In der Kürze liegt die Würze - Dia Nigrew - E-Book

In der Kürze liegt die Würze E-Book

Dia Nigrew

4,8

Beschreibung

Wie oft habe ich schon im Bus gesessen, ein Buch zum Zeitvertreib lesen wollen und das gute Stück nach vier oder fünf Seiten wieder in meine Tasche stecken müssen, weil ich aussteigen musste? Sehr oft. Wie geht es weiter? Was passiert denn nun? Wann kann ich weiterlesen? So einen Schinken zu lesen, während man unterwegs ist, ist ziemlich mühsam. Für mich zumindest. Ich finde mich dann nicht so schnell wieder ein, kann mich auf die Schnelle nicht richtig auf die Geschichte einlassen und mich nicht konzentrieren, da mich das Geschehen um mich herum nicht lässt. Wo war ich nochmal? Warum ist das noch gleich so? Was ist da passiert? Hä? Daher die Idee des Gedicht- und Kurzgeschichtenbands: Wenn man als Leseratte nicht lange (genug) unterwegs ist und gerne etwas lesen möchte, muss man trotzdem nicht darauf verzichten. Ganz im Gegenteil. Man hat die Möglichkeit eine ganze Geschichte zu lesen, auch wenn man nur fünf Stationen fährt. Man muss nicht mittendrin aufhören und sich nicht wieder reinklabüstern. Man kann einfach ohne Cut eine ganze Story verschlingen.

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Widmung

Ich widme dieses Buch allen Idealistin, Romantikern, Schwärmern, Traumtänzern, Illusionisten, Himmelsstürmern, Enthusiasten und Weltverbesserern.

Folgt euren Träumen, verwirklicht sie. Das Gefühl ist fantastisch!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Lyrik

Und ich seh dich an

Licht im Dunkeln

So einfach

Mitgerissen

Wolkenbilder

Mopsis kleine Reise

Geisteskrank

Leidenschaft

Das Leben ist keine Theorie

Toleranz?

Romantik

Ein Blick und alles ist anders

Selbstgelegte Hindernisse

Willst du mit mir gehen?

Am anderen Ufer

Ein Liebesbrief

Kann nicht wegsehen

Heimlich

Marie und Daniel

Komödie

Das Aufeinandertreffen

Wir suchen Sie!

Tausche Size Zero gegen Size „Ihr habt sie doch nicht mehr alle“

Der pinke Seidenschlüpfer

Die Generation von morgen

Darf ich vorstellen?

Kirmes im Körper

Erwischt

Willkommen in der Anstalt

Drama

Alitas Alltag

Seitenstiche

Gefangen im Käfig

Fiete und seine Mutter

Ich gehe, du gehst

Der Herzschlag ist immer gleich

Ein Teil von mir

Ob du willst oder nicht

Nicht der richtige Zeitpunkt

Horror

Flüstern

Fäule

Langstrecke

Schlechter Einfluss

Albtraum

Todesangst

Die Folterkammer

Die größte Freude

Sandkastenfreunde

Besuch

Das Heim für besondere Mädchen

Danksagung

Über die Autorin

Vorwort

Was ist eine Kurzgeschichte?- Eine Kurzgeschichte ist eine "Form der erzählenden Dichtung, bei der eine Begebenheit knapp berichtet wird, die Personen nur skizziert und der Schluss meist eine Pointe enthält". (Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Kurzgeschichte)

Warum schreibe ich Kurzgeschichten? – Ich habe ein Übermaß an Fantasie und liebe es zu schreiben. Schon als Kind schrieb ich kleine Gedichte oder Geschichten für meine Eltern, meine Schwester oder einfach zum Spaß, so wie andere Kinder Bilder malen.

Daraus entwickelte sich ein ernsthaftes Interesse und leidenschaftliches Hobby, als ich älter wurde.

Seither ist das kreative Schreiben ein fester Bestandteil meines Lebens.

Ich möchte mit meinen Geschichten verzaubern, den Leser begeistern und ihn in eine andere Welt eintauchen lassen. Er soll dem Alltag entfliehen können, denn wir wissen alle, wie langweilig dieser manchmal sein kann. Und er soll sich, wenn auch nicht lange, in einer anderen Welt wieder finden.

Ich möchte, dass sich der Leser mit den Figuren identifizieren kann, sich vielleicht sogar mit ihnen versteht, mit ihnen mitfühlt und ein bisschen durch ihre Augen sieht.

Meine Kurzgeschichten sollen ein bisschen zum Nachdenken anregen, zum Lachen oder Weinen bringen und vielleicht das eine oder andere in Frage stellen.

Mit meinen Geschichten verarbeite ich meist aktuelle Themen, (Alp-)Träume oder auch persönliche Erfahrungen, die sich stets in den jeweiligen Genres wiederfinden.

Warum kein Roman? - Wie oft habe ich schon im Bus gesessen, ein Buch zum Zeitvertreib lesen wollen und das gute Stück nach vier oder fünf Seiten wieder in meine Tasche stecken müssen, weil ich aussteigen musste? Sehr oft.

Wie geht es weiter? Was passiert denn nun? Wann kann ich weiterlesen?

So einen Schinken zu lesen, während man unterwegs ist, ist ziemlich mühsam. Für mich zumindest. Ich finde mich dann nicht so schnell wieder ein, kann mich auf die Schnelle nicht richtig auf die Geschichte einlassen und mich nicht konzentrieren, da mich das Geschehen um mich herum nicht lässt.

Wo war ich nochmal? Warum ist das noch gleich so? Was ist da passiert? Hä?

Daher die Idee des Gedicht- und Kurzgeschichtenbands: Wenn man als Leseratte nicht lange (genug) unterwegs ist und gerne etwas lesen möchte, muss man trotzdem nicht darauf verzichten. Ganz im Gegenteil.

Man hat die Möglichkeit eine ganze Geschichte zu lesen, auch wenn man nur fünf Stationen fährt. Man muss nicht mittendrin aufhören und sich nicht wieder reinklabüstern. Man kann einfach lesen.

So viel zum Konzept hinter dieser Idee.

Warum unterschiedliche Genres? – Als Leser interessiere ich mich nicht nur für ein Genre, sondern für mehrere. Ich lese gerne unterschiedliches. So ist es auch als Autorin: Ich habe so viele, verschiedene Ideen und Vorstellungen, dass es für mich gar nicht möglich ist, mich nur auf einen Bereich zu spezialisieren.

Daher versuche ich mich in den unterschiedlichsten Gebieten und schreibe gerne das, worauf ich auch gerade Lust habe. So gibt es immer etwas Neues und viel Abwechslung für meine Leser.

So nach dem Motto: »Heute habe ich mal Lust auf ein bisschen Drama und morgen vielleicht auf Horror, wenn ich nicht alleine zu Hause bin.«

Ein Gedicht kann berühren - eine Berührung kann ein Gedicht sein.

- Klaus Ender -

Und ich seh dich an

Meine Augen sind auf, deine geschlossen.

Ich zähle deine 36 Sommersprossen.

Du atmest friedlich ein und aus,

bist so niedlich, meine kleine Maus.

Murmelst im Schlaf vor dich hin,

was du sagst, macht jedoch keinen Sinn.

Redest vom Fliegen und von Sahnetorten,

bist gerade wohl an fremden Orten.

Ich seh dir so gerne beim Schlafen zu,

in der Ruhe und der Stille, da bist nur du.

Ich kann nur lächeln, wenn ich dich so seh.

So perfekt, vom Ohrläppchen bis zum kleinen Zeh.

Ich kann dich nur lieben, wie könnte ich nicht,

du bist mein Sonnenschein, du bist alles für mich.

Licht im Dunkeln

Ich kann es nicht ändern,

oder gar verhindern.

Ich will es nicht akzeptieren,

ich will mich nicht verlieren.

Ich fühle mich hilflos und klein,

wie kann das nur sein?

Furcht vor dem Ende, vor dem Tod,

Wahnsinn ist’s was mir droht.

Angst vor dem Nichts und der Schwärze,

ich brauche Halt, eine Kerze.

Glauben kann ich nicht,

für mich hat die Kirche kein Gewicht.

Ich wünschte ich könnte es,

weniger Angst, weniger Stress.

Ich atme tief ein, will mich fallen lassen,

doch merke ich, wie mich deine Hände umfassen.

Sie ziehen mich plötzlich aus der dunklen Schlucht,

mit so viel Kraft und unglaublicher Wucht.

Und da sehe ich die Kerze mit ihrem Schein,

sie leuchtet so hell, tief in mein Innerstes hinein.

Voller Wärme und Zuversicht,

schaue ich sanft in dein Gesicht.

Und da wird mir plötzlich klar,

ich war vor Angst völlig starr.

An das Ende zu denken, zerstört mir die Geschichte,

also ist nun Schluss damit. Nein, Danke. Ich verzichte!

So einfach

Und ich kann nicht atmen, kann nicht schlafen.

Ich sitze auf dem Boden und schaue die leeren Wände an,

an denen letzte Woche noch unsere Bilder hangen.

Die Wände, alle so leer wie mein Herz,

ich bin eine Hülle, gefüllt mit kaltem Schmerz.

Meine größte Angst war immer, dich zu verlieren,

und nun muss ich mich zwingen deinen Verlust zu akzeptieren.

Meine Tränen lassen meine Wangen brennen.

Wie konntest du dich so einfach von allem trennen?

Ich bin meilenweit entfernt von dir,

aber du bist noch direkt neben mir.

Ich hab gehört, jemand Neues ist nun an deiner Seite.

Ist sie es, die dich von mir befreite?

War sie schon da, als es mich noch gab?

Dachtest du an sie, als ich neben dir lag?

Du sagtest mir, du brauchst erstmal Zeit,

warst aber schon mit mir fertig und für sie bereit.

Ich hab gehört, du kannst wieder lachen.

Wie könnte mir das nichts ausmachen?

Denn ich liege hier im Sand,

verliere den Kopf und den Verstand.

Ich bin Schnee von gestern, ich bin vorbei,

du bist ohne mich wohl endlich frei.

Du siehst nach vorn und ich zurück,

trauere hinterher, unserem Glück.

Ich kann nicht sehen was kommt,

und du siehst schon den Horizont.

Wie kannst du nur? Wie machst du das?

Ich komme nicht voran, trage noch unsere Last.

Ich sehe nur den Boden unter meinen Füßen Risse ziehen,

ich weiß nicht wie, aber ich will davor fliehen.

Doch es verfolgt mich, lässt mich nicht los,

lass mich endlich fallen, gib mir einen letzten Stoß.

Und ich kann nicht atmen, kann nicht schlafen.

Für dich ist alles so einfach,

und für mich ist es so schwer.

Ich liebe dich immer noch viel zu sehr.

Ich wünschte, ich würde dich hassen,

aber mein Herz will mich nicht lassen.

Vielleicht sieht es das irgendwann ein,

vielleicht kann ich mich irgendwann von dir befreien.

Dann kann ich wieder atmen, vielleicht auch wieder schlafen.

Inspiriert durch Silbermonds „Das Leichteste der Welt“

Mitgerissen

Ungläubig liest sie die Zeilen,

die ihre Wunden sollen heilen.

Doch ihr Schmerz wächst nur weiter,

steht in 50 Metern Höhe auf einer brüchigen Leiter.

Hilflos, kann nichts tun,

zittert, kann nicht ruh‘n.

Will aufhören, doch schafft es nicht,

die Tränen rauben ihr die Sicht.

Der Schmerz sticht von innen nach außen,

innen Hitze, Kälte draußen.

Kann nicht fassen, was hier passiert,

wird starr, steif und gefriert.

So hat sie es sich nie vorgestellt,

hatten sie doch endlich alles: sich, ein Haus und Geld.

Ihr Leben war endlich perfekt,

doch das Schicksal hat sein hartes Urteil vollstreckt.

Ein Happy End sieht ganz anders aus,

nichts mehr übrig vom Geld, der Liebe und dem Haus.

Mit einem Schlag ist alles vorbei,

seine letzten Worte: „Jetzt bist du frei.“

Doch was nützt ihr dieses eine Leben,

wenn sie ihn musste aufgeben.

Sie tat alles, damit er bleibt,

tat alles, damit man ihn von dieser Last befreit.

Doch verloren sie beide diesen Krieg,

übrig ist nur dieser Brief.

Dieser Brief mit diesen Zeilen,

der ihre Wunden soll heilen.

Geschrieben mit seiner letzten Kraft,

mit dem letzten bisschen Lebenssaft.

Mit diesen letzten Worten schließt sie das Buch,

war in dieser Welt für nur 358 Seiten zu Besuch.

Lachte, staunte und weinte zuletzt,

ist ihren Gefühlen nun vollkommen ausgesetzt.

Gute Bücher berühren einen übers Ende hinaus;

Und wir? Wir lernen daraus.

Wolkenbilder

Und ich sehe aus dem Fenster in den Himmel,

sehe in den Wolken einen Prinzen auf einem weißen Schimmel.

Er reitet in den Sonnenuntergang, in das rote Licht,

rettet seine Prinzessin, erfüllt seine Pflicht.

Und ich sitze hier und beobachte ihn bei seinen Heldentaten,

er besiegt die Drachen, Hexen und Soldaten.

Holt seine Prinzessin aus ihrem einsamen Turm,

geleitet sie sicher durch einen eisigen Sturm.

Führt sie durch Sümpfe und durch Moore,

trägt sie müde und stolz durch des Schlosses Tore.

Man feiert seinen Triumph und seinen Erfolg,

„Hipp, hipp, Hurra“, ruft das Volk.

Der König macht ihm abrupt zum Schwiegersohn,

und so besteigt unser Held den Königsthron.

Bekommt viele Söhne und wird vom Königreich geliebt,

ein Happy End, wie es eins nur im Märchen gibt.

Mopsis kleine Reise

Lucy, der kleine Mops,

war oft umgeben von reichen Snobs.

Eingebildete Boxer, penetrante Pudel,

keine Freunde, kein Rudel.

Also büxte sie eines Tages spontan aus,

und rannte in die weite Welt hinaus.

Sprang durch Pfützen, wälzte sich im Dreck,

aß Würste und ab und an mal Speck.

Sie liebte das Leben in der freien Welt,

tat nur das, was ihr auch gefällt.

Freundete sich mit einer Ziege an,

mit der sie manchmal um die Wette sprang.

Lernte auch einen Hasen kennen,

mit dem konnte sie um die Wette rennen.

Hatte Freunde, hatte Spaß,

schlief mal im Wald oder im Gras.

Sie lebte ihre Träume, sah in die Sterne,

bis sie ihr Foto sah an einer Laterne.

„Unser Schatz ist weg, wir vermissen sie“,

schrieb ihr Frauchen, die Marie.

Da wurde Lucy ganz traurig zumute,

und zog wehmütig eine Schnute.

Sie hatte es eigentlich ja gut bei der Marie,

sie gab Lucy Leckerlies und kraulte sie am Knie.

So rannte der kleine Mops schnell nach Haus,

ihre Rückkehr wurde gefeiert in Saus und Braus.

Ziege und Hase durften sie fortan besuchen,

rannten, sprangen und aßen Kuchen.

Und Lucy war froh bei Marie zu sein,

mit Freunden und Leckerchen im trauten Heim.

Geisteskrank

Eine Krankheit, die sich äußerlich nicht zeigt,

getrieben von Wahnsinn, zu jeder Schandtat bereit.

Erst ist sie leise, belastet dich allein,

die Angst, der Argwohn sind noch recht klein.

Dich beschleicht nur ein komisches Gefühl,

denkst dein Gegenüber ist etwas abweisend, gar kühl.

Redet mit anderen, denkst: »Nur nicht mit mir«,

du willst Aufmerksamkeit, in dir steigt die Gier.

Wieso bist du nur so uninteressant?

Du dachtest, euch verbindet ein starkes Band.

Es soll keinen anderen geben, nur allein dich,

doch dein Gegenüber lässt dich eiskalt im Stich.

Wer ist wichtiger, wer besser als du?

Diese Angst, diese Unsicherheit lässt dich nicht in Ruh.

Du kannst nicht anders, musst das Handy kontrollieren,

fängst an, deinem Gegenüber krankhaft nachzuspionieren.

Konfrontierst ihn mit harmlosen Dingen,

versuchst ihn in die Bredouille zu bringen.

Treibst dein Gegenüber in eine kleine Ecke,

Liebe und Vertrauen bleiben hier auf der Strecke.

Die Krankheit macht sie kaputt,

du wirst langsam ganz verrückt.

Sie belastet andere, befällt aber den eigenen Geist,

eine Krankheit, die Eifersucht heißt.

Leidenschaft

Ich schließe die Augen,

versuche alles einzusaugen.

Atme tief ein,

versuche mehr als nur ich zu sein.

Mein Bauch kribbelt wild,

sehe ich in mir dieses Bild,

was mich mit tiefster Wärme füllt,

und voller Freude brüllt.

Ich vergesse Raum und Zeit,

bin von all dem Stress befreit.

Lasse mich treiben,

könnte ewig in diesem Zustand bleiben.

Dieser, der mich beruhigt und gleichzeitig belebt,

der mich stark macht und bewegt.

Der mich Leidenschaft leben lässt,

der mich füllt bis zum letzten Rest.

Macht er mich zu dem, was ich wirklich bin:

Ich bin leidenschaftliche Autorin.

Das Leben ist keine Theorie

Wir leben nur noch theoretisch,

philosophieren viel, sehen alles rein hypothetisch.

Wo ist unsere Abenteuerlust geblieben?

Haben wir sie wohl vertrieben?

Oder haben wir sie einfach nur verlegt?

Vergessen was uns belebt?

Nein, sind nur vorsichtig geworden,

ist ja noch keiner dran gestorben.

»Vorsicht ist besser als Nachsicht«, sagt man,

aber wie, wie lebt man dann?

Lass‘ doch mal mehr riskieren,

was haben wir schon zu verlieren?

Wir können doch nur gewinnen,

lass doch mal Fallschirmspringen.

Lass‘ uns Erinnerungen sammeln,

nicht immer auf dem Sofa gammeln.

Was sollen wir denn unseren Enkeln erzählen?

Lass‘ mal wieder Pferde stehlen.

Lass‘ mal wieder tanzen gehen,

mal wieder Sterne sehen,

mal wieder laut singen,

mal wieder in die Lüfte springen.

Lass‘ uns mal wieder leben,

um Fotos ins Album zu kleben.

Da ist noch so viel zu entdecken,

lass‘ mal aufhören uns zu verstecken.

Lass‘ mal wieder leben.

Inspiriert durch Julia Engelmanns „One day/reckoning Text“

Toleranz?

Dick, dünn, blass, dunkel,

von allen Seiten nur Gemunkel.

Bist du anders, bist du Thema,

ganz leichtes Schema.

Bist du dick, frisst du viel,

bist du dünn, nur ein Besenstiel.

Bist du blass, bist du krank,

lebst vielleicht in einem Schrank?

Hast du dunkle Haut, schwarze Haare,

bist du gleich ein Terrorsklave.

Bekommst du früh ein Kind,

ist klar, dass was mit dir nicht stimmt.

Deine Lieblingsfarbe ist schwarz,

hörst wohl am liebsten die Metalcharts.

Betest auch den Teufel an,

stehst auch unter seinem Zwang.

Bist du sehr emotional,

hast du einen Knall.

Trägst gerne kurze Röcke,

biste scharf auf geile Böcke.

Spielst gerne Ballerspiele,

hast du bald auch echte Ziele.

Lebst du vegan,

gehörst du zum Ököclan.

Bist du bunt, anstatt nur grau,

stellen sie dich zur Schau.

Gestarre und irre Blicke,

hast es hinter den Ohren ganz Dicke.

Lästereien wird es immer geben,

die Ärzte sagen: »Lass die Leute reden.«

Du bist halt besonders, für sie interessant,

nutz das aus, sei arrogant.

Sei stolz auf das was du bist,

dein Leben ist bunt, ihres einfach nur trist.

Das Schicksal sorgt für die Liebe, und umso gewisser, da Liebe genügsam ist.

- Johann Wolfgang von Goethe -

Ein Blick und alles ist anders

Mark sitzt des Öfteren im Café Royal und trinkt einen Espresso, während er seiner täglichen Arbeit nachgeht. Er ist ein unbekannter Krimiautor und hält sich mit seinen Taschenbüchern über Wasser. Doch nun sitzt er an etwas Großem, so glaubt er. Ein Roman, der nicht auf den Grabbeltischen landet. Ein Roman, der im Bestsellerregal jeder Bücherei des Landes stehen wird. Ein Roman, der von der Times in den Himmel gelobt werden soll. Ein Roman, der einschlagen soll, wie eine Bombe.

Er hebt seinen Blick, als er einen Schluck trinkt und sieht aus dem Fenster. Draußen ist es kalt. Es liegt Schnee und der Winterdienst ist damit beschäftigt die Straßen vom Glatteis zu befreien. Der Wind lässt die Schneeflocken tanzen und sie dort landen, wo die Männer in ihren knalligen Overalls sich gerade einen Weg gebahnt haben.

Es ist noch früh. Man könnte meinen gerade mal 5:00 Uhr so dunkel ist es. Aber die Tage beginnen im Winter ja bekanntlich immer etwas später. Es ist 8:14 Uhr als es leicht zu dämmern beginnt und das dunkle, tiefe Blau sich zurückzieht. Mark sitzt hier jeden Morgen auf seinem Stammplatz am Fenster, am langen Tisch mit den Barhockern und beobachtet den Tag dabei, wie er langsam beginnt.

Er reibt sich die Hände, nachdem er die Tasse abgestellt hat. Ihn durchfährt ein leichter Kälteschauer, der noch von der leichten Morgenmüdigkeit herrührt.

Die Tür geht auf und ein kalter Zug huscht durch das Café. Selbst Schnee wird hineingeweht und Mark erzittert. »Man kann die Tür auch schließen!«, ruft er Richtung Tür, als diese offen stehen bleibt. Er schnaubt provokant laut, um seinem Unmut nochmal Ausdruck zu verleihen. Er ist Stammkunde und der Meinung in einer Position zu sein, in der er sich sowas erlauben kann. Außerdem passiert das so häufig. Die Leute sind so unaufmerksam. Soll er sich wegen ihnen erkälten?

»Na, hören Sie mal!«, hört er eine quitschige Frauenstimme laut sagen. Er blickt auf und sieht eine Frau, dessen goldige, kurze Locken unter ihrer dicken Mütze hervorschauen. Sie trägt einen dicken, plüschigen Mantel, zwei große Taschen und zieht obendrein noch einen Koffer hinter sich her. Ihre Augen sind dunkelbraun, fast schwarz und ihre Lippen dunkelrot. Mark ist hin und weg.

»Wie unfreundlich sind die Menschen hier bitte!? Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht schnell genug, so dick bepackt, durch die Tür passe!«, blafft sie ihn an, während Mark sie regelrecht anstarrt. »Hat's Ihrem schalen Mundwerk nun die Sprache verschlagen?«, fragt sie genervt. »In der Tat.«, bringt Mark nur hervor. Er scheint unter Schock zu stehen, sowas ist ihm noch nie passiert. Er fragt sich kurz, ob er gerade einen Schlaganfall bekommt.

»Große Klappe, nichts dahinter. War klar.«, sagt sie abfällig und drängt sich an ihm vorbei, um sich zwei Plätze weiter niederzulassen. Mark schaut ihr hinterher.

»Hören Sie auf mich so anzustarren.«, sagt sie trocken, als sie sich die Jacke auszieht. Sie trägt ein weinrotes Holzfällerhemd, welches in die Hose gesteckt ist. Dazu einen dunkelbraunen Gürtel mit einer großen, silbernen Schnalle.

»Wieso setzen Sie sich fast neben mich?«, fragt Mark.

»Wie bitte?«

»Hier ist noch fast jeder Platz frei und Sie setzen sich zu mir.«

»Sagen Sie mir, merken Sie wie unhöflich Sie eigentlich sind?«, fragt sie ungläubig und fängt nun selbst an zu starren.

»Nein. Nur ich schließe daraus, dass Sie Gesellschaft möchten. Und da Sie selbst nicht bester Laune sind denke ich, dass Sie weiterhin meckern möchten. Darauf kann ich morgens gern verzichten.«, sagt Mark trocken und nippt an seinem Espresso um seine Unsicherheit zu kaschieren. Er fragt sich, warum er so patzig ist. Dabei findet er diese Frau mehr als attraktiv und interessant. Sie ist bezaubernd, obwohl sie eine Zicke zu sein scheint.

»Der Grund meiner Laune ist Ihr Kommentar von eben!«

»Sie waren vorher schon angefressen, sonst würden Sie darauf nicht so anspringen.«, die Worte sprudeln geradezu aus ihm heraus. Sie schnauft einmal und dreht sich weg. Er hatte wohl Recht.

Sie bestellt einen Kamillentee, wahrscheinlich zur Beruhigung, und kramt einen Timer aus ihrer Tasche. Mark beobachtet sie aus seinem Blickwinkel, während er so tut, als ob er weiter an seinem Laptop arbeitet. Sie will etwas eintragen, aber ihr Stift scheint nicht zu schreiben. Sie versucht es ein paar Mal ehe sie anfängt damit rumzukratzen, auf den Tisch zu hauen und leise zu fluchen. Unauffällig und ohne sie anzusehen schiebt Mark ihr seinen Füller zu. Sie verstummt und schaut auf seine Finger, die ihr das Schreibgerät zuschieben. Dann sieht sie ihn an und nimmt ihn und murmelt ein leises »Danke«. Mark nickt und muss grinsen. Sie muss ebenfalls lächeln, sie hat Grübchen an ihren zarten, rosa Wangen. Sie verharren kurz mit ihren Blicken aneinander, ehe sie sich räuspert und sich wieder ihrem Timer widmet. Sie lächelt immer noch und schüttelt fast unmerklich mit ihrem Kopf. Mark schmunzelt und dreht sich wieder zu seinem Laptop. Nach ein paar Minuten schiebt sie ihm den Füller wieder zurück und fragt: »Warum sitzt eigentlich jemand mit einem Laptop so früh in einem Café und trinkt Espresso?«

»Und warum läuft eine Frau mit zwei Reisetaschen und einem Koffer so früh durch New York?«, fragt er zurück und grinst sie schelmisch an.

»Weil sie die Brautjungfer ihrer kleinen Schwester ist und daher früh anreisen musste.«, sagt sie und seufzt einmal leise.

»Ich bin Autor und arbeite gerade an einem Roman.«, sagt Mark und seufzt ebenfalls, aber kaum hörbar, nur für sich. Denn er weiß, dass er keinen Bestseller schreiben wird.

»Oh, kennt man was von Ihnen?« Wunder Punkt. Mark beißt die Zähne zusammen: »Ich arbeite daran.«

»Träume in so einer Stadt, wie dieser, zu verwirklichen erachte ich als ziemlich schwer.«, sagt sie und schaut aus dem Fenster.

»Wieso?«

»So viele haben Träume. Viele haben sogar dieselben. Und in Großstädten ist wenig Platz dafür. Kein Platz für Wohnungen, Menschen, Jobs oder für Träume. Wie soll das gehen? Es ist wie bei einer Stellenausschreibung. Auf eine Stelle bewerben sich 100 Leute. Einer bekommt die Stelle.

Wie soll man sich da durchsetzen? Das ist durchaus schwer.«

»Na, Sie sind ja pessimistisch.«

»Realistisch.«

»Sie verwechseln Pessimismus mit Realismus. Wo bleibt die Hoffnung? Die treibt uns doch an.«

»Die habe ich zwischen Cleveland und Pittsburgh aus dem Zugfenster geworfen.«, sagt sie und nimmt einen Schluck Tee. Ein kurzes, betretendes Schweigen folgt.

»Sie wissen, dass es verboten ist, Sachen aus fahrenden Zügen, Bussen oder Autos zu werfen?«, sagt er. Sie verschluckt sich an ihrem Tee und fängt an zu lachen.

»So witzig war das jetzt auch nicht.«, bemerkt Mark und muss unweigerlich grinsen.

»Nein, ganz im Gegenteil. Aber ich mag schlechte Witze. Es ist schwieriger einen schlechten Witz zu erzählen, als einen guten. Bei schlechten Witzen, die einem zum Lachen bringen sollen, muss der Erzähler mehr nachdenken.«, erklärt sie. Mark nickt unweigerlich.

»Ich bin übrigens Lucy.«, sagt sie und gibt Mark die Hand.

»Mark.« Wieder lächeln sie, verharren in ihren Blicken und schütteln sich minutenlang die Hände. Als ihnen das auffällt, lachen sie erneut.

Aus dem frühen Morgen wird ein sonniger Vormittag, aus dem sonnigen Vormittag ein klarer Tag. Das Café füllt sich, die Gäste kommen und gehen. Doch was um sie herum geschieht merken Mark und Lucy nicht. Sie sehen sich nur an, reden und lachen. Für sie steht die Zeit.

Selbstgelegte Hindernisse

Schweigend sitzen Lily und Henry da. »Ich habe mich in dich verliebt.“, sagt er leise und schaut auf seine Hände. »Ich mich auch in dich.“, antwortet Lily. Sie hat die Knie an die Brust gezogen. Sie sitzen nebeneinander auf Lilys burgunderrotem Sofa.

»Und wieso tust du mir dann so weh?«, fragt Henry und kneift die Augen zusammen. Seine Tränen wollen ihn übermannen.

»Ich kann das nicht, Henry.«, flüstert sie.

»Das sagst du. Deine Taten sprechen aber eine andere Sprache. Du willst, sträubst dich aber. Du tust uns beiden unnötig weh.«, weint Henry.

»Das ist nicht wahr. Ich will mit dir zusammen sein, kann es aber nicht. Nicht, solange sie ein Teil deines Lebens ist. Ich will dich nicht vor ein Ultimatum stellen, also muss ich dich gehen lassen.«, sagt Lily mit zitternder Stimme.

»Das tust du aber. Jetzt, in diesem Moment. Du sagst, du musst mich gehen lassen. Willst es aber nicht. Und ich will es auch nicht, das weißt du. Du weißt, dass ich dich liebe und jede Minute mit dir genieße! Du weißt, dass ich alles tun würde, damit ich dich nicht verliere. Du hoffst, dass ich sage, dass ich meine beste Freundin verlasse damit du dich etwas besser fühlst. Damit du mit mir zusammen sein kannst. Doch, du stellst mich vor ein Ultimatum. Du sagst es nicht, aber du tust es.«, erklärt Henry ihr. Die salzigen Tränen laufen über seine heißen Wangen. Seine Augen brennen, er merkt wie sie anschwellen. Er hat einen starken Druck auf der Brust, atmet schwer. Das ist nicht fair.

»Dann tu es. Entscheide dich für mich, bitte.«, fleht Lily. Sie weint auch. Ihre grünen Augen leuchten unter dem nassen Schimmer ihrer Tränen.

»Das habe ich doch schon längst!«, sagt Henry.

»Nein, nicht so lange sie noch da ist.«, sagt Lily und dreht sich weg.

»Johanna ist wie meine Schwester, nur wohnt sie nebenan. Wir sind zusammen aufgewachsen, sie ist ein Teil meiner Familie. Da ist nichts anderes.«, erklärt Henry verzweifelt. Er hat diese Worte schon so oft gesagt, so oft wiederholt. Doch Lily hört ihn nicht. Sie hat diese Worte nie gehört. Sie denkt in Schubladen, steckt Johanna auch in eine. Lilys damaliger Freund hatte auch eine beste Freundin, mit der er sie monatelang betrog. Als sie das herausfand, hat sie das gebrochen. Sie fühlte sich vorgeführt, bloßgestellt und ausgenutzt. Vertrauen war ab diesem Tag ein Fremdwort für sie. Sie hatte es verlernt, verloren. Sie kann es seitdem nicht mehr.

»Was nicht ist, kann noch werden. Du weißt, warum ich so denke.«, sagt sie abweisend.

»Sie ist nicht so wie das Mädchen von damals. Ich bin nicht so wie dein Ex. Du kennst sie überhaupt nicht.«, sagt Henry.

»Das muss ich nicht.«

»Geht es eigentlich um Johanna?«, fragt Henry vage.

»Es geht um uns. Darum, dass du sie mir vorziehst.«, antwortet Lily kalt.

»Das ist doch überhaupt nicht wahr! Ich will mit dir zusammen sein. Hätte ich Gefühle für Johanna, wäre ich mit ihr zusammen. Nicht mit dir.«, erklärt Henry verzweifelt. Es ist aussichtslos.

Lily fängt bitterlich an zu weinen: »Ich möchte dir so sehr glauben. Wirklich. Aber ich kann nicht. Jedes Mal, wenn du ihren Namen sagst muss ich an früher denken. Ich kann das nicht.« Henrys Herz scheint gerade zu brechen. Er steht auf.

»Dann entscheidest du dich gerade gegen uns, stehst uns im Weg. Du musst mit dir erst ins Reine kommen, bevor wir an ein ‚uns‘ denken können. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Aber ich kann nicht glücklich sein, wenn ich die Menschen aufgeben muss, die meine Familie sind, die ich als solche liebe.«, sagt Henry leise. Sein Herz bricht in tausend Teile.

»Wenn du mich so sehr liebst, wieso gibst du mich dann auf?«, fragt sie. »Und du?«, fragt Henry zurück. »Dreh den Spieß nicht um. Du hast damit angefangen, wolltest mich gehen lassen. Du wolltest mich erpressen, um mich zu halten. Das ist nicht fair, Lily.«, erklärt Henry ruhig. Die Tränen sind versiegt. Er fühlt sich leer, im Innersten von Schwärze erfüllt. Lily kann nur weinen, bringt kein Wort mehr heraus.

Henry geht zu ihr und küsst ihr auf die Stirn. »Ich liebe dich so sehr. Doch wo führt das hin? Erst soll ich meine beste Freundin verstoßen, dann vielleicht meine Arbeitskolleginnen oder Nachbarin? Mein Schatz, ich wünschte ich könnte dir helfen. Aber dieses Problem kannst nur du allein bewältigen. Ich weiß nicht, wie ich dir noch zeigen kann, dass du mein ein und alles bist. Die Einzige für mich.«, sagt er unter Tränen, die sich wieder ihren Weg über seine Wangen bahnen.

Henrys Beine sind mit Blei gefüllt, als er aufstehen und gehen will. Er fühlt sich wie ein Elefant, der durch das Zimmer stampft. Wie jemand, dem Steinblöcke an die Beine gebunden wurden. Er kann sich nicht umdrehen, kann Lily nicht ansehen. Als er die Tür hinter sich schließt, spürt er die Scherben seines Herzens in seinem Körper rasseln. Liebe kann so schmerzhaft sein.

Willst du mit mir gehen?

Marcel hat den schönsten Hinterkopf der Welt. Seine kurzen, glänzenden und roten Haare erstrahlen den ganzen Raum. Sowie sein frischer, leicht herber Duft. Seine Stimme klingt wie Musik, nach romantischem Indie. Seine Haut sieht so weich aus, wie Watte. Manchmal möchte sie einfach nur mit ihrem Zeigefinger über seinen Nacken streichen, um zu sehen, ob seine Haut wirklich so weich ist wie sie aussieht. Selbst Mathe ist keine Qual mehr, wenn er dasitzt, seine Ergebnisse vorträgt und Claire dem Klang seiner Stimme lauschen kann. Seine Augen sind aus dunkler Schokolade, zumindest sehen sie danach aus. Marcel hat sie bisher nur einmal direkt angesehen und in diesem Moment war sie verloren. Es war im Sportunterricht, beim Völkerball. Sie waren in einem Team, er rief ihren Namen und sah sie an ehe er ihr den Ball zuwarf. Doch war sie so davon fasziniert, dass er ihren Namen kennt, sodass sie der Ball direkt im Gesicht traf. Fangen war in diesem Moment einfach nicht möglich. Als sie mit einer blutenden Nase am Boden lag, stand er über ihr und stopfte ihr sofort ein Taschentuch, aus seiner Hosentasche, in die Nase. Natürlich ein unbenutztes. Er ist schließlich ein Gentleman. Er entschuldigte sich und half Claire wieder auf die Beine. Er hatte so warme und weiche Hände. Seitdem weiß sie, es ist Liebe. Echte Liebe, keine poplige, kindische Teenagerliebe. Nein, wahre Liebe. Die eine Liebe halt.

Auf der letzten Seite ihres Hausaufgabenheftes übt sie täglich die Unterschrift mit Marcels Nachnamen. Sie muss ja vorbereitet sein. Ihre Tagebücher sind mit rosa, pinken und roten Herzen gefüllt. Liebe fühlt sich so schön an.

Während sie gerade so tut, als höre sie ihrer Mathelehrerin zu, zählt sie Marcels Sommersprossen im Nacken. Es sind elf. Das kann kein Zufall sein, denn es sind auch genau elf Monate die sie altersbedingt auseinander sind. Das muss ein Zeichen sein. In Gedanken hört sie Marcel ihren Namen rufen bis sie merkt, dass es ihre Lehrerin ist, die sie mehrfach aufruft. Claire erschrickt und starrt sie plötzlich an. »Weißt du die Antwort?«, fragt die Lehrerin genervt.

»Ähm, ähm. Ich habe nicht aufgepasst, tut mir leid.«, sagt Claire kleinlaut.

»Vielleicht solltest du das, anstatt Marcels Rücken laufend anzustarren und die Fussel auf seinem Pullover zu zählen.«, sagt ihre Lehrerin und dreht sich wieder zur Tafel. Alle lachen und Claire wird rot während sie fast unter den Tisch sinkt. »Es waren die Sommersprossen.«, murmelt sie so leise, sodass nur sie es hört.

Nach der Stunde geht sie als Letzte aus der Klasse, damit sie in der großen Pause für sich sein kann. Sie ist peinlich berührt, weil alle gelacht haben. Doch vor der Klasse wartet Becky und gibt ihr einen Zettel. »Dean hat gesagt, dass Hendrik gesagt hat, dass Ben ihm gesagt hat, dass Marcel Ben den Zettel hier gegeben hat, den Ben an Hendrik und dann Dean gegeben hat und dass ich dir den geben soll.«, rattert Becky runter. Claire hat kein Wort verstanden und zieht eine Augenbraue hoch. Becky verdreht die Augen und drückt ihr das kleine, gefaltete Papier in die Hand und geht. Claire öffnet den kleinen Brief und was sie liest, lässt ihren Bauch kribbeln, ihr ist heiß und schwindelig werden und treibt ihr ein riesiges Grinsen ins Gesicht.

»Ich mag dich. – Willst du mit mir gehen? Ja, Nein.«, liest sie sich immer wieder durch. Das ist der glücklichste Tag in ihrem Leben. Zitternd holt sie einen Stift aus ihrem Etui und kreuzt selbstverständlich »Ja« an. Lächelnd faltet sie den kleinen Brief wieder zusammen und geht samt Rucksack auf den Schulhof um ihren neuen, festen Freund zu suchen. Es dauert nicht lange, bis sie ihn am Klettergerüst findet. Mit wackeligen Beinen geht sie zu Marcel, tippt ihn auf die Schulter und gibt ihm lächelnd den Zettel zurück. Er sieht sie etwas verunsichert an und faltet den Zettel direkt auf. Dann muss auch er grinsen. »Möchtest du später mit mir zusammen im Bus sitzen?«, fragt er nervös. Claire nickt und lächelt. Sie ist die glücklichste 13-Jährige der Welt.

Am anderen Ufer

Olivia ist ein zurückhaltendes Mädchen mit schwarzem Haar und blauen Augen. Freunde hat sie nur zwei, aber dafür sind sie treu. Felix und Mona sind immer für sie da. Doch mit dieser Sache kann Olivia sich ihnen nicht anvertrauen, da es sie beide betrifft.

Erst war es ihr nicht so klar. Erst als Felix ihr sagte, dass er mehr für sie hegt als nur freundschaftliche Gefühle. Die Gleichgültigkeit die sie in diesem Moment empfand erschrak sie selbst, denn eigentlich ist Olivia ein mitfühlender Mensch. Doch ändern konnte sie es nicht. Es war ihr egal, denn sie hatte keinerlei romantisches Interesse an Felix. Das hatte sie nie. Das lag allerdings nicht an ihm, sondern an etwas Anderem.

Olivia war von Frauen schon immer fasziniert. Wie wandelbar sie sind, wie unterschiedlich, aber vor allem eins: schön. Innerlich sowie äußerlich. Frauen sind sacht, zärtlich und stets mitfühlend. Sie sind auf so unterschiedliche Art und Weise hübsch. Sei es mit langem oder kurzem Haar, blond oder brünett, dünn oder kurvig, in Jeans oder im Kleid. Olivia war schon immer von ihnen verzaubert. Von ihren Rundungen und ihren Ecken. Dass es sich aber nicht nur um Faszination handelt merkte sie erst, als sie mit Mona im Freibad auf einer Decke lag und die Wassertropfen auf Monas Haut glitzerten. Der knappe Bikini, der Monas Po nur spärlich verdeckte, betonte diesen perfekt. Ihre braune Haut schimmerte durch die Sonne und ihre nassen, blonden Haare fielen in perfekten Strähnen an ihren Schultern hinab. Mona biss sich auf die Lippe, während sie die vorbeigehenden Jungs beobachtete und in Olivias Magen kribbelte es. Mona sah so perfekt aus, so anziehend. Dass die Jungs bei ihr Schlange standen, konnte Olivia vollkommen nachvollziehen. Sie war wunderschön und so sexy.

Sie schämte sich vor sich selbst für sich und ihre Gedanken. Sie fühlte sich unwohl und wusste nicht wohin mit sich. Zurückgezogen gab sie sich ihren Gedanken hin, versuchte sie zu verstehen. Ihren Eltern sagte Olivia, sie fühle sich krank, habe Magenschmerzen. Die hatte sie tatsächlich, aber nicht, weil sie eine Grippe hatte. Tagelang saß sie am Fenster und fragte sich, was mit ihr nicht stimmte. Natürlich wusste sie es, traute sich aber nicht es selbst in Gedanken auszusprechen. Sie hatte Angst von ihren Eltern und ihren Freunden, gerade von Mona, verstoßen zu werden. Allein in dieser neuen Welt zu sein. Es war furchtbar.

Es regnete, als Olivia gerade aus dem Badezimmer kam und Mona plötzlich in ihrem Zimmer fand. Sie saß auf ihrem Bett und schaute gerade auf ihr Handy.

»Mona?«, fragte Olivia ungläubig.

»Hey Olivia, ich wollte mal schauen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Du bist schon fast zwei Wochen nicht mehr in der Schule gewesen.«, sagte Mona und lächelte sie an.

Olivia stockte kurz und sah zu Boden. Sie konnte Mona nicht ansehen. »Ja, ich fühle mich nicht so gut. Ich habe wohl die Grippe. Vielleicht solltest du auch gleich besser gehen. Nicht, dass ich dich anstecke.«