In der Hölle von Santa Fé - Kinky Muller - E-Book

In der Hölle von Santa Fé E-Book

Kinky Muller

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Beschreibung

New Mexico 1876. Ein unbekannter Killer treibt sein Unwesen in der Gegend von Santa Fé. Niemand ist vor ihm sicher. Auch die örtlichen Ganoven und Revolverhelden werden nicht verschont. Als der rechtschaffene John Gardner zum Sheriff berufen wird, begibt er sich auf die Spur des mysteriösen Mörders. Doch dieser ist ihm immer einen Schritt voraus. Als das Geheimnis schließlich doch gelüftet wird, kommt es zum tödlichen Showdown in Santa Fé. Betrunkene Indianer, leichte Bardamen, streitsüchtige Revolverhelden, dienstbeflissene Kavallerie, phantastische Gestalten, ein unerkannter Killer. Und mittendrin: ein einfältiger Sheriff, der für Ordnung sorgen soll. Erleben Sie den Wilden Westen, wie er nie war. Der Autor Kinky Muller verbindet klassische Elemente des traditionellen Western mit phantastischen Legenden, die ihm von den Mescalero-Apachen bei einem gemeinsamen Besäufnis in deren Reservat mündlich überliefert wurden. Auf diese Weise erschafft er ein ganz neues Genre: die absurde Westernnovella. Kinky Muller wurde 1957 in Iowa, Oklahoma, geboren. Für sein Buch „In der Hölle von Santa Fé“ (engl. Originaltitel: "Bang! You´re dead") erhielt er 1999 den renommierten Captain-Pipe-New Fiction-Award.

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Seitenzahl: 146

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Kinky Muller

 

In der Hölle von

Santa Fé

 

WO DIE BLAUEN BOHNEN FLIEGEN

 

 

Eine Westernnovella

Aus dem Amerikanischen von A. B. Albee

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

 

ISBN 978-3-96130-121-8

 

© Kinky Muller 1998

 

Aus dem Amerikanischen (Bang! You´re dead, 1998) ins Deutsche übertragen von Apraham B. Albee

© apebook Verlag, Essen 2018

 

Buchgestaltung/Korrektorat/Lektorat: SkriptArt (www.skriptart.de)

 

Satz, Layout & Umschlaggestaltung: SkriptArt, www.skriptart.de

Alle verwendeten Bilder und Illustrationen sind – sofern nicht anders ausgewiesen – nach bestem Wissen und Gewissen frei von Rechten Dritter, teilweise bearbeitet von SkriptArt.

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus zu vervielfältigen, zu veröffentlichen, auf Datenträgern zu speichern oder anderweitig zu vertreiben.

 

 

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Inhaltsverzeichnis

In der Hölle von Santa Fé

Impressum

Offene Rechnungen

Ein Kampf und eine Verschwörung

Ohne Überschrift

Die Bürgerversammlung von Santa Fé

Eine Actionszene

Der Sheriff ist

Die Erlebnisse des Indianers Billy Blackfoot

Die Versöhnbrüderung

Das Attentat

Ein Tag im Saloon

Die dunkelste Nacht

Gerechtigkeit für Santa Fé!

Hurra, der Zirkus ist da!

Liebeschöneskimo

Eine Zirkusvorstellung und mehr

Jack´s Flug

Des Schicksals Schnippchen

Das Militär kommt ins Spiel

Das Finale

Das finale Finale

Epilog

Kinky Muller

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OFFENE RECHNUNGEN

Die ganze Sache spielte sich damals, 1876, in New Mexico ab. Es war ein scheinbar völlig normaler Oktobertag in Santa Fé, als das Schicksal seinen Lauf nahm.

Im örtlichen Saloon hatte sich, an einem der hinteren Tische, die gefährlichste Brut von Raufbolden, Revolverhelden und wilden Typen östlich des Rio Grande zum wöchentlichen Pokerspiel versammelt. Jeremy Geronimo, ein feister, kleiner Kerl, mit schulterlangen, schwarzen Haaren, der stets einen dunklen Ledermantel trug – welcher ihm sehr gut zu Gesicht stand – verteilte die Karten an drei weitere finstere Gesellen: John Duggan, ein großer, blonder, recht kräftig gebauter Mann, schlecht rasiert und scheinbar ohne jegliche Gefühlsregungen; Marcos Seles, relativ groß, schlank, mit schulterlangen, schmierig-blonden Haaren, von dem Niemand genau wusste, woher er kam und was er in Santa Fé wollte und er es auch niemandem sagte, da es eh keinen interessierte; zuletzt schließlich der Indianer in der Runde, Billy Blackfoot, seines Zeichens Fährtenleser, der bereits wieder ein wenig zu tief ins Glas zu schauen sich getraut hatte. Er liebte das Risiko.

Wie gesagt, alles schien in geregelten Bahnen zu laufen. Jack spielte am Piano deftige Saloon-Musik, Mr. McDonald, der Wirt, glatzköpfig und fettleibig, schenkte hinter der Theke Drinks aus, während Rosie, ein schlankes, wohlgeformtes, hübsches, leichtes Mädchen, mit wechselnder Haarfarbe und zwei Armen und zwei Beinen, an eben dieser Theke sitzend, mit irgendeinem angetrunkenen Soldaten oder Seemann schäkerte. An einer anderen Stelle im Raum hielt, an der Wand gelehnt und auf dem Boden hockend, El Taco, ein stabiler Mexikaner, der gemeinhin als „Der Torpedo“ bekannt war, mit tief ins Gesicht gezogenem Sombrero und unter seinem Poncho gefalteten Händen, seine Siesta.

Doch auf einmal, plötzlich und unerwartet, ohne Vorwarnung, hielt Jeremy Geronimo im Kartenspiel inne, schaute auf seine kostbar gefertigte Uhr und sagte: „Es wird Zeit!“

 

Just in diesem Moment gingen zwei Männer schweren Schrittes über die Straße, direkt auf den Saloon zu. Hierbei handelte es sich um Ian Fitzpatrick, Sohn irischer Einwanderer, und seinem Helfershelfer Ben Gardner, zwei raubeinigen, mit allen Wassern gewaschenen, zu allen Schandtaten bereiten Burschen, die weder Tod noch Teufel fürchteten und immer zu einem kleinen Streich aufgelegt waren.

Aufgrund des kühlen Wetters trug Fitzpatrick, der größere der beiden, einen Poncho über seiner normalen Kleidung und die obligatorische Melone auf dem Kopf, die zum Teil seine struppigen, ungewaschenen, blonden Haare verbarg. Der kleinere Ben, der durch sein schwarzes Pony, das unter seinem Hut hervortrat und ihm bis tief ins Gesicht hing, ein bisschen dämlich aussah (was viele zu der Meinung veranlasste, er könnte ein wenig dämlich sein), wich nicht von Ians Seite, der schnurstracks, offensichtlich ein bestimmtes Ziel vor Augen, auf den Saloon zuhielt. Noch schien alles friedlich.

Vor dem Saloon, der genauso aussah, wie man sich einen Westernsaloon vorzustellen hat, saß El Taco, „Der Torpedo“, mit tief ins Gesicht gezogenem Sombrero und unter seinem Poncho gefalteten Händen, an der Wand gelehnt und hielt seine Siesta. In der Ferne flog ein Heuballen über die Straße, und irgendwo heulte ein Hund. Frank der Straßenkehrer fegte den erst kürzlich gefallenen Schnee von der Straße, als die beiden Gestalten auf ihn zukamen. Fitzpatrick beschloss ohne großes Aufheben (denn er fackelte nie lange!), Frank eine Lektion zu erteilen. Aus diesem Grund versuchte er, dem Straßenkehrer vor den Kopf zu treten. Diesem gelang es jedoch, unter dem Tritt hinweg zu tauchen und Ian mit der borstigen Seite seines Besens zu Boden zu stupsen. Doch er hatte nicht mit der Geistesgegenwärtigkeit von Ben Gardner gerechnet, der nun Frank zu Boden schlug, seinen Revolver zog und ihn erschoss. Auch Fitzpatrick, der blitzschnell, beinahe raubkatzengleich, wieder aufgesprungen war, zog nun seine beiden Smith & Wessons und schoss munter drauf los. Als die Magazine leer waren, entschieden die beiden, ohne auch nur ein Wort wechseln zu müssen, dass Frank der Straßenkehrer genug hätte, steckten ihre Waffen wieder ein und setzten ihren Weg zum Saloon fort. Nur noch zehn Meter.

Natürlich sind die Schüsse im Saloon nicht gänzlich unbemerkt geblieben. Die Leute stürzten an das große Fenster und setzten sich, nachdem sie erkannt hatten, wo die Schüsse herrührten, erleichtert wieder auf ihre Plätze.

Bevor Ian den Saloon betrat, gab er dem schlafenden El Taco im Vorübergehen noch einen Klaps auf den Hinterkopf, woraufhin Ben sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Als sie die Türschwelle überschritten, wurde es schlagartig mucksmäuschenstill im Raum. Jack hatte aufgehört, Piano zu spielen und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Bierglas, zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich zurück und harrte der Dinge, die da kommen mochten.

Alle Augen waren auf die beiden Neuankömmlinge gerichtet. Alle Augen? Alle, bis auf die von El Taco, der an eine Wand gelehnt, auf dem Boden sitzend, mit tief ins Gesicht gezogenem Sombrero und unter dem Poncho gefalteten Händen, seine Siesta hielt.

Rosie kam es so vor, als würde Ben Gardner, den sie schon irgendwo einmal gesehen zu haben glaubte, sie anschauen, was sich aber bei seinem durch schwarze Haare verdeckten Gesicht schwer sagen ließ. Also beschloss sie, ihn anzulächeln. Als er keine Reaktion zeigte, hörte sie auf zu lächeln.

Für ein paar Sekunden geschah nichts. Ian Fitzpatrick ließ seine Blicke durch den Raum schweifen. Ben Gardner vielleicht auch. (Ihm kam es für einen kurzen Augenblick so vor, als hätte ihn dieses reizende Mädchen an der Theke angelächelt, was er aber durch seine Haare nicht richtig erkennen konnte.) Dann schließlich entdeckte Ian ein ihm bekanntes Gesicht an einem der hinteren Tische. Seine Miene verfinsterte sich, und er setzte sich entschlossenen Schrittes in Bewegung. Ben hörte auf, länger nachzugrübeln, und folgte Fitzpatrick. Vor dem Tisch, an dem vier Männer, darunter ein Indianer, Karten spielten, blieb Ian stehen und fixierte mit seinem Blick einen der Kerle, genauer gesagt: John Duggan.

Marcos Seles, der die ganze Situation erkannt hatte, schmiss seine Karten auf den Tisch. Billy Blackfoot, der niemals irgendeiner Gefahr aus dem Weg ging und zudem mittlerweile auch schon ziemlich blau war, fragte völlig unverblümt: „Du hast deine Karten auf den Tisch geschmissen, oder?“

Der angesprochene Marcos Seles ging auf die Provokation jedoch nicht ein.

Stattdessen wandte sich Ian Fitzpatrick jetzt an John Duggan: „John Duggan, endlich habe ich dich gefunden!“

John blickte von seinem Kartenblatt auf, Ian Fitzpatrick direkt in die Augen und sagte: „Ian Fitzpatrick, ich habe dich erwartet!“

„Wir haben noch eine Rechnung zu begleichen, Duggan!“ sagte Fitzpatrick.

„Wann und wo du willst, Fitzpatrick!“ erwiderte John Duggan anstandshalber, während er angestrengt darüber nachdachte, was dieser irische Rächer überhaupt meinte. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen...

 

Damals, es war nun schon sechs Jahre her, waren sie Komplizen gewesen. Irgendwo in Mexiko – es war zuviel Zeit vergangen, um sich zu erinnern wo – hatten die beiden geplant, wieder einmal eine Bank zu überfallen. In Gedanken hörte er noch Ians Stimme, als wäre es gestern gewesen: „Da ist ja die Bank!“

Also gingen sie hinein. Die siebzehn Sicherheitskräfte des Geldinstitutes hatten nicht den Hauch einer Chance. Alles geschah blitzschnell. Die beiden Banditen zogen ihre Waffen und schrien, dies sei ein Banküberfall. Zunächst glaubte die schwerbewaffnete Security an einen Scherz, aber als Ian und John dann elf von ihnen zwischen die Augen geschossen hatten, erwiderten sie das Feuer. Doch es war bereits zu spät. Fitzpatrick hielt die vier Verteidiger in Schach, und Duggan schnappte sich das Geld. Gemeinsam traten sie dann den Rückzug an. Sie stürmten zur Tür hinaus, die zwei Sicherheitsbeauftragten im Nacken. Duggans Aufgabe war es, Fitzpatrick den Rücken freizuhalten, während dieser die Pferde losband und von der gegenüberliegenden Straßenseite herüberholte. Einen der beiden Bankangestellten konnte John noch niederstrecken, aber der andere war Zuviel des Guten. Der zielte auf Fitzpatrick, traf aber eines der beiden Pferde, die inzwischen losgebunden waren. Das Pferd wieherte vor Schmerz auf, trat aus und traf Ian am Kopf, der wie ein nasser Sack zu Boden ging. John, der angesichts der erbitterten Widerwehr des Bankpersonals in Panik verfiel (so etwas hatte er im Laufe seiner 12-jährigen Karriere als Bankräuber noch nie miterleben müssen), schnappte sich eines der beiden Pferde und konnte mit einem Teil der Beute fliehen. Was aus Ian Fitzpatrick geworden war, hatte er bis zum heutigen Tage nie erfahren. Jetzt konnte er es sich zusammenreimen: Dieser teuflische Wachmann musste den bewusstlosen Fitzpatrick verhaftet haben!

Dann kombinierte Duggan, und endlich wusste er, worauf Ian Fitzpatrick aus war:Rache!!!...

 

„Hier ist nicht der richtige Ort, aber wir sehen uns wieder, Duggan!“ drohte Fitzpatrick.

John Duggan überlegte, wie er die Situation entschärfen und den Iren beschwichtigen könnte. Schließlich sagte er: „Ich freu`mich drauf! Bis dann, Ian!“

Zufrieden mit sich und der Welt und mit der Gewissheit, wieder eine schwierige Situation gemeistert zu haben, nahm Duggan das Spiel wieder auf. Fitzpatrick schaute etwas irritiert in die Runde und erntete hämisches Gelächter von Duggans Spielkameraden. John freute sich, seine Freunde so glücklich zu sehen und stimmte in das Gelächter mit ein, während Ian sich auf dem Absatz umdrehte und zusammen mit seinem Kumpanen Ben Gardner den Saloon verließ.

Jack, der sich etwas mehr von der ganzen Sache versprochen hatte, fing, etwas gelangweilt, wieder auf dem Piano herum zu klimpern an, immer wieder einen Schluck von seinem schalen Bier zu sich nehmend.

EIN KAMPF UND EINE VERSCHWÖRUNG

„Unglaublich, mit welcher Dreistigkeit und Abgebrühtheit dieser Kerl es wagt, mich vor allen Leuten lächerlich zu machen!“, fauchte Fitz-patrick, mehr zu sich selbst, als zu Ben. Wutentbrannt und hasserfüllt musste er sich irgendwie abreagieren. Da kam ihm Frank, der gerade vor dem Saloon Schnee von der Straße fegte, gerade recht. Er wusste nicht genau, was es war, aber irgendetwas kam ihm merkwürdig an diesem Straßenkehrer vor. Trotzdem, in seiner Rage dachte er nicht weiter darüber nach. Er gab Ben ein geheimes Zeichen, woraufhin der sich von hinten an Frank heranpirschte und versuchte, ihn festzuhalten, so dass Ian ihn ordentlich hätte vertrimmen können.

Doch Frank war auf den Angriff vorbereitet und rammte dem hinter ihm stehenden Ben seinen Hinterkopf ins Gesicht. Es gab einen lauten Knacks, und sofort schoss Blut aus Bens Nase. Der verdammte Frank hatte sie ihm gebrochen! Ben ließ Frank los, denn die Tränen schossen ihm in die Augen, und er fasste sich an die blutverschmierte Nase. Ian hatte derweil eine seiner Pistolen ziehen können und richtete sie auf den fürchterlichen Frank. Der versuchte boshafter weise, ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen, was ihm aber nicht ganz gelang, so dass ihn die Kugel – immerhin – anstatt in die Brust, ins linke Knie traf, woraufhin das linke Bein unter ihm wegknickte und er zu Boden fiel. Aber so leicht wollte er sich dem Mann mit der Waffe über ihm nicht geschlagen geben. Der Kämpfer in ihm erwachte. Ian Fitzpatrick erschoss ihn.

 

Fitzpatrick reichte Ben sein Stofftaschentuch, der es sich fluchend an die blutende Nase hielt. Sie gingen ein paar Schritte weiter, als sich Ian, aus einem für ihn selbst unerklärlichen Gefühl heraus, noch einmal umdrehte. Alles schien jedoch friedlich zu sein. Im Saloon hatten sie wohl nichts mitbekommen, und auch der stämmige Mexikaner, der vor dem Saloon, an dessen Wand gelehnt, auf dem Boden sitzend, seine Siesta hielt, hatte wohl nichts bemerkt. Am Himmel kreisten ein paar Geier. Frank fegte die Straße. Fitzpatrick hatte sich wohl geirrt. Also gingen Ben und er weiter.

 

Fitzpatrick war tief in Gedanken versunken. Plötzlich wandte er sich an Ben: „Hör mal. So leicht darf uns dieser Halunke Duggan nicht davonkommen. Wir können uns ja nicht alles gefallen lassen. Jahrelang wurden wir geschlagen, gehänselt, geschändet, misshandelt, verspottet, beschimpft, verachtet, schikaniert, auf den Arm genommen, nach allen Regeln der Kunst vorgeführt, deklassiert, manipuliert, korrumpiert, nach Strich und Faden an der Nase herumgeführt, ausgelacht, verdammt, verflucht, gehasst, angespuckt, gejagt, verbannt, einfach nicht ernst genommen, verhöhnt und so weiter und so fort.“

„Da hast Du recht!“ pflichtete Ben ihm bei.

„Irgendwann muss damit einfach einmal Schluss sein! Wir müssen langsam mal zurückschlagen und uns nicht mehr alles gefallen lassen! Es wird Zeit, es allen einmal so richtig zu zeigen und ein Exempel zu statuieren! Uns muss da was richtig Ordentliches einfallen, so dass diesen ganzen Stümpern das Lachen vergeht!“

„Das wäre wundervoll!“

„Aus diesem Grund, Ben, müssen wir Duggan umbringen!“

„Einverstanden!“

„Wie wär`s denn mit `nem Hinterhalt?“

„Du hast mich überzeugt! Das ist eine tolle Idee.“

„Morgen?“

„Morgen.“

Voller Vorfreude rieb sich Ian Fitzpatrick die Hände. Es war ihm gelungen, Ben Gardner auf seine Seite zu ziehen. Damit war John Duggan so gut wie Geschichte. Vielleicht sogar ein bisschen besser.

OHNE ÜBERSCHRIFT

Es reichte. Mr. McDonald hatte endgültig die Nase voll. Jeder schien hier machen zu können, was er wollte. Es war an der Zeit, diesen Ausgeburten der Hölle einen Riegel vorzuschieben. In seiner Eigenschaft als Wirt und Bürgermeister hielt er es für seine Pflicht, dieser Stadt einen neuen, aufrechten und kompetenten Ordnungshüter zu verschaffen. Wäre er nur ein wenig jünger gewesen, er hätte dieses Amt selbstverständlich selber übernommen. So aber hielt er es für angebracht, einen neuen Sheriff durch eine Bürgerversammlung wählen zu lassen. Er hatte da übrigens schon einen ganz bestimmten Mann für diesen Posten im Auge.

Am folgenden Tag sollte die Wahl stattfinden. Bis dahin musste noch einiges erledigt werden. Darum beschloss Mr. McDonald, den Saloon heute zu schließen und alle wichtigen Vorbereitungen zu treffen.

„Also gut, Jungs, Feierabend für heute!“ rief er in die Runde.

McDonald wusste, dass das nun nicht ohne Reibereien vonstattengehen würde. Er hatte sich nicht geirrt. Alle Gäste gingen ohne Murren. Nur die Pokerrunde musste sich mal wieder querstellen. Marcos Seles, der die Gelegenheit für günstig befand, legte seine Karten auf den Tisch. Doch keiner schaute hin. Billy Blackfoot wollte wissen, warum heute schon so früh Schluss sein sollte. Also fragte er: „Warum ist heute denn schon so früh Schluss, Mr. McDonald?“

Mr. McDonald ging dieses besoffene Indianerschwein gehörig auf die Nerven, und er antwortete: „Das geht dich einen Scheißdreck an, du rote Sau! Das ist geheim. Geh` zurück in die Wildnis, wo du hingehörst, du versoffene Hundsfott, schmutzige Rothaut, elendige!“

„Man wird doch wohl noch fragen dürfen“, erwiderte Billy und trank enttäuscht den letzten Schluck seines Whiskys, stand auf, torkelte zur Tür hinaus und pfiff sein geflecktes Pferd Flusenflaum zu sich. Dieses kam prompt um die Ecke getrabt. Billy Blackfoot sprang auf und ritt aus der Stadt, in Richtung seines einsamen Tipis in den wilden und mächtigen Wäldern der Rocky Mountains.

„Das hättest du nicht sagen sollen!“, sagte Jeremy Geronimo vorwurfsvoll.

„Der hat das doch nicht anders gewollt“, erwiderte McDonald.

„Wenn du mit mir so reden würdest, ich würde dir deinen fetten Kopf von den Schultern pusten!“, sprach Jeremy, stand auf und öffnete den Knopf seines Revolverhalfters.

Für einen Moment fiel McDonald`s Blick auf die abgesägte Schrotflinte hinter der Theke, die er für solche oder ähnliche Fälle dort aufbewahrte, doch dann besann er sich eines Besseren. Schließlich galt Jeremy Geronimo als schnellster Schütze östlich des Rio Grande.

„Ich geh` jetzt ins Bett“, sagte Jack, „ich bin sehr müde!“ Er erhob sich langsam vom Klavier und ging die gewundene Treppe zu seinem, ein Stockwerk höher gelegenem Zimmer hinauf. Er schloss die Tür zu seinem Raum auf, ging hinein, zog die Tür hinter sich zu (abzuschließen brauchte er sie eigentlich nicht; es kam so gut wie nie jemand die Treppe herauf), legte sich auf sein Bett, dachte noch ein wenig nach und schlief dann ein.

Mr. McDonald und Jeremy Geronimo schauten noch verwundert die Treppe hinauf, als schließlich John Duggan, der sich Rosie, die heute Abend zufällig noch frei war, geschnappt hatte, das Schweigen brach: „Na, komm schon, Jeremy! Lass gut sein. Wir gehen jetzt auch. Der ist es doch nicht wert!“

„Wen meinst du denn jetzt?“, fragte Geronimo skeptisch.

„Äh, den Mr. McDonald – natürlich!“ John Duggan sah sich hilfesuchend zu Marcos Seles um. Hatte er etwa etwas Falsches gesagt?

„Lasst mich mit diesem Mist in Ruhe! So etwas interessiert mich nicht“, zischte Seles und verließ den Saloon.