Im zerbrochenen Rückspiegel - E. Salcheron - E-Book

Im zerbrochenen Rückspiegel E-Book

E. Salcheron

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Beschreibung

Lesen Sie Auszüge aus den nicht ganz fiktiven Lebenserinnerungen eines anonym bleiben wollenden Wiener Psychotherapeuten. Während er am Tage seiner Pensionierung seinen Schreibtisch leer räumt, fliegen sein Leben, seine Arbeit und seine Erinnerungen in Bruchstücken an ihm vorbei. Er zieht eine schonungslose Bilanz.

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Seitenzahl: 34

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Wenn der Mensch ins Glase blickt scheint die Welt ihm ganz verrückt.

Inhalt

Prolog

Schauplätze meiner Kindheit

Sex und andere Drogen

Von Katzen und Menschen

Vom Suchen

Die Liebe – ein Versuch

Ausgeträumt

Tinto

Marie

La Luna

Einblicke

Lichtstrahl

Epilog

Prolog

Es regnet schon wieder, es regnet Tag und Nacht, während ich an meinem altersschwachen Schreibtisch über meine Notizen und Skripten gebeugt sitze und meinen Erinnerungen nachjage:

Erinnerungen an meine Fälle, ihr Leben, ihre Träume und ihre Schäume. Gedanken schwirren durch meinen Kopf wie panische Mücken, vergilbte Blätter fliegen durch meine Finger. Fegen die Kaffeetasse vom Tisch, die in zwölf Stücke zerbricht.

Schauplätze meiner Kindheit

Eine verfrorene Kleinstadt, eingeschlossen von imposanten Bergen, die mir wie eine Leiter in den Himmel erschienen. Auf einem steinigen Aufstieg gelangte ich zwar zu Höhenräuschen, aber die Sterne blieben doch außer Reichweite am Himmel, von wo sie mir mein Leben lang lockend zublinzeln sollten.

Der Frühling hatte es nie eilig und betrat irgendwann nach meinem Geburtstag die Bühne. Die Sommersonne ließ den launischen Fluss, der sich durch die Stadt wand, kalt und vermochte nur im August die Schneehaube des höchsten Gipfels zu schmelzen – ich suchte indessen bunte Steine bei den Flussbänken und balancierte auf nassen Steinen über das wilde Wasser, hypnotisch angezogen vom rauschenden Schwarzgrün.

Es glänzet der Frühling so schön überm Rhein,

es rieseln die Wellen im Sande,

ach Mutter, lass mich meine Heimat doch sehn,

warum zieh‘n wir von Lande zu Lande?

Im Herbst wies mich meine Großmutter nicht nur in die Geheimnisse des Waldes ein, sondern auch in die Kunst des Kukuruzstehlens und -zubereitens und im Winter knirschte der Schnee unter meinen gefütterten Stiefeln, während ich hinter meinem Schal nach der eisigen Luft schnappte, die sich mir immer wieder entzog.

Vier Jahre in einem stinkenden starren Dorf, das mich zur inneren Emigration zwang. Agonie, die sich mit besoffener Aggression paarte. Ein stinkender braun schäumender Bach nötigte die ihn überquerenden Autofahrer zum Verriegeln aller Öffnungen. Wenn es dunkelte, bliesen die Fabrik und das Kraftwerk ihren Dreck in die Nachtluft und die Winde trugen ihn flink ins Dorf.

Mich verschlug es nach Südosten in eine große Stadt. Weite und Wärme als Versprechen. Die Prinzessin der lauen Winde aber entpuppte sich als verlogene Schlampe, die, weil immerhin kurzfristig musikalisch, mir den Jazz auch live näher brachte.

Sie war obwohl eine Spießerin auch allen Rauschdrogen, legalen und illegalen, nicht abgeneigt und machte mich mit verschiedensten Rauschkindern und Räuschen bekannt.

Dem Meer nur zu, dem Meer nur zu,

Zigeunerkind find‘ nirgends Ruh.

Zigeunerkind find‘ nirgends Ruh.

Sch Sch…

Schlafe leicht,

schlafe mit halboff‘nen Augen

Träum‘ etwas, das dir gefällt

Vater kann seine Hände nicht bei sich behalten,

Mutter lebt in ihrer Welt.

Du träumst dich an einen sonnigen Ort

Von einem Garten nur für Oma und dich.

Weit fort.

Sch sch….

Öffne die Flügel.

Der Wind singt in den Tannen

Hin und weg - von hier.

Oma stimmt ihre Zither.

Und dein Körper gehört wieder zu dir.

Lerne dich selbst zu lieben

Und du wirst frei sein.

Ganz Dein.

Es ist so lange her und doch nicht vorbei. Bin ich ein Irrer unter Normalen oder normal unter Irren?

Wenn man davon ausgeht, dass in unserer Zivilisation der Irrsinn die Norm und die Normalität eine Fiktion ist, kann ich mich nicht als normal bezeichnen.

Aus heutiger Sicht muss ich zugeben, dass dies meine Berufswahl entscheidend beeinflusst hat. Warum hätte ich denn sonst wissenschaftliches Interesse an den Lebensproblemen mir völlig fremder Menschen entwickeln können, wo mir das doch eine perfekte Gelegenheit bot, vor meinen eigenen Erinnerungen zu fliehen, indem ich in denen der anderen aufging?

Wie ich das Fliegen lernte