Im Wald sind keine Räuber - Astrid Lindgren - E-Book

Im Wald sind keine Räuber E-Book

Astrid Lindgren

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Beschreibung

Was ist denn da geschehen? Plötzlich findet sich der kleine Peter im Puppenhaus wieder und muss es gegen Räuber verteidigen! Göran fliegt jede Nacht ins geheimnisvolle Land der Dämmerung und Bertil findet einen neuen Freund: Nils Karlsson-Däumling, der mit seiner Familie in einem klitzekleinen Mauseloch in Bertils Kinderzimmer wohnt! Neun zauberhafte Märchen von Astrid Lindgren - ausgezeichnet mit dem Nils-Holgersson-Preis. Mit Illustrationen von Ilon Wikland.

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Über dieses Buch

Was ist denn da geschehen? Plötzlich findet sich der kleine Peter im Puppenhaus wieder und muss es gegen Räuber verteidigen! Göran fliegt jede Nacht ins geheimnisvolle Land der Dämmerung und Bertil findet einen neuen Freund: Nils Karlsson-Däumling, der mit seiner Familie in einem klitzekleinen Mauseloch in Bertils Kinderzimmer wohnt!

 

Neun zauberhafte Märchen von Astrid Lindgren – ausgezeichnet mit dem Nils-Holgersson-Preis. Mit Illustrationen von Ilon Wikland.

Nils Karlsson-Däumling

Bertil stand am Fenster und guckte hinaus. Es begann dunkel zu werden. Neblig, kalt und unfreundlich sah es auf der Straße aus.

Bertil wartete auf Papa und Mama. Er wartete so schrecklich, dass sie eigentlich schon an der Straßenlaterne hätten auftauchen müssen, nur weil er so darauf wartete. An der Laterne sah er sie immer zuerst. Mama kam meistens ein wenig früher als Papa. Aber natürlich konnte keiner von beiden kommen, bevor in der Fabrik Feierabend war.

Jeden Tag gingen Papa und Mama in die Fabrik. Bertil blieb dann den ganzen Tag allein zu Hause. Mama stellte ihm etwas zu essen hin, damit er etwas hatte, wenn er hungrig wurde. Wenn Mama dann heimkam, gab es Mittagessen. Allein zu essen machte kein bisschen Spaß.

Überhaupt war es sehr, sehr traurig, den ganzen Tag allein in der Wohnung zu sein, ohne mit jemandem reden zu können. Natürlich konnte er auf den Hof gehen und dort spielen; aber jetzt im Herbst war das Wetter schlecht und keine Kinder waren draußen.

Oh, wie verging die Zeit doch langsam! Er wusste nicht, was er anfangen sollte. Seine Spielsachen waren ihm schon längst langweilig. So viele hatte er übrigens gar nicht. Alle Bücher, die es im Haus gab, hatte er von vorn bis hinten angesehen. Lesen konnte er noch nicht. Er war erst sechs Jahre alt.

Es war kalt im Zimmer. Papa heizte am Morgen den Kachelofen, aber jetzt am Nachmittag war beinah alle Wärme verflogen. Bertil fror. In den Winkeln wurde es dunkel. Aber er machte kein Licht an. Wozu? Es gab ja doch nichts, was er tun könnte. Alles war so überaus traurig, dass er beschloss, sich auf sein Bett zu legen und ein wenig darüber nachzudenken, wie traurig es eigentlich war.

Immer war er nicht allein gewesen. Früher hatte er eine Schwester gehabt. Sie hieß Märta. Aber eines Tages kam sie aus der Schule und war krank. Sie war eine ganze Woche lang krank. Und dann starb sie. Die Tränen begannen zu laufen, als er daran dachte und daran, wie allein er nun war.

Und gerade in diesem Augenblick hörte er es: Er hörte kleine, trippelnde Schritte unter dem Bett.

Spukt es hier?, dachte Bertil und beugte sich über die Bettkante, um nachzugucken. Und da sah er ein kleines, wunderliches Ding. Dort unter dem Bett stand ein – ja, es war genau wie ein gewöhnlicher kleiner Junge. Nur war dieser Junge nicht größer als ein Daumen.

»Hallo«, sagte der kleine Junge.

»Hallo«, sagte Bertil ein wenig verlegen.

»Hallo, hallo«, sagte der Kleine.

Danach war es eine Weile still.

»Was bist denn du für einer?«, fragte Bertil. »Und was machst du unter meinem Bett?«

»Ich heiße Nils Karlsson-Däumling«, antwortete der kleine Junge. »Und ich wohne hier. Na ja, natürlich nicht genau unter deinem Bett, sondern ein Stockwerk tiefer. Du kannst den Eingang dort in der Ecke sehen.«

Und dabei zeigte er auf ein großes Mauseloch, das unter Bertils Bett war.

»Wohnst du schon lange hier?«, fragte Bertil den Jungen.

»Nein, erst seit ein paar Tagen«, sagte der kleine Junge. »Vorher hab ich unter einer Baumwurzel im Wald gewohnt. Aber du weißt ja, wenn es Herbst wird, hat man genug vom Lagerleben und möchte gern in die Stadt. Ich hatte großes Glück und konnte dies Zimmer hier von einer Maus mieten, die zu ihrer Schwester nach Södertälje ziehen wollte. Sonst ist es ja schwer, eine Kleinstwohnung zu finden, wie du wohl weißt.«

Ja, davon hatte Bertil schon gehört.

»Ich habe natürlich unmöbliert gemietet«, erklärte der Däumling. »Das ist am besten. Jedenfalls wenn man eigene Möbel hat«, fügte er nach einer Pause hinzu.

»Hast du denn welche?«, fragte Bertil.

»Nein, das ist es ja gerade, ich habe keine«, sagte der Däumling und sah bekümmert aus. Er schüttelte sich.

»Hu, es ist so kalt unten bei mir«, sagte er. »Aber das ist bei dir hier oben ja auch nicht anders.«

»Ja, wahrhaftig«, sagte Bertil, »ich friere wie ein Hund.«

»Einen Kachelofen habe ich«, sagte der Däumling. »Aber kein Holz. Heutzutage ist Holz so teuer.«

Er schlug die Arme um sich, um warm zu werden. Dann sah er Bertil mit großen klaren Augen an.

»Was treibst du tagsüber?«, fragte er.

»Eigentlich nichts Besonderes«, sagte Bertil. »Tatsächlich überhaupt nichts Besonderes.«

»Genau wie ich«, sagte der Däumling. »Es ist ziemlich langweilig, allein zu sein. Findest du nicht auch?«

»Schrecklich langweilig«, sagte Bertil.

»Willst du ein bisschen zu mir runterkommen?«, fragte der Däumling eifrig.

Bertil fing an zu lachen: »Glaubst du denn wirklich, dass ich durch das Loch da hindurchkomme?«

»Das ist die einfachste Sache von der Welt«, sagte der Däumling.

»Du drückst nur auf den Nagel, den du dort neben dem Loch siehst, und dann sagst du ›Killevipps‹. Dann bist du genauso klein wie ich.«

»Ist das sicher?«, fragte Bertil. »Aber werde ich auch wieder groß, bevor Papa und Mama nach Hause kommen?«

»Aber ja«, sagte der Däumling. »Dann drückst du nur wieder auf den Nagel und sagst noch einmal ›Killevipps‹.«

»Ulkig«, sagte Bertil. »Kannst du auch so groß werden wie ich?«

»Nein, das kann ich nicht«, sagte der Däumling. »Leider. Aber es wäre schön, wenn du ein bisschen zu mir runterkämst.«

»Also los«, sagte Bertil.

Er kroch unter das Bett, drückte den Zeigefinger auf den Nagel und sagte: »Killevipps.«

Und tatsächlich! Da stand er vor dem Mauseloch, genauso klein wie der Däumling.

»Übrigens, ich heiße Nisse«, sagte der Däumling und streckte Bertil die Hand entgegen. »Komm, wir gehen zu mir runter!«

Bertil fühlte, es war etwas unglaublich Spannendes und Merkwürdiges, was hier passierte. Er brannte richtig vor Neugierde, in das dunkle Loch zu gehen.

»Vorsichtig auf der Treppe«, sagte Nisse. »Das Geländer ist an einer Stelle kaputt.«

Bertil stieg mit behutsamen Schritten eine kleine Steintreppe hinab. Kaum zu glauben, er hatte nicht gewusst, dass hier eine Treppe war! Sie endete vor einer geschlossenen Tür.

»Warte, ich mach Licht an«, sagte Nisse und knipste an einem Schalter. An der Tür hing eine Visitenkarte. »Nils Karlsson-Däumling« stand sehr ordentlich darauf. Dann öffnete er die Tür und knipste an einem anderen Schalter. Bertil ging hinein.

»Hier sieht es nicht sehr einladend aus«, entschuldigte sich Nisse.