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Mit dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist das inklusive Bildungssystem zum Leitbild der Bildungspolitik geworden. Nicht nur die Heil- und Sonderpädagogik, auch die Schulpädagogik sowie Fachdidaktiken müssen sich auf das gemeinsame Lernen in der Schule für alle Kinder einstellen. Die Zielsetzung der Inklusion wirkt sich sowohl im Rückblick auf die bisherige Geschichte der heil- und sonderpädagogischen Institutionen als auch bezogen auf die Analyse des gegenwärtigen Entwicklungsstandes der schulischen Organisationsformen individueller Förderung verändernd aus. Ebenso wie die Schulorganisation bedarf unter inklusiver Perspektive auch der Unterricht der Innovation. Zu jedem dieser Aspekte werden die derzeit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse konsequent mit Praxisbeispielen im Sinne von ''best practice'' verbunden. Der Band richtet sich sowohl an Studierende, Referendare und Lehrende aller heil- und sonderpädagogischen Studiengänge als auch an Studierende und Lehrende aller anderen Lehrämter.
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Seitenzahl: 356
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Praxis Heilpädagogik – Handlungsfelder
Herausgegeben von
Heinrich Greving
2. Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-025725-2
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-025726-9
epub: ISBN 978-3-17-025727-6
mobi: ISBN 978-3-17-025728-3
Vorwort
Einleitung: Inklusion und Sonderpädagogik
Ulrich Heimlich
1 Geschichte der heil- und sonderpädagogischen Institutionen im schulischen Bereich
Sieglind Luise Ellger-Rüttgardt
2 Schulische Organisationsformen sonderpädagogischer Förderung auf dem Weg zur Inklusion
Ulrich Heimlich
3 Von der Förderschule zum inklusiven Bildungssystem – die Perspektive der Schulentwicklung
Gottfried Biewer & Helga Fasching
4 Inklusionsdidaktische Netze – Konturen eines Unterrichts für alle (dargestellt am Beispiel des Sachunterrichts)
Joachim Kahlert & Ulrich Heimlich
5 Sonderpädagogische Professionalität und Inklusion: Welchen Beitrag leistet das Studium der Sonderpädagogik?
Ewald Kiel, Sabine Weiß & Agnes Braune
Autorenverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Seit 2009 ist die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN-BRK) nunmehr auch in Deutschland in Kraft. Alle Länder der Bundesrepublik Deutschland und alle staatlichen Gliederungen bis hin zu den Kommunen haben sich damit zu der völkerrechtlichen Verpflichtung bekannt, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft aktiv zu unterstützen und voranzutreiben.
Besonders hoch schlagen gegenwärtig die Wellen der Diskussion über die Umgestaltung des Bildungssystems. Ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen, wie es in Artikel 24 der VN-BRK gefordert wird, muss in Deutschland erst entwickelt werden. Allenthalben wird davon ausgegangen, dass damit vor allem eine grundlegende Reform des Schulsystems einhergehen soll. Die Erfahrungen mit solchen Schulreformen in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland lehren allerdings, dass hochfliegende Pläne nicht selten an mangelhaften Ressourcen scheitern. Auch die Träger der Reform, die Lehrkräfte, Eltern und nicht zuletzt die Schüler/-innen, wurden nur selten als aktiv Beteiligte und Motoren der Reform umfassend eingebunden. Soll die inklusive Schulreform gelingen, so ist es unbedingt erforderlich, alle Beteiligten miteinzubeziehen. Nur im Zusammenwirken der pädagogischen Fachkräfte mit den Eltern, den Schülerinnen und Schülern und der Schuladministration besteht eine Chance, die Inklusion von Kindern und Jugendlichen im Bildungssystem wirksam weiterzuentwickeln.
Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei, dass das deutsche Bildungssystem nach 1945 im europäischen Vergleich eine spezifische Struktur ausgebildet hat. Das gilt sowohl für die Dreigliedrigkeit ab Klasse 5 mit der Differenzierung von Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien als auch für das differenzierte Förderschulsystem mit nahezu je einer Förderschule für jede Behinderungsart. Auch die vorhandenen personellen sowie materiellen Ressourcen und die professionellen Kompetenzen sind von dieser Struktur abhängig und werden sicher nur schrittweise in einen Reformprozess eingebunden werden können. Die Autoren und Autorinnen dieses Buches gehen miteinander davon aus, dass der Inklusionsprozess in erster Linie eine Aufgabe der allgemeinen Schulen und ihrer Unterstützungssysteme ist. Ebenso stimmen wir allerdings darin überein, dass die Inklusion in Schulen im deutschsprachigen Raum nur mit Unterstützung der sonderpädagogischen Fachkompetenz gelingen wird.
Deshalb erfolgt an dieser Stelle zunächst eine Klärung des Zusammenhangs von Inklusion und Sonderpädagogik (Ulrich Heimlich: Einleitung), bevor in einem historischen Rückblick gezeigt wird, wie sich sonderpädagogische Förderung von der Entstehungszeit bis in die Gegenwart hinein immer wieder verändert hat (Sieglind Luise Ellger-Rüttgardt: Geschichte der heil- und sonderpädagogischen Institutionen im schulischen Bereich). Sodann wird der heutige Stand der Entwicklung sonderpädagogischer Organisationsformen bilanziert und auf die zukünftige Entwicklung hin zur Inklusion bezogen (Ulrich Heimlich: Schulische Organisationsformen sonderpädagogischer Förderung auf dem Weg zur Inklusion). Zur konkreten Umsetzung der inklusiven Schulreform sind darauf aufbauend zwei Schritte erforderlich: Zunächst muss die Inklusion als Aufgabe der Schulentwicklung und damit als Prozess der Veränderung eines Systems betrachtet werden (Gottfried Biewer & Helga Fasching: Von der Förderschule zum inklusiven Bildungssystem – die Perspektive der Schulentwicklung). Des Weiteren bedeutet Inklusion in der Schule eine grundlegende Veränderung des Unterrichts wie auch seiner Methodik und Didaktik, um für alle Schüler/-innen einen Zugang zu den Bildungsinhalten zu eröffnen (Joachim Kahlert & Ulrich Heimlich: Inklusionsdidaktische Netze – Konturen eines Unterrichts für alle). Schließlich stellt sich die Frage nach der professionellen Qualifikation für eine inklusive Schule und einen inklusiven Unterricht, wobei davon ausgegangen werden muss, dass hier durchaus eine Vielfalt an Kompetenzprofilen vorzuhalten ist (Ewald Kiel, Sabine Weiß & Agnes Braune: Sonderpädagogische Professionalität und Inklusion: Welchen Beitrag leistet das Studium der Sonderpädagogik?). Die Beiträge verbinden jeweils grundlegende Aussagen mit Befunden der Forschung und Ansätzen zur praktischen Umsetzung. Kurze Inhaltsübersichten leiten das jeweilige Thema ein. Die ausführliche Literaturliste am Schluss der einzelnen Kapitel eröffnet auch Perspektiven für die weitere Vertiefung der Thematik. Ein großer Dank geht an Petra Weidner und Andrea Bistrich, die das aufwändige Korrekturlesen übernommen haben.
Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir mit der Unterzeichnung der VN-BRK am Anfang eines Prozesses der Schulreform stehen. Nicht nur in den Schulen ist dazu ein Dialog aller Beteiligten erforderlich. Auch die einzelnen Disziplinen der Erziehungswissenschaft sollten versuchen, begleitend zu dieser Reform wieder intensiver ins Gespräch zu kommen. Der vorliegende Band versteht sich als Einladung dazu.
München, im Januar 2012
Ulrich Heimlich, Joachim Kahlert
Vorbemerkung
1 Inklusive Bildung – Zielsetzungen
2 Sonderpädagogische Förderung in Deutschland seit 1994 – Ausgangsbedingungen
3 Perspektiven zur Umsetzung der VN-Konvention – nächste Schritte
Ausblick: Dialog zur inklusiven Bildung zwischen Schulpädagogik und Sonderpädagogik?
Literatur
Mit Inkrafttreten der „VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (VN-BRK)“ im Jahre 2009 tritt die sonderpädagogische Förderung in Deutschland in ein neues Entwicklungsstadium ein. Vorrang hat nunmehr die Gestaltung eines inklusiven Bildungssystems auf allen Ebenen, wie es in Artikel 24 der VN-BRK gefordert wird. Die Konvention fungiert nach der Ratifizierung im Range eines Bundesgesetzes. Insofern ergibt sich eine rechtliche Verpflichtung in Deutschland, die Ziele der Konvention politisch umzusetzen. Diese Verpflichtung gilt ebenso für die Bundesländer. Im föderalistisch strukturierten Deutschland hat zwar die Kulturhoheit der Bundesländer nach wie vor einen hohen Stellenwert bei der Gestaltung der Bildungspolitik. Zugleich macht die VN-BRK aber auch deutlich, dass sich die Bildungspolitik zunehmend globalisiert und international vernetzt (vgl. Ellger-Rüttgardt 2008). Insofern sieht sich die sonderpädagogische Förderung in Deutschland ebenfalls in ein Spannungsverhältnis von regionalen und internationalen Politikebenen eingebunden. Der Blick über die Grenzen beispielsweise in die europäischen Nachbarländer wird in Zukunft wohl zum festen Bestandteil in der Weiterentwicklung der eigenen Konzepte und Strukturen zählen müssen (vgl. Biewer 2009; Bürli/Strasser/Stein 2009).
Das gilt umso mehr, als Deutschland nach 1945 europaweit mit dem Aufbau eines differenzierten „Sonderschulsystems“ einen eigenständigen Weg beschritten hat. Dies ist zugleich die Ausgangssituation für die inklusive Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung. Nach wie vor besuchen in Deutschland etwa 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Förderschulen und nur ca. 20 Prozent die allgemeinen Schulen. In einem inklusiven Bildungssystem müsste dieser Anteil umgekehrt werden: 80 Prozent besuchen die allgemeinen Schulen und nur 20 Prozent Förderschulen. In vielen europäischen Nachbarländern wird derzeit nicht mehr darüber diskutiert, ob die inklusive Bildung im gesamten Bildungssystem realisiert werden soll, sondern vielmehr über die Frage, wie dieses allgemein akzeptierte Ziel realisiert werden kann. Die Entwicklung inklusiver Schulen ist zu einer globalen Bewegung angewachsen. Viele praktische Schulbeispiele auch aus armen Regionen der Erde zeigen, dass inklusive Schulen entwickelt werden können und nicht an geringen Mitteln scheitern müssen (vgl. die umfangreiche Projektdokumentation bei Richard Rieser 2008). Zugleich wird beim genaueren Blick in diese inklusiven Schulprojekte deutlich, dass auch die Arbeit in inklusiven Schulen nicht ohne sonderpädagogische Förderung im Sinne von „special needs education“ auskommt. Inklusive Bildung ist deshalb kein Plädoyer für die Abschaffung der Sonderpädagogik, sondern vielmehr eine Aufforderung, sich zu modernisieren und sich an einem pädagogischen Reformprozess von gesamtgesellschaftlichen Ausmaßen zu beteiligen.
Vergessen wird bei der aktuellen bildungspolitischen Debatte zur Inklusion in Deutschland allerdings noch häufig, dass nicht nur die Sonderpädagogik vor einem Wandlungsprozess steht, sondern auch die allgemeine Pädagogik und die allgemeinen Schulen verändert werden müssen. Inklusive Schulen zu entwickeln bedeutet sicher, dass Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen und sonderpädagogische Fachkompetenz zum festen Bestandteil aller allgemeinen Schulen auf allen Ebenen des Bildungssystems werden müssen. Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen dürfen nicht länger nur stundenweise in allgemeinen Schulen sein, sondern müssen vielmehr mit ihrer gesamten Stundenzahl dem System „allgemeine Schule“ zugeordnet werden. Aber letztlich zielt auch diese Neuorientierung der Sonderpädagogik auf eine Veränderung der allgemeinen Schulen ab. Wie diese Veränderung aussehen könnte und welche Rolle die Sonderpädagogik dabei spielt, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Zielsetzung ist dabei, der Forderung der VN-BRK nach einem inklusiven Bildungssystem Nachdruck zu verleihen und zugleich ein konkretes Entwicklungsprogramm vorzustellen, das die Bildungspolitik und Schulentwicklung der nächsten Jahre unterstützen kann.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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