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Von Paparazzi gejagt, kehrt das schöne, skandalumwitterte Partygirl Larissa der Glitzerwelt New Yorks den Rücken. Auf einer abgelegenen Insel vor der Küste Maines will sie unerkannt ein neues Leben beginnen. Doch da taucht überraschend Jack Sutton auf, mit dem sie vor Jahren eine heiße Affäre verband. Sofort spürt sie wieder seine gefährlich sinnliche Macht, stärker als jede Naturgewalt. Kaum erobert Jack sie mit einem heißen, berauschenden Kuss, schon ist Larissa verloren. Auch wenn sie weiß, dass der zügellose Playboy nur sein berechnendes Spiel mit ihr treibt …
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Seitenzahl: 208
Caitlin Crews
Im Sturmwind der Gefühle
IMPRESSUM
Im Sturmwind der Gefühle erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2011 by Caitlin Crews Originaltitel: „Heiress Behind the Headlines“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2066 – 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Rita Koppers
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Getty Images_imagesguru
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751536011
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Larissa Whitneys kurzes Glück verflog, als die schwere Tür mit lautem Knall zufiel.
Sie wandte den Blick vom Fenster ab, hinter dem sich weit unten der Atlantische Ozean mit seinen sturmgepeitschten Wellen erstreckte, die gegen die felsige Küste der abgelegenen Insel vor der Küste von Maine schlugen. Kurz sah sie zur Tür des kleinen Restaurants, das sich in dem einzigen Gasthof befand, den es auf dieser verlassenen Insel gab. Weit weg von allem – und genau deshalb war sie hergekommen. Um allein zu sein, wie schon in den vergangenen paar Tagen.
Bis er hereinkam.
Ihr sank das Herz, als sie den Mann an der Tür erkannte. Hastig blinzelte sie, als wäre er nichts als eine Erscheinung, die sie auf diese Weise in die Tiefen ihrer Erinnerung verbannen könnte. Aber nein! Jack Endicott Sutton war wirklich hereingekommen, schüttelte den Regen von seiner Jacke und hängte sie an den Garderobenhaken.
„Ausgerechnet Jack Sutton“, flüsterte Larissa in sich hinein. Fest umklammerte sie den Becher mit Kaffee, an dem sie gedankenverloren genippt hatte, während sie über ihr chaotisches Leben nachdachte. „Bitte nicht …“ Aber niemand hörte ihr zu, überdies war es sowieso sinnlos.
Er war es. Jemand anders konnte es wohl kaum sein.
Sie erkannte ihn sofort, so wie jeder andere Mensch es ihrer Meinung nach tun würde, der zwei gesunde Augen im Kopf hatte. Dieses ausgesprochen markante Gesicht. Seine Züge waren ihr genauso vertraut wie die der großen Filmstars, deren Fotos man in jedem Hochglanzmagazin fand. Wahrscheinlich war er ihr noch vertrauter, weil sie ihn persönlich kannte. Diesen großen, schlanken, athletischen Körper, von dem sich so viele schöne Frauen angezogen fühlten.
An diesem Abend – oder war es erst Nachmittag, schwer zu sagen so weit oben im Norden – trug er ein schlichtes schwarzes T-Shirt, dazu verwaschene Jeans, die seine schmalen Hüften und die muskulösen Beine perfekt betonten. Seine Füße steckten in Arbeitsstiefeln. Er sah aus, als hätte er sich verkleidet, weil er sonst nur Designerkleidung trug. Eigentlich hätte er hier unter den Einheimischen, die genauso angezogen waren wie er, nicht auffallen dürfen.
Aber Jack Sutton würde immer hervorstechen und sich von allen anderen abheben, daran zweifelte sie keinen Moment. Ein Gedanke, der ihr Herz schneller schlagen ließ.
Mit seinem dichten dunklen Haar und den schokoladenbraunen Augen war er nicht nur ein umwerfend gut aussehender Mann. Überdies floss in ihm das blaue Blut von Generationen erfolgreicher Vorfahren, die maßgeblich das Vergoldete Zeitalter Manhattans mitgeprägt hatten. Großindustrielle, Visionäre, Wohltäter, und er war jeder Zoll ihr Erbe. Ein Erbe mit Macht und Einfluss, das er jedoch mit einer lässigen Selbstverständlichkeit trug.
Sie wusste, wer er war und woher er kam. Denn sie entstammte der gleichen privilegierten Gesellschaftsschicht. Aber sie sah ihn auch noch in einem anderen Licht. Er war ihr schrecklichster Albtraum. Und er versperrte ihr den einzig möglichen Fluchtweg.
Na toll, dachte Larissa, die zwischen Verzweiflung und Verbitterung schwankte. Selbst am Ende der Welt schaffst du es nicht einmal unterzutauchen.
Aber es machte jetzt keinen Sinn, hysterisch zu werden. Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen und zog den Kapuzenpullover enger um sich, als könnte sie sich hinter der dicken grauen Wolle verstecken. Als könnte sie darin verschwinden, so wie sie vom Erdboden verschwinden wollte – oder zumindest von all dem, was sie kannte. Was ihr Leben ausgemacht hatte.
Sie zwang sich, den Blick von dem unwiderstehlichsten und begehrtesten Junggesellen Manhattans abzuwenden und sah wieder hinaus zu den hohen Wellen, die erbarmungslos gegen die Felsen krachten. Wahrscheinlich erkennt er mich nicht einmal, redete sie sich selbst ein. Schon vor Monaten hatte sie New York verlassen und niemandem gesagt, wohin sie gehen würde. Zudem hätte wohl kaum jemand sie in Jeans und Pullover an diesem gottverlassenen Ort vermutet, der Tausende Meilen vom nächsten Wellnessparadies entfernt lag. Außerdem hatte sie vor ihrer Abreise ihre langen blonden Locken abgeschnitten, einst ihr Markenzeichen, und die Haare dunkel gefärbt. Weil sie eben nicht erkannt werden wollte, vor allem nicht von Menschen aus ihrem früheren Leben, einem Leben, das reichlich chaotisch gewesen war.
Wobei sie das unangenehme Gefühl beschlich, das Jack Sutton sich nicht so leicht hinters Licht führen ließ. Selbst nicht von Larissa, die es so gut verstand, anderen etwas vorzumachen. Fühlte sie sich deshalb plötzlich so angespannt, so verletzlich?
Sie befahl sich, ruhig zu atmen, so wie die Ärzte in New York es ihr vor Monaten geraten haben. Atme. Er würde sie nicht einmal bemerken, und wenn doch, würde ihm sicher nicht bewusst werden, wer sie war …
„Larissa Whitney.“
Seine Stimme, kühl und tief, war wie eine Berührung, die sie bis ins Innerste erzittern ließ, auch wenn sie völlig reglos dasaß.
Atme.
Er wartete nicht einmal darauf, dass sie ihn bat, Platz zu nehmen, sondern ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen. Sie fürchtete sich davor, in seinen Augen etwas aufleuchten zu sehen, das sie kannte – sollte sie endlich den Mut aufbringen, seinem Blick zu begegnen. Er streckte seine langen Beine unter dem kleinen Tisch aus, sodass sie ihre Beine unweigerlich zurückzog. Sie hasste sich für diese Schwäche, die zeigte, wie sehr er ihr immer noch unter die Haut ging. Zur Hölle mit ihm.
Warum musste von all den Menschen, die sie kannte, ausgerechnet Jack Sutton hier auftauchen? Was hatte er überhaupt hier zu suchen? Er war der Einzige, den sie nie hatte täuschen können. Warum musste ausgerechnet er hier sein? Es hatte Monate gedauert, bis überhaupt jemand von ihrem Namen erfuhr, und jetzt saß sie mit einem Mann auf dieser unwirtlichen Insel gefangen, der zu viel wusste. So war es schon immer gewesen. Aber nicht nur deshalb war er so gefährlich für sie.
Sie könnte so tun, als wäre sie eine andere und würde ihn nicht kennen. Ich habe keine Ahnung, wer Larissa Whitney ist, könnte sie sagen. Und das wäre nicht einmal gelogen, oder? Sie könnte ihre eigene Existenz schlicht leugnen und so ihrem früheren Leben vielleicht entfliehen, das so schwer auf ihr lastete. Ein Teil von ihr wollte es sogar, mit so einer Heftigkeit, die sie eigentlich nicht hätte schockieren sollen.
Doch sein Blick verriet ihr, dass er sie ohne jeden Zweifel erkannt hatte.
Also schenkte sie ihm ein oberflächliches Lächeln, in dem sie schon seit ihrer Kindheit geübt war. Ein Lächeln, das nie ihre Augen erreichte.
„Schuldig im Sinne der Anklage“, sagte sie betont gelassen und gab sich unbeeindruckt von diesem Mann, in dessen Nähe ihr ein Schauer über den Rücken lief – dieser Mann, der so stark und männlich war, so lebendig. Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, behielt jedoch eine gelassene Miene bei. Einen leeren Blick, so wie er es wohl erwartete. Weil sie tatsächlich auch nichts als Leere zu bieten hatte, wie sie befürchtete.
„Nun, ich höre.“ Herausfordernd sah er sie an, ein Grinsen auf den Lippen. Oder war es ein Zeichen kühler Verachtung? „Ich habe hier weder eine Horde von Paparazzi entdecken können, noch Jachten an der Küste, die im Novembersturm hin und her geschaukelt werden. Keine Clubs für die Reichen und rettungslos Gelangweilten. Hast du die Küste von Maine vielleicht mit der von Südfrankreich verwechselt?“
„Ich freue mich auch, dich zu sehen“, murmelte sie, als würde sein anklagender Tonfall ihr nichts anhaben. Warum auch? Inzwischen sollte sie sich doch daran gewöhnt haben, hatte sie doch ihr ganzes Leben lang nichts anderes als Vorhaltungen gemacht bekommen. „Wie lange ist das jetzt her? Fünf Jahre? Oder sechs?“
„Was machst du hier, Larissa.“ Er klang weder freundlich noch höflich. Und das bei einem Mann, der jeden Menschen bezaubern konnte, wenn es ihm gefiel – schon sein ganzes privilegiertes Leben lang. Sie hatte selbst erlebt, wie außerordentlich charmant er sein konnte.
„Kann man als Frau nicht mal Urlaub machen?“, fragte sie in lässig-scherzhaftem Ton, obwohl sie nicht so empfand. Aber sie würde ihm sicher nicht zeigen, wie es wirklich in ihr aussah.
„Nicht hier.“ Mit leicht zusammengekniffenen Augen musterte er sie, während sie sich einzureden versuchte, dass sie nicht auf ihn reagierte. „Hier gibt es doch nichts für dich von Interesse. Ein Geschäft, diesen Gasthof, und nicht mal fünfzig Häuser. Das ist alles. Die Fähren zum Festland fahren nur zwei Mal pro Woche, und das auch nur, wenn das Wetter mitspielt.“ Sein perfekt geformter Mund verzog sich zu einem grimmigen Strich. „Ich sehe absolut keinen Grund, warum es einen Menschen wie dich hierher verschlagen sollte.“
„Wegen der Gastfreundschaft“, sagte sie trocken und nickte ihm zu, als hätte er sie mit offenen Armen empfangen.
Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Warum sie gerade jetzt einen Knoten im Magen verspürte und sich plötzlich schwach fühlte, wusste sie selbst nicht. Schließlich kannte sie Jack schon ihr ganzes Leben lang. Sie entstammten den gleichen Kreisen von New Yorks Superreichen, einer Glitzerwelt voller Luxus und Langeweile. Sie hatten die gleichen teuren Privatschulen und später die gleiche Eliteuniversität besucht. Waren auf den gleichen Partys gewesen, in Aspen, den Hamptons, Miami oder Martha’s Vineyard.
Larissa erinnerte sich, Jack auf irgendeiner wahnsinnig schicken Sommerparty als Teenager über den Weg gelaufen zu sein, damals war er in seinen Zwanzigern. Deutlich stand sein Bild noch vor ihr, wie er an einem Privatstrand in den Hamptons mit seinem blendenden Aussehen selbst die Sonne in den Schatten zu stellen schien. Geschmeidig und lässig, mit diesem unwiderstehlichen Lächeln, gepaart mit scharfem Intellekt. Alle Mädchen, die sie damals kannte, hatten sich unsterblich in ihn verliebt. Dieses Bild erstand immer vor ihrem geistigen Auge, wenn sie an Jack Sutton dachte.
Doch jetzt konnte sie nichts von diesem jungen Mann in ihm wiederfinden. Es gab auch andere Erinnerungen an ihn, die sie nicht ausgraben wollte. Zum Beispiel an dieses eine Wochenende, das sie lieber verdrängte. Oder an Begegnungen, als er schon ein bisschen älter war und sie viel zu sehr durcheinandergebracht hatte. Diese Begegnungen hatten ihr deutlich gemacht, dass er für sie gefährlich war. Mit seiner Hitze, dem Feuer. Und diesen schokoladenbraunen Augen, die zu viel sahen und viel zu tief in sie hineinblickten.
Sie war fasziniert gewesen von diesem Mann, und gleichzeitig hatte er ihr große Angst eingejagt. Sie hatte geglaubt, über all das hinweg zu sein, musste sich jetzt jedoch eingestehen, dass Jack Suttons Ankunft hier einem Bombeneinschlag glich. Er war hemmungslos, unerträglich, und das waren noch zwei seiner besseren Eigenschaften. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und spielte die Lässige, Sorglose, eine Rolle, die sie perfekt beherrschte. Die unbekümmerte Larissa Whitney, wie er sie kannte und wie er sie sicher auch sehen wollte. Oh ja, sie war so gut darin, die Erwartungen anderer zu erfüllen, dass sie manchmal glaubte, dies sei ihre einzig wahre Begabung.
„Hast du dich verkleidet?“, fuhr er in seinem gefährlich weichen Singsang fort, bei dem sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Kühl schweifte sein dunkler Blick über ihre Gestalt, sodass sie fast zusammengezuckt wäre. Stattdessen gab sie sich gelangweilt. „Oder bist du auf der Flucht? Wobei ich mich frage, ob ich tatsächlich wissen will, welches Spielchen du hier treibst.“
„Warum interessiert dich das überhaupt?“ Larissa stieß ein unbekümmertes Lachen aus. „Hast du vielleicht Angst, dass du in diesem Spiel nicht vorkommst?“
„Ganz im Gegenteil“, gab er knapp zurück und sah sie mit hartem Blick an. Als hätte sie ihn beleidigt. Verblüfft zuckte sie zusammen. Natürlich wäre das möglich. Jack Sutton war ein Mensch, der nichts vergaß. Verdrängen, das ja. Aber vergessen? Niemals.
„Ich habe gehört, dass es hier auf der Insel zu dieser Jahreszeit sehr schön sein soll“, erwiderte sie, um jeder weiteren Gemeinheit zuvorzukommen. Denn sie war nicht sicher, wie viel sie von ihm noch ertragen könnte. Allein bei seinem Anblick drehte sich ihr schon der Magen um. „Wie hätte ich da widerstehen können?“
Sie deutete mit dem Kopf zum Fenster, als Einladung für ihn, es ihr gleichzutun. Der Himmel verdunkelte sich immer mehr, Regen schlug gegen die Scheibe, während die Felsen tief unten dem wütenden Donnern der Wellen widerstanden. Sie fühlte sich wie diese Felsen, misshandelt und belagert, und dennoch standhaft, trotz ihrer eigenen dramatischen Vergangenheit.
„Du hast ja bereits ein aufsehenerregendes Jahr hinter dir, wie ich hörte“, sagte Jack auf seine wissende Art.
Seine Worte gaben ihr ein Gefühl von Verletzlichkeit, des Ausgeliefertseins, obwohl sie gerade das um jeden Preis vermeiden wollte, besonders in seiner Nähe und nach all dem, was vor fünf Jahren zwischen ihnen geschehen war. Das Schlimmste jedoch war, dass sie ihm nicht einmal die Wahrheit sagen konnte. Sie konnte sich nicht verteidigen. Stattdessen musste sie akzeptieren, dass jeder ihre erfundene Geschichte für die Wahrheit hielt. Warum nur tat es diesmal so weh? Schließlich unterschied ihr letzter Auftritt sich in nichts von all den anderen Skandalen. Mit dem Unterschied, dass ihr Zusammenbruch vor Monaten diesmal echt gewesen war.
„Oh ja“, stimmte Larissa zu. Sie hasste ihn, aber mehr noch sich selbst. „Ein erzwungener Aufenthalt in der Entziehungsanstalt, eine dumme kleine Verlobung, die aufgelöst wurde. Danke, dass du mich daran erinnert hast.“ Was könnte sie dazu schon sagen? Das war ich nicht. Ich lag im Koma, während eine andere Frau sich an meinen Verlobten herangemacht hat … Wohl kaum. Ihr Leben glich ohnehin schon viel zu sehr einer Seifenoper, auch ohne all diese peinlichen, unglaubhaften Details.
Außerdem wussten alle, dass Larissa Whitney, bekannt als feierwütiges Partygirl und daher ständiges Ärgernis für ihre angesehene Familie, vor acht Monaten nachts vor einem exklusiven Club in Manhattan zusammengebrochen war. Dank der Presse und ihrer Familie, die sich so meisterhaft darauf verstand, Berichte zu manipulieren, war veröffentlicht worden, dass Larissa in eine private Suchtklinik eingewiesen worden war, wo sie eine ganze Weile verbleiben musste, während ihr Verlobter den Leidenden spielte. Nach diesem Aufenthalt musste sie sich am Arm ihres Verlobten Theo, dem Geschäftsführer des Familienunternehmens, in Manhattan zeigen. Bis Theo sie verlassen und seine Ambitionen, die Whitney Media betreffend, ebenfalls aufgegeben hatte, was noch schockierender gewesen war. Jeder gab der treulosen, herzlosen Larissa die Schuld daran. Und wie auch nicht, hatte sie Theo doch immer wieder in der Öffentlichkeit bloßgestellt.
Tatsächlich war sie nie in der Suchtklinik gewesen, sondern für zwei Monate im Haus der Familie in einem Krankenbett weggesperrt worden, während ihr Vater auf ihren Tod wartete.
Aber Jack würde ihr das sowieso nicht glauben. Niemand würde das. Und daran konnte sie, wie sonst auch, keinem anderen die Schuld geben als sich selbst.
„Hast du nicht schon genug Probleme gemacht?“, fragte Jack, als hätte er ihre Gedanken erraten. Wenn überhaupt jemand wissen konnte, wie es in ihr aussah, dann Jack, ein Gedanke, der ihr erneut einen Schauer über den Rücken jagte. Er schüttelte leicht den Kopf. „Glaubst du etwa, ich würde mich da mit hineinziehen lassen? Falls du dich erinnerst, mache ich deine Spielchen schon lange nicht mehr mit.“
„Wenn du meinst.“ Sie gab sich gelangweilt. Dabei wäre sie am liebsten aufgesprungen und zur Tür gerannt, um seinem vernichtenden Blick zu entkommen – diesen Augen, die bis in ihr Innerstes sahen, wo ihre dunkelsten Geheimnisse verborgen lagen. Ihre Schande.
Oh Gott, sie hasste ihn.
Doch lieber wäre sie gestorben, als ihm zu zeigen, dass er sie verletzt hatte. Ganz sicher würde sie ihm nicht verraten, warum sie sich hier versteckt hatte. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie seit Monaten versuchte, sich so unsichtbar zu machen wie sie sich fühlte und sich schließlich auf der Fähre wiedergefunden hatte, die sie zu dieser verlassenen Landzunge brachte. Sie wusste ja nicht einmal, wie sie ihm all dies überhaupt sagen sollte. Oder wie sie erklären könnte, dass sie auf wundersame Weise eine zweite Chance bekommen hatte, obwohl sie ihr Leben zuvor gleichsam mit Füßen getreten hatte. Jack würde sie all das ganz sicher nicht erzählen. Denn trotz seines harten, verächtlichen Blicks war er für sie immer noch ein strahlendes Licht, ein unberührbarer Held.
Sie hatte sich versprochen, sich selbst nicht anzulügen, nie wieder. Und dieses Versprechen wollte sie halten. Aber das hieß nicht, dass sie ihm das Gleiche schuldete. Denn würde sie ihm das Wenige, was von ihrem Selbst noch übrig geblieben war, offenbaren, würde er sie gänzlich zerstören.
Also gab sie ihm, was er wollte, das, was er ohnehin nur in ihr sah. Ihr geheimnisvolles Lächeln, das sie schon vor langer Zeit für die Presse eingeübt hatte. Ein Lächeln, das Männer verrückt machte, das Sex verhieß. Jeder konnte seine Fantasien hineinprojizieren, seine Träume und Wünsche, während sie nichts war als eine leere Hülle.
Auch darin war sie sehr gut.
Sie legte den Kopf schräg und begegnete ungerührt seinem Blick, als wären seine Worte an ihr abgeprallt, hätten keine Bedeutung. Als wäre dies nur ein Flirt, eine Art Vorspiel, an dem sie beide beteiligt waren. Sie hob die Brauen, öffnete leicht den Mund und gab ihrer Stimme einen tiefen, verführerischen Klang.
„Erzähl mir doch mehr, Jack“, gurrte sie. „Welches Spiel würdest du denn gerne treiben?“
Sie sah so zerbrechlich aus. Er hatte sie an ihren zarten, perfekt geformten Wangenknochen erkannt, diesem Blick aus geheimnisvollen grünen Augen, der immer traurig wirkte und eine Tiefe vorgab, die sie nie besitzen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, was ein Geschöpf wie sie auf dieser verlassenen Insel zu suchen hatte. Eine Frau, die sonst in der Glitzerwelt von Manhattan zu finden war, umgeben von Menschen, die ihr schöntaten, von bekannten Größen des Gesellschaftslebens, nutzlose, gelangweilte Gestalten.
Nichts als eine große Lüge, mit Namen Larissa Whitney, dachte er voller Abscheu – ein Abscheu, der sich beinahe stärker gegen ihn selbst richtete, weil er für diese Lüge so empfänglich war.
Denn immer noch spürte er diese verrückte Spannung, die ihn erfasste, obwohl er oft genug versucht hatte zu leugnen, dass sie je existiert hatte. Auch wenn er es nicht wollte, hatte er es auch jetzt verspürt, als er sie eben am Fenster entdeckt hatte, seltsam verlassen.
Und als sie nun mit ihm flirtete und mit dem Finger über ihre Unterlippe strich, spürte er es wieder. Sie versuchte ihn zu reizen. Weckte Erinnerungen in ihm an ihre perfekt geformten Beine, die sich um seine Hüften schlangen. Wie er von ihrem Mund gekostet hatte. Aber er war nicht mehr der Mann, der gedankenlos seinen Gelüsten nachgab, besonders dann nicht, wenn sie so selbstzerstörerisch waren wie dieses Verlangen. Und vor allem nicht bei einer Frau wie Larissa, die einem Mann in seiner Position nichts zu bieten hatte, zumal er es inzwischen vorzog, auf seinen Ruf zu achten, statt sich dem Vergnügen hinzugeben.
„Netter Versuch“, sagte er verächtlich. „Aber eine Kostprobe von dir reicht vollauf.“
Er glaubte, ein Aufflackern in ihren grünen Augen zu sehen, doch es war nur ein winziger Moment, dann lächelte sie ihn wieder an. Ein geheimnisvolles, gefährliches Lächeln, das ihn in Versuchung führte, alles zu vergessen, was er über sie wusste. Das ihn dazu reizte sich vorzubeugen, ihren verführerischen kleinen Körper an sich zu reißen und von ihrem Mund zu kosten.
„Ach, Jack.“ Ihre Stimme klang eher wie ein Schnurren, das direkt in seine Lenden schoss und Hitze in ihm aufsteigen ließ. „Das sagen zuerst alle.“
Er wünschte, sie würde diese Rolle nicht so gut beherrschen. Und er nicht so anfällig für sie sein. Warum konnte er bei ihrem Anblick nicht das sehen, was ihre Persönlichkeit tatsächlich ausmachte. Stattdessen sah er nichts als den eleganten Schwung ihres Halses, die zarten Wangenknochen, die in ihm den Wunsch weckten, sie zu trösten, auch wenn das völlig verrückt war. Widerwillig musste er sich eingestehen, dass die kurzen schwarzen Haare ihr sehr gut standen. Sie gaben ihr etwas Ernsthaftes, Bedeutsameres.
Dabei wusste er doch, wie sie wirklich war. Was sie getan hatte. Jedes schmutzige kleine Detail war ihm bekannt, all das, was er über sie wissen musste, egal, wie klein und hilflos sie nach außen hin wirken mochte. Doch hinter der Fassade war sie kalt, seelenlos, wie diese Welt, die er hinter sich gelassen hatte. So wie er selbst früher gewesen war, ehe er erwachsen wurde.
Wenn er sie ansah, glaubte er, in einen Spiegel zu schauen, den er absichtlich vor fünf Jahren zerschlagen hatte. Und was er sah, gefiel ihm nicht. Daran würde sich auch nie etwas ändern. Sie war die Erste gewesen, die ihm diesen Spiegel vorgehalten hatte. Wie könnte er das je vergessen?
„Freitagmorgen geht eine Fähre zum Festland“, sagte er plötzlich kalt. „Ich will, dass du sie nimmst.“
Sie lachte. Ein silberheller, zauberhafter Klang, der Wünsche in ihm weckte, an deren Erfüllung er nicht glauben durfte und für die er ihr die Schuld gab.
„Willst du mir befehlen, von dieser Insel zu verschwinden?“ Statt von ihm eingeschüchtert zu sein, wirkte sie amüsiert. „Wie diktatorisch. Da könnte ich ja beinahe schwach werden.“
Jack musterte sie schweigend. Dies war sein Zufluchtsort, an den er sich in den dunklen, unwirtlichen Wintertagen flüchtete, wenn keine Touristen und superreiche Sommergäste da waren, die glaubten, die Sonne hier würde nur für sie allein scheinen. In den dunklen Monaten hier musste er einmal nicht Jack Endicott Sutton sein, der Erbe von zwei bedeutenden amerikanischen Kapitalgesellschaften, und trotzdem immer noch der Dorn im Auge seines Großvaters. Auf dieser Insel musste er nicht an seine Pflicht denken. Hier konnte er endlich frei atmen, lebte Seite an Seite mit den Hummerfängern und Fischern, die nur das Meer respektierten. Allein an diesem Ort gelang es ihm ab und zu, einfach nur Jack zu sein.
Er durfte nicht zulassen, dass Larissa Whitney diesen Zufluchtsort beschmutzte und wer weiß welche Spielchen trieb. Das war einfach undenkbar. Wobei er eine Vermutung hatte, was eine verwöhnte Frau wie Larissa an diesem Ort wollte. Obwohl es hier keine Presse gab, keine kreischenden Fans, die ihr an jeder Ecke auflauerten, all die Oberflächlichkeiten, die sie zum Überleben brauchte. Ja, er ahnte, was sie hierher verschlagen hatte, und das gefiel ihm gar nicht.
„Du fragst ja nicht einmal, was ich hier mache“, entgegnete er und musterte ihr wunderschönes Gesicht, das jedoch nichts als glatte Fassade war. So war es immer schon gewesen, und es ärgerte ihn, dass er trotzdem nach einem Anzeichen von etwas anderem suchte. „Weil du nur auf dich selbst bezogen bist. Oder hattest du erwartet, mich hier anzutreffen, als du hergekommen bist?“
„Es wäre doch zu schade, diesen romantischen Augenblick durch so banale Dinge wie deine Reisepläne oder meinen Terminkalender zu zerstören“, meinte sie leichthin.
„Ich glaube, ich weiß, warum du hier bist“, sagte er, ohne auf ihren schnippischen Kommentar einzugehen. Früher mochte sie mit ihren Spielchen Erfolg bei ihm gehabt haben, aber diese Zeiten waren vorbei. „Hast du wirklich geglaubt, das funktioniert, Larissa?“, fragte er mit tiefer Stimme. „Du scheinst wohl vergessen zu haben, dass ich deine Vorgehensweise kenne.“
Ihr Blinzeln weckte in ihm für einen Moment den Eindruck, dass sie wirklich nicht wusste, was er meinte. Bis er sich wieder in Erinnerung rief, dass sie genau darin am besten war. Anderen etwas vorzumachen.
Nein, musste Jack sich selbst korrigieren, als sie sich zu ihm vorbeugte und die Hand auf seine Hüfte legte. Darin war sie am besten. In der Kunst der Verführung. Es reichte, ihn zu berühren, ihre Nähe zu spüren. Sie war unwiderstehlich, und das wusste sie. Eine tödliche Gefahr.
Ihr einzigartiger Duft nach Vanille stieg ihm zu Kopf. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass er sich gerade jetzt an die wilde Leidenschaft erinnerte, auch wenn er schon vor langer Zeit entschieden hatte, all das sei nur eine Einbildung gewesen, die er in seiner Erinnerung in den schönsten Farben ausgemalt hatte. Doch das hier war keine Einbildung. Die Hitze, die von ihrer Hand ausging. Das Feuer, das sich durch seine Jeans in seine Haut einbrannte und ihn nur zu deutlich daran erinnerte, wie sehr er sie gewollt hatte – und immer noch wollte. Was nicht hieß, dass er dem nachgeben würde. Ja, nicht einmal, dass es ihm gefiel. Dass sie ihm gefiel.