Immer mit rotem Sofa - Sabine Lipan - E-Book

Immer mit rotem Sofa E-Book

Sabine Lipan

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Beschreibung

Nicht jeder Aufbruch erfolgt freiwillig. Nicht immer kommt man dort an, wohin man will. Erinnerungen und Identitätsfindung, Schmetterlinge im Bauch und Seitensprünge, Verantwortung und Loslassen. Die elf Erzählungen mit und ohne rotes Sofa laden ein zum Schmunzeln, Erinnern und Nachdenken. Für bewegende Momente und entspannte Stunden.

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Seitenzahl: 64

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Sabine Lipan

Immer mit rotem Sofa

Geschichten von

Aufbruch und Ankommen

Verlag Expeditionen

Für Thomas

Inhalt

Angenehmen Aufenthalt

Lebensgeld

Immer mit rotem Sofa

Der Würfel

Der Baum

Erdbeeren vom Ostmarkt

Eine Woche Sylt

Schmetterlingsflügel

Hinsehen

In einem Leben eine Banane

Der Jacobitag

 

Impressum

Angenehmen Aufenthalt

Die Tür hinter ihr fiel zu. Sie schloss nicht ab. Drehte sich auch nicht um. Umdrehen bringt Unglück, dachte sie. Da erstarrt man schnell. Und das war ungefähr das Gegenteil von dem, was jetzt vor ihr lag.

***

„Willst du Toast oder Müsli?”

„Toast, danke. Mit Käse. Und Marmelade. Erdbeermarmelade. Deine Selbstgemachte. Und Kaffee mit Milch.”

Warum hatte sie eigentlich gefragt? Er aß doch sowieso jeden Morgen dasselbe. Ihr Mann und Müsli, was für eine bescheuerte Frage. Aber man konnte es ja mal probieren, ab und zu. Vielleicht passierte ja ein Wunder, das Unerwartete, gänzlich Unglaubbare.

Vielleicht würde ihr Mann ja – nachdem er aufgestanden war und erst den linken, dann den rechten Schlappen angezogen und das Schlafanzugoberteil aus der Hose gezogen hatte, zur Toilette gegangen war, einmal gepupst und sich einmal geräuspert hatte, in den Spiegel geschaut und dabei das Gesicht verzogen, die Hände gewaschen und nicht abgetrocknet hatte, sodass die Tropfen die Treppe hinunter bis zur Küche sichtbar waren – vielleicht würde er trotz alledem an einem Morgen tatsächlich Müsli wollen. Oder Tee statt Kaffee. Oder wenigstens Kaffee mit Zucker statt mit Milch.

Bisher war es noch nicht geschehen, das Wunder, aber die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt.

Oder täglich.

„Was machst du bloß die nächsten vier Tage?”

Sie grinste ihn schelmisch an.

„Wieso?”

„Na ja, soweit ich weiß, frühstücken die Italiener ja nicht wirklich viel. Eher einen Cappuccino mit nix, oder so. Keine Ahnung, wie du da an deinen Toast mit Käse und Erdbeermarmelade kommen willst.”

Er legte die Zeitung aus der Hand.

„Du tust ja gerade so, als ob ich nichts anderes essen könnte. Ehrlich. Ich mag auch gerne mal was anderes zum Frühstück.”

„Himbeermarmelade.”

„Ja, die auch. Wenn sie von dir ist.”

„Oder Kirsch.”

„Genau.”

„Hauptsache rot. Gelb geht nicht, stimmt's?”

„Was hast du denn? Warum bist du denn so zickig heute Morgen? Ist doch egal, was ich gerne esse, oder? Das ist doch unser letztes Frühstück. Ich bin doch weg heute Abend. Morgen sitzt du hier alleine.“

Genau. Morgen würde sie hier allein sitzen. Komisches Gefühl. Sie frühstückte eigentlich nie allein. Immer mit ihm. Sie Müsli. Er Toast. Eigentlich war sie auch nicht viel besser. Immer Müsli.

„Ist ja gut”, ihr Tonfall wurde versöhnlicher. „Hast ja Recht. Ich fänd es auch nicht schön, dauernd in irgendwelchen fremden Betten zu schlafen.”

„Und keine selbstgekochte Erdbeermarmelade zu kriegen.” Er grinste.

„Und keine selbstgekochte Erdbeermarmelade zu kriegen.” Sie grinste zurück.

Als er aus dem Haus war, setzte sie sich noch einmal mit einem Kaffee aufs Sofa. Stellte das Radio an. Auch so eine Gewohnheit, jeden Morgen den Tag zum zweiten Mal zu beginnen. Mit ihrem Kaffee. Und dem Radio.

Wann hatte das eigentlich angefangen? Dass sein Start in den Tag nicht mehr ihrer war? Dass sie für ihn alles herrichtete, Frühstück machte, hin- und wieder wegräumte. Und bei allem das Gefühl hatte, dass das zwar sein täglicher Tagesbeginn war. Aber nicht ihrer.

Bis zu dem Moment, wo sie mit ihrem Kaf­fee auf dem Sofa saß, war sie eigentlich eher eine Frühstücksmacherin. Eine Toastbelege­rin. Eine Löffel-ins-Marmeladenglas-Stecke­rin. Seine Frau halt.

Wann hatte das also angefangen, dieses du und ich statt wir? Irgendwann vor ein paar Jahren, vermutete sie. Ganz schleichend, sie konnte keinen Zeitpunkt sagen. Vermutlich, nachdem die Kinder aus dem Haus waren. Irgendwann dann.

Fühlte sich komisch an, darüber nachzudenken. Aber war das schlimm? So wie es jetzt war?

Es war nicht wirklich abwechslungsreich, ihr Leben, bisher. Das Haus, zwei Kinder, sie ohne Job. Viel Urlaub war nicht drin gewesen. Meist zu seinen Eltern. Die wohnten am Meer. Nur 50 Kilometer entfernt.

Das Haus war jetzt fast abgezahlt.

Eigentlich müssten wir jetzt doch mal richtig in Urlaub fahren, dachte sie, während sie den letzten Schluck Kaffee trank. In die Sonne. Irgendwohin. Ich werde ihn fragen, wenn er aus Rom zurück ist. Sofort, wenn er aus Rom wieder da ist. Denn nächste Woche geht es ja schon nach Belgrad. Was frühstücken die eigentlich in Belgrad? Sie googelte „serbisches Frühstück”. Aha, man würde „Burek” frühstücken. Blätterteig mit Hackfleisch gefüllt. Ihr Mann hasste Blätterteig. Vielleicht sollte sie ihm ein kleines Toastbrot mitgeben? Und Erdbeermarmelade? Nein, Serbien war das Himbeerland schlechthin, hatte sie mal gehört. Da würden die wohl vernünftige Marmelade machen können. Nein, sie würde nichts einpacken, das ginge nun wirklich zu weit.

Sie stand auf, räumte das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine und ging hoch ins Schlafzimmer.

Rom, das hieß Italien, das hieß den modernen Anzug, den taillierten. War der eigentlich sauber? Er würde heute Abend garantiert wieder in totaler Hektik, auf die letzte Minute packen. Besser, sie schaute vorher schon nach, ob der Anzug sauber und die passenden Hemden gebügelt waren. Krawatte raussuchen wäre auch nicht schlecht. Letztes Mal hatte er die rotgestreifte zum ockerfarbenen Hemd getragen. Hatte sie auf einem Foto gesehen. Alle waren chic gewesen, farblich passend, auf dem Bild. Männer wie Frauen. Nur bei ihm, ocker und rot gestreift. Grauenvoll.

Sie holte den Anzug aus dem Schrank und klopfte ihn mit der Hand leicht aus.

Drei Hemden lagen schon zusammengefaltet auf dem Stuhl – ob er die wohl mitnehmen wollte? Vermutlich. Aber ja wohl nicht das Dunkelblaue zum braunen Anzug, oder? Das war ja wohl nicht sein Ernst.

Sie nahm die Hemden hoch und legte sie nebeneinander aufs Bett.

Zwischen dem ersten und dem zweiten Hemd hatte ein Blatt Papier gelegen. Die Reservierungsbestätigung. Typisch. Wenn er heute Abend ins Hotel gekommen wäre, hätte er mal wieder seinen ganzen Koffer durchwühlen müssen, um das Ding zu finden.

Sie nahm das Blatt und legte es beiseite.

Etwas sah merkwürdig aus auf dem Blatt. Nur eine kleine Ziffer, aber merkwürdig. 2 stand dort. Bei „persone” stand eine 2. Ob die die Übernachtungen meinten? Nein, da stand eine 3, vollkommen korrekt.

Sie setzte sich aufs Bett. Saß dort, wohl für ein oder zwei Stunden.

Dann stand sie auf. Atmete tief durch. Und ging in den Keller.

„Buonasera, Signor! Buonasera, Signora!” Der Portier war einer von der höflichen Sorte. Keine Selbstverständlichkeit in diesem Land. Er hatte schon alles erlebt: Kein Aufzug, kein Kofferträger, sogar Rezeptionen, in denen einem nur der Schlüssel auf die Theke geklatscht wurde und man selbst herausfinden musste, wo das Zimmer lag.

Dieser war sehr freundlich. Er konnte sogar Englisch. Und, noch besser: Deutsch.

„Isch ware lange inne Deutschelande. Meine Bruder hat Eisdiele, in Stuttegarte.”

Witzig, dass die überall ein „e” dranhängen mussten. Oder lag das an Stuttgart?

Egal, jetzt erstmal aufs Zimmer, duschen, und umziehen. Und dann gut essen gehen in die kleine, schnuckelige Pizzeria, ganz nah am Hotel. Hatten sie erst beim letzten Mal entdeckt.

„Ische wünsche angenehmen Aufentalte.”

„Danke sehr!”

Im Zimmer öffnete er als erstes den Koffer.

Alles war rot.

Anzug, Hemden, Krawatten, Unterwäsche, Pyjama, Socken.

Überall rot. Klebrig, voller kleiner Stückchen. Alles rot.

Ein Zettel obenauf. Auch rot, aber lesbar.

„Ich wünsch dir einen süßen Aufenthalt”, stand darauf.

Und dann noch: „Kratz sie ab. Fürs Frühstück. Mit der letzten selbstgekochten Erdbeermarmelade solltest du sparsam umgehen.”

Lebensgeld

Es war einer jener Tage Mitte Januar, an denen der Winter einen kurzen Moment lang sein Ende ahnen lässt. Im Hinterhof leuchteten die ersten weißen Köpfe der Schneeglöckchen aus dem braunen Grau alten Laubes und vorn, neben der Eingangstreppe, wagten sich bereits einige kleine blaue Blüten gegen die allgemeine Tristheit hervor.

Sie stand neben der Rolltreppe, an eine plexigläserne Auskunftstafel gelehnt, verdeckte mit ihrem Körper die Angaben zu Erdgeschoss und Untergeschoss, lediglich die Hinweise auf die Sportabteilung und die Damenoberbekleidung