den Fenstersimsen nach unten tropfen.

Nebel steigt auf und hüllt die Landschaft in einen undurchsichtigen Vorhang von winzigen Wassertropfen.

Uralte Bäume schwanken bedrohlich wirkend im Herbstwind und werfen dunkle Schatten auf die Mauern, der auf einer Anhöhe liegenden Burg Growdawn.

Der Burghof ist leer, nur ein paar Laternen beleuchten notdürftig das nasse Pflaster und geben gerade so viel Licht, dass man sicher auf die andere Seite zu den Ställen gelangt.

Kein Hund, geschweige denn ein Mensch will heute noch vor die Tür.

Alle Anwohner scheinen bereits in ihren Betten zu liegen, um im wohlverdienten Schlaf die Kraft für den nächsten Tag zu sammeln.

Mitten in diese schwarze Stille hinein durchdringt ein Schrei das ganze Schloss, markerschütternd,… und immer wieder.

Ein stetig ansteigendes, wimmerndes und klagendes Geräusch erfüllt den Raum, aus dem die Klagelaute kommen.

Die Kammer ist düster und wirkt kalt.

Auf gusseisernen Kerzenständern glimmen weiße Kerzen nur noch am Docht und das Wachs findet seinen Weg nach unten.

Gleich einer Tropfsteinhöhle bilden die Wachsreste kleine Zapfen, die den Kerzenständern eine unheimliche Form verleihen.

Schwere, dunkle Möbel stehen an den Wänden.

Durch Spuren der Jahrhunderte gezeichnet, scheinen sie ihre besten Jahre schon hinter sich zu haben, trotzen sie dennoch unverwüstlich dem Verfall.

Im übergroßen, raumeinnehmenden Bett liegt die 17-jährige Desdemona in den Wehen und schreit sich die Seele aus dem Leib.

Die dünne, kleine Gestalt des jungen Mädchens windet sich unter den Schmerzen der Geburt und ihr Bauch ist steinhart von den sehr schnell wiederkehrenden Kontraktionen ihres Mutterleibes.

Die Hände sind zu Fäusten geballt und bei jeder neuen Wehe presst sie ihre Augen schmerzerfüllt zusammen.

Die herbeigerufene Hebamme und auch die Kammerzofe der jungen Prinzessin können nichts mehr tun und nur noch warten, bis Mutter und Kind das Nötige tun und ihren Weg gemeinsam finden.

Es fehlt nicht mehr viel und der kleine Mensch erblickt das Licht der Welt.

Diese kurzen Minuten vor der eigentlichen Geburt sind die Intensivsten überhaupt, das wissen beide.

Nur durch die Kraft und den Willen der Mutter kann das Kind jetzt noch geboren werden. Ansonsten sind beide verloren.

Aber die junge Frau scheint so kurz vor dem Ende aufzugeben.

Desdemona zieht sich erschöpft die Haube vom Kopf.

Der Schweiß rinnt ihr über die Schläfen und das pechschwarze, kräftige Haar klebt ihr im Gesicht.

Ihr Mund ist trocken und ihre Zunge hängt an ihrem Gaumen.

Schnell benetzt die anwesende Zofe die Lippen ihrer Herrin und gibt ihr dann aus dem tönernen Becher etwas Wasser zu trinken.

Desdemona ächzt unter Schmerzen:

„Warum kommt es nicht und lässt mich so sehr leiden?“

Die kleine Hebamme schaut sie mitleidig an und antwortet ruhig:

„Es dauert nicht mehr lange Herrin,. Das Kind muss sich jetzt mit seinem Kopf aus Euch heraus kämpfen. Das ist der schwerste Teil, aber Ihr habt es sicher bald geschafft.“

Aber die junge Gebärende hat kaum noch Kraft und keine Geduld mehr und befiehlt barsch, wenn auch mit heiserer Stimme:

„Hilf mir, ich halte das nicht mehr aus. Hole das Kind, egal wie!"

Doch auch diesmal bleibt die kleine, runde Hebamme ganz ruhig:

"Das kann ich nicht, Herrin, ohne Euch und das Kind zu gefährden."

Mit all der ihr noch verbliebenen Kraft stemmt sich Desdemona nun wütend aus den Kissen hoch und brüllt fast unter Tränen:

"Ich wollte dieses Kind nie und will jetzt nicht wegen diesem Balg hier verbluten! Wenn du mich hier sterben lässt, wird dich der König dafür strecken und vierteilen lassen….“

Weiter kann sie nicht sprechen, weil eine neue Wehe ihren Körper erbeben lässt.

Hilflos fällt sie in die Kissen zurück und trotz aller Wut ist ihr Blick nun auch von Panik und Angst erfüllt.

Die anwesende junge Zofe zieht sich eingeschüchtert in einen dunklen Winkel des Zimmers zurück.

Sie fürchtet die Wutausbrüche ihrer Herrin.

Täglich erlebt sie die Willkür der jungen Prinzessin am eigenen Leib und ihr Körper ist von der letzten Züchtigung noch immer ganz wund und blau.

Doch die erfahrene Hebamme bleibt unbeirrt.

30 Jahre holt sie nun schon Kinder auf die Welt und hat schon ausweglosere Situationen gemeistert.

Sie sagt leise, aber bestimmt:

"Herrin, wenn Ihr das hier überleben wollt, müsst Ihr dem Kind jetzt den Weg freimachen und dürft Euch nicht dagegen wehren. Wenn der nächste große Schmerz kommt, müsst Ihr pressen und alles geben, was Ihr habt. Spart Euch Eure Kraft für das hier auf …", und nach einer kurzen Pause beendet sie kaum hörbar den Satz:

"… bestrafen könnt Ihr mich dann nach der Geburt immer noch."

Ein winziges Lächeln gleitet über ihre Züge, weiß sie doch, dass Desdemona nach der Entbindung erst mal nicht in der Lage sein wird, die angedrohte Strafe auszuführen.

Bis sie wieder bei Kräften sein wird, ist die Hebamme lange aus dem Schloss verschwunden und die Erinnerungen an diese Momente sind bei Desdemona hoffentlich verblasst.

Ihr Gedanke, warum die Tochter des schwarzen Königs, wie er hier genannt wird, ihr ungeborenes Kind jetzt schon so ablehnt, wird durch den nächsten lauten Schrei unterbrochen.

Geistesgegenwärtig und erfahren, wie sie ist, packt sie die Gebärende an den Beinen und drückt sie standhaft auseinander.

Ihr Blick schweift suchend nach der hageren Zofe durch den Raum und sie ruft:

"Silena, komm und hilf mir! Setz dich hinter deine Herrin und stütze sie ab."

Zögernd kommt Silena aus dem Dunklen hervor und tut, was ihr gesagt wird.

Inzwischen ist Desdemona nicht mehr in der Lage, zu widersprechen. Die Schmerzen überwältigen sie und der kleine Kopf ihres Kindes drängt bereits aus ihr heraus.

Ihr bleibt nun nichts anderes mehr, als der alten Hebamme zu vertrauen.

Diese kniet vor ihr und hat die Hände bereits um den kleinen Kopf gelegt, der nun Stück für Stück geboren wird.

"Herrin, presse jetzt,… jetzt !!!!!", ruft sie.

Wenige Augenblicke später liegt das kleine, zarte Mädchen auf dem blutigen Laken und schreit genauso laut, wie ihre Mutter wenige Minuten vor ihr.

Desdemonas Körper liegt reglos im Bett.

Ihr Blick ist starr nach oben an die stuckverzierte Decke gerichtet.

Hilflos und ängstlich schaut Silena zu der Hebamme, die das Kind gerade säubert und in frische Laken wickelt.

Ihre Ruhe und Sicherheit gibt ihr den Mut, ihre junge Herrin vorsichtig zu betrachten.

Nur das Heben der Brust zeigt ihr, dass sie noch lebt.

Aber sie scheint weit weg in einer anderen Welt zu sein.

So sehr sie die junge Prinzessin verabscheut, macht sie sich dennoch Sorgen.

Die Hebamme scheint ihre Gedanken zu lesen und legt das inzwischen ruhige Kind in ihre Arme.

"Halte es warm an deinem Körper, bis die Amme kommt, um es zu versorgen. Ich kümmere mich jetzt um deine Herrin." Als sie auf die scheinbar Tote zugeht, fällt ihr erst jetzt die Ruhe auf, die ringsum herrscht.

Normalerweise sind während eines solchen Ereignisses immer Bedienstete auf den Gängen unterwegs, um der werdenden Mutter alle Annehmlichkeiten, die gewünscht werden, zu bringen.

Zumindest eine weitere Zofe ist bei anderen Adligen immer in Rufnähe, damit sie den Herrschaften jederzeit zur Verfügung steht. Auch die Mutter Desdemonas, Königin Fia, hat die Hebamme seit ihres Erscheinens im Schloss nicht wieder gesehen.

Für die junge Mutter scheint sich hier niemand zu interessieren.

'Laut genug war es ja,´ denkt sich die Hebamme, aber die dunklen Mauern sind dick genug, um jedes Geräusch zu schlucken.

Am Bett angekommen, fühlt sie den Herzschlag Desdemonas und betrachtet den starren Blick ihrer leblosen Augen.

Als sie die Bettdecke zurück schlägt, fallen ihr die verkrampften Hände der jungen Frau auf.

Verschlungen und in sich verwoben sind sie fast unlösbar.

Aber sie lebt. Der Puls schlägt leise, aber kontinuierlich.

Instinktiv nimmt sie ein kaltes, nasses Leinen, dass in der weißen Schüssel am Beistelltisch liegt und wischt der schwachen Mutter über das Gesicht und den Hals.

Ein leiser Laut, kaum hörbar, entrinnt sich Desdemonas Kehle:

"Lass mich … Lass mich sterben…"

Aus der Augenkehle rinnt jetzt ein sanfter Strahl und versiegt in den Kissen.

Die kleine Hebamme mit den spitzen Ohren nimmt all ihren Mut zusammen:

"Nein, Herrin.", sagt sie ebenso leise und behutsam fängt sie an, die lebensmüde Frau zu waschen und danach die Wunden zu vernähen.

Inzwischen sitzt Silena, völlig in sich versunken, in einem Schaukelstuhl und singt den Säugling mit einem alten Volkslied wiegend in den Schlaf.

Ihre Stimme klingt rein und klar und erzählt von den Elfen und Drachen und deren Abenteuern.

Das kleine Wesen in ihren Armen scheint ihr zu lauschen und schlummert bald sanft und friedlich ein.

Und wieder scheint die Burg in ihren tonlosen Schlaf zu fallen, als plötzlich schwere Schritte auf dem Gang zu hören sind.

Kraftvoll fliegt die große schwere Flügeltüre auf und der König stürmt in den Raum.

Polternd schlagen die Türen an die Wand und sofort sind Silena und die Hebamme hellwach.

Nur das Baby schläft friedlich weiter, erschöpft von dem schweren Weg, den es und seine Mutter gerade gegangen sind.

Shaitan schreitet direkt auf Desdemonas Bett zu und starrt die junge Mutter mit kaltem Blick an.

Etwas irritiert ob ihrer Teilnahmslosigkeit, wendet er sich an die Hebamme:

"Wo ist das Kind?"

Seine kraftvolle, wenn auch nicht sehr große Gestalt wirft einen schwarzen Schatten auf die Wand, die von den abbrennenden Kerzen flackernd beleuchtet wird.

Seine blonden Haare und die strahlend blauen Augen passen so gar nicht zu dem, was man sich leise tuschend über den Herrscher des Landes erzählt.

Die ihn kennen, beschreiben sein Wesen schwärzer als die Nacht, kalt, herzlos und unberechenbar.

Und so nennt man ihn auch den schwarzen Teufel.

Die alte Hebamme schaut instinktiv auf die hochgeschreckte Zofe, die zitternd das neugeborene Kind im Arm hält.

Shaitan folgt ihrem Blick und wendet sich um.

Als er das schlafende Baby in den Armen von Silena sieht, schnaubt er kurz verächtlich und geht dann doch etwas gemäßigter auf beide zu.

Angekommen bei ihr, wird sein wilder Blick sanfter und es scheint, als wäre er sich plötzlich nicht sicher, wie er reagieren soll.

Er sieht nicht, wie die junge Zofe still vor Angst weint, darauf wartend, dass gleich etwas Furchtbares geschieht.

Shaitan steht stumm vor ihr und betrachtet, wie hypnotisiert, die kleinen, blonden Löckchen auf dem winzigen Kopf und das puppenhafte Gesichtchen des Kindes.

Unerwartet leise fragt er:

"Es ist wieder ein Mädchen?"

"Ja Herr, eure Tochter hat ein Mädchen geboren.", kommt inzwischen selbstbewusster von der kleinen Hebamme,

"…und sie ist gesund und stark."

Shaitan löst den Blick von dem Kind und der flüchtige Augenblick der seltsamen Ruhe ist vorbei.

Er geht zurück zum Bett und schaut emotionslos seine Tochter an:

"Und was ist mit ihr?", fragt er nun wieder schärfer.

Die Hebamme ringt um Worte, denn sie mag den Zustand der jungen Mutter nicht sofort erklären und hilft sich mit einer Notlüge:

"Sie ist sehr erschöpft, denn die Geburt war überaus anstrengend. Sie braucht unbedingt Ruhe."

Das scheint Shaitan wenig zu interessieren, denn bevor sie weiterreden kann, dreht sich der König um und geht Richtung Ausgang.

Doch kurz bevor er die die Tür erreicht, klatscht er zweimal laut in die Hände und ruft:

"Ismalda, wo ist die Amme? Holt mir sofort den Wundarzt und die Kammerfrauen."

Leise öffnet sich die Tür des Gemachs nebenan.

Erst jetzt wird der Hebamme gewahr, dass im Nachbarzimmer viele Menschen stumm darauf gewartet haben, Anweisungen zu erhalten.

Sie waren die ganze Zeit da und haben die Geburt still verfolgt.

Plötzlich ist der Raum, der gerade noch für eine kleine Weile so friedlich war, mit kaum greifbarer Energie erfüllt.

Gleich einem gehorsamen Schatten schleichen Bedienstete leise in das Gemach und entfernen schnell alle Zeichen des gerade Geschehenen.

Wasserschüsseln werden hinausgetragen, Bettlaken gewechselt, die junge Herrin neu ankleidet.

Desdemona erträgt es still und stoisch, ohne ihren starren Blick von der Decke zu wenden.

Die Amme, eine dralle Bauernfrau mit frechem Blick, nimmt der Zofe das Kind ab und bringt es aus dem Gemach.

Als es nun endlich im Zimmer wieder ruhig, der Wundarzt seine Untersuchungen gemacht und die Hebamme gegangen ist, kommt Desdemona langsam zu sich.

Allein in der dunklen, kalten Kammer beginnt sie zu zittern.

Ihr Körper fühlt sich schwer und schlapp an.

Ihr Unterkörper brennt wie Feuer und ihren Puls spürt sie schmerzlich pochend da, wo gerade noch das Kind aus ihr gekommen war.

Ohne es zu wollen, fließen heiß die Tränen über ihre Wangen und bevor sie sich versieht, brechen die Schmerzen und Ängste aus ihr heraus.

Leise weinend und schluchzend krümmt sie sich in ihrem Bett zusammen.

Sie fühlt sich wieder einmal elend und allein.

Von allen unbemerkt, sitzt ein großer schwarzer Rabe am Fenster und betrachtet interessiert das Geschehen.

Schon vor Stunden hatte die kleine Hebamme, auf dem Weg zur Burg, ihm die Botschaft der bevorstehenden Geburt zukommen lassen.

Verbunden über ein Netzwerk vieler, kleiner Helfer funktioniert das hier seit Generationen schnell und unauffällig.

Als er abfliegt, weiß er, was er den alten Weisen berichten muss und wem er als erstes einen Besuch abstatten muss.

Der Besuch

Leise öffnet sich eine kleine, versteckte Tür am Ende des Raumes und ein kleiner Schatten huscht ins Zimmer.

Die Gestalt ist bedacht auf jeden Schritt und horcht immer wieder aufmerksam in die dunkle Nacht.

Durch die Fenster zieht ein leichter Hauch von Winterkälte.

Es ist Oktober und der Herbst schon fast vorbei.

Man riecht die Boten des Winters.

Vorsichtig geht Aithne ans Bett Desdemonas und betrachtet ihre Enkelin voller Liebe und Mitleid.

Kain hatte ihr ausführlich über die Vorkommnisse des letzten Stunden erzählt, bevor er zur Höhle der Drachen weiterflog.

Schnell hatte sie sich daraufhin, mitten in der Nacht, auf den Weg gemacht, um sich selbst vom Zustand ihrer Enkeltochter einen Eindruck zu machen.

Die alte Frau mit dem langen, schlohweißen Haar setzt sich ungeachtet ihres Alters behende auf das Bett und beginnt behutsam über den Kopf Desdemonas zu streicheln.

Durch die sanfte Berührung aus ihren düsteren Gedanken gerissen, öffnet Desdemona langsam ihre Augen.

Selbst in der Dunkelheit dieser Oktobernacht erkennt sie die geliebten Umrisse ihrer Großmutter, die von klein auf die einzige Verbündete in ihrem tristen, freudlosen Leben ist.

Sie richtet sich erschöpft auf und kann es kaum fassen.

Langsam löst sich ihr körperlicher und seelischer Krampf, als sie begreift, dass sie nun nicht mehr allein in ihrem Kummer ist.

Sie legt ihren Kopf schluchzend an die hagere Schulter der alten weisen Frau.

Sie beginnt hemmungslos zu weinen, während sie Aithne hilflos wie ein kleines Kind umklammert.

Wie lange sie so sitzen, können beide nicht sagen, denn die Zeit hat bei all dem ungesagten Leid und der ausgestandenen Ängste keinen Rahmen mehr.

Es bedarf keiner Worte, denn Aithne weiß zu gut, was die junge Frau in all den Jahren und vor allem in den letzten Stunden durchgemacht hat.

Kälte und Grausamkeit regieren das Schloss und niemand, selbst Königin Fia nicht, haben den Mut dagegen anzukämpfen.

Aithne selbst lebt in einer kleinen Hütte in Matramugh und schleicht sich regelmäßig unbemerkt durch einen alten, unterirdischen und vergessenen Tunnel zu ihrer Enkelin, um sie zu trösten und ihr beizustehen.

Als alte Heilkundige hat sie dem Mädchen schon manches Mal auch die körperlichen Wunden versorgt, die ihr der König zugefügt hat.

Auch wenn sie die Mutter der Königin ist, hat sie gerade nur das Nötigste zum Leben.

Sie lebt von dem, was ihr die Armen für ihre Heilkunst geben können.

Der König hat sie vor vielen Jahren aus dem Schloss verbannt, wohl ahnend, dass Aithne mehr als nur eine greise Wundfrau ist.

All das macht ihr wenig aus, sie war nie wohlhabend und liebt die Abgeschiedenheit des Waldes und die Harmonie der Natur.

Aber sie leidet immer auch die Schmerzen ihrer Enkelin mit.

Aithne würde Desdemona am liebsten zu sich in den Wald holen, um sie vor all den noch kommenden Attacken ihres Vaters zu schützen.

Das würde Shaitan allerdings nie zulassen.

Zu groß ist sein Machthunger und die Gier.

Noch nie gab er selbstlos etwas auf, was jemals in seinem Besitz war.

Es beginnt bereits langsam zu dämmern, als Desdemona endlich ihre Sprache wieder findet.

"Was soll ich nun machen, Aithne?“, fragt sie mit einem hoffnungslosen Ausdruck in ihrem Blick.

Ihre Stimme stockt kurz, ängstlich, die alte Frau könnte ihr Leid nicht verstehen.

Doch als sie die Liebe in den Augen ihrer Großmutter sieht, fährt sie mutiger fort:

„Nun ist dieses Kind da und ich kann es nicht annehmen, … nicht so wie es gezeugt wurde."

Kurz hält sie inne und muss sich räuspern, weil die Emotionen ihr wieder die Tränen in die Augen treiben.

Mit bebender Stimme fährt sie fort:

"Es wird mich immer an diese grauenhafte Zeit erinnern, an jede Stunde, die er mich gequält hat, an jede Sekunde, die er mich besessen hat. Es wäre für uns beide besser gewesen, wir wären bei dieser unseligen Geburt gestorben."

Bei diesen Worten wendet sie sich resigniert ab und beginnt wieder zu weinen.

Das alte, weiße Kräuterweib wendet sich, erschrocken über Desdemonas Worte, das erste Mal seit ihrer Ankunft an ihre Enkelin.

Barscher als gewollt, antwortet sie:

"So darfst du nie denken! Dieses kleine, unschuldige Wesen kann genauso wenig dafür, wie du.“

Liebevoll nimmt sie den Kopf der Enkelin in ihre alten Hände und schaut ihr eindringlich in die Augen, als sie weiterspricht:

„Ihr tragt dasselbe Schicksal und solltet euer Leid zusammen tragen. Das macht es für euch beide leichter."

Immer noch sieht sie ihr direkt ins Gesicht, aber Desdemona ist nicht in der Lage, ihren Blick zu erwidern.

Mit zusammen gepressten Lippen sieht sie an der Großmutter vorbei, während still die Tränen in Strömen über ihr blasses Gesicht laufen.

Doch Aithne weiß, dass sie hier einen wunden Punkt getroffen hat und nicht locker lassen darf.

Alles hängt jetzt davon ab, wie Cassandra den schweren Start mit ihrem Kind meistert.

Sie überlegt kurz, wie sie das ihrer Enkeltochter schonend begreiflich machen kann.

Sanft streicht sie mit einem Finger über Cassandras Wange eine Träne weg, während sie immer noch die Hände um das Gesicht umschlossen hält.

Mit leichtem Druck zwingt sie die junge Frau, sie anzusehen.

Mit bedachten Worten spricht sie leise aus, was ihr auf der Seele brennt:

"Es schadet dir nicht, wenn du hier noch ein menschliches Wesen hast, dem du vertrauen kannst. Ich werde irgendwann nicht mehr bei dir sein und dann wirst du jemanden brauchen, der zu dir steht und dir hilft."

Bei den Worten erstarrt der Körper in ihren Armen urplötzlich.

Der Gedanke an Aithnes Tot versetzt Desdemona in Panik.

Sie löst sich abrupt von der Großmutter und sieht sie angsterfüllt an.

Doch der Blick ihrer einziger Vertrauten zeigt ihr, dass Aithne in dieser Sache aus reinem Herzen gesprochen hat.

Dennoch schnürt es ihr die Kehle zu, als sie fast trotzig antwortet:

"Wie soll mir denn dieses winzige Wesen gegen die Grausamkeit meines Vaters helfen?"

Gestikulierend mit wild um sich fuchtelnden Armen bringt sie mit einer Stimme voller Hass hervor:

"Er entscheidet in einer Laune über Leben und Tod und der wäre hier noch das Gnädigste."

Wieder macht sich das Gefühl der Ohnmacht und Trostlosigkeit in ihr breit.

Traurig nimmt sie die faltigen und dünnen Hände der weisen Frau in ihre.

"Verstehst du nicht! Wenn es für mich keinen Ausweg gibt, dann gibt es erst Recht für dieses Kind keinen!"

Flehentlich sieht die die Großmutter das erste Mal richtig an.

Aithne versteht sie, kann ihr aber nicht Recht geben.

Sie weiß zu viel über die Familie und deren Herkunft.

Aber all das kann und darf sie nicht sagen, weil sie Desdemona und das Kind schützen will.

Sie nickt nur stumm und streicht dem geliebten Kind die Locken aus dem Gesicht.

Sie weiß, jedes falsche Wort, würde hier mehr schaden als helfen.

Vieles ist noch nicht gesagt und besprochen, doch Aithne wird langsam unruhig.

Die Morgendämmerung schreitet immer weiter voran und bald kann sie nicht mehr ungesehen den Tunnel verlassen.

Aber so kann sie Desdemona aber nicht zurücklassen.

Daher sagt sie leise:

"Mach dir keine Sorgen. Ich werde mir etwas einfallen lassen.“

Beschwörend schaut sie Aithne bei den nächsten Worten an: „Du verhältst dich unterdessen ruhig und gibst ihm keinen Anlass, dir zu zürnen. Sage ihm, dass du zu schwach bist, aufzustehen und warte, bis ich dich wieder besuche."

Zwischenzeitlich aus dem Bett aufgestanden, spricht sie weiter:

"Während dessen musst du deine Rolle als Mutter einnehmen. Keiner darf je erfahren, unter welchen Umständen das Kind gezeugt wurde, auch dein Mann nicht.

Das wäre dein sicherer Tod und der des Kindes auch."

Als Desdemona sie wortlos anstarrt, betont sie etwas ungeduldig und fordernd:

“Versprich es mir!“

Wohlwissen, dass jedes Wort der Alten zutrifft, antwortet sie leise:

„Ja, Aithne, ich verspreche es.“

Es bleibt gerade noch Zeit für eine schnelle, aber innige Umarmung und schon schleicht Aithne zur verborgenen Tür und verschwindet in der verbleibenden Dunkelheit der schwindenden Nacht, so als wäre sie nie hier gewesen.

Die Rückkehr

Shaitan sitzt zurück gelehnt in seinem prunkvollen Sessel, der an seinem massiven Schreibtisch steht und starrt aus dem Fenster.

Leichte Nebel waben noch immer über die Baumgipfel des dunklen Nadelwaldes, der unmittelbar an das Schloss grenzt.

Fast gespenstisch formen sich Gestalten und verschwinden wieder.

Der Tag ist gerade ein paar Stunden alt und dennoch ist der König bereits lange hellwach.

Er hat heute einige, wichtige Entscheidungen zu treffen und muss vor allem erst einmal seinen General und Schwiegersohn empfangen, der in den frühen Morgenstunden von seinem letzten Auftrag zurückgekommen ist und bereits seit einer Weile vor seinem persönlichen Audienzzimmer wartet.

Noch weiß er nicht, das Desdemona entbunden hat.

Shaitan hatte ihn vorsorglich vor gut 10 Tagen in eine entlegene Region des Landes gesendet, um ihn zum gegebenen Zeitpunkt nicht im Weg zu haben.

Sheilon selbst macht ihm kein Kopfzerbrechen.

Er ist gehorsam, einfach denkend und viel zu sehr mit seinen Aufgaben beschäftigt, als das er ihm gefährlich werden könnte.

Aber seine älteste Tochter gleicht Shaitan im Wesen zu stark, als dass er sie unterschätzen durfte.

Sie ist zum Teil genauso unberechenbar, wie er selbst.

Desdemona fügte sich ihm zwar, oft aber nur widerwillig und unter Druck.

Und so konnte er nicht wissen, wie sie unter den Unbillen der Geburt reagiert und am Ende in einem Anflug von Panik, Wut oder Schmerz das gemeinsame Geheimnis lüftet.

Als König kann es ihm egal sein, wenn er Kinder mit anderen Frauen zeugte.

Das war seiner Meinung nach ein ihm, wenn auch stillschweigend geduldet, zustehendes Privileg.

Anderes jedoch verhielt es sich mit dem gemeinsamen Kind der eigenen Tochter.

Früher war das Vermählen innerhalb blutseigener Familienmitglieder Gang und Gebe.

Nach vielen totgeborenen oder missgestalteten Kindern wurde jedoch durch seinen Großvater vor vielen Jahrzehnten beschlossen, dass nur blutsfremde Adlige verheiratet werden durften, um die Dynastien zu erhalten.

Wenn nun gerade er, als Oberhaupt des Reiches, das Gesetz brach, könnte das ihm die Loyalität seiner Generäle und der anderen Adligen kosten und im schlimmsten Fall einen Aufruhr und seinen Sturz auslösen.

Er und seine Familie würde dann einen grausamen Tod erleiden und die Linie seiner Ahnen aus den goldenen Büchern getilgt.

All das wusste er, dennoch konnte er nicht von ihr lassen.

Sie reizte ihn von klein auf.

Ihre Aufsässigkeit und ihr Kampfgeist weckten seinen Jagdinstinkt und seine Lust und so gab er immer wieder seinem Trieb nach.

Als Desdemona ihn mit der Schwangerschaft konfrontierte, musste er schnell handeln.

Shaitan hatte seine Tochter und Sheilon deshalb vor ein paar Monaten in einer kleinen Zeremonie verheiratet, gerade noch rechtzeitig, bevor die Anzeichen der Empfängnis sichtbar waren.

Sheilon war nicht seine erste Wahl für den Gatten seiner Tochter gewesen, aber die unerwartete Schwangerschaft Desdemonas hatte ihm keine Zeit gelassen, um seine eigentlichen Pläne für sie umzusetzen.

Der hagere und große Sheilon hatte schon immer eine Schwäche für die hübsche, junge Desdemona und nahm seinen Vorschlag für die Werbung um sie gerne an.

Desdemona selbst hatte keine Wahl.

Das hatte Shaitan ausdrücklich klargemacht.

Sich dessen wohl bewusst, was ihr geschah, wenn sie sich weigerte, ließ sie das Werben zu und willigte kurz darauf in die Heirat ein.

Durch ein zaghaftes Klopfen aus den Gedanken gerissen, wendet sich Shaitan vom Fenster ab.

Ein kleiner, buckliger Kerl betritt unterwürfig den Raum.

Seine wenigen Haare und die großen unförmigen Ohren machen ihn noch unansehnlicher, wie seine Gestalt eh schon ist.

Schlurfend bringt er das Tablett mit der Weinkaraffe und den Tonkrügen an den Tisch.

Den Blick nach unten gesenkt fragt er:

"Herr, soll ich nun den General einlassen?"

Shaitan reagiert nur mit einer kurzen Geste seiner Hand und signalisiert dem Diener damit, den Gast einzulassen.

Als Sheilon das große, prächtig eingerichtete Gemach betritt, steht der König inzwischen an seinem Schreibtisch.

Sheilon ist wieder einmal überwältigt ob der machtvollen Ausstrahlung seines Herrschers.

Kraftstrotzend, mit erhobenen Schultern und erhabenen Blick aus den kalten, blauen Augen kommt dieser langsam auf seinen Schwiegersohn zu.

Doch bevor dieser, nach einer kurzen Geste der Ehrerbietung, seinen Bericht starten kann, beginnt Shaitan fast schon freundschaftlich das Gespräch mit den Worten: "Mein lieber Sheilon, all das was du mir berichten willst, muss warten. Ich habe eine freudige Nachricht für dich.“

Nur kurz hält er inne, um die Spannung zu schüren.

Als er wie erwartet, die volle Aufmerksamkeit seines Schwiegersohnes hat, fährt er mit verheißungsvollem Lächeln fort:

„Du bist heute Nacht Vater einer gesunden Tochter geworden."

Er verleiht dieser Nachricht eine theatralische Note, in dem er glücklich beide Arme hebt und über das ganze Gesicht strahlt.

Er sieht, das Sheilon, sichtlich erschöpft durch die tagelangen Strapazen, unmittelbar seine Schultern strafft und sein Blick einen liebevollen Zug bekommt.

"Herr, ich danke dir für diese wundervolle Botschaft.“, sagt er überrascht mit einem glücklichen Strahlen in den Augen.

Dennoch kann er seine Besorgnis nicht verbergen und so fragt er unmittelbar darauf etwas bang:

„Geht es meiner Gattin gut?"

Shaitan nimmt sich Zeit für seine Antwort, hat er doch darauf gewartet.

Zufrieden mit sich, dass das Gespräch genau den Verlauf nimmt, wie geplant, muss er nur noch seine Rolle zu Ende spielen.

Scheinbar beunruhigt und nervös läuft er durch das Zimmer.

Nach einer Weile sagt er, seinen Rücken dem General zugewandt:

"Sie lebt und ist körperlich soweit unversehrt. Aber ich glaube, dass die Geburt ihr doch sehr zugesetzt hat. Sie ist derzeit nicht sie selbst und will niemanden sehen.“

Bei diesen Worten dreht er sich langsam zu Sheilon um und sein Blick hat einen besorgten Ausdruck.

Sheilon steht starr an seinem Platz. Seine plötzliche Freude ist verflogen.

Er bemerkt in seiner Sorge kaum, dass der König beide Tonkrüge mit Wein füllt und auf ihn zugeht.

Bevor der General etwas fragen kann, spricht Shaitan weiter: "Mach dir keine Sorgen. Desdemona ist stark,…", und während er ihm den Krug reicht, fährt er fort:

„Du weißt doch, wie Frauen sind. Sie sind einfach gestrickt und zimperlich. Während wir auf dem Schlachtfeld ohne zu Murren fast verbluten und frieren, brauchen sie immer Zuwendung und Liebe.“

Noch immer steht Sheilon sichtlich erschrocken an seinem Platz.

Fast schon kameradschaftlich klopft Shaitan ihm beschwichtigend auf die Schulter und mit einem Augenzwinkern fährt er fort:

„Nun bist du ja da und kannst dich um sie kümmern. Nimm dir ein paar Tage Zeit und verwöhne sie. Du wirst sehen, bald sucht sie schon wieder Stoffe für neue Kleider aus und scheucht die Zofen über die Gänge.“

Sheilon ist noch nicht wirklich beruhigt, aber der freundschaftliche Ton des Königs entspannt ihn etwas.

Lächelnd sagt er:

„Ihr habt sicher recht. In ein paar Wochen wird sie wieder die Alte sein und wir die ganzen Sorgen vergessen haben.“

Darauf hat der König nur gewartet.

Sein Plan ist aufgegangen, denn mit ein paar wohlgesetzten Worten und Gesten hat er nun den Mann seiner Tochter auf seiner Seite.

Sheilon ist nun auf alle möglichen Andeutungen oder Gerüchte im Schloss vorbereitet und wird sie selbst mit der emotionale Ausnahmesituation seiner Frau abtun.

Shaitan hebt seinen Krug für einen Trinkspruch:

„Lass uns anstoßen auf die neue Generation in unserem Reich. Wenn mir schon keine Söhne und Enkelsöhne beschieden sind, dann lass uns die Königinnen feiern, … die jetzigen und die Zukünftigen!"

Mit diesem Spruch prostet er dem Schwiegersohn zu.

Überwältigt von der unerwarteten Geste führt Sheilon ebenfalls seinen Krug an die Lippen und leert dann zügig den Becher bis zur Neige.

Schnell berichtet er dem König noch von den Vorkommnissen der letzten Tage an der Grenze und wartet ungeduldig darauf, dass sein Herr ihn endlich entlässt.

"So, nun gehe." sagt Shaitan, als er dessen Unruhe bemerkt.

Mehr braucht es nicht, um dem General zu zeigen, dass seine Gegenwart hier nicht mehr von Nöten ist.

Dankbar verlässt Sheilon den Raum nach einer kurzen Verbeugung und ist im Hinausgehen bereits in Gedanken bei seiner Frau und dem Kind.

Die Höhle der Weisen

Kian, der große, schwarze Rabe, gleitet lautlos durch die Dunkelheit, geradewegs auf die verborgene Höhle der großen Weisen zu.

Das felsige Gebirge ist schroff und unzugänglich.

Schnee liegt auf den wenigen ebenen, kleinen Flächen und nur wenige Bäume haben die unwirklichen Bedingungen hier oben überlebt.

Der Rabe landet auf einem großen Stein, direkt vor dem Höhleneingang und hüpft in die düstere Grotte.

Seine scharfen Augen erkennen trotzdem jeden Umriss und instinktiv findet er sich in der Dunkelheit zurecht.

Mit einem kurzen Krächzen kündigt er sein Kommen an und gibt den Bewohnern das Zeichen, dass es sich nicht um einen Eindringling handelt.

Er hüpft immer tiefer in die Höhle und nach einer kleinen Biegung scheint nun ein leichter Lichtstrahl in den Gang und weist ihm den Weg.

Am Ende des Tunnels, der den Höhleneingang mit einer großen Grotte verbindet, öffnet sich ihm die versteckte Unterkunft seiner Freunde.

Rings um ein großes Feuer sitzen sie, die Uralten, die Allwissenden und die Vergessenen.

Keiner hat sie seit Jahrtausenden gesehen, auch wenn noch viele Sagen und Lieder von ihnen erzählen.

Sie haben ihn schon erwartet.

Balthasar, der Älteste von ihnen, tritt aus einem Schatten der Höhle hervor.

Seine mächtigen Flügel leicht gespreizt, mit dem geschuppten Schwanz wippend, tritt er in den Lichtschein und begrüßt den alten, treuen Gefährten freundschaftlich: "Nun mein guter Kian, ich freue mich, dich zu sehen. Was hast du uns zu berichten?"

Der Rabe setzt sich auf seinen Platz, einen kleinen Felsvorsprung, und schüttelt erst einmal ausgiebig sein glänzend schwarzes Gefieder, um es von der herbstlichen Nässe zu befreien.

Alle Augen sind gebannt auf ihn gerichtet, als er langsam zu erzählen beginnt.

"Die Tochter des schwarzen Königs hat ein kleines Mädchen geboren. Sie hat helles Haar und grüne Augen, grün wie der Gebirgssee, der sich an eure Höhle anschließt. Sie hat so gar nichts von ihren Eltern, weder im Aussehen noch im Wesen.“

Kian hält plötzlich inne und beginnt, sein Gefieder zu putzen.

Bislang war es still in der Grotte, weil alle atemlos seiner Rede gelauscht haben, aber nach einer Weile macht sich leichte Unruhe breit.

Jeder will wissen, was noch geschah.

Kian kostet jedoch seine Stellung aus und putzt sich genüsslich weiter.

Die Neugier der Anwesenden steigt ins Unermessliche.

Balthasar kennt seinen Freund und dessen Geltungsdrang schon sehr lange.

´Kian wird sich nie ändern´, denkt er schmunzelnd bei sich.

Aber auch der Anführer der Drachen ist inzwischen mehr als ungeduldig und so grummelt er den Raben kurz an:

„Also Kian, willst du uns nicht erzählen, was noch wichtig ist?“

Kian, der nun genug Aufmerksamkeit erlangt hat und die Freundschaft des Drachens nicht über Gebühr strapazieren will, hebt bedeutungsvoll seine Brust und spricht mit einen ihm typischen verschwörerischen Unterton weiter:

„Kein Anwesender hat davon Notiz genommen, aber als sie auf die Welt kam, war das Kind für einen winzigen Augenblick von einem sanften Sonnenstrahl erhellt.“

Kurz hält er inne und nimmt das erstaunte Raunen der Anwesenden mit selbstverliebten Wohlwollen wahr.

Jetzt kann er sich nicht mehr zurück halten und krächzt in die Menge:

„Ich vermute, die Elfen haben ihr auf ihrem schweren Weg beigestanden und ihr die nötigen Kräfte für ihre Zukunft hier schon mitgegeben."

Die Unruhe in der Grotte wird größer und so fügt er mit lauterer Stimme hinzu:

"Das wird sie auch nötig haben, denn die Mutter kann mit ihrem Kind nichts anfangen. Der König selbst hat es bis jetzt unversehrt gelassen, weiß er doch, wessen Saat es entspringt.

Aber wer weiß, wie lange noch. Wenn er erkennt, welche Kraft in ihr tatsächlich wohnt, ist sie in Gefahr."

Plötzlich herrscht Totenstille in der Höhle, als Kian seine Rede beendet.

Alle warten auf die Reaktion des großen Drachenkönigs.

Balthasars Augen waren während des Berichts Kians leicht geschlossen, so als könne er das Geschehene direkt vor sich sehen.

Der große, graue Drache bricht das Schweigen mit einem leichten Schnauben.

Dabei fließt leichter Rauch aus seinen großen Nasenlöchern.

Seine Schuppen glänzen wie eine Rüstung im Feuerlicht und er spricht aus, was alle Anwesenden sowieso schon wissen: "Also ist es wahr. Das Kind der neuen Zeit ist geboren."

An eine kupferfarbene Drachin gewandt, spricht er weiter:

"Osmaya, deine Vision war richtig. Deine Schmerzen in den letzten Wochen haben dich nicht getrogen."

Osmaya schaut auf und nickt leicht. Ein türkisfarbenes Leuchten glüht aus ihren Augen.

Balthasar versteht ihre Geste und erklärt, was sie eh schon weiß:

"Es ist nun dein Schicksal und deine Aufgabe, deine Seelengefährtin zu beschützen, sie zu lehren und ihr den rechten Weg zu weisen. Nicht nur dein Leben und Heil hängen davon ab, sondern auch das von uns allen. Wenn sie den Weg der Dunkelheit wählt, sind nicht nur wir, sondern auch alle anderen Lebewesen verloren. Die Düsternis frisst dann jede Liebe, Freude und alles Glück auf dieser Welt."

Osmaya erhebt sich vom Feuer und ihre grünen Augen schauen liebevoll in die Runde.

Ihre Schuppen spiegeln regenbogenfarben das Licht der Flammen.

Sich ihrer Aufgabe voll bewusst, gibt sie vor allen Anwesenden nun ein Versprechen:

"Desdemonas Entbindung von dem auserwählten Kind war auch meine Geburt mit ihr. Ich bin ihre Mutter in unserer Welt. Ich werde ihr immer zur Seite stehen, wenn sie Hilfe braucht. Ich werde ihr unsichtbarer Schatten sein, ihre Kutte, wenn sie friert und ihr Lehrmeister in den harten Kämpfen ihres Lebens, die ihr bevorstehen."

Alle anwesenden Weisen nicken bedächtig.

Jeder von ihnen weiß, welch schwere Aufgabe ihr bevorsteht.

Auch Osmaya ahnt, was beiden bevorsteht und deshalb bittet sie ihre Gefährten:

"Ich weiß, dass ich stark bin und ich gebe ihr alles, was ich habe, aber nur zusammen können wir dieses Kind beschützen. Und deshalb frage ich euch:

Wollt ihr mir euren Rat geben, wenn mir die Weisheit fehlt, mir eure Kraft schenken, wenn mir der Glaube an meine verloren gegangen ist und im Notfall meine Pflichten übernehmen, wenn meine Zeit vorzeitig endet?"

Sie schaut fragend in die Runde und sofort erheben sich alle Drachen vom Feuer und spreizen ihre Flügel, wie zu einem Kreis geformt, um das Feuer.

Leicht berühren sich ihre Schwingen und der Rabe fliegt auf Balthasars Schulter und macht den Bund perfekt.

Dieses stille Versprechen verbindet sie alle nun noch umso mehr und wird zukünftig ihr gemeinsamer Weg sein.

Der Name

Still verborgen in einem Wald, umringt von Sümpfen, Bergen, einem großen See und einem Wasserfall stehen viele kleine Häuser.

Die Holzbalken der Katen sind wundervoll verschnörkelt und die Hütten eigenwillig gebaut.

Ihre Dächer sind mit Stroh und Lehm bedeckt und aus ihren Dachöffnungen schleicht sich die Wärme der Öfen mit sanften Rauchschaden in die Nacht.

Eingeweihte nennen diesen Ort Matramugh.

Große Weiden umsäumen den See, der sich an diesen verträumten Ort anschließt.

Im Sommer schwingen ihre ausladenden Äste mit dem Wind im Einklang und rauschen leicht zur Musik der Natur.

Große und kleine Libellen schwirren dann tagsüber über die großen Blätter der Seerosen und ihr Flügelschlag glitzert in allen Farben des Regenbogens im Sonnenlicht.

Still und harmonisch ist das Leben hier zu allen Jahreszeiten.

So auch jetzt, als die Natur sich zur Winterruhe zurückzieht und die Herbstwinde die letzten braunen Blätter von den Ästen zerrt.

So leben viele hier, die sich nach einem Leben sehnen, das wahrhaftig ist.

Jeder tut das, was er am besten kann und man unterstützt sich hier selbstlos untereinander, wenn Hilfe gebraucht wird.

Inmitten des Dorfplatzes steht eine uralte Kastanie.

Um den Stamm der Kastanie zu umfassen, benötigt es viele Männer.

Alt und erhaben reckt sie sich in den Himmel.

Viele, aus Holz und Lehm gefertigten Hütten umsäumen sie.

In der größten Hütte haben sich alle versammelt, die an diesem Ort ihr zu Hause haben.

Ein lebendiges Treiben herrscht hier heute.

Durchscheinend bunte Flügelchen von kleinen Elfen mischen sich mit den traumhaft schönen Kleidern der Feen und mit den groben Gestalten der kleinen Gnomen.

Aromatische Gerüche und Düfte erfüllen den Raum, die sich vielen kleinen Stövchen mit Kräutern und Blüten entwinden.

Alle scheinen sehr aufgeregt und lautes Stimmengewirr füllt den rustikalen Raum, der mit einem großen Kamin und einer riesigen Tafel eingerichtet ist.

Inmitten aller sitzt Aithne auf dem Stuhl an der Stirnseite des Tisches und betrachtet das Geschehen aufmerksam.

Die alte, weise Kräuterfrau und die Elfe Mealla haben soeben den Feen, Elfen und Gnomen die große Neuigkeit verkündet.

Nun gilt es einen Namen zu finden, der zu dem Kinde passt.

Noch viele Stunden diskutieren sie, bis kurz vor Morgengrauen ein passender Name gefunden ist und alle zufrieden den Heimweg antreten können.

Die Familie

Bei dem leisen Klopfen an der großen, schweren Tür schreckt Desdemona aus ihren Gedanken.

Sie hat ungeachtet ihrer Erschöpfung kaum geschlafen.

Der Tag ist schon weit vorangeschritten und trotz der mittäglichen Stunde wird es nicht richtig hell in der kalten Kammer.

Sie zieht die schwere, klamme Decke noch enger um ihre Schultern.

Der große Kamin ist längst herunter gebrannt und gibt kaum noch Wärme ab.

Draußen vor dem Fenster waben immer noch schwere Nebelschwaden über den Bäumen und man hört das Krächzen der Raben und das Gekecker der Elstern auf der Suche nach etwas Essbaren.

Laut streiten sie sich um die Überreste der schwachen, zurückgebliebenen Tiere, die sie erlegt oder gefunden haben.

Das Geschrei der Vögel klingt düster in ihren Ohren, verheißen sie doch nur Elend und Kummer und kündigen eine grausame Zeit der Kälte, Dunkelheit und Einsamkeit an.

So wie die Natur gerade in ihren Winterschlaf fällt und alle, die nicht darauf vorbereitet sind, dem ewigen Kreislauf des Kommens und Vergehens überlässt, will auch Desdemona schlafen.

Schlafen für immer, um sich nicht weiter denen ausliefern zu müssen, die über sie bestimmen.

Weinen kann sie längst nicht mehr, zu hoffnungslos empfindet sie ihre Situation.

Wieder klopft es und bevor sie reagieren kann, öffnet sich die Kammertür leise und knarrend.

Unerwartet von ihr, betritt ihr Gemahl den Raum, nicht polternd und fordernd wie der König, sondern behutsam und rücksichtsvoll.

Sie hatte ihn noch nicht erwartet, ihn immer noch bei seiner letzten Mission gewähnt.

In all ihrer Not hatte sie ihn völlig vergessen.

Langsam kommt er auf das Bett zu und sein Blick ist besorgt.

Noch kann er seine Frau kaum erkennen.

Nur der Kopf schaut aus dem riesigen Deckenberg hervor.

Schon beim Eintreten in den Raum spürt er aber, dass etwas nicht stimmt.

Das Gemach ist eisig kalt und alle Kerzen sind herunter gebrannt.

Klein und elend liegt sie in ihren Kissen und Sheilon kann seine Sorge kaum verbergen.

Erschrocken über ihren augenscheinlich schlechten seelisch und körperlichen Zustand setzt er sich auf das Bett und betrachtet einige Sekunden ihr schwarzes strähniges Haar, dass sonst so prachtvoll in langen, kräftigen Locken ihr schönes Gesicht umrahmt.

Ihre Augenhöhlen sind eingefallen und die Augen rot geweint.

Ihre Haut ist grau und die Lippen blass.

Er denkt an Shaitans Worte, sie wäre nicht sie selbst.

Doch bei diesem Anblick kann er das Gefühl nicht unterdrücken, dass sie dafür nicht allein verantwortlich ist.

Wut baut sich in ihm auf, denn auch wenn es eine durch den König arrangierte Ehe ist, liebt er seine Frau innig, seit er sie das erste Mal sah.

Er weiß, dass die Heirat nicht ihr eigener Wunsch war, dennoch schien sich in den letzten Monaten zwischen ihnen Freundschaft und Vertrautheit einzustellen.

Sie gab ihm das Gefühl, ihn zu mögen und keinen Anlass, an ihrer Loyalität zu ihm zu zweifeln.

Seine Wut über ihren Zustand unterdrückend sagt er vorsichtig:

"Meine Liebe, ich habe es gerade bei meiner Rückkehr von unserem König erfahren. Du hast uns eine gesunde Tochter geboren und ich bin sehr glücklich und dankbar darüber."

Seine Hand wandert vorsichtig über die schwere Decke und er spürt die Kälte und Nässe in ihr.

Auf Reaktion ihrerseits wartend, schaut er sie mitleidig an.

Verloren liegt sie, wie ein kleines Kind, unter dem schwerem Bettzeug.

Langsam spricht er weiter:

"Allerdings mache ich mir doch Sorgen, wenn ich dich so sehe. Warum kümmert sich niemand um dich?"

Desdemonas Zittern unter der großen Decke unterbricht seine Rede.

Es verrät ihm, dass seine Vermutung zutrifft.

Man hatte seine junge Frau seit Stunden sich selbst überlassen und sie ist am Ende ihrer Kräfte.

Schnell zieht er sich die Stiefel aus und kriecht unter die schwere Decke und nimmt sie liebevoll in den Arm.

Sie lässt es erst teilnahmslos geschehen und legt ihren Kopf an seine Schulter.

Langsam beginnt er ihren Rücken zu streicheln und drückt sie fest an sich heran.

Seine Wärme und Fürsorglichkeit bringen sie langsam ins Leben zurück.

Lange liegen sie so und irgendwann beginnt sie stockend zu erzählen, von der Geburt und dem Geschehen danach.

Irgendwann schläft Desdemona erschöpft ein und fällt in einen traumlosen, tiefen Schlaf.

Immer noch schockiert von dem Gehörten löst sich Sheilon vorsichtig aus der Umarmung und verlässt das Gemach.

Kurz darauf kehrt er mit Feuerholz zurück und schürt den großen Kamin ein.

Leise prasselnd und knisternd verbreitet sich die Wärme des Feuers langsam wieder in Desdemonas Zimmer.

Eine Zofe bringt neues Bettzeug und eine Wärmflasche für die junge Mutter.

Tief schlafend bemerkt sie von all dem nichts.

Inzwischen neigt sich der Tag wieder dem Ende und im Raum verscheuchen Kerzenlichter teilweise die Dunkelheit.

Sheilon war kurz in seinem Sessel am Kamin eingenickt.

Als die kleine Zofe Selina mit dem Baby das Zimmer fast lautlos betritt, ist er wieder hellwach.

Geübt als früherer Wachhauptmann hat er gelernt immer sofort für jeden Ernstfall bereit zu sein.

Sie gibt ihm leise das Kind in den Arm und verschwindet genauso lautlos wieder aus dem Raum.

Das Mädchen liegt still, aber wach in warme Decken gewickelt, in seinen Armen und er betrachtet ihr kleines, niedliches Gesichtchen mit einem tiefen Gefühl von Erstaunen.

Lange, schwarze Wimpern umrahmen die grünen, großen Augen.

Die kleine Stupsnase reckt sich frech nach oben und blonde winzige Löckchen kringeln sich auf dem winzigen Kopf.

In diesem wundervollen Augenblick der Ruhe denkt er für sich:

`Sie sieht so gar nicht aus wie ihre Mutter und auch nicht wie ich.´

Aber das macht ihm keine Sorgen, denn das starke Gefühl, das ihn sofort mit diesem Kind verbindet, macht ihn glücklich.

Eigentlich hatte er einen Sohn erwartet und auch gewünscht, aber das ist ihm in diesem Moment absolut gleich.