In diesem Sinne, Ihr Hubert Lippenblüter - Jürgen von der Lippe - E-Book

In diesem Sinne, Ihr Hubert Lippenblüter E-Book

Jürgen von der Lippe

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Beschreibung

Der populäre Kabarettist, Liedermacher und Entertainer Jürgen von der Lippe präsentiert: Hubert Lippenblüter, den letzten Junggesellen aus dem Sauerland. Was dieses Exemplar einer langsam aussterbenden Spezies zu sagen hat, über Gott und die Welt, vor allem aber über die ihm nachstellenden Damen seines kleinen Heimatortes, das hat von der Lippe in amüsanten, heiteren Monologen niedergeschrieben. Beste Unterhaltung (mit Hintersinn) wird garantiert!

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Seitenzahl: 178

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Jürgen von der Lippe

In diesem Sinne, Ihr Hubert Lippenblüter

Erlebnisse eines Junggesellen

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Der populäre Kabarettist, Liedermacher und Entertainer Jürgen von der Lippe präsentiert: Hubert Lippenblüter, den letzten Junggesellen aus dem Sauerland. Was dieses Exemplar einer langsam aussterbenden Spezies zu sagen hat, über Gott und die Welt, vor allem aber über die ihm nachstellenden Damen seines kleinen Heimatortes, das hat von der Lippe in amüsanten, heiteren Monologen niedergeschrieben. Beste Unterhaltung (mit Hintersinn) wird garantiert!

Über Jürgen von der Lippe

Jürgen von der Lippe wurde im Lipperland geboren, genau gesagt in Bad Salzuflen. Das liegt bekanntermaßen an dem Flüßchen Lippe, und von diesem wiederum lieh er sich seinen Künstlernamen. Schon während seines (irgendwann abgebrochenen) Lehrerstudiums begann Jürgen von der Lippe mit den Berliner «Gebrüdern Blattschuß» seine Karriere als Liedermacher und «Blödelbarde». Den endgültigen Durchbruch zu einem der beliebtesten TV-Entertainer schaffte er mit der Unterhaltungssendung «Donnerlippchen».

Inhaltsübersicht

Warnung!Hubert Lippenblüter und die KindstaufeHubert Lippenblüter und die TierweltHubert Lippenblüter und der LadendiebstahlHubert Lippenblüter und die U-BahnHubert Lippenblüter und die neue Nachbarin IHubert Lippenblüter und die VertreterHubert Lippenblüter und die neue Nachbarin IIHubert Lippenblüter und das ZahnarztwesenHubert Lippenblüter und das Krankenhaus IHubert Lippenblüter im Krankenhaus IIHubert Lippenblüter und der HausputzHubert Lippenblüter und die BlumenweltHubert Lippenblüter und das AutoHubert Lippenblüter und das GewichtsproblemHubert Lippenblüter und die KinderHubert Lippenblüter und die weibliche GewaltHubert Lippenblüter und die ReisevorbereitungenHubert Lippenblüter in KölnHubert Lippenblüter und der SpritlaubHubert Lippenblüter und die erste KlasseHubert Lippenblüter und die öffentlichen DamenHubert Lippenblüter und die WeinprobeHubert Lippenblüter und die DauerwelleHubert Lippenblüter und die Frau am SteuerHubert Lippenblüter und die Sinnlichkeit der SternzeichenHubert Lippenblüter und der WaschsalonHubert Lippenblüter und die SaunaHubert Lippenblüter und der SpielabendHubert Lippenblüter und die Welt der AphorismenHubert Lippenblüter und die WitzanalyseHubert Lippenblüter und das UngeliebteHubert Lippenblüter und die HundeHubert Lippenblüter und das SurfenHubert Lippenblüter und das Krankenhaus IIIHubert Lippenblüter und der ZettelHubert Lippenblüter und die NikolausfeierHubert Lippenblüter und der AlkoholHubert Lippenblüter und der MondHubert Lippenblüter und der NamenstagHubert Lippenblüter und das DamenbodybuildingHubert Lippenblüter und die SilvesterfeierHubert Lippenblüter und der Single-UrlaubHubert Lippenblüter und die HerrenkosmetikHubert Lippenblüter und die BeerdigungHubert Lippenblüter und die Partnersuche

Warnung!

Das vorliegende Werk bedient sich einer wenn auch nur leicht, aber doch unübersehbar mundartlich gefärbten Umgangssprache. Zu diesem Zweck sah ich mich gezwungen, das hierzulande geltende strenge Recht bezüglich Orthographie, Grammatik und Interpunktion vorübergehend außer Kraft zu setzen.

Das Büchlein sollte deshalb unter keinen Umständen Kindern und Jugendlichen mit unvollständiger Schulreife zugänglich gemacht werden.

Wer die vorliegenden Geschichten im kleinen Kreise selbst vortragen möchte, sollte dies phonetisch korrekt, das heißt im sauerländischen Idiom tun. Als Schulungsmaterial empfiehlt der Verfasser den Besuch einer seiner Konzertveranstaltungen oder den Erwerb möglichst aller auf dem Markt befindlichen Langspielplatten. Unter Umständen, aber nur im äußersten Notfall, mag die Erinnerung an unseren unvergessenen Bundespräsidenten Dr. Heinrich Lübke hilfreich sein, der ja bekanntlich ein Wunderkind war. Er konnte mit fünf Jahren schon so sprechen wie später als Bundespräsident.

In diesem Sinne

Hubert Lippenblüter und die Kindstaufe

Ich war letztens wieder in Paderborn, da ist ja mein Bruder so unglücklich verheiratet. Schopenhauer hat einmal gesagt, Heiraten heißt, dat Mögliche tun, um einander zum Ekel zu werden. Damit muß er meine Schwägerin gemeint haben. Da ist ja jetzt auch dat zweite Kind angekommen, und da war ich jetzt Taufpate. Ich meine, ich hab mich nicht drum gerissen, aber bei dem ersten Kind war der Bruder von meiner Schwägerin Taufpate, und bei diesem Kind, hat unsere Mutter gesagt, wäre unsere Linie wieder dran. Nur Arbeit! Dat fing schon mit dem schwarzen Anzug an. Den mußte ich mir von Husemanns Willi leihen, der dat Sportgeschäft hat, und dann mußte ich den noch inne Reinigung bringen, weil da noch die ganzen Eierlikörflecken draufwaren, vonne Beerdigung von Tante Annemarie, und bis ich den überhaupt erst mal hatte! Sagt Husemanns Willi, nicht, dat mir dat nachher so geht, wie meinem Vater, da kam auch mal ein Bekannter an und fragte, kannst du mir nicht den schwarzen Anzug leihen für die Beerdigung von meinem Onkel? Und wie er dann nach ’nem Jahr mal nachfragte, wat denn mit dem schwarzen Anzug wär, sagte der, wieso, der war doch für den Onkel!

Nun war dat ja in diesem Falle etwas anderes, aber dann: Geschenk, auch so’n Punkt. Man kann ja nicht mit leere Hände nach so einem Täufling kommen. Et war ein Junge und wegen dieses Geschlechtes dachte ich natürlich erst mal an was Technisches. Chemiebaukasten, oder so. Aber dat war mir zu teuer, ich hab dann meinen Bruder angerufen. Ja, meint er, sie bräuchten wohl eine neue elektrische Kaffeemaschine. Ich sag, wat, Kaffeemaschine, dat Kind trinkt doch noch gar keinen Kaffee in dem Alter! Steckte natürlich meine Schwägerin dahinter, und der werd ich noch gerade die Faulheit stärken!

Ich habe dann unsere Mutter gefragt. Ja, meint se, bei uns war dat üblich, dat man zu diesem Anlaß eine Bibel mit Familienchronik schenkt. Kann ja so’n Kind so unmittelbar auch nix mit anfangen. Aber meine Schwägerin auch nicht! Hab ich die Bibel genommen. Aber meine Schwägerin hatte sooo’ne Flappe. Aber der alte Pastor, der hatte eine Freude! Sagt er, wo gibt et dat denn heute noch, dat ein Taufpate seine schwere Verantwortung so ernst nimmt! Der war ganz fertig, der Mann.

Na ja, und dann standen wir alle inne Kapelle um dieset Waschbecken rum, und Taufpatin war ja die Mutter von meine Schwägerin, eine ganz reizende ältere Dame, schon 73, aber gar kein Vergleich. Und auf einmal drückt se mir dat Kind inne Hand und sagt, Hubert, nimm du ihn, ich kann ihn nicht mehr halten, mir sind gerade beim Beten die Hände eingeschlafen! Und ich steh da mit dem Kind, dat ist am Zappeln und am Schreien, ich hatte ihn auch wohl etwas unglücklich zwischen de Beinchen oder wat, der alte Pastor holt mit dem Gießkännchen viel zu weit aus, dat ganze Kind war voll, ich noch wat abgekriegt, furchtbar!

Ich war froh, wie wir nachher bei meinem Bruder zu Hause waren, Kaffeetrinken. Nun hatte ich ja schon dat Schlimmste befürchtet, nämlich dat meine Schwägerin selber bäckt. Der ihre Rhodonkuchen sind ja in ganz Ostwestfalen berüchtigt! Nun hatte aber ein gnädiger Schutzengel einen Kurzschluß in diesen Backofen gemacht, und so gab et denn richtigen Kuchen, vom Bäcker.

Ich will gerade in die Stachelbeertorte reinhauen, da steht der Pastor auf und hält ’ne Rede! Ja, ’ne halbe Stunde hat er sich aber drangehalten! Und wie er so gerade im schönsten Schwunge war und sagt, und wie denn die äußeren Zeichen des Abendmahles sind Brot und Wein, so sind denn die äußeren Zeichen der Taufe … Da sag ich ganz laut, Kaffee und Kuchen!

Ich glaube, der hätte mich auffe Stelle exkommuniziert, wenn ich nicht noch so’nen Stein im Brett gehabt hätte, vonne Bibel! Mein Bruder und ich, wir haben ihm dann später immer heimlich Weinbrand in seinen Kaffee getan, dat hat er gar nicht gemerkt! War er nur immer dran, kann ich wohl noch ein Täßchen haben? Na, so 12 Dinger hat er sich aber reingeschnubbelt! Und dann saß er da, Nase wie’n Himbeerlutscher und hatte ein Späßken! War er am Singen, bis früh um fünfe, kleine Maus, halleluja! Und meine Schwägerin war sauer! Sagt se, mit Kaffeemaschine ging dat ja auch alles schneller! Oh, dat hat er aber gehört, unser Pastor, zieht sich so am Tischtuch hoch und donnert, wie spricht der Herr, im Schweiße eures Angesichtes sollt ihr euren Kaffee kochen! Na ja, er ist dann bald gegangen, mußte wohl noch eine Predigt vorbereiten, und so waren wir nur noch zu dritt, Kinder waren ja auch schon schlafen, und da haben wir Monopoly gespielt. Da ist mir meine Schwägerin dreimal auffe Schloßallee gelatscht! Am Ende mit Hotel, da war se kaputt! Und so war et doch noch eine schöne Taufe. In diesem Sinne.

Hubert Lippenblüter und die Tierwelt

Letztens steh ich wieder mit Husemanns Willi, der dat Sportgeschäft hat, und Beckmanns Jupp aus’n Kegelklub im Kühlen Grund anne Theke, wir hatten auch wieder ordentlich die Lampen an, und da kommt man ja leicht ins Philosophieren.

Ameisen, sagt Beckmanns Jupp plötzlich, Ameisen, die schleppen Holzstücke, die 50mal schwerer sind, wie se selber. Wat lernt uns dat? Ich sag, höchstens, dat die keine Gewerkschaft haben. Ach, sagt er, du immer mit deine Politik, dabei können wir ausse Tierwelt so viel lernen. Nimm nur mal diese Spinnen, wo dat Weibchen dem Männchen nach der Hochzeit den Kopf abbeißt. Nun muß man wissen, dat Beckmanns Jupp seit 15 Jahren mit so einem richtigen Besen verheiratet ist, da wird man natürlich ein bißchen wunderlich mit der Zeit; er blüht auch immer richtig auf, wenn wir zwei altgedienten Junggesellen mal einen mit ihm heben, wir nehmen ihn dann immer ’n bißken hoch, dat merkt er gar nicht, ich sag also, Jupp, du hast ja ganz recht, ist dir aber auch schon mal aufgefallen, dat dat Männchen inne Tierwelt immer viel schöner ist, als das Weibchen? Der Hahn, der Pfau, oder der Löwe, dat ist doch alles gar kein Vergleich. Und ich komm so richtig in Schwung und merke gar nicht, dat sich von hinten Fräulein Liesenkötter, die Lehrerin von nebenan, auch ledig, angeschlichen hat und ganz aufmerksam zuhört.

Wie ich dat merke, kriege ich gleich ein Schweißausbruch, weil ich ja weiß, wat jetzt wieder kommen muß. Und et kommt. Dat war ja alles sehr interessant, Herr Lippenblüter, sagt se, aber jetzt verraten Sie mir doch mal, was uns dat lernen soll, wie sie immer so schön sagen, oder wollen Sie etwa behaupten, daß beim Menschen das Männchen auch schöner und prächtiger ist? Da lach ich aber. Ich sage, lachen Sie nur, liebes Fräulein Liesenkötter, Sie als Lehrerin wissen doch sicher, dat dat männliche Gehirn zum Beispiel größer ist, als dat weibliche, wat sagen Sie denn dazu? Dazu sage ich, sagt se, dat man daran sehr deutlich sieht, dat et nicht auf die Größe ankommt, Herr Lippenblüter.

Die beiden anderen lachen sich kaputt, und gerade Husemanns Willi, der hat et ja nun nötig, aber egal, ich sage nur, Fräulein Liesenkötter, ich möchte ja nicht wissen, wat die Kinder bei einer Lehrerin lernen, die sich wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber taub und blind stellt, im 20. Jahrhundert. Sagt se, Herr Lippenblüter, dat ist ja wat ganz Neues, dat Sie sich plötzlich für Kinder interessieren, ich denke, Sie haben wat gegen Ehe und Familie? Wieso eigentlich, dat wollte ich Sie immer schon mal fragen. Ich hole gerade Luft für einen gesalzenen Vortrag, habe dat Bierglas noch am Mund, mischt sich Beckmanns Jupp ein, ausgerechnet der alte Eheknüppel, meint, er müßte auch wat sagen. Sagt er: Der Starke ist am mächtigsten allein! Fräulein Liesenkötter grinst ihn an und sagt, nicht nur der Starke, Herr Beckmann, auch der Pantoffelheld! Also Husemanns Willi und ich, wir haben ja geschrien vor Lachen, und gerade, wo ausgerechnet in diesem Moment Jupps Frau zur Türe reingerauscht kommt, so eine richtige Butterregistertonne, und donnert, Josef, et ist Zeit!

Also in solchen Momenten kann und will ich Fräulein Liesenkötter meinen Respekt nicht versagen, Mutterwitz hat se, ich war schon fast so weit, ihr einen auszugeben, und frage ganz freundlich, Fräulein Liesenkötter, haben Sie nicht manchmal dat Bedürfnis, ein Mann zu sein? Nee, sagt se, Sie denn? Husemanns Willi, der Idiot, verschluckt sich vor Lachen, ich hab ihr natürlich keinen ausgegeben, wat zuviel ist, ist zuviel, se zog dann auch ab, und wir haben dann zwei Doppelkorn lang stumm anne Theke gesessen. Auf einmal sagt Husemanns Willi, also dat Fräulein Liesenkötter, alle Achtung, die ist ja nicht aufn Mund gefallen. Manchmal könnt die mir richtig gefallen. Ich hab gar nichts gesagt, weil mir gefällt se ja auch, aber ich bin eben nicht der Typ, der seine geheimsten Wünsche jedem Penner auffe Nase bindet.

Na ja, dann ham wer noch überlegt, wat se nun den Kindern wirklich beibringt, ist ja heutzutage sicher nicht ganz einfach für so’n Lehrer, früher konnten die noch mit der Geschichte landen, wie der erste Mensch entstanden ist, heut wollen die Kinder davon ja gar nix mehr hören, die interessiert viel mehr, wie der dritte Mensch entstanden ist, aber dat wird Fräulien Liesenkötter ihnen ja sicher erklären können, dazu ist se bestimmt Manns genug. In diesem Sinne.

Hubert Lippenblüter und der Ladendiebstahl

Ich weiß nich, ob Sie sich jemals klargemacht haben, dat die 10 Gebote relativ sind, mir geht dat jedenfalls so, dat mir manchmal, so an bestimmten Tagen, die ganze Ethik durcheinanderkommt. Dat heißt, alles, wat man so als Kind eingebimst gekriegt hat und wat eigentlich im Stahlbad eines langen Postbeamtendaseins erhärtet sein sollte, ist plötzlich am Schwanken und am Bröckeln. Letztens zum Beispiel: Gegenüber von meiner Post ist doch so ein Supermarkt. Die Dinger kennen Sie ja, draußen hängt immer ein Haufen Plakate mit Sonderangeboten, dafür sind die anderen Sachen dann alle etwas teurer.

Ich brauchte jedenfalls nur fettarme Milch, Magerjoghurt und ein Fläschchen Doppelkorn, und steh mit meine drei Brocken schon anne Kasse, bezahl auch, geh durch und fang an einzupacken, sind da hinter mir so zwei Mädels, 14 oder 15, so genau guck ich da ja nich, die eine war wohl blond, hatte so nette Sommersprossen und so einen Strampelanzug an, wie die Blagen dat heute ja alle haben, und die andere hatte ganz kurze rote Haare und war enorm entwickelt für ihr Alter, also wat man so beim flüchtigen Hinsehen sehen konnte. Also genau weiß ich nun auch nicht mehr, wat da jetzt war, ich krieg nur mit, wie eine Kundin, so eine widerliche alte Schachtel, die sah aber wirklich genauso aus, wie man sich eine Hexe vorstellt, da fehlte nur noch die Katze auffe Schulter, wie die Alte also nun der Kassiererin wat zutuschelt und dabei auf dat erste Mädelchen zeigt. Die Verkäuferin, haargenau derselbe Typ, wie die andere, die war auch bei mir schon so unfreundlich gewesen, sagt se zu dem Mädelchen, laß mich doch mal in deine Handtasche gucken und packt aber im selben Moment auch schon hin. Die nich faul, reißt sich los, will durch die Kasse durch, muß aber an mir vorbei, und ich steh da ja noch mitten im Weg und bin am Packen. Die Verkäuferin ist am Schreien, als ob se einer abstechen wollte: Herr Schneider, Herr Schneider; da kommt auch schon von links so einer im weißen Kittel und mit Nickelbrille angeschossen, tja, wat hätten Sie getan?

Dat Mädelchen guckt mich an, mit so ein Blick, wie ein Reh immer guckt, im Kino, wenn die Armbrust des Jägers ihm schon im Herzen steckt, oder so ähnlich, dat hamse sicher alle schon mal gesehen, wenigstens im Kino. Jedenfalls so guckte die und ich mach schön einen Schritt zur Seite, so dat se rausflutschen kann, gleichzeitig steck ich aber auch die Hüfte so’n bißken raus, dat mir Herr Schneider volle Möhre dagegenläuft, etwas Zufall war nun allerdings wirklich auch dabei, jedenfalls fliegt mir die Magermilchtüte in hohen Bogen ausse Hand, durch den halben Laden und geht natürlich kaputt.

Dat Mädelchen war längst glücklich ausse Türe raus, und ich hatte Späßken und fing an zu zetern, wegen meine Milchtüte. Nun war da ja noch dat andere Mädchen, und die blieb ganz ruhig stehen, als wenn gar nix wär und legt dat Eis, wat se da hat, ganz ruhig auf die Kasse und will bezahlen, und die alten Weiber sind alle am Keifen, vonwegen verdorbene Jugend, einsperren und unter Adolf wär dat nich gewesen und all die Sprüche. Und die Verkäuferin fällt über se her, wo se wohnt und wie se hieß, und vor allem wie die Freundin hieß, und wie se nun auch ihre Handtasche aufmachen soll, bleibt die ganz ruhig und sagt, wat wollen Sie, ich kenn die gar nicht, also die andere, der ich praktisch die Freiheit geschenkt hatte, und dat et überhaupt eine Unverschämtheit wäre, und ihr Eis könnten sie sich vors Knie nageln. Und hocherhobenen Hauptes stolziert se raus.

Die alten Weiber hätten Sie mal erleben sollen, die kriegten sich gar nicht mehr ein, und dann quatschte die, die die eine verpfiffen hatte, mich noch an, fragt se, ob ich dat nich auch skandalös fände, und die Jugend überhaupt. Ich sag, Sie tun grad so, als ob dat ihr Laden wäre. Diese Supermärkte, sag ich, ziehn uns doch weiß Gott genug Geld ausse Tasche, und Sie machen noch den Büttel. Ich sag, die kalkulieren dat doch ein, dat geklaut wird, so wie die die Bömskes schon hinlegen, damit auch ja die Zweijährigen schön bequem drankommen. Da guckt die Alte mich an, als wär ich King Kong.

Wie ich rauskomm, stehen doch an der nächsten Ecke die beiden Mädels und feixen. Ich sag, schämt ihr euch eigentlich gar nicht, einfach klauen, dat is doch wohl keine Art. Und da sagt die mitte Rehaugen, statt nun zu sagen, Sie haben ja ganz Recht, Herr Lippenblüter, war trotzdem sehr kumpelig, dat Sie mir dat Leben gerettet haben, sagt die doch glatt: Ist dat vielleicht dein Laden, Opa, spul dich bloß nich auf. Sehense, und deshalb sagte ich anfangs, finde ich manchmal die 10 Gebote relativ. In diesem Sinne.

Hubert Lippenblüter und die U-Bahn

Also mich fragt ja keiner, aber dat sind die Leute selbst in Schuld, dat se sich unnötig Arbeit machen, diese ganzen Psychologen. Da gibt’s ja jede Menge von, bei der Berufsberatung, für die Kinder inne Schule, anne Universität, bei der Bundeswehr, jeder Betrieb hat einen, und die haben den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als festzustellen, ob man geeignet ist, und wenn nein, warum nicht und wofür denn sonst. Da machen die die kompliziertesten Sachen, so Tests, wo se einem irgendwelches Gekrakel zeigen und fragen, ob man sich da vielleicht etwas Unanständiges vorstellen könnte. Ja, wat soll man da sagen? Sagt man, sicher doch, ist man ein Ferkel und kommt für den Beruf eines Weihbischofs schon gleich nicht in Frage, sagt man nein, ist man ein Lügner. Unfair sowat. Dat wäre alles überhaupt nicht nötig, wenn in Zukunft der sogenannte Lippenblütersche Eignungstest verwendet würde.

Aber ich muß wohl etwas weiter ausholen, damit Sie mir überhaupt folgen können. Wir haben doch unseren letzten Ausflug vom Kegelclub aus, den haben wir doch nach Berlin gemacht. Da muß ich ihnen sowieso noch ein paar Amoröllchen erzählen, mein lieber Vater, dat ist ja eine aufregende Stadt, aber dat erzähle ich Ihnen dann ein andermal. Worauf ich hinauswollte, ist die U-Bahn. Ich weiß nicht, ob Sie so was kennen, Sie müssen sich dat so vorstellen, wie wenn man eine elektrische Eisenbahn bei sich zu Haus im Keller aufgebaut hätte, nur viel, viel größer. Und da gibt et natürlich auch entsprechend geschultes Personal. Wenn nun so ein U-Bahnzug angesaust kommt und steht, dann brüllt der Stationsvorsteher z.B. Zoologischer Garten, Anschluß in Richtung Ruhleben oder Schlesisches Tor und wie se alle heißen, die ganzen Stationen. Und nun strömen also die Fahrgäste aus den Waggons heraus bzw. hinein. Dann geht dat dem Stationsvorsteher aber nich flott genug, und er brüllt in sein Mikrophon: «Einsteigen, einsteigen», und dann gibt er den Leuten noch 10 Sekunden Zeit und dann schreit er ganz laut: «Richtung Steglitz zurückbleiben, zurückbleiben.» Dann schließen automatisch die Türen vonne U-Bahn. Nun ist aber die Zeitspanne zwischen dem «Einsteigen» und dem «Zurückbleiben» nicht immer gleich lang, dat heißt, die zehn Sekunden können auch schon mal 15 sein, oder 8, dat richtet sich nach der Gutmütigkeit des Stationsvorstehers, also dat weiß vorher keiner, und darauf beruht der Lippenblütersche Eignungstest.

Ich habe nämlich stundenlang da gesessen und mir angeguckt, wie die Leute sich in dieser ungewissen Zeitspanne verhalten. Ich meine natürlich nicht die, die da schon vor der Türe stehen, sondern die, die bei dem Wort «Einsteigen» gerade die Treppe runtergerannt kommen und jetzt noch einen Spurt von ungefähr 50 Metern vor sich haben. Und dat Verhalten auf diesen 50 Metern gibt zuverlässig Auskunft über die gesamte Einstellung zum Leben.

Da gibt es also die, die kraftvoll losbrausen, bei «Zurückbleiben» kurz vorm Ziel sind, einen mächtigen Sprung machen – und dann knallen se entweder vor die Tür, die ja schon fast zu ist, oder se kriegen eine Schulter dazwischengezwängt, und dann können se den Rest vom Körper entweder sofort, oder aber bei der nächsten Station ebenfalls ins Wageninnere ziehen. Dat ist der Typ Mensch, der unbedingt an sein Ziel will, egal, wie bescheuert er dabei unter Umständen aussieht. Dat ist der, der in Amerika erst Tellerwäscher und dann Millionär wird. Oder umgekehrt, weil er sich verspekuliert hat.