9,99 €
Der preisgekrönte Bestseller aus Großbritannien: Außergewöhnliches Fantasy-Abenteuer voller Fabelwesen und Action ab 10 Jahren »Geh auf keinen Fall den Hügel hinauf«, hatte Christophers Großvater gesagt. Doch die Ferien sind zu langweilig, um sich an Verbote zu halten. Als Christopher den Hügel erklimmt, bebt plötzlich die Erde. Sprechende Eichhörnchen, ein geflügeltes Pferd und ein Einhorn kommen ihm entgegen. Christopher kann es nicht fassen! Vom Großvater erfährt er, dass sich nun ein Tor zu einer anderen Welt geöffnet hat. Eine Welt voller Magie und atemberaubender Fabelwesen, doch genau diese sind jetzt in Gefahr! Dann taucht ein geheimnisvolles Mädchen mit einem fliegenden Mantel in Christophers Welt auf. Verfolgt von einem Mörder begeben sich die zwei Kinder auf eine aufregende Reise. Wird es ihnen gelingen, beide Welten zu retten, bevor es zu spät ist? So actionreich und packend wie »Percy Jackson«, so episch und tiefgründig wie »Die Unendliche Geschichte«. Mit dem Riesenerfolg von »Impossible Creatures« wird Katherina Rundell in Großbritannien als DIE neue Stimme in der Fantasy gefeiert. Ein hochwertig ausgestattetes Buch mit farbiger Landkarte und illustriertem Bestiarium! »Es gab Tolkien, es gibt Pullman, und jetzt gibt es Katherine Rundell.«Michael Morpurgo »Ich liebe Katherine Rundells Schreibstil.«Philip Pullman
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 367
Veröffentlichungsjahr: 2025
Katherine Rundell
Band 1
Der zweite Band der Archipel-Trilogie erscheint im Herbst 2025.
Weitere Informationen finden Sie unter www.fischer-sauerlaender.de
Katherine Rundell ist eine Bestsellerautorin. Ihre Kinderbücher haben in Großbritannien zahlreiche Preise gewonnen wie den Waterstones Children’s Book Prize, den Blue Peter Book Award und den Costa Children’s Book Award. Die Archipel-Trilogie ist ihre erste Fantasygeschichte. Der erste Band war in Großbritannien bereits 17 Wochen auf der Bestsellerliste.
[Widmung]
[Motto]
Das Bestiarium des Hüters
Al-mi’raj
Avanc
Borametz
Kentaur
Chimäre
Drache
Greif
Hippokamp
Kanko
Karkadann
Kludde
Kraken
Lavellan
Longma
Mantikor
Meervolk
Nereiden
Ratatoska
Sphinx
Twrch Tryth
Einhorn
Der Anfang
Der Anfang, anderswo
Ankunft
Ankunft, anderswo
Frank Aureate
Bevor der Mörder kam
Der verbotene Hügel
Das Ersterben des Lichts
Der einzige Ort, der tabu ist
Der Mord
Geschöpfe in wilder Flucht
Das Geheimnis des Hüters
Der Hund im Wasser
Phosphoreszenz
Der Archipel
Die Ankunft der Einhörner
Die Fürchtenichts
Ein kräftiges und strahlendes Blau
Der fliegende Senat
Fidens Nachthands bevorzugtes Sauflokal
Feuer am Himmel
Flicken
Krake
Die Stadt der Gelehrten
Die Sphinx-Halbinsel
Das Gegenteil eines Sturzes
Der Berg der Schriften
Vier Rätsel
Der Mann, der nein sagte
Ein Gewaltausbruch
Malum, Apfel
Aufbruch
Gelifen
Die schlimmste aller Fragen
Eine unwillkommene, alles erschwerende Neuigkeit
Die Insel des Unsterblichen
Die Hitze des Lebendigen Goldes
Die Insel der Mörder
Der stinkende Atem der Mantikoren
Fidens Nachthand
Dryaden
Der Trank
Kein Sterblicher kehrte je zurück
Das Labyrinth
Der graue Nebel
Am Mittelpunkt
Das Unsterbliche
Der Flug
Die Trauerprozession
Die Güte der Sphinxe
Wieder am Anfang
Christophers Reise
Was sie sagte
Dank
Christophers Abenteuer geht weiter
Im Gedenken an Claire Hawkins, meine Großtante,
das Licht meiner Kindheit.
»Der Greif ist sowohl ein gefiedertes Geschöpf als auch ein Vierbeiner. Er hat den Körper eines Löwen, zugleich Schwingen und das Antlitz eines Adlers.«
Isidor von Sevilla, Etymologiae (ca. 600 n. Chr.)
»Sein Maul speit Feuer, und sein Atem bringt den Tod.«
Gilgamesch-Epos (Mesopotamien, ca. 2000 v. Chr.), vermutlich der erste schriftliche Hinweis auf Drachen.
(Übersetzung: Raoul Schrott, Gilgamesch, Carl Hanser Verlag 2001)
»Ich besinge den Aufstieg der unsterblichen Seele.«
John Donne, Metempsychosis (1601)
Der Archipel
Auf unserer Welt gibt es einen geheimen Ort, der zum Schutz vor uns Menschen verborgen ist. Es ist ein Ort urtümlicher Fülle, wo alle mythischen Geschöpfe bis zum heutigen Tag leben und gedeihen. Sein Name lautet Archipel, und er besteht aus einer Ansammlung von vierunddreißig Inseln, manche von den Ausmaßen Dänemarks, andere nicht größer als ein Marktplatz. Auf diesen Inseln leben Abertausende magischer Geschöpfe. Sie ziehen ihre Jungen groß, altern und sterben und beginnen von neuem. Sie werden seit langem als Ammenmärchen abgetan und sind unserem Bewusstsein fast entglitten. Trotzdem haben wir sie nicht auslöschen können, sie leben weiter. Sie sind leibhaftig, zahlreich und prächtig. Der Archipel ist der letzte magische Ort auf Erden.
Der Al-mi’raj ist ein Hase mit einem Horn auf der Stirn. Er ist von atemberaubender Schönheit, hat lange Ohren mit rosigem Inneren, sein Horn ist aus purem Gold. Während der Paarungszeit sprießt frisches Grün aus jedem Abdruck, den seine Pfoten hinterlassen, er kann ein ödes Feld innerhalb kurzer Zeit begrünen. Der Al-mi’raj, so heißt es, erwählt stets die Tapferen, Weisen und Guten. Königin Arian von Lithien schenkte ihrem Verlobten einst einen Al-mi’raj, musste jedoch erleben, dass er den jungen Mann verschmähte und stattdessen ihrer Dienerin in die Arme sprang. Daraufhin heiratete sie diese. Beide lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage, und in ihrem Garten tummelten sich unzählige Hasen mit goldenen Hörnern.
Das Avanc ist ein Fleischfresser, eine Art Biber mit Reißzähnen, in Sümpfen beheimatet. Seine elfenbeinweißen, nadelspitzen Zähne wachsen täglich um zweieinhalb Zentimeter, müssen also ständig gestutzt werden, entweder an Felsen oder Bäumen, manchmal auch an Menschen. Sein wunderbar üppiges, weiches Fell kann Kinder zum Streicheln verleiten. Wer sich dazu hinreißen lässt, wird keine zweite Gelegenheit mehr dazu haben.
Das Borametz, auch bekannt als Pflanzliches Lamm, wächst aus einem grünen Stängel, mit dem es durch eine Ranke verbunden ist. Das Lamm wird dreißig Zentimeter groß; seine Haut ist grün, die Wolle weiß. Wenn das Lamm in dem Umkreis, der ihm durch die Ranke zugemessen ist, alles Gras gefressen hat, verhungert es und mit ihm die Pflanze. Deshalb führen viele im Archipel Samen mit sich, die sie rund um eine solche Pflanze aussäen. Das Borametz verschenkt seine Wolle freigiebig an alle, denen es vertraut. Der Wollstoff, der daraus gewebt wird, ist der weichste auf der ganzen Welt. Er kann Jahrhunderte überdauern und entlässt einen erdigen Hauch.
(weibl.: Kentauride)
Kentauren haben einen Pferdeleib, Kopf und Oberkörper dagegen sind menschlich. Sie sind geschickt in allen Handwerken, aber ihre Kultur dreht sich vor allem um die Nahrungsaufnahme, denn sie müssen täglich ein Dutzend Mal essen, um die Bedürfnisse ihres Körpers und ihres phänomenalen Gehirns zu stillen. Sie haben ein Talent für das Kreieren neuer Speisen und veranstalten bei jedem Vollmond ein großes Gelage. Zu diesen Gelegenheiten gibt es turmhohe Berge von Waldfrüchten und einen üblen Schnaps aus Holzäpfeln, man feiert die ganze Nacht und bis in den nächsten Tag.
Die Chimäre ähnelt einem Löwen, hat aber auch einen Ziegenkopf und einen Schwanz in Gestalt einer Schlange. Jeder ihrer drei Köpfe hat ein eigenes Gehirn, ein eigenes Nervensystem und entschieden eigene Meinungen. Deshalb kann die Chimäre nicht so viel Unheil anrichten, wie sie gern möchte – sie liegt stets im Streit mit sich selbst darüber, was als Nächstes zu tun sei.
Im Archipel gibt es siebenunddreißig Drachenarten. Der größte Drache – schwarzer Körper, rote Schwingen mit scharlachroten Unterseiten – ist so groß wie eine Kathedrale. Der Kleinste, der Jakulus, hat bequem auf einem Daumengelenk Platz. Der gelbe Drache, mit langem Schwanz und schmalen Schwingen, fliegt am schnellsten. Der Wasserdrache mit bronzefarbigem Schwanz kann unter Wasser atmen und sein ganzes Erwachsenendasein im Ozean verbringen, aus dem er nur gelegentlich auftaucht, um Seeleute zu fressen. Der silberne Drache kann viertausend Jahre alt werden und gilt als langlebigstes Geschöpf der Welt. Seine Launen sind unberechenbar, schließlich hat er schon unendlich viel erlebt.
Greife haben Rumpf, Hinterbeine und Schwanz eines Löwen, den Kopf, die Flügel und die Fänge eines Adlers. Sie reden nicht, lernen aber unfassbar schnell und können eine menschliche Sprache innerhalb von Tagen verinnerlichen. Unter den Flügeln eines ausgewachsenen Greifs findet ein Kind Platz. Bei Kälte verströmt er Wärme. In der Glimourie der Erde und der Lüfte findet man kein verlässlicheres Geschöpf. Greife zählen zu den Geschöpfen mit der intensivsten Magie. [Anmerkung von Frank Aureate: Im Lauf der letzten fünf Jahre sind die Greife immer seltener geworden. Die Gründe sind unklar, es könnte mit dem Schwinden der Glimourie zu tun haben. Sie gelten inzwischen als nahezu ausgestorben.]
Hippokampen sind die wahren Seepferde der Ozeane. Sie bilden zehn- bis zwanzigköpfige Herden; der männliche Hippokamp ist größer als der weibliche, aber dieser ist schneller. Ihre Farbe reicht von Smaragdgrün bis Grau, im Nordwesten sind sie leuchtend rosa wie Korallen. Gezähmt dienen sie Nereiden als Reittiere. Im Archipel müssen alle Schiffe durch Wind oder Sonne angetrieben werden, damit das Wasser nicht verschmutzt wird und die jungen Hippokampen (auch »Hippolinen« genannt) zu ihrer strahlenden Schönheit heranwachsen können.
Ein fuchsartiges Geschöpf von der Größe einer Maus. Es hat einen gespaltenen Schwanz, der eine außergewöhnliche Akrobatik erlaubt. Kankos werden auch »Lichtfüchse« genannt. Ihr Speichel, der lumineszierende Eigenschaften besitzt, findet in der Malerei Verwendung, vor allem in Japan, ihrem Herkunftsland. Obwohl so winzig, sind sie hochintelligent, und man schreibt ihnen zu, Glück zu bringen. Der Bau eines Kanko darf also nicht behelligt werden, andererseits nisten sie gern an unpassenden Orten – in Schuhen, Hüten oder Taschen, einmal sogar im Bart eines Gentlemans am Tag seiner Hochzeit.
Karkadanns gleichen Einhörnern, vorausgesetzt, diese wären bösartig und hätten Reißzähne. Sie gehören zu den raren Geschöpfen des Archipels, die aus purer Lust töten. Sie bevorzugen Menschenfleisch, Gras fressen sie nur zu Verdauungszwecken. Ihre Fellfarbe reicht von Schwarz bis Purpur, die Haut hängt schlaff an den Knochen. Das Gift auf der Spitze des schwarzen Horns kann ein quälendes Gangrän verursachen, zu Lähmung und Tod führen. Man kann sie mit dem Horn eines Einhorns in Schach halten, aber da ein solches selten zur Hand ist, muss man der Ehrlichkeit halber zugeben, dass dieser Hinweis wenig taugt.
Ein Hund von der Größe eines Bären mit pechschwarzem Fell, nur dass anstelle der Ohren zwei Flammen lodern. Mit diesen lockt das Kludde Beute an – meist Rotwild, Wildrinder oder Al-mi’raj –, um sie zu verschlingen. Es verrät sich von weitem durch seine Atemzüge, die so kreischend sind, als würde man Metall auf Metall reiben. Ein Kludde lässt sich nur töten, indem man die zwei Flammen unter feuchter Erde oder Sand erstickt. Kludden leben hauptsächlich auf menschenleeren Inseln – so gut wie kein Bewohner des Archipels bekommt zu Lebzeiten eines zu Gesicht. Wer doch eines erblickt, vergisst es nie. [Anmerkung von Frank Aureate: Außer die betreffende Person wird gefressen; in diesem Fall ist das Vergessen garantiert.]
Ältestes aller Meerestiere, bereits in der Kreidezeit nachzuweisen, also ein Zeitgenosse des Tyrannosaurus Rex. Die Zahl ihrer Tentakel liegt zwischen acht und sechsundvierzig, je nach Unterart. Wenn sie hungrig sind, können sie fürchterlich wüten, angeblich fressen manche Kraken bis zu vierhundert Seeleute an nur einem Tag, und der Strudel, den ihre Tentakel erzeugen, kann gewaltige Schiffe auf den Meeresgrund ziehen. Kraken wandern nicht, sondern bleiben in heimischen Gewässern. Wer gute Seekarten hat, kann sie umschiffen. Seeleute ohne Karten legen ihr Leben in ihre Tentakel.
Das Lavellan ähnelt einer Spitzmaus, lebt aber im Wasser. In einem satirischen Lied heißt es: »Bleib besser zu Haus, geh nicht ins Moos, in den Wald, sonst macht das Lavellan dich kalt.« Kein gutes Lied, aber eine nützliche Warnung. Das Lavellan kann Quellen vergiften, indem es darin schwimmt, und erwachsene Menschen mit Bissen töten, obwohl es so klein ist. Auf Menschen geht es nur los, wenn es sich provoziert fühlt, allerdings versteht es unter einer Provokation alles Mögliche, zum Beispiel auch Schniefen, Lachen und alle Arten von Ausdruckstanz.
Ein geflügeltes, geschupptes Pferd – oft grün oder braun mit schwarzem Bauch – von atemberaubender Schönheit und Kraft. Manche Longmas verbringen ihr ganzes Leben in den Lüften. Himmelstürmend wie kein anderes Geschöpf, waschen sie sich, indem sie auf ausgebreiteten Schuppenschwingen gemächlich durch Regenwolken segeln. Longmas sind die einzigen Geschöpfe auf der Welt, die in der Luft gebären: Die Stute fliegt so hoch wie möglich, denn wenn ihr Fohlen nach der Geburt in die Tiefe stürzt, muss es die Schwingen rechtzeitig entfalten können, um nicht auf der Erde zu zerschmettern. Im Umgang mit Longmas ist Vorsicht geboten: Extrem wenige entwickeln eine Bindung an Menschen. Und selbst in solchen Fällen merken einige beim Erwachen, dass sie auf ungute Art angeknabbert wurden – manchmal fehlt ein Finger, manchmal ein halbes Ohr –, denn ein vollständig gezähmtes Longma gibt es nun mal nicht.
Das Mantikor hat den Schwanz eines Skorpions, das Gesicht eines Menschen, den Körper und die Zähne eines Löwen und die Persönlichkeit eines selbstgerechten Politikers. Manche Unterarten sind geflügelt. Wie die Karkadanns gehören Mantikoren zu den wenigen Geschöpfen, die selbst dann auf Menschen losgehen, wenn sie nicht hungrig sind. Sie lügen und töten aus purer Lust. Sie stinken nach Verwesung.
(weiblich: Meerfrau; männlich: Meermann; neugeborenes Kind: Meerborn)
Das Meervolk lebt überwiegend in den nördlichen Gewässern des Archipels. Manche Clans, etwa jener der Marian, entwickelt bis zu zehn Meter lange Schwänze, und jeder, ganz gleich wie lang oder kurz, hat 40000 Muskeln. (Ein Mensch hat insgesamt 650.) Das Meervolk bringt viele Musiker und Musikerinnen hervor und hat zahlreiche Unterwasserinstrumente von erlesener Schönheit und wunderbarem Klang erfunden. Lieder, die sie mit Menschen geteilt haben, sind Teil unserer Tradition geworden. Vivaldi etwa soll viele Kompositionen des Meervolks übernommen haben.
Man darf Nereiden nicht mit dem Meervolk verwechseln, das ärgert sie und kann böse Folgen haben. Sie leben zwar unter Wasser, haben aber keine Schwänze. Haare und Fingerspitzen schimmern silbrig, ebenso ihre blasse Haut. Der Klang ihrer Stimmen ist berühmt, er schlägt jeden in den Bann – ihre Sprache, so heißt es, ist aus der Musik des Meeres hervorgegangen. Sie könnten sich genauso gut an Land bewegen, tun dies aber nur im äußersten Notfall. Sie leben vorwiegend im südlichen Teil des Archipels und zeichnen sich durch eine gnadenlose Logik aus, nur ist es die des Ozeans, kann von Menschen also nicht nachvollzogen werden. Die Menschen im Archipel behandeln die Nereiden ehrfürchtig und halten Abstand. Die Worte »Rätselhaft wie eine Nereide« sind auf den Inseln sprichwörtlich.
(Aussprache: Rata-TOS-ka. Oder: Ratatoskr)
Die Ratatoska ähneln großen Eichhörnchen mit grünem Fell und einem kurzen Horn auf der Stirn und verbreiten Nachrichten im Archipel. Sie kennen mehr Geheimnisse aus aller Welt – Gerüchte, Prahlereien, Wahrheiten, Halbwahrheiten und Viertelwahrheiten – als irgendjemand sonst. In körperlicher Hinsicht stellen sie keine Bedrohung dar, treiben aber gern Schabernack und können als Jungtiere für völliges Chaos sorgen. Wenn man eine Neuigkeit verbreiten möchte und keinen großen Wert auf Faktentreue legt, sollte man sich einem Ratatoska anvertrauen.
Sphinxe sind begnadete Mathematiker und Gelehrte, unverbrüchliche Verbündete und gnadenlose Feinde. Nimmt man den Zahn einer Sphinx in den Mund, versteht man alle Sprachen. Sphinxe können mit ihrer Zunge fast alle Wunden heilen. Ursprünglich in Nordafrika und Südostasien beheimatet, haben sie sich auf der ganzen Welt ausgebreitet und zu guter Letzt auf der bergigen Halbinsel in Norden Lithiens angesiedelt. Will man die Sphinxe dort besuchen, sollte man wissen, dass diese laut uraltem Recht jeden fressen dürfen, der die Rätselfrage, die sie stellen, nicht zu beantworten vermag.
(Aussprache: TwUUrk Troiith)
Ein blauschwarzer Keiler, der angeblich von König Artus geritten wurde. Sein Fell leuchtet hell im Mondschein. Der Keiler kann die Größe eines Nashorns erreichen und jeden zermalmen, der ihn verängstigt oder verärgert, aber zu Kindern ist er freundlich und nett. Wie man hört, bietet er Schwalben bei Gewitter Schutz unter seinem Bauch. Der Twrch Tryth, auch Kriegskeiler genannt, kämpft für alle, die er in sein Herz geschlossen hat. Er läuft unbeholfen, ist aber ein äußerst eleganter Schwimmer, der den gesamten Archipel ohne Pause zu durchmessen vermag.
Einhörner kommen mit einem goldfarbigen Fell zur Welt, das mit zwei Jahren silbrig und mit vier Jahren weiß wird. Sie bevorzugen waldreiche Regionen und weiche Böden. Unbehelligt können sie mehr als dreihundert Jahre alt werden. Sie ernähren sich von Gras und Laub, am liebsten fressen sie aber Kräuter wie Zitronengras oder Thymian und vor allem Minze. Ihr Atem kann Menschen Mut einflößen. Verbände aus den Haaren ihrer Mähne oder ihres Schweifs können tödlich infizierte Wunde heilen; man sah sie über Schlachtfelder traben und Gefallenen neues Leben einhauchen. Im Laufe der Geschichte wurde ab und zu von Menschen berichtet, die ein Einhorn geritten haben, aber das sind absolute Ausnahmen. Wer es versucht hat, musste erleben, wie er höflich, aber gründlich in den Erdboden gestampft wurde.
Der Tag war herrlich, bis ihn jemand fressen wollte.
Es war ein schwarzes, hundeähnliches Biest, ähnelte aber keinem ihm bekannten Hund. Seine Zähne waren so lang wie sein Arm, mit den Klauen hätte es eine Eiche zerfetzen können.
Es spricht also sehr für Christopher Forrester, dass er durch Tempo, List und Mut dem Schicksal entging, verschlungen zu werden.
Der Tag war herrlich, bis sie jemand töten wollte.
Mal war von ihrer Reise heimgekehrt, sie war mit ausgebreiteten Armen aus dem Wald zurückgeflogen, ihr Mantel hatte im böigen Wind geflattert.
Mal Arvorian konnte nur bei Wind fliegen. An jenem Tag war das Wetter goldrichtig – ein Westwind, der nach Meer roch –, und sie schraubte sich in den Himmel, schlug Haken in der kalten Luft. Ihr Flugmantel war dick und viel zu groß, sie hatte die Ärmel viermal umkrempeln müssen. Wenn es windig wurde – eine Brise genügte, es musste nicht stürmisch sein –, zog sie ihren Mantel weit auf, dann fasste der Wind darunter, und sie spürte, wie sie aufstieg, als hätte sie Flügel.
An jenem Tag war sie über die Baumwipfel geflogen, ihre Schuhe hatten die Zweige gestreift, und als sie schwungvoll tiefer gegangen war, hatte sie eine Herde von Einhörnern aufgescheucht.
In der Küche hatte ihre Großtante Leonor gemeckert, weil sie kalte Hände gehabt hatte, und ihr eine Tasse heißen Fruchtsaft gereicht, und dann wurde an die Tür geklopft.
Es war der Mörder.
Am Tag, bevor ihn das Biest angriff, saß Christopher vor dem Fährterminal auf einer Bank und wartete auf seinen Großvater. Er war von seiner Wohnung im Norden Londons allein bis Schottland gereist, seine Beine waren steif, und er hatte einen Bärenhunger.
Ein Eichhörnchen sprang auf die Bank und beäugte ihn. Es pirschte sich bibbernd an, bis seine Schnurrhaare Christophers Knie streiften. Ein zweites Eichhörnchen kam hinzu, danach ein drittes, und schließlich scharten sich sieben Tiere um seine Füße.
Eine Frau, die beim Taxistand wartete, sah ihn erstaunt an. »Wie macht er das bloß?«, fragte sie einen neben ihr stehenden Mann.
Ein Eichhörnchen tat einen Satz und hockte sich auf die Kappe von Christophers Schuh. Er lachte, und das Eichhörnchen flitzte über sein Schienbein bis zum Knie. »Netter Platz, hm?«, fragte er das Eichhörnchen. »Schöner Tag heute.«
»Er füttert sie bestimmt«, sagte der Mann, dann rief er Christopher zu: »Man soll freilebende Tiere nicht füttern! Sie können das nicht verdauen.«
»Schon klar«, entgegnete Christopher leise lächelnd. »Tue ich ja auch nicht.«
Seine Freunde machten sich einen Witz daraus, dass Christopher überall Tiere anlockte. Auf der Straße schlängelten sich Katzen um seine Fußknöchel, im Park sprangen ihn Hunde an. Man hatte ein Fußballspiel unterbrechen müssen, weil sich ein Rudel Füchse jaulend zu ihm gedrängt hatte. Auf einem Schulausflug sausten Tauben wiederholt im Sturzflug auf ihn hinab, und die Badeseen in Hampstead konnte er vergessen. Dort war plötzlich eine Phalanx von Schwänen auf ihn zu gepaddelt, und ein Bademeister hatte ihn aus dem Wasser befohlen, weil die kleineren Kinder vor Angst geschrien hatten.
Christopher hatte gelächelt, den Schwänen gepfiffen und sie aus dem Teich zwischen nahe Büsche geführt. Ein junger Schwan hatte auf seiner Schulter landen wollen und versucht, sich mit den Schwimmfüßen festzukrallen. Die Kratzer waren noch Monate später zu sehen, aber das war ihm egal. Er wusste, dass Tiere nicht unbedingt sanft waren, wenn sie Zuneigung und Aufmerksamkeit bekundeten. Und manchmal floss halt etwas Blut.
»Ist wohl dein Geruch«, pflegte sein Vater etwas steif zu sagen. Christopher hatte jedoch nicht den Eindruck, anders zu riechen als andere Jungen seines Alters. Immerhin wusch er sich, wenn auch nicht übertrieben oft.
Als kleiner Junge war diese Gabe sein größtes Glück gewesen. Als er älter wurde, freute er sich darüber, versuchte aber zugleich, den Tieren aus dem Weg zu gehen – sein Vater verabscheute sie. Tiere lösten eine rätselhafte Furcht in ihm aus. »Haut ab!«, sagte er und verscheuchte Katzen und Vögel oder die gelegentlichen Mäuse und Ratten in der U-Bahn. Christopher fuhr nicht mehr mit seinem Vater aufs Land, weil es passieren konnte, dass ihm Hasen über die Felder folgten und Schwalben in seinen Haaren nisten wollten.
So war es erst seit dem Tod von Christophers Mutter. Auch sie hatte Tiere angelockt. Ein Foto zeigte sie zu dritt im Richmond Park, umringt von Rehen. Christopher, damals noch ein Kleinkind, saß auf den Schultern seines lachenden Vaters, damals hatten ihn Tiere nicht gestört. Seit dem Tod seiner Mutter vor neun Jahren schien jedoch eine Last auf den Schultern seines Vaters zu liegen, die ihn niederdrückte und immer verschlossener werden ließ. Außerdem kam Christopher seither alles im Haus viel kleiner vor – wie verblasst und geschrumpft.
Also öffnete er nachts heimlich die Fenster, um die Vögel einzulassen. Manchmal erlaubte er Spatzen, die äußeren Taschen seines langen, marineblauen Wollmantels zu erkunden. Er machte Umwege, um Krähen zu begrüßen, und diese durften auf seinem Arm bis zur Schulter hüpfen. Seine Freunde waren auf der Hut – »Sie hacken dir die Augen aus!« –, doch er schüttelte nur lächelnd den Kopf.
»Nee.« In Gegenwart von Tieren klang seine Stimme weicher und heller, seine Züge strafften sich, als wäre er hochkonzentriert. »Das tun sie nicht«, sagte er – und so war es auch.
Die Krähen brachten ihm silberne Knöpfe, Heftklammern und Münzen, die er durchbohrte, um sie an einem Schnürsenkel um den Hals zu tragen. In der Schule wurde er von den Älteren deswegen verspottet, aber das war ihm egal. Er brachte auf diese Weise seine Verbundenheit mit den wilden Geschöpfen zum Ausdruck.
Christopher wurde älter und größer – in seiner Familie waren schlaksige Beine und feingliedrige Hände die Regel –, und er wartete.
Worauf er wartete, hätte er selbst nicht sagen können. Er hoffte schlicht, es gäbe mehr als das, was er bislang gesehen hatte, und diese Hoffnung glühte und loderte beständig in seinem Inneren. Die Tiere kamen ihm vor wie eine Verheißung.
(Seine Hoffnung sollte sich erfüllen. Und was geschah, sollte sein Leben auf erstaunliche Weise für immer verändern.)
Der Mörder kam mit dem Schiff. Er kam in aller Stille, auf leisen Sohlen und mit blitzsauberen Händen. Er schritt an einer Schar von Männern und Frauen vorbei, die einen Fang Feuerfische einholten, sein Messer war in der Tasche verborgen. Sie drehten sich nach ihm um, und er nickte ihnen zu, und wie von ihm beabsichtigt, vergaßen sie ihn, sobald er außer Sicht war. Er war ein Profi und hatte die hohe Kunst, umgehend vergessen zu werden, über die Jahre perfektioniert. Seine Haare waren weder lang noch kurz, und der Glanz seiner Schuhe war exakt so bemessen, dass sie keine Aufmerksamkeit erregten. Der Blick seiner Augen, dunkel und eisig wie der Meeresgrund, blieb nie lange auf etwas haften. Jedenfalls bis zu dem schönen Tag, als er Mal sah.
Rückblickend war es für den Mörder leicht gewesen, das Opfer aufzuspüren, auf das er angesetzt worden war. Immerhin handelte es sich um ein fliegendes Mädchen, und er entdeckte es, als es sich in zwanzig Metern Höhe durch einen Möwenschwarm schlängelte. Fliegende Menschen waren selbst im Archipel ein ungewöhnlicher Anblick.
Mal hatte das Fliegen schon vor Jahren erlernt. Ein durchreisender Seher hatte ihr den Flugmantel gleich nach ihrer Geburt geschenkt. Er hatte ihren Namen genannt und den Mantel vor ihre Füßchen gelegt. Er wollte noch etwas ergänzen – erklären, warum er den Mantel ausgerechnet ihr schenkte –, aber im Haus herrschte Trauer, weil Mals Mutter bei ihrer Geburt gestorben war, und deshalb hatte er gleich wieder aufbrechen müssen.
So kam es, dass Mal allein fliegen lernen musste. Die Nachbarn hatten sie ausgelacht – ein kleines Mädchen, das in einem viel zu langen und weiten Mantel dem Wind entgegenrannte. Sie war errötet und am nächsten Morgen in aller Frühe aufgestanden, damit sie niemand sehen konnte. Anfangs war sie beim Abflauen des Windes jedes Mal mit einem grässlichen Krach auf die Erde geknallt. Sie hatte sich nacheinander beide Fußknöchel gebrochen, außerdem ein Handgelenk und einmal einen kleinen Finger. Der Nagel ihres großen Zehs hatte sich zu einem hochinteressanten Schwarz-Grün verfärbt und war dann abgefallen. Sie hatte das Blut von ihren aufgeschürften Knien geleckt und es weiter versucht, war auf Bäume geklettert und einfach in die Luft gesprungen.
Und sie hatte ihre Nachbarn eines Besseren belehrt.
»Doch, ich werde es schaffen«, sagte sie, wenn der Nachbarsjunge wieder einmal über sie lachte. »Du hast ja keine Ahnung.« Damals ging sie immer mit hocherhobenem Kopf. Menschen waren mühsam – sie merkte, dass sie in ihrer Gegenwart widerborstig wurde und falsche Worte wählte, um dann bis zu den Haarwurzeln zu erröten –, doch der Himmel war ihre Welt. Auf der Erde war sie plump und unbeholfen, aber in der Luft, so die Einheimischen, bot sie einen spektakulären Anblick.
Im Alter von neun hatte sie gelernt, nach einem Gleitflug sanft zu landen. Mit zehn konnte sie auf den Zehenspitzen oder auf einem Fuß landen. Mit zwölf presste sie das Kinn auf die Brust, warf sich nach vorn und schlug einen Salto im Wind. An diesem Frühlingsmorgen war sie rasant über das Meer gesaust, die Stiefel in den Jackentaschen, und hatte die Wellen mit bloßen Füßen gestreift, Gischt war auf ihre Fußknöchel gespritzt, und sie hatte vor Freude gelacht.
Der Mörder hatte sie beobachtet, ein liebloses Lächeln auf den Lippen.
Eigentlich durfte Mal über dem Garten oder über den Feldern fliegen; ihre Großtante Leonor wäre entsetzt gewesen, wenn sie gewusst hätte, wie weit sie sich entfernte. Andererseits hätten die Verbote ihrer Großtante ein ganzes Buch gefüllt, und Mal konnte sie nicht alle beachten.
»Ich kann doch nicht im Haus bleiben«, sagte sie zu Gelifen, »und den lieben, langen Tag auf einem Stuhl sitzen. So werden die Leute zu Stein.«
Obwohl es ihr verboten war, sich selbst zu frisieren, hatte sie ihren Pony mit einer Nagelschere geschnitten. Das Ergebnis war krumm und schief, aber sie fand es toll, und sie hatte einen Goldfaden, den sie aus einem bestickten Tischtuch gezupft hatte, als Schmuck in ihren Zopf geflochten. Da ihr der Wald verboten war, flog sie vor dem Erwachen Leonors in aller Frühe dorthin. Sie wollte unbedingt die grünen, eichhörnchenartigen Ratatoskas kennenlernen, lauschte ihrem Klatsch und Tratsch und kam ihnen so näher. Im Gegenzug erzählte sie ihnen, wie sie Gelifen gefunden hatte (in Gestalt eines Eis, das dicht am Ufer dümpelte: »Ich bin angezogen ins Meer gerannt und habe das Ei danach in meinem Bett ausgebrütet. Jetzt schläft er auf meinem Kopfkissen.«), und bekam mit, wie ein junges Ratatoska die Geschichte mit schriller Stimme einem anderen erzählte (»Sie schwamm im Abendkleid den ganzen weiten Weg bis Lithien und musste mit einer Nereide um das Ei kämpfen, so war’s!«).
Sie lief mit Gelifen stundenlang durch den Wald, suchte nach Einhörnern und schlug sich den Bauch mit Wasserbeeren voll. Sie hatte eine Familie von Al-mir’ajes durch das sonnengesprenkelte Unterholz hoppeln sehen, in den Spuren der Tiere spross frisches Gras. Einmal war sie von einem Avanc gebissen worden – selbst schuld, wie Leonor schimpfte, sie hatte sich ihm zu dicht genähert –, und die Bisswunde hatte sich entzündet. Ihre Großtante hatte sieben Nächte in Folge bei ihr wachen müssen. Sobald sie das Bett hatte verlassen dürfen, war sie in den Wald zurückgekehrt. Sie hatte dort so einiges zu tun.
Vor allem lockte der Himmel. Wenn in der Stadt jemand den Kopf schüttelte, was gelegentlich geschah, und ihr sagte, sie sei eine kleine Chaotin und eine Last für die alte Frau – dann funkelten Mals Augen zornig, sie wurde rot und floh durch die Luft.
Der Himmel bedeutete Freiheit. Sie schlängelte sich durch die Wolken, höher und immer höher im weißen Dunst. Sie öffnete den Mund, streckte die Zunge heraus und kehrte klitschnass, triumphierend und mit roten Wangen auf die Erde zurück. »Wolken essen«, nannte sie das. Wolken schmeckten nicht gleich, sondern ganz unterschiedlich, je nachdem wie grau oder wie weiß sie waren, und sie waren auch unterschiedlich kühl. Gelifen konnte sie auf solchen Flügen noch nicht aus eigener Kraft begleiten, deshalb steckte sie ihn unter ihren blauen Wollpullover, sein geschnäbeltes Gesicht ragte aus dem Kragen.
Im Laufe der Jahre ahnten manche Menschen, dass dieses Mädchen etwas Besonderes war. Manche dachten dies mit Neid, weil es nicht für ihre eigenen Kinder galt, andere freuten sich für sie. Aber sie hatten viel um die Ohren und ließen Mal ungestört herumlaufen und essen und fliegen.
Ausgenommen der Mörder an jenem Tag.
Ein Auto hupte, und die Eichhörnchen stoben auseinander. Dann hielt ein verbeulter Ford neben Christophers Bank, und ein Mann in seinen Siebzigern reckte den Kopf aus dem Fenster. »Christopher? Bist du das?«
Auf dem Autodach saßen vier Möwen.
»Sie folgen mir jedes Mal, wenn ich in der Stadt bin«, sagte Frank Aureate, als Christopher sich näherte, und zeigte auf die Möwen. Er sprach mit tiefer Stimme und schottischem Akzent. »So ist es mir mit den Tieren immer ergangen. Diese Möwen wären mir schnurzpiepegal, nur sind sie ständig auf Futtersuche. Sie gieren auf ziemlich ruppige Art nach meinen Sandwiches.« Er entriegelte die Beifahrertür.
Christopher stieg grinsend ein. Eine Möwe schlüpfte mit hinein. Nachdem sie hinausbefördert worden war und sein Großvater den Kot des frustrierten Vogels vom Armaturenbrett und von seinen Händen gewischt hatte, sagte Christopher: »Als ich sieben war, hat ein Fuchs versucht, durchs Fenster in mein Zimmer einzudringen. Wenn ich ihm draußen begegnet bin, hat er meine Knie abgeleckt.«
Sie sahen einander an, und zwischen ihnen schien ein freundlicher, feuriger Funke hin- und herzuspringen. Frank sah als Erster weg. »Gut«, sagte er. »Aye. Das ist gut.«
»Meinst du? Mein Dad sieht das anders.«
Sein Großvater entließ einen Laut zwischen Schnauben und Husten. Er lächelte schief – Christopher lächelte ganz ähnlich – und brach zur vierstündigen Fahrt zum Haus in den Hügeln auf.
Niemand hatte Christophers Fahrt nach Schottland geplant, schon gar nicht er selbst. Er hatte nie vorgehabt, seine Ferien mitten im Nirgendwo mit einem Mann zu verbringen, den er seit neun Jahren nicht gesehen hatte. Umgekehrt hatte sein Großvater nicht auf seinen Besuch gedrängt. Doch sein Vater musste auswärts arbeiten, und wo sollte Christopher unterdessen bleiben? Es war hektisch telefoniert worden. Christopher hatte immer wieder darauf hingewiesen, er käme auch allein zu Hause klar, aber sein Vater hatte behauptet, das sei nicht erlaubt. Also saß er jetzt in diesem Auto und wurde durch die Stadt gefahren, vorbei an dem kleinen Kino, dem Supermarkt und der Bank, und dann ging es in die schottischen Highlands.
Die Bebauung dünnte aus, die Bäume wurden zahlreicher. Frank hatte Sandwiches, selbstgebackene Haferriegel mit Honig und eine Thermoskanne mit schwarzem Kaffee dabei. Christopher spuckte den Kaffee aus dem Fenster, als sein Großvater nicht hinsah – das Zeug schmeckte wie ein geschmolzener Schuh. Die Sandwiches dagegen waren köstlich, es war dickes, frisches Brot, und die Landschaft wurde mit jeder Minute grüner.
»Wir haben keine Nachbarn, das nächste Haus ist gut vierunddreißig Kilometer entfernt. Und der Weg ist noch weit«, sagte Frank Aureate. »Besser, du schläfst ein bisschen.«
Christopher schlief aber nicht, wie auch. Er sah aus dem Fenster. Irgendwann gab es keine Häuser mehr, und sie fuhren auf Bergstraßen, passierten Seen und Heide. Die Straße wurde steiler, die Erde dunkler, ein torfiges Schwarz, gesprenkelt mit Ginstern. Und die Luft roch anders – würziger, intensiver und wilder.
Mals Heimatstadt Icthus war vor einigen tausend Jahren der größte Handelsplatz des Archipels gewesen, damals hatte es eine lange, hohe Seemauer und einen geschäftigen Hafen gegeben, aber dann waren die Inseln vom Rest der Welt getrennt und verborgen worden. Die felsige Insel Atidina mit ihrer zerklüfteten Küstenlinie, am äußersten südwestlichen Rand des Archipels gelegen, war nur noch ein Sprungbrett ins Nichts, und so, fanden ihre Bewohner, konnte es gern bleiben. Manchmal wurden Schiffe von einer Herde Hippokampen begleitet, manchmal näherte sich eine Meerfrau einem Fischer und spielte eine Melodie auf einer Flöte, die man aus einer Schwertmuschel gefertigt hatte. Davon abgesehen lebte man schlicht sein Leben und ging den Arbeiten nach, die das Meer bot.
Am Vormittag jenes Tages war Mal einkaufen gewesen. Sie war über einen Abschnitt des Waldes zur Steilklippe oberhalb einer kleinen, sandigen Bucht geflogen, wo Schiffe anlegten. Dort lag ein großes, von den Gewalten des Ozeans gezeichnetes Segelschiff. Auf der Seite stand in abblätternden Lettern sein Name: Seehändler.
Der Wind peitschte Mal die Haare ins Gesicht, und sie brummte laut und glücklich. Sie landete lautlos im Sand. Eine lange Planke führte vom Ufer an Bord des Schiffs, und Mal flitzte sie hinauf.
Genau genommen hätte sie das nicht tun dürfen. Gut erzogene Kinder gingen nicht an Bord der Seehändler. Das Schiff war ein Laden, nur wusste man nie genau, ob das, was man kaufte, hielt, was es versprach, oder überhaupt verkauft werden durfte. Viele Leute waren übers Ohr gehauen worden. Das Gold von Armreifen entpuppte sich nach dem ersten Polieren nicht selten als Zinn, und manche der Schönheitscremes sorgten für knallrote Pusteln im Gesicht.
Andererseits schien es genug Angebote zu geben, die das Risiko lohnten, und so waren ein Dutzend Kunden an Bord. Mal eilte auf der Treppe in den Raum unter Deck. Dieser platzte fast vor Waren, die sich auf Regalen türmten, an die Planken gebunden waren, in Körben und Hängematten von der Decke hingen. Es gab Kisten, mit aufwändigen Schnitzereien verziert, die sich nur bei Vollmond öffneten; es gab Kannen aus Feuerton, getöpfert auf den östlichen Inseln, in denen der Tee nie erkaltete. Es gab eine Klinge, die jedes Material im Archipel zu schneiden vermochte, wie es auf dem handgeschriebenen Etikett hieß. Ihr Name, in Großbuchstaben notiert, lautete: DIE ZAUBERKLINGE. Mal hätte gern über ihre Spitze gestrichen, denn diese war so lang ausgetrieben und so fein geschmiedet, dass sie fast unsichtbar war. Sie wollte danach greifen, aber ein Mann, ein regelrechter Felsklotz auf zwei Beinen, über zwei Meter groß, mit goldenen Ohrringen und einer Brandnarbe auf dem Nacken, kam ihr zuvor. Er stank übel nach Schnaps, sie sauste an ihm vorbei, tiefer in den Raum.
An einer Wand stapelten sich Gläser mit Süßigkeiten aus allen Regionen des Archipels. Etwa Kügelchen aus weichem Gummi, von Sylphen im Meer geerntet, die demjenigen, der sie kaute, vorübergehend Bärenkräfte verliehen. Kaute man sie jedoch zu lange, bekam man einen schuppigen Ausschlag auf den Händen. Es gab auch sündhaft teures Konfekt, sogenannte Voulay-Bonbons, von Kentauren im Gebirge von Antiok hergestellt. Sie hatten den Geschmack dessen, was man sich am innigsten wünschte, aber wenn man mehr als einen aß, erbrach man tagelang eine schwarze Substanz.
Mal schüttelte sich und ging weiter. Sie war nicht gekommen, um Süßigkeiten zu kaufen. Ein junger Mann mit Latzhose beäugte sie argwöhnisch und fragte, ob sie Hilfe brauche.
»Nein«, entgegnete sie und ergänzte, als er eine Augenbraue hochzog: »Nein, besten Dank. Ich weiß, was ich suche.«
Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da entdeckte sie es auf den Regalen mit kleineren, günstigeren, verstaubten Waren. Es war ihr vor sechs Monaten zum ersten Mal aufgefallen, und sie war sofort dafür entflammt, nur hatte sie nicht einmal annähernd genug Gold gehabt. Seither hatte sie fleißig gespart. Der Gedanke, man könnte es ihr wegschnappen, bevor sie die Summe beisammenhatte, hatte sie nächtelang gequält.
Das Objekt, exakt von der Größe ihrer Handfläche, war noch etwas stärker angelaufen als vor einem halben Jahr. Es hatte einen dicken, ziselierten Silberdeckel, der auf einen Druck hin aufklappte und ein Glas enthüllte, unter dem eine Nadel zitterte. Es war ein Taschenkompass, zugleich aber viel mehr als das.
Mal nahm ihn so behutsam zur Hand, als wäre er lebendig, und sah zu, wie sich die Nadel einmal im Kreis drehte, um schließlich nach hinten in Richtung Klippe zu zeigen, dorthin, woher sie gekommen war.
»Weißt du überhaupt, was das ist?« Hinter ihr ertönte die Stimme des Seehändlers, Eigentümer des Schiffs. Seine Kleidung war von Wind und Wasser gezeichnet, seine Haut vom Leben gegerbt, doch die Augen unter den buschigen Brauen schauten nicht unfreundlich drein. Wie man sich erzählte, nahm er es mit der Besteuerung seiner Ware nicht so genau und war im Falle echten Interesses stets bereit, einen fairen Preis zu gewähren.
»Ja.« Das Objekt hatte kein Etikett, aber sie wusste Bescheid. Sie hatte in vier Büchern davon gelesen. »Es ist ein Casapasaran.«
»Und du kennst seine Funktion?« Er sprach so leise und heiser, als hätte er von dem Sand gegessen, auf dem sein Schiff lag.
»Ja, soweit ich weiß … zeigt die Nadel immer nach Hause, egal wo man ist.«
Mal hatte etwas ganz Bestimmtes mit dem Casapasaran im Sinn. Sie hatte, könnte man freundlich sagen, einen sehr speziellen Orientierungssinn. Sie konnte nach Westen zeigen in der völligen Überzeugung, es sei Norden, und dann so lange in der absolut falschen Richtung unterwegs sein, bis vor ihr die Sonne aufging. Für jemanden wie sie, die das Fliegen so liebte, war das ein echtes Problem. Aber wenn sie dieses Instrument besäße, könnte sie überall hinfliegen, wohin ihr Mantel sie trüge, denn es würde ihr stets den Weg nach Hause weisen.
»Kannst du es dir denn leisten?« Der Seehändler nahm ihr den verstaubten Casapasaran ab und wischte ihn an seinem Hemd sauber.
Der wahre Name des Seehändlers lautete Lionel Holbyne, nur wurde er nie mit Lionel angeredet. (Was, wie Mal fand, nur allzu verständlich war: Lionel!)
»Ja.«
»Es gibt keinen Nachlass für Jugend oder ein gewinnendes Gesicht – und auch keine Preisminderung aus Mitleid für einen stümperhaft geschnittenen Pony.«
»Ich habe genug Geld! Ich habe gespart.« Sie fischte die Münzen aus der Manteltasche und zählte auf der Handfläche nach: zwei goldene und neun silberne Münzen.
Er betrachtete sie lange und eindringlich, dann nickte er. »Das haut hin. Wir stellen aber weder Quittungen aus noch kannst du deine Ware zurückgeben.«
»Ich weiß.« Sie zögerte – und dann, sie wollte es wirklich wissen, brach aus ihr heraus: »Die Klinge da drüben, Sie wissen schon, die, deren Etikett besagt, sie schneide alles, was es im Archipel gibt? Wenn das stimmt …«
»Da gibt’s kein Wenn und Aber«, sagte der Seehändler. »Sie heißt nicht umsonst Zauberklinge.«
»Ja, aber ich wüsste gern, was geschieht, wenn man versucht, mit einer solchen Klinge in eine andere Zauberklinge zu schneiden. Welche wird durchtrennt?«
»Es gibt keine andere, und es wird nie eine geben. Diese Klinge ist uralt. Sie wurde von Kentauren für das Unsterbliche geschmiedet.«
»Und woher wollen Sie wissen, dass sie alles schneiden kann? Haben Sie die Klinge an allem ausprobiert?«
Diese Frage erwies sich als Fehler. Die Augen des Seehändlers trübten sich angewidert ein, es war, als gingen davor Rollläden herunter.
»Willst du damit sagen, dass ich lüge?«
»Nein! Nicht doch«, sagte Mal. »Ich bin nur neugierig.«
»Das solltest du dir besser verkneifen«, entgegnete der Seehändler. Er hielt ihr die offene Hand hin. Sie drückte die Münzen hektisch auf seine Handfläche. Er wartete einen langen, quälenden Moment, dann ließ er ein Lächeln aufblitzen und gab ihr den Casapasaran.
»Na los, verdufte rasch, bevor ich’s mir anders überlege. Für die paar Kröten dürfte ich’s gar nicht verkaufen. Aber du hast erkannt, was es ist, und das heißt wohl was. Könnte jedenfalls was heißen. Wer weiß. Wir leben in kuriosen Zeiten.«
Mal grinste. Sie beeilte sich, von Bord zu kommen.
Als sie wieder im Sand stand, war der Wind stärker geworden. Sie würde noch zum Wald fliegen. Mitten in den tiefsten Waldestiefen gab es einen Ort, den sie unbedingt besuchen wollte. Ohne den Casapasaran hätte sie riskiert, sich zu verirren und tagelang denselben Baum zu umkreisen. Aber mit dem Casapasaran in der Tasche sah die Sache anders aus.
Sie flog dorthin, in sieben Metern Höhe, die Beine lang ausgestreckt, der Wind gab ihr Schwung,
Sie ahnte nicht, dass der Mörder sie aufbrechen sah.
Frank Aureates Haus musste früher sehr prächtig gewesen sein – eines der Häuser mit Dachboden, Weinkellern und Ölschinken missbilligend glotzender Damen, die missbilligend glotzende Schoßhündchen hielten –, aber das war eindeutig eine Ewigkeit her. Es war so von Efeu überwuchert, dass manche Fensterscheiben Risse hatten. Ein Fenster war gesprungen und mit Papier und Klebeband sorgsam geflickt worden.
Das Haus stand am Fuß eines steilen Hügels und war von hohem Gras umgeben, das von Klee und Gänseblümchen durchsetzt war. Auf halber Höhe war der Hügel von Bäumen umkränzt, weiter oben war er kahl und hob sich vor dem Sonnenuntergang als dunkelgrüne Kuppel ab.
Frank hielt sich am Türrahmen fest, um aussteigen zu können. Christopher reichte ihm den Stock und beobachtete, wie sein Großvater steifbeinig und offenbar unter Schmerzen zum Haus ging. Der alte Herr war überraschend adrett gekleidet, er trug einen grünen Cordanzug mit Flicken auf den Ellbogen. Er wirkte immer noch stattlich: große Hände, Bauch, breite Schultern, runzeliger Nacken. Seine Augenbrauen waren so buschig, dass sie, wie Christopher dachte, vermutlich mehrere Sekunden früher in einem Raum waren als der restliche Körper.
»Was stehst du auf einem Bein wie ein Kormoran«, sagte Frank. »Komm rein.« Christopher folgte ihm hinein, die Tasche in der Hand. Es roch nach Holzfeuerrauch und Kochen. »Das Haus bröckelt überall, ist aber sauber, und die meisten Wände stehen noch.« Er schaute sich um, plötzlich verunsichert. »Hier hat sich kein Kind mehr aufgehalten, seit deine Mutter klein war. Brauchst du irgendwas?«
»Gibt’s hier Netz?«, fragte Christopher.
»Nein, hier ist tote Hose, fürchte ich«, antwortete Frank. Er klang kein bisschen entschuldigend.
Christopher sank das Herz. »Dann … könnte ich dann vielleicht mit dem Auto bis zu einem Ort fahren, wo ich eine Verbindung habe?«
Der alte Herr sah ihn scharf an. »Du bist noch vier oder fünf Jahre vom Führerscheinalter entfernt, richtig?«
»Ja, aber dein Auto hat ein Automatikgetriebe, und hier könnte ich niemanden überfahren, höchstens einen Baum rammen. Und Bäume bewegen sich nicht sprunghaft. Darf ich? Bitte?«
Sein Großvater zog eine Augenbraue so hoch, dass sie fast seinen schlohweißen Pony berührte. »Zuerst musst du dich mit der hiesigen Gegend vertraut machen, danach können wir darüber reden. Aber zuerst die Gegend. Das ist wichtig.«
Christopher folgte ihm ins Wohnzimmer, wo ihn das lebensgroße Ölgemälde eines uniformierten Mannes ansprang, dessen üppige Gesichtsbehaarung ein kleines Kissen hätte füllen können. »Netter Schnurbart«, sagte er.
Sein Großvater lächelte. »Aye, wirklich grauenvoll. Ein entfernter Vorfahr von uns. Ich glaube, mein Vater sagte mal, er sei Belgier gewesen. Aber das Haus und seine Einrichtung waren nie das Entscheidende. Entscheidend …« – er sah Christopher eindringlich an – »… ist das Land ringsumher.«
Frank zeigte ihm die Küche, die Stiefelkammer und die Vorratskammer mit Kräutern, Gläsern mit Eingemachtem und einem beeindruckenden Berg von Anchovis-Konserven.
»Das Haus steht dir offen, hier darfst du überall hin und draußen genauso. Ein einziger Ort ist aber tabu: Du darfst nicht auf den Hügel, das ist eine Bedingung deines Vaters. Hast du verstanden, mein Junge?«
Christopher schaute durch das Fenster zum Hang, der hinter dem Haus anstieg. Er wäre am liebsten sofort hinaufgerannt.
»Du kannst bis zum Baumgürtel gehen, also bis auf halbe Höhe, aber nicht weiter.«
»Warum denn? Was gibt’s dort oben?«
»Es ist gefährlich.« Frank führte ihn durch einen Flur, danach eine Treppe hinauf, sein Stock knallte bei jedem eiligen Schritt auf den Boden.
»Und wieso ist es gefährlich?«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Tu einfach, was man dir sagt. Versprochen?«
»Ich kann schwimmen und klettern. Ich würde mich weder verlaufen noch in einen Bergwerksschacht stürzen noch giftige Beeren essen. Ich bin ja kein kleines Kind mehr.«
Frank drehte sich nicht zu ihm um. »Darüber wird nicht diskutiert, basta. Dein Vater will es so, du darfst nicht auf den Hügel. Sollte ich merken, dass du über den Baumgürtel hinaus gegangen bist, dann müsste ich Konsequenzen ziehen.« Er öffnete die Tür eines weiß gestrichenen Schlafzimmers mit hoher Decke, einem Doppelbett und einem Regal mit Büchern in Sprachen, die Christopher nicht einmal vom Hörensagen kannte. Auf dem Bett lag ein dunkelroter Pullover. »Das ist dein Schlafzimmer. Mach’s dir gemütlich. Du kannst die Bücher umstellen, meinetwegen sogar die Wände bemalen. Ich habe einen Pullover für dich gestrickt.«
Der alte Mann errötete leicht. »Aye, aber damit du’s weißt, du musst ihn nicht unbedingt tragen.« Er räusperte sich. »Um acht Uhr gibt’s Abendessen. Du bist hier herzlich willkommen. Immerhin bist du mein Enkel, du gehörst also hierher. Aber vergiss nicht, was ich gesagt habe.«
Er ging, ohne bemerkt zu haben – selbst die weisesten alten Leute vergessen manchmal, wie schlau und listig junge Menschen sind –, dass Christopher nichts versprochen hatte.
Mal flog über sechs Kilometer weit, tief in den Wald, ihre Füße streiften die Baumwipfel. Dort, wo die Bäume am dichtesten standen und tiefgrünes Dämmerlicht herrschte, wollte sie ihr Experiment fortsetzen.
Als sie landete – so behutsam wie möglich, damit ihr Mantel nirgendwo hängenblieb und riss –, erstarrte sie jedoch. Vor einem Baum lag ein katzengroßes Ratatoska auf der Seite. Es war jung, wie sein dunkelgrünes Fell verriet, bei ausgewachsenen Tieren war dieses grau-grün.