Irdisches Vergnügen in Gott - Barthold Heinrich Brockes - E-Book

Irdisches Vergnügen in Gott E-Book

Barthold Heinrich Brockes

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Beschreibung

Das Irdische Vergnügen ist eine Sammlung verschiedener Gedichte, die in insgesamt neun Bänden von 1721 bis 1748 erschien. Neben den Gedichten, die Brockes selbst verfasst hat, wurden auch Übersetzungen aufgenommen. So finden sich im ersten Band elf Fabeln von Antoine de La Motte-Houdart (1672-1731), im zweiten moralisierende Prosastücke aus dem Englischen und Französischen, im dritten die Übersetzung von Grund-Sätzen der Weltweisheit des Herrn Abts Genest, im siebten Übersetzungen der Night Thoughts von Edward Young und im achten eine kurze Robinsonade. Der neunte Band enthält im Anhang einige Aphorismen. (aus wikipedia.de)

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Irdisches Vergnügen in Gott

Barthold Heinrich Brockes

Inhalt:

Barthold Heinrich Brockes – Biografie und Bibliografie

Irdisches Vergnügen in Gott

Vorbericht

Die uns zur Andacht reitzende Vergnügung des Gehörs im Frühlinge, in einem Sing-Gedichte

Lieblichkeiten des Frühlings

Die unsere Seele, durchs Gesicht, zur Ehre Gottes aufmunternde Schönheit der Felder, im Frühlinge

Das Wasser im Frühlinge

Sing-Gedichte à 2

Die Nachtigall, und derselben Wett-Streit gegen einander

Die Luft

Das unverhoffte Grün

Die Käiser-Krone

Die Rose

Der weisse Rosen-Busch

Der Morgen

Die Muscat-Hyacinthe

Die Trauben-Hyacinthe

Fabel

Mancherley Vorwürfe der Sinnen

Der Garten

Blühende Pfirschen und Apricosen

Der Frosch

Mops

Die redende Bluhme

Zufällige Gedancken über zwey nach Grönland abseegelnde Schiffe

Der gestirnte Himmel

Die himmlische Schrift

Die Berge

Der Sommer

Ein alter umgeweheter Kirsch-Baum

Die, durch eine schöne Landschaft in der Luft, vermehrte Schönheit einer irdischen Landschaft

Der Wolcken- und Luft-Himmel

Hirten-Gedicht. Als der grosse und gelehrte Fürst, Günther, zu Schwartzburg, die Göttlichen Wunder, in Vermehrung des Getraides, von mir betrachtet, verlangte

Garten-Bluhmen, aus blossem Wasser, sonder Erde, gewachsen

Die Sonne

Vermehrung vergnügter Tage

Der Mittag

Der Fisch-Teich

Der Wald

Betrachtung des Blanckenburgischen Marmors, in einem Hirten-Gedichte

Der lehrende Schmetterling

Das Grosse und Kleine

Die Allee

Betrachtung der Vögel

Belehrendes Gleichniß

Die Mah-Bluhme

Die auf ein starckes Ungewitter erfolgte Stille

Gesang zur Zeit des Ungewitters

Ephemeris

Das Eulchen

Spiel der Natur, in verschiedener Thiere verschiedener Bewegung

Abschied vom Garten

Schönheit der zur Abend-Zeit hinter einem Gebüsche hervorstrahlenden Sonne

Der gelbe Mah

Der Gold-Käfer

Hans und Mops

Roß-Käfer

Der verstockte Chrysander

Ein fester Vorsatz

Der Herbst

Fußnoten

Die Wein-Rebe

Der Kürbis

Schmuck der Seele

Die Welt

Die Seifen-Blase

Der Abend

Die schnelle Veränderung

Ein neblichtes und schlackriges Wetter

Aurikeln im Herbst

Zum Herbst: Fabel

Eine Schüssel mit Früchten

Samen-Gehäuse

Das Wasser

Das herrliche Geschöpf des Tockayer-Weins, in einem Hirten-Gedichte, auf gnädigstes Verlangen des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Günthers, Fürsten zu Schwartzburg etc. etc. etc.

Die wächserne Anatomie

Betrachtung wallender Wasser-Wogen

Erbauliche Betrachtung schnell-vergehender Wolcken

Der geschlagene Hund

Der Regen

Der Winter

Die Hyacinthe. Als Sein Gärtner Ihm bereits im Jenner einen Blumen-Topf mit schon aufgeblühten Hyacinten brachte

Betrachtung einer sonderbar-schönen Winter-Landschaft

Winter-Vergnügen im Zimmer

Das Norder-Licht

Das Treib-Eis

Die gefrornen Fenster

Das Firmament

Der Zweifel

Sinnreiche Bestrafung der Unachtsamkeit

Das Feuer

Gottes Allgegenwart

Die Welt ist allezeit schön

Gottes Grösse

Der Tag, der gestern vergangen

Alart

Das Fieber

Der Zahn

Der älteste Gottes-Dienst

Helden-Gedichte

Das Kind

Die lehrenden Ruinen

Die Erde

Der Sand

Betrachtung der Veränderung der Zeiten, samt dem Nutzen und der Lustbarkeit derselben

Nützliche Eintheilung der Zeit

Erwegung einiger von Gott, auch denen armen Menschen, alle Tage gegönneten Ergetz- und Bequemlichkeiten

Nützliche Ungewißheit

Der Mensch

1. Das Gesicht

2. Der Geruch

III. Das Gehör

4. Der Geschmack

5. Das Gefühl

Beschluß

Der Geitz-Hals

Betrachtung des Mondscheins in einer angenehmen Frühlings-Nacht. Sing-Gedichte

Die Bewegung der Sternen

Erklärung des Vater Unsers

Gottes Grösse in den Wassern

Die Zufriedenheit

Zu viel und zu wenig

Gedanken über einen Hof voll Feder-Vieh, absonderlich über die Schönheit des Pfauen, bey Gelegenheit, als mir eine Rußische, Türckische und Grönländische Gans geschencket worden

Das Menschliche Wissen

Die Ewigkeit aus dem Frantzösischen

Irrthum der Eigen-Liebe

Frösche

Der Sonnen-Zeiger

Nacht-Wanderer

Unverantwortliche Unempfindlichkeit der Menschen, über entferntes Unglück

Kirsch-Blühte bey der Nacht

Irdisches Vergnügen in Gott, B. H. Brockes

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849604905

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Barthold Heinrich Brockes – Biografie und Bibliografie

Deutscher Dichter, geb. 22. Sept. 1680 in Hamburg, gest. daselbst 16. Jan. 1747, machte große Reisen, kehrte gegen Ende 1704 nach Hamburg zurück, wurde hier später in den Senat gewählt und mit mehreren Sendungen nach Wien (1721), Kopenhagen (1724), Berlin und Hannover beauftragt, außerdem mit städtischen Ämtern (1728 und 1729 mit der städtischen Prätur) betraut und endlich Ostern 1735 zum Amtmann in Ritzebüttel (auf 6 Jahre) ernannt (vgl. Hindrichson, B. und das Amt Ritzebüttel, Kuxhav. 1897–99,3 Hefte). Hier verfasste er sein »Landleben zu Ritzebüttel«, eine Reihe z. T. recht gelungener Bilder und Szenen des Meeres. Nach seiner Rückkehr von Ritzebüttel ward er 1741 zum Befehlshaber des Bürgermilitärs, 1743 zum Protoscholarchen ernannt. Seine Dichtungen u. d. T.: »Irdisches Vergnügen in Gott« (Hamb. 1721–48, 9 Bde.) gehören in formeller und sprachlicher Beziehung dem Übergang von der Nachahmung der Italiener zu der der Franzosen an, zeichnen sich aber durch einen Kern selbständiger poetischer Empfindung aus und bezeichnen, trotz ihrer teleologischen Einseitigkeit, eine wichtige Etappe in der Entwickelung des religiösen Naturgefühls. B. übersetzte auch Marinis »Bethlehemitischen Kindermord« (Köln u. Hamb. 1715), den »Versuch vom Menschen des Herrn Pope« (Hamb. 1740) und Thomsons »Jahreszeiten« (das. 1745). Außerdem schrieb er noch ein Passionsoratorium: »Der für die Sünden der Welt gemarterte sterbende Jesus« (Hamb. 1712), das zahlreiche Auflagen erlebte, und »Schwanengesang, in einer Anleitung zum vergnügten und gelassenen Sterben« (das. 1747). Seine Selbstbiographie gab Lappenberg in der »Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte« (Bd. 2, Hamb. 1847) heraus. Vgl. Brandl, Barth. Heinrich B. (Innsbr. 1878); Strauß, B. und H. S. Reimarus (»Gesammelte Schriften«, Bd. 2), wo der Zusammenhang zwischen B. und diesem Hauptvertreter des Rationalismus nachgewiesen wird.

Irdisches Vergnügen in Gott

 An Ihro Reichs-Hoch-Gräfl. Excellentz

 Herrn Albrecht Wolffgang

 Grafen zu Schaumburg, Lippe und Sternberg,

 des Königl. Preußischen schwartzen Adler-Ordens

 Rittern, Obristen über ein Regiment der Herren

 General-Staaten der Vereinigten

 Niederlande.

Großer Graf!

Erhabner Geist!

Auszug dessen, was die Welt

An Verdienst und Seelen-Größe, groß und für vortrefflich hält;

Der, an Wissenschaft, Erfahrung, Muth, Vernunft, Person und Stande,

Tugend, Menschen-Lieb' und Großmuth, unserm gantzen Teutschen Lande

Selbst ein Irdisches Vergnügen! Dir auf Dein gehofft Belieben,

Wird, des Irdischen Vergnügens Auszug, billig zugeschrieben.

B.H. Brockes.

Vorbericht

Die Verdienste Sr. Hochweish. des Herrn Brockes verpflichten die Andacht, die Wahrheit und die deutsche Dichtkunst zu einer unendlichen Hochachtung gegen diesen so glücklichen Beförderer ihrer Absichten, und die würdigsten Bekenner eines vernünftigen Gottesdienstes sind eben diejenigen gewesen, so die Hoheit und Stärke Seiner Lehrart jederzeit auf das lebhafteste empfunden haben.

Verschiedene unter ihnen wünschten vorlängst, aus dem beliebten Irdischen Vergnügen in Gott, die fürtrefflichsten Gedichte gesammlet zu sehen.

Viele Bände pflegen manche von der Lesung des allererbaulichsten Buches gleichsam abzuschrecken. Diesen aber konnte durch einen nützlichen Auszug gerathen werden. Es entschloß sich also der Herr Verfasser, ihnen zu willfahren, und der Vorschlag der eintzelnen Stücke zu solchem Auszuge ward von Demselben meinem werthesten und gelehrten Freunde, dem Herrn Doctor Wilckens, und, aus besondrer Güte, auch mir aufgetragen.

Die völlige Genehmhaltung Sr. Hochweish. bestätigte unsre Wahl und die Vorzüge dieser Gedichte, welche unseren Zeiten, unserm Vaterlande und unsrer Sprache zu einer wahren Ehre gereichen. Hamburg, den 13ten Mertz 1738.

Hagedorn.

Einleitung

Wenn iemand irgendswo in einer Höhle,

Allwo desselben Sinn und Seele

Von aller Creatur und allem Vorwurf leer,

In steter Dämmerung erzogen wär;

Und trät' auf einmahl in die Welt,

Zumahl zur holden Frühlings-Zeit,

Und sähe dann der Sonnen Herrlichkeit,

Und säh' ein grün beblühmtes Feld,

Und sähe dick bebüschte Hügel,

Und sähe reiner Bäche Spiegel,

Durch einen Schatten-reichen Wald,

Mit seiner sich drin spiegelnden Gestalt,

Umkränzt mit glatten Binsen, fliessen,

Und sähe Flüsse sich ergiessen,

Auch ihrer Bürger schuppicht Heer;

Und säh' ein unumschräncktes Meer,

Und sähe bunte Gärten prangen,

Auch, wann die Sonn' erst untergangen,

Der Abend-Röthe güldne Pracht;

Und säh' in einer heitern Nacht

Den Wunder-schönen Sternen-Himmel;

Zusammt den Silber-reinen Glantz

Der Schatten-Sonne, wenn sie gantz;

Und hört' ein zwitscherndes Getümmel

Der Singe-Vögel, und den Schall

Der angenehmen Nachtigall,

In Luft- und Schatten-reichen Büschen,

Sich mit dem sanften Rauschen mischen,

Und hört', auf rauh- und glatten Kieseln,

Geschwinde Bäche murmelnd rieseln;

Und schmeckte tausend süsse Früchte,

Und schmeckte vielerley Gerichte,

Die Wasser, Luft und Erde geben;

Und schmeckte, voller Geist und Kraft,

Den säurlich-süssen Tranck und Saft

Der lieblichen Tockayer-Reben;

Und röche Bluhmen mancher Arten,

In Feldern, Wäldern und im Garten;

Und röch' auf Bergen und im Thal

Gesunde Kräuter ohne Zahl;

Und röche balsamirte Düfte;

Und fühlte sanfte laue Lüfte,

Und fühlte Wunder-süsse Triebe

Von einer zugelaßnen Liebe;

Und fühlte mit vergnügter Brust,

Des süssen Schlafes sanfte Lust;

Und fühlte, wann der Schlaf vorbey,

Daß er dadurch gestärcket sey,

Um alles, was so Wunder-schön,

Aufs neue wiederum zu sehn.

Auf welche sonderbare Weise

Würd' er sich nicht darob ergetzen!

Würd' er sich nicht halb selig schätzen?

Er bliebe gantz gewiß dabey,

Daß er, aufs mindst' im Paradeise,

Wo nicht schon gar im Himmel sey.

Und wir, die alle diese Gaben

Unstreitig üm und an uns haben,

Empfindens minder, als ein Stein;

Ja machen uns, an deren Stelle,

Das Paradeis fast selbst zur Hölle.

Was mag daran wohl Ursach seyn?

Die uns zur Andacht reitzende Vergnügung des Gehörs im Frühlinge, in einem Sing-Gedichte

Ps. CIV, 12.

An den Bergen sitzen die Vögel des Himmels, und singen unter den Zweigen.

Recitirende:

1. Die Aufmunterung.

2. Die Betrachtung.

Aria à 2.

Alles redet itzt und singet,

Alles tönet und erklinget,

Gott, von Deiner Wunder-Macht!

Wem ist itzt Dein Heyl verborgen?

Jeder Tag erzehlt's der Nacht,

Und die Nacht dem andern Morgen.

Aufmunterung.

So bald das güld'ne Morgen-Licht

Durch die begrau'te Dämm'rung bricht;

So bricht der Vögel muntres Heer,

Da Erd' und Luft fast aller Töne leer,

Der dunckeln Nächte tieffe Stille.

Sie öffnen gleich, nach Nacht und Nebel,

Entzücket ob der Sonnen Strahl,

Die Tön- und Lieder- reichen Schnäbel,

Und füllen Wälder, Berg' und Thal;

Es gurgeln ihre kleine Kehlen,

Des Schöpfers Wunder zu erzehlen.

Aria.

Geflügelte Bürger beblätterter Zweige,

Befiederte Sänger, ihr preiset, ihr rühmt,

Da alles belaubet, da alles beblühmt,

Die Güte des Schöpfers, und ich schweige?

Nein:

Dieß, durch die Geschöpfe, gerührte Gemühte

Lobsinget des Schöpfers allmächtiger Güte,

Und wünschet, ihm ewiglich danckbar zu seyn.

Betrachtung.

Hier flötet, lockt und singet,

Dort zwitschert, schläget, rufft und pfeift

Der Vögel schnelle Schaar, wenn sie bald fliegt, bald läuft,

Durch Laub und Blätter schlupft, vom Zweig' auf Zweige springet,

Die Hälse dreht, die Köpfgen rührt,

Vom Sehen nimmer satt, sich wundert, sich ergetzet,

Und, durch des Frühlings Pracht, fast aus sich selbst gesetzet,

Dem grossen Schöpfer danckt, und lieblich jubilirt.

Dort steigt die gurgelnde, gehaubte muntre Lerche

Lobsingend in die Luft;

Mich deucht, daß ich derselben Chöre,

Wie folget, fröhlich singen höre:

Aria.

Da wir allhier

Des Frühlings Zier

In süsser Lieblichkeit verspüren;

So wollen wir,

O Schöpfer, Dir

Zu Ehren lieblich musiciren.

A 3.

Meine Kehle soll sich rühren:

Dir zum Ruhm, zu jubiliren,

Zwitschr' und sing' ich für und für.

Hier rühmt, mit starcker Schaar,

Den warmen Sonnen-Stral der Stieglitz, Spatz und Star,

Der Dross- und Amseln Heer, die Specht' und Klapper-Störche:

So Dol' als Häher schreyt, die schnellen Schwalben schwirren,

Das kleine Zeisgen pfeift, die Wachtel lockt und schläg't,

Die Grasemücke singt, die Turtel-Tauben girren.

Kurz: Alles jauchzt, was sich in Lüften reg't.

Aria. à 2.

Auf zum Loben, zum Dancken, zum Singen,

Preiset und rühmet den herrlichen GOTT!

Nichts müss' auf der Welt erklingen,

Als Dein Ruhm, Herr Zebaoth!

Aufmunterung.

Wie aber, schweigen wir vom Wunder-Schall

Der Wälder Königinn, der Nachtigall?

Sie lässet Tag und Nacht, zu ihres Schöpfers Ehren,

Viel tausend süsse Lieder hören,

Womit sie Feld und Wald, Luft, Hertz und Ohren füllt.

Ihr kleiner Hals, woraus ein flötend Glucken quillt,

Lockt, schmeichelt, girret, lacht, singt feurig, schläg't und pfeift:

Erst zieht sie lange, dehnt und schleift,

Dann wirbelt sie den Ton, zertheilet, füg't ihn wieder,

Und ändert Wunder-schnell die angenehmen Lieder.

Fast aller Singe-Vögel Klang,

Manieren, Melodey, Gesang

Hat der Natur-Geist, wie es scheint,

In einer Nachtigall vereint.

Aria.

Unbetrügliche Wald-Sirene,

Deiner unerschöpflichen Töne

Süsses Locken lockt mein Hertz.

Durch dein künstlich- und liebliches Singen

Flieg't, auf feurigen Andachts-Schwingen,

Mein Gemüthe Himmelwärts.

Betrachtung.

Indessen wächst der Laut, da Mensch und Vieh erwacht;

Die Stille scheidet samt der Nacht;

Man höret ein verwirretes Getön

Allmählig in der Luft enstehn.

Da stellen sich in dem beblühmten Grünen,

Das, durch den Thau, geschmückt mit Demant- gleichem Schein,

Die emsigen, die unverdross'nen Bienen,

Mit sumsendem Gemurmel, ein;

Worunter bald hernach der Flügel tönend Zischen

Die schertzenden geschwinden Fliegen mischen:

Man wundert sich, wie starck ihr schwebend Gauckeln lärmt;

Die Brems' und Hummel summt, der Käfer brummt und schwärmt;

Hier brüllt ein satter Ochs; dort wiehern muntre Pferde;

Im Grase rauscht und knirscht der Biß der fetten Herde;

Es schnattern Endt' und Gans; es kräh't der frühe Hahn;

Dort bleckt ein zartes Lamm; hier meckern kleine Ziegen;

Der muntre Tauber theilt der dünnen Lüfte Bahn

Mit klatschendem Geräusch, und girret vor Vergnügen.

Aria.

Aufm.

Da Welt und Himmel jubiliret,

Da die Natur selbst musiciret,

Da alles, was nur lebet, singt;

Auf! auf! mein Hertz, mit Stimm und Saiten,

Des Schöpfers Wunder auszubreiten,

Von Dem allein die Harmonie entspringt.

Der Guckguck schreyt und rufft: Guck! guck! des Frühlings Pracht!

Guck, in der schönen Welt des grossen Schöpfers Macht

Mit froher Andacht an! Wenn er sie dann beschaut,

Und, daß die Welt so wunderschön,

Nun eine Zeitlang angesehn;

Lacht er, vor Anmuht, überlaut.

Betrachtung.

Die Schneppe schnarrt und ächzet

Im feuchten Schilf, vor Lust; ein junger Rabe krächzet;

Es quackt der feuchte Frosch; man hört in lauen Bächen

Ihn itzt von seiner Lust mit sanftem Quarren sprechen.

Der Frosch, der ganz allein

Von allem, was im Wasser lebet,

Die Augen in die Höh und seine Stimm' erhebet,

Sollt billig uns ein Lehr-Bild seyn.

Es klatschet, rieselt, rauscht anitzt der rege Bach;

Es saus't der laue West; es lispeln Zweig' und Blätter,

Und, in verdünnter Luft und heiterm Wetter,

Vermehrt der Wiederhall den Schall, und ahmt ihm nach.

Aria à 2.

Willst du, Mensch, da, Gott zu Ehren,

Alles tönet, schallt und spricht;

Tauben Ottern gleich, nicht hören?

Höre, rühme, schweige nicht!

Laß, da, selbst von harten Klippen,

Schöne Töne rückwärts prallen,

Die durchs Ohr gereitzte Lippen

Gott ein Danck-Lied wieder schallen!

Lieblichkeiten des Frühlings

In dieser den Winter vertreibenden Lentzen-Zeit

Belebet sich alles im Reiche der Sonnen;

Erfüllet sich alles mit Anmuth und Lieblichkeit:

Der fröliche Weinstock hat Augen gewonnen.

Es eirckelt in Bäumen ein nähernder Lebens-Saft.

Die Knospen erheben sich, schwellen und bersten.

Es deckt sich der Acker, voll gährender Wunder-Kraft,

Mit grünenden Spitzen von Haber und Gersten.

In Wäldern erfolget durch wachsender Blätter Pracht,

Von denen jetzt gleichsam umnebelten Wipfeln,

Auf grünlicher Dämm'rung, die liebliche Schatten-Nacht.

Es spriessen aus scharfen erhabenen Gipfeln

Bewachsener Berge, die Kräuter jetzt überall.

Und füllen mit duftigem Balsam die Lüfte.

Es schwebet der schertzende, schwätzige Wiederhall

Um ihre bemoste verwachsene Klüfte.

Das dunckle Gebüsche, den schattigten Wald, erfüllt

Der schlagenden Nachtigall schmetterndes Schallen.

Es springet im blumigten Grase das junge Wild,

Und fühlet in Adern ein kitzelndes Wallen.

Jetzt murmelt und rauschet und rieselt die rege Fluth.

Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen

Entwirft und formiret der strahlenden Sonnen Glut

Viel funckelnde Bilder in schimmernden Blitzen;

Man sieht, mit Ergetzen, die Blitze verwunderlich

In tausend beweglichen Spiegeln sich brechen.

Die Fluth, wie ein lebender Silber-Fluß, schlängelt sich

Durch grünender Felder smaragdene Flächen.

Der glänzenden Gärten bezauberndes Lust-Revier,

In welchem jetzt alles verherrlichet blühet,

Beflammet die Blicke mit feuriger Farben Zier,

Da alles fast weniger gläntzet, als glühet.

Indem nun, im Frühling, in Lüften und in der Fluth,

In Thälern, auf Bergen und Flächen der Erden,

Der herrliche Schöpfer unzählige Wunder thut;

So lasst uns uns freuen, um danckbar zu werden!

Es strahlet, durch Göttliches Wollen, das Sonnen-Licht;

Die Cörper sind sichtbar; Gott schenckt uns die Augen:

Wofern nun die Menschheit so träg ist, und sieht sie nicht;

Was kann doch den Fehl zu entschuldigen taugen?

Drum, weil ich den Schöpfer nicht anders erheben kann,

Als wenn ich sein Wircken empfind und erzehle;

So seh ich betrachtend, mit Freuden, die Wunder an,

Und opfer' ihm meine bewundernde Seele.

Die unsere Seele, durchs Gesicht, zur Ehre Gottes aufmunternde Schönheit der Felder, im Frühlinge

Ps. XC, 12.

Das Feld sey frölich, und alles, was darauf ist!

Aria.

Auf! lasset, dem gütigen Schöpfer zu Ehren,

Der itzt Natur und Welt verjüngt,

Der Sonn' und Frühling wiederbringt,

Die Lieder bewundernder Danckbarckeit hören!

Gott Lob! die Sonne kehret wieder;

Der Frühling kommt; der sanfte Zephyr schwingt,

Von ihrem Strahl beleb't, sein thauigtes Gefieder;

Sein lauer Hauch durchdringt der starren Tellus Schooß,

Erwärmt und schwängert sie; jedweder Erdenklos

Wird trächtig, und gebiert ein fast lebendig Grün,

Drauf tausend, tausend Blumen blühn.

Itzt lacht das Feld uns an, da es der Sonne Strahlen,

In dieser holden Frühlings-Zeit,

Mit Leben, Licht und Heiterkeit,

Erwärmen, schmücken und bemalen.

Aria.

Meine Seele hör't im Sehen,

Wie, den Schöpfer zu erhöhen,

Alles jauchzet, alles lacht.

Höret nur!

Des beblühmten Frühlings Pracht

Ist die Sprache der Natur,

Die sie deutlich, durchs Gesicht,

Allenthalben mit uns spricht.

Es läßt,

Ob wäre die Natur, mit unsichtbaren Fingern,

Bemüht, das falbe Gelb, des alten Grases Rest,

Ohn Unterlaß zu mindern, zu verringern.

Sie schien

Fast einem Maler gleich, ein schönes Grün,

Um uns so Hertz als Augen zu erfrischen,

Zum schmutzigen beständig zuzumischen.

Des Feldes Pracht, die Schönheit einer Wiesen,

Wenn sie des Frühlings Hand beblühmt,

Wird nimmer gnug gerühmt,

Noch weniger dafür der Schöpfer gnug gepriesen.

Es liegt auf jedem Gras', es liegt auf jedem Blat',

Indem die äuß're Fläche glatt,

Vom Sonnen-Glantz ein weisser Schein,

Wodurch sie nicht nur grün, zugleich versilbert, seyn,

Wenn nun die Luft sich sanfte reget,

Und ihr beweglich Laub beweget;

So siehet man auf ihren regen Spitzen

Viel kleine Lichter lieblich blitzen.

Die Bluhmen, die ich in der Nähe,

So dicht, wie selbst das Gras, im frischen Grase, sehe;

Sind, wenn man ihre Farb' aufmercksam unterscheidet,

Im wunderschönen Schmuck gekleidet.

Sie scheinen, an Gestalt und Schimmer, kleine Sterne,

In tausendfachem Glantz und Schein,

Am grünen Firmament zu seyn.

Wann aber unsre Blick' ein wenig in die Ferne,

Und auf dem weichen Klee gemählig vorwärts, schiessen,

Sieht man der bunten Farben Pracht

Allmählig in einander fliessen,

Wodurch sie, in verwunderlichem Glantz,

Ein unvergleichlichs herrlichs Gantz,

Aus recht unzähligen gefärbten Theilchen, macht.

Aria.

Vor unsrer Felder Schmuck erröthen

Selbst Babylonische Tapeten,

Die eine kluge Nadel stickt.

Ein grüner Sammt mit Gold verbrämet,

Mit Perlen und Rubin besämet,

Wird, durch den Glantz, der uns're Wiesen schmückt,

Wie Glas durch Diamant, beschämet.

Itzt blüht und grünet Sand und Kies;

Es scheint das bunte Feld, vom Sonnen-Glantz bestrahlet,

Als eine Schilderey, worauf das Paradies

Mit solchen Farben abgemahlet,

Woran kein Edelstein, wie schön er spielet, reichet.

Ja, wie ein Künstler oft, die Farben zu erhöhen,

Ein herrliches Gemähld mit Firniß überstreichet;

So streicht die Sonn' es auch mit solchem Firniß an;

Daß unser Auge zwar was Himmlisches drin sehen,

Doch dessen Eigenschaft kein Kiel beschreiben, kann.

Aria.

Sencke dich, zufried'nes Hertz,

In das Meer der Frühlings-Freude!

Aber lencke doch dabey,

In der ird'schen Augen-Weide,

Die Gedancken Himmelwärts!

Erwegedoch ohn' Unterlaß,

Daß, wenns der Schöpfer nicht vergönnte,

Kein Blat, kein Strauch, kein Spierchen Gras,

Kein einzigs Blühmchen, wachsen könnte.

Aria.

Starre Dornen, rauhe Hecken,

Würden nur den Erden-Kreis

Mit verwirrten Stacheln decken,

Liesse Gott aus Seinen Tieffen

Nicht des Segens Regen trieffen.

Ihm allein sey Ruhm und Preis!

Betrachte, wie sein grosses Wort

Allein die Quelle dieser Welt,

Und daß dasselbe fort und fort

Sie unaufhörlich schafft, indem er sie erhält.

Aria.

Durch das eine Wörtchen: Werde!

Ward die Erde.

Und aus dieses Wortes Kraft

Stammt noch ihre Dau'r und Güte,

Keimt der Same, sprießt die Blühte,

Fließt des Frühlings Lebens-Saft.

Bemercke,

Daß Gott, damit der Erde Pracht

Und seiner Allmacht Wunder-Wercke,

Zu deiner Freude möchten taugen,

Ps. CIV, 10.

Du lässest Brunnen quellen in den Gründen, daß die Wasser zwischen den Bergen hinfliessen.

Es ging Lisander und Elpin,

Der Frühlings-Freude zu geniessen,

Dort, wo durch das beblühmte Grün

Zween kleine Bäche murmelnd fliessen.

Sie setzten sich an einen grünen Hügel,

Dem Mooß und Rohr die Schooß, ein Wald den Rücken, deckte,

Und der den fetten Fuß ins klare Wasser streckte;

Sie sah'n die Silber-reine Fluht,

Als einen glatt-polirten Spiegel,

Wie sie des Ufers Schmuck, den Phöbus heit're Gluht

Mit einem güldnen Glantz bestrahlte,

Als eine Schilderey mit Wasser-Farben, mahlte.

Sie fingen an, nach ihrer Weise,

Durch diesen Blick gereitzt, dem höchsten Gott zum Preise,

Deß Lieb' und Allmacht man

In Ewigkeit nicht gnug bewundern kann,

Die frischen Fluhten, die so schön,

Mit Lust und Andacht anzusehn,

Und gaben sich einander ihre Freude,

Ob solcher holden Augen-Weide,

Mit diesen Worten, zu verstehn:

Aria à 2.

Gott, der durch ein Wort: Es werde!

Aller Himmel Himmel Pracht,

Stern' und Sonnen, Mond und Erde,

Gluht und Fluht hervor gebracht!

Alle Tropfen in den Bächen,

Ja so gar im tiefen Meer,

Hör' ich gleichsam rauschend sprechen:

Nur von Gott kommt alles her;

Ihm allein sey Preis und Ehr!

Lisand.

Die Berg-Krystallen gleiche Bäche,

Von ihres Eises Banden los,

Versilbern Tellus grüne Schooß,

Und schlängeln sich durch unsrer Felder Fläche,

Erfrischen, was vorhin verdorrt,

Und rauschen über glatte Kiesel,

Mit lieblich-murmelndem Geriesel,

In sich vergrössernden beschäumten Circkeln, fort.

Itzt siehet man die Flüsse, so bisher

Vom Eise voll, von Schiffen leer,

In Ebb' und Fluht, bald von bald nach dem Meer,

Vom Himmel blau gefärbt, zu manches Volcks Erspriessen,

Durch manches Schiff beschäumt, mit frohem Rauschen fliessen.

Aria.

Die enteis'te Wellen rollen,

Von geschmoltznem Schnee geschwollen,

Itzt vermehrt zum Welt-Meer' hin,

Und vermehren, in den Waaren,

Die bald hin- bald herwärts fahren,

Hamburgs Handlung und Gewinn:

Hamburg, laß denn, Gott zu Ehren,

Auch dein Dancken sich vermehren!

Hier gläntzt, den Spiegeln gleich, die flache Glätte;

Dort lässt sie, wo der Wind sie rührt,

Als ob sie kleine Schuppen hätte.

Oft scheint das Wasser aufzuschwellen,

Um in den sanft-erhabnen Wellen

Der Sonnen Bilder vorzustellen.

Sie scheinen eigentlich sich darum zu erheben,

Um lauter Spiegel abzugeben,

Damit ein achtsames Gesicht,

Das sonst der Sonnen helles Licht

Nicht sieht, im Wiederschein dasselbe sehen möchte,

Damit es eine Lust durchs Aug' ans Hertze brächte.

Wie wir denn auch nicht leicht was, das so schön,

Als ein vom Sonnen-Licht bestrahltes Wasser, sehn.

Wann nun, auf sanft-bewegter Fluht,

Die Strahlen von der Sonnen-Gluht,

Wie tausend kleine Sonnen, glimmen,

Und auf den kurtzen Wellen schwimmen,

In ungezählter Meng', als kleine Blitz', entstehn:

So lasst uns auf ihr Ur-Bild sehn!

Aria.

Da, wann die Sonn' ins Wasser strahl't,

Und seine Wellen sich vergülden,

Sie sich in allen Tropfen malt;

So laß, o Mensch! nach deiner Pflicht,

Sich auch das güld'ne Himmels-Licht

In deinen Freuden-Thränen bilden!

Mein, durch die nimmer stille Pracht,

So angenehm-verblendet Auge lacht,

Und meines Wesens Kern, die Seele, freuet sich

Recht inniglich,

Zu sehn, wie süß sich Glut und Fluht verbinden.

Denn schöners ist fast nichts zu finden.

Aria.

Es bilden des Wassers sanft-wallende Hügel

Viel tausend polirte bewegliche Spiegel,

Mit Fulgen von fliessendem Silber versetzt,

Von welchen ein jeder, wie glatte Krystallen,

Wenn flammende Strahlen der Sonne drauf fallen,

Mit zitterndem Blitzen die Augen ergetzt.

Ach lasst sie die Hertzen, wenn wir es empfinden,

Wie brennende Spiegel, zur Andacht entzünden!

Elpin.

Die trübe Fluht, die gleichsam wie ein Glas,

Im Frost durch feuchter Stürme Rasen

Mit Düften überhaucht, mit Nebel überblasen;

Scheint in der heitern Luft, durch's Frühlings Hand poliret,

Ein Spiegel von Krystall, den Kraut und Gras,

Als ein Smaragd'ner Ram, mit wahrem Laub-Werck zieret,

In dessen wallenden Krystallen,

Die man nicht sonder Anmuht schaut,

Von nahen Büschen, Rohr und Kraut,

So mancherley Gestalten fallen,

Und zwar so deutlich und so rein,

Daß eines jeden Wiederschein

An Schönheit seinem Urbild glich,

Und ja so schön, so wesentlich,

Als wie das Wesen, schien zu seyn.

Arioso.

Es bilden sich des Höchsten Wercke,

Luft, Erde, Wälder, Thal und Hügel,

Gedoppelt, wie im hellen Spiegel,

Im stillen Wasser, wenn es rein.

Ach möcht' im steten Wiederschein

Auch uns're Seel' ein Wasser seyn,

So, nie durch Leidenschaften trübe,

In welchem Gott, die ew'ge Liebe,

Sein Werck auch könnte doppelt schön,

In stetiger Betrachtung, seh'n!

Der Mooß- und Bluhmen-reiche Strand,

Der schlancken Bäume Zweig' und Blätter,

Bespiegeln sich, zumahl bey heiterm Wetter,

In seinem reinen Diamant,

Worin sich oft die hellen Wolcken bilden

Und manchen grossen Platz vergülden.

Seht, wie die Stelle dort, als weisses Silber, gläntzet,

Seht, wie die andre da, so dicht an jene grentzet,

Geschliffnem Glase gleicht! Schaut, jene funckelt hier,

Vom Himmel blau gefärbt, wie ein Sapphir.

Ein' andre scheint, durchs Ufers Wiederschein,

Ein grünlichter Smaragd zu seyn.

Die sanft-erhabne feuchte Hügel

Sind Wechselweis', in grün- in blau- und weisser Zier,

Der Bäume, Luft und Wolcken Spiegel.

Es wird im Augenblick auf einer Stelle

Das Weisse grün, das Dunckle helle,

Und alles ist voll Klahrheit, Glantz und Schein.

Wenn ich denn nun in solchen engen Grentzen

Der Erde Grün, des Himmels Blau,

Der Sonne Gold, der Wolcken Silber-Gläntzen,

Als wie der Iris Kleid, vereinet schau:

Nimmt solch ein mannigfalt'ger Schein

Mein Auge, Hertz und Geist, mein gantzes Wesen, ein.

Aria.

Das zitternde Gläntzen der spielenden Wellen

Versilbert das Ufer, beperlet den Strand;

Die rauschende Flüsse, die sprudelnde Quellen

Bereichern, befeuchten, erfrischen das Land,

Und machen, in tausend vergnügenden Fällen,

Die Güte des herrlichen Schöpfers bekannt.

Es färbet sich von den begrünten Rasen

Das schöne Nichts der Wasser-Blasen,

Die, wie der Blitz, erscheinen und entstehn,

Und wieder, wie der Blitz, zerplatzen und vergehn.

Wobey ich denn, zu unsrer Lehr,

Dieß, wie mich deucht, von ihnen murmeln hör:

Aria.

Je schöner ihr uns gläntzen sehet,

Je eh'r verschwindet und vergehet,

Wie aller Stoltz, auch unsr'e Pracht:

Je mehr wir andere verschlingen,

Je grösser uns ihr Untergang gemacht,

Je eh'r, als wär' es Gift, wir schwellen und zerspringen.

Die Wasser-Lilien-reiche Fluht,

Die, mit so manchem Kraut, mit Schilf und Binsen,

Mit Meer-Gras, Mooß und Wasser-Linsen

Geschmücket und bedeckt, in glatter Stille ruht,

Wird öfters unverseh'ns beweget.

Schau, wie sich dort,

Im grünen Wieder-Schein der Büsche,

Ein blauer Schwarm beschuppter Fische

Mit frohem Wimmeln reget,

Und Wunder-schnell sein flüssigs Wohn-Haus trennt;

Sie fliegen, durch ihr schlüpfrigs Element,

Mit Schwingen, ohne Federn, fort;

Man kann, wenn sie sich fröhlich drehen,

Der Schuppen Silber blitzen sehen.

Aria.

Die schuppigten Bürger der wallenden Fluht,

Die gläntzenden Scharen im schlüpfrigen Grunde,

Erheben, auch mit stummem Munde,

Die Wunder, die der Schöpfer thut.

Ihr Menschen, wenn sie euch ergötzen und speisen,

Vergesset doch nimmer, den Schöpfer zu preisen!

Lisand.

Wird durch das Aug' hievon nun unser Hertz erquickt;

So wird es durch das Ohr fast als entzückt.

Wie hell, wie angenehm, wie schöne,

Wie süß, wie lieblich klinget nicht

Das lispelnde Geräusch und rieselnde Getöne,

Das aus der kühlen Fluht, mit holem Gurgeln, bricht;

Wann, mit dem murmelnden Geklatsch, ihr flüsternd Zischen

Des leicht-beweg'ten Schilfs gespitzte Blätter mischen.

Dieß sprudelnde Getös' hat solche Zauber-Kraft,

Das, weit empfindlicher, als aller Schall

Der künstlichsten Music, des Wassers lauter Hall

Den Gliedern Schlaf, den Sinnen Ruhe, schafft.

Selbst Augen, worin sonst vor Sorg' und Gram

Kein Schlummer kam,

Ja die so gar nicht schlafen wollten, müssen,

Durch diesen Reitz besiegt, sich, wider Willen, schliessen.

Aria.

Kühler, angenehmer Bach!

Allgemach

Schliesset deiner krausen Wellen

Sanfter Schall, in kleinen Fällen,

Durch das Ohr mein Auge zu.

Deiner fliessenden Krystallen

Schwätzend Wallen

Reitzet selbst den Geist zur Ruh.

Elpin.

Indem ich hier bewundernd stehe,

Und, wie die schnelle Fluht sich stets verlieret, sehe;

Scheint sie mir, von mir selbst, ein Bild zu seyn,

Und fällt mir dieser Lehr Satz ein:

Arioso.

Ihr Sterblichen, erweg't, bey jedem Wasser-Guß,

Daß euer Leben auch ein Fluß,

Der stetig vor- nie rückwärts fliesset,

Und daß der Menschen schnelle Zeit

Ins tiefe Meer der Ewigkeit

Unwiederbringlich sich ergiesset.

Darum gebraucht euer Leben,

Wie es Demjenigen gefällt, Der's euch gegeben!

Gebraucht die Creatur zum Nutzen und zur Lust!

Ergötzet euch am Glantz und Klang der frischen Fluhten,

Und denckt, aus Andachts-voller Brust,

An GOTT, den Geber alles Guten,

Deß unergründlichs Liebes-Meer

Von Macht und Güte nimmer leer,

Der uns, weil Er den Fluß der Gnaden auf uns lencket,

Mit Wollust, als mit Strömen, träncket.

Er will (o Wunder-Huld!) für alle Seine Gaben,

Für die so herrlichen unzähligen Geschencke

Nichts, als daß man nur Sein gedencke,

Nichts, als ein fröhlichs Hertze, haben.

À 2.

So rühmen wir, mit höchst-erfreutem Muht,

Dich, GOTT! Du allerhöchstes Gut!

Aria à 2.

Gott, der durch ein Wort: Es werde!

Aller Himmel Himmel Pracht,

Stern' und Sonnen, Mond und Erde,

Gluht und Fluht hervor gebracht!

Alle Tropfen in den Bächen,

Ja so gar im tiefen Meer',

Hör' ich gleichsam rauschend sprechen:

Nur von Gott kommt alles her.

Dir allein sey Preis und Ehr!

Die Nachtigall, und derselben Wett-Streit gegen einander

Im Frühling rührte mir das Innerste der Seelen

Der Büsche Königinn, die holde Nachtigall,

Die, aus so enger Brust, und mit so kleiner Kälen,

Die größten Wälder füllt, durch ihren Wunder-Schall.

Derselben Fertigkeit, die Kunst, der Fleiß, die Stärcke,

Veränderung und Ton sind lauter Wunder-Wercke

Der wirckenden Natur, die solchen starcken Klang

In ein Paar Federchen, die kaum zu sehen, sencket,

Und einen das Gehör bezaubernden Gesang

In solche dünne Haut und zarten Schnabel schrencket.

Ihr Hälschen ist am Ton so unerschöpflich reich,

Daß sie tief, hoch, gelind' und starck auf einmahl singet.

Die kleine Gurgel lockt, schnarrt, zischt und pfeift zugleich,

Daß sie, wie Quellen, rauscht, wie helle Glocken, klinget.

Sie zwitschert, stimmt und schläg't mit solcher Anmuht an,

Mit solchem nach der Kunst gekräuselten Geschwirre;

Daß man darob erstaunt, und nicht begreiffen kann,

Ob sie nicht seuftzend lach', ob sie nicht lachend girre.

Ihr Stimmchen ziehet sich in einer holen Länge

Von unten in die Höh, fällt, steigt aufs neu' empor,

Und schweb't nach Maaß' und Zeit; bald drenget eine Menge

Verschied'ner Tön' aus ihr, als wie ein Strom, hervor,

Zuweilen seuftzet sie, und winselt, daß man meynet,

Sie werde sterben; aber bald

Erhebet sie, mit feuriger Gewalt,

Den reinen Ton aufs neu. Dann eben scheinet,

Es woll' ihr lieblich-scharfes Singen,

Als wie ein Pfeil, uns in die Seele dringen.

Zwitschern, seuftzen, lachen, singen,

Girren, stöhnen, gurgeln, klingen,

Locken, schmeicheln, pfeifen, zucken,

Flöthen, schlagen, zischen, glucken

Ist der holden Nachtigall

Wunderbar gemischter Schall.

Es scheint so gar der Nam' allein

Ein Inbegriff der Frühlings-Lust zu seyn.

Wenn etwa jemand spricht: es sang die Nachtigall;

Kann fast des blossen Wortes Schall

So viel zu wircken taugen,

Daß in der meisten Hörer Augen

Sich ein geheim Vergnügen zeiget.

Sie dreht und dehnt den Schall, zerreisst und füg't ihn wieder;

Singt sanft, singt ungestüm, bald grob, bald klar und hell.

Kein Pfeil verfliegt so rasch, kein Blitz verstreicht so schnell,

Die Winde können nicht so streng' im Stürmen wehen,

Als ihre schmeichelnde verwunderliche Lieder,

Mit wirbelndem Geräusch, sich ändern, sich verdrehen.

Ein rollend Glucken quillt aus ihrer holen Brust;

Ein murmelnd Flöthen lab't der stillen Hörer Hertzen.

Doch dieß verdoppelt noch und mehrt die frohe Lust,

Wenn etwan ihrer zwo zugleich zusammen schertzen.

Die singt, wann jene ruft; wann diese lockt, singt jene,

Mit solch- anmuthigem bezaubernden Getöne;

Daß diese wiederum, aus Misgunst, als ergrimmt,

In einem andern Ton die schlancke Zunge stimmt.

Die andre horcht indeß, und lauscht, voll Unvergnügen,

Ja fängt, zu ihres Feind's und Gegen-Sängers Hohn,

Um, durch noch künstlichern Gesang, ihn zu besiegen,

Von neuem wieder an, in solchem scharfen Ton,

Mit solchem feurigen empfindlich-hellem Klang,

Mit so gewaltigem oft wiederhol'tem Schlagen,

Daß, so durchdringenden und heftigen Gesang,

Das menschliche Gehör kaum mächtig zu ertragen.

Wer nun so süssen Ton im frohen Frühling hör't,

Und nicht des Schöpfers Macht, voll Brunst und Andacht, ehrt,

Der Luft Beschaffenheit, das Wunder uns'rer Ohren,

Bewundernd nicht bedenckt; ist nur umsonst gebohren;

Und folglich nicht der Luft, nicht seiner Ohren, wehrt.

Die Luft

1.

Sehen wir der dünnen Lüfte

Grossen Kreis und weite Bahn,

Samt dem Wesen dieser Düfte,

Mit Verstand und Sinnen an;

Spürt ein reges Hertz aufs neue,

Wie sich recht die Seele freue,

Weil sie drin, für Lust entzückt,

Gott unsichtbarlich erblickt.

2.

Dieser unumschränckten Weite

Grentzen-losem Wunder-Reich,

Dieser Höhe, Gröss' und Breite

Ist kein' irdsche Grösse gleich,

Weil sie alle Dinge füllet,

Deckt, umgiebet und umhüllet,

Ja den gantzen Kreis der Welt,

Wie das Meer ein Fischlein, hält.

3.

Ihre Kraft, wie schwach sie scheinet,

Ist dennoch unendlich groß,

Da sie Felsen selbst ensteinet

Ohne Schlag und ohne Stoß.

Stahl wird durch die Luft zerstöhret;

Marmor selbst durch sie verheeret,

Ja sie heisst mit Billigkeit

Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.

4.

Und dennoch sind ihre Theile

So behende, dünn und klein,

Daß, wie scharf der Augen Pfeile,

Sie doch nicht zu treffen seyn.

Ob sie gleich rings um uns spielen,

Kann man sie gleichwol nicht fühlen,

So daß zwischen Leib und Geist

Sie vielleicht ein Mittel heisst.

5.

Ihrer Grösse unerachtet

Scheint sie dennoch unsichtbar.

Wie genau man sie betrachtet,

Wird man ihrer kaum gewahr.

Dieß kann uns zur Lehre dienen,

Wenn wir uns so oft erkühnen,

Alle Dinge zu verstehn,

Da wir doch so wenig sehn.

6.

Dennoch kann man deutlich weisen,

Daß derselben Eigenschaft,

In den ausgedehnten Kreisen,

Aller ird'schen Cörper Kraft,

Daß das Wesen aller Lüfte

Bloß aus Erd' und Wasser düfte:

Daß sie von so mancherley

Ein Geruch und Ausfluß sey.

7.

Worin Thier und Menschen leben,

Der, was athmet auf der Welt,

Nährt, erfrischet und darneben

Deckt, erfüllet und erhält.

Gar kein Feuer könnte brennen,

Nichts würd' einer hören können,

Nährte nicht so Ton als Gluht

Unsrer Lüfte zarte Fluth.

8.

Wie man solches klärlich siehet,

Wenn man sie von einem Ort

Durch die Luft-Pump' auswärts ziehet,

Daß die Flammen alsofort

Löschen, schwinden und vergehen.

Gleichfalls kann kein Ton entstehen

Für das menschliche Gehör,

Wenn ein Ort von Lüften leer.

9.

Dieses Wunder muß vor allen

Wohl erwegt seyn und bedacht.

Aller Stimmen Saiten Schallen,

Aller Töne süsse Macht

Werden in der Luft erzeuget,

Wenn sie sich in Circkeln beuget,

Und wie sich ein Wasser rührt,

So den Klang zum Ohre führt.

10.

Wer kann dieses Wunder fassen,

Daß sich einer Stimme Klang

So gar oft muß theilen lassen,

Da ein Wörtchen, ein Gesang

Dergestalt die Luft erreget,

Daß sie wallend sich beweget,

Und viel tausend Ohren füllt,

Was aus einem Munde quillt.

11.

Wie ein Prediger mit Worten

So die Lüfte treiben kann,

Daß, an vielen tausend Orten

Von viel tausend, jedermann

Sein gantz Wort zugleich empfindet;

Hat kein Mensch annoch ergründet.

Nur so viel kann man verstehn;

Durch die Luft muß es geschehn.

12.

Wenn ich dieses überlege,

Was für ungemeine Kraft

Unser Luft-Kreis in sich hege,

Und wie aller Pflantzen Saft,

Wie die Theil' aus allen Dingen

Sich beständig aufwärts schwingen,

Und in Luft verwandelt seyn;

Nimmt mich ein Erstaunen ein.

13.

Was wird nicht, durch Gluht und Flammen,

In die Luft hinein geschickt?

Wenn ein Holtz-Stoß fällt zusammen,

Wird nur wenig Asch' erblickt.

Alles andre wird verstäubet,

Und dem Luft-Kreis' einverleibet.

Alles, was der Brand verzehrt,

Wird, durch Rauch, in Luft verkehrt.

14.

Kurtz, fast alles, was enstehet,

Stammet aus der Lüfte Reich,

Und fast alles, was vergehet,

Senckt sich wiederum so gleich

In derselben weite Schlünden.

Welcher Mensch kann nun ergründen,

Welch ein Schatz, wie vielerley

In der Luft verborgen sey?

15.

Es vereint sich und verbindet

Mit der all durchgeh'nden Luft,

Was man auf der Erde findet.

Aller Cörper Dunst und Duft,

Die sich, wenn sie etwa brennen,

Oder faulen, alsbald trennen,

Steigen in die Luft hinein,

Um mit ihr vereint zu seyn.

16.

Dünste, die aus grossen Seen,

Aus Morasten, aus dem Meer,

Oder aus der Erd' enstehen,

Lassen nie den Luft-Kreis leer.

Auch nebst des Salpeters Theilen

Sieht man Schwefel aufwärts eilen.

Alles, was man Cörper heisst,

Zins't dem Luft-Kreis seinen Geist.

17.

Es erstaunet meine Seele,

Wenn sie ernstlich überlegt,

Was die unumschränckte Höle

Für ein Meer von Wunder hegt;

Wer es dencket zu ergründen,

Wird ein wahres Chaos finden,

Wie noch jüngst ein weiser Geist

Ein Chaotisch Reich sie heisst.

18.

Ist demnach der Kreis der Lüfte

Aller ird'schen Säfte Schatz,

Und der allgemeinen Düfte

Ungemessner Sammel-Platz.

Süsse, scharf- und bittre Säfte,

Saur' und saltzig-fette Kräfte

Stecken in den dünnen Höhn,

Die zwar groß, doch nicht zu sehn.

19.

Hier ein Beyspiel von zu geben,

Was für viele Cörperlein

Müssen in den Lüften schweben,

Die uns unbegreiflich seyn?

Und die dennoch von den Hunden

Werden Wunder-voll empfunden.

Nimmer träfen sie die Spur,

Thät es nicht der Luft Natur.

20.

Daß die Luft, die uns umringet,

Und nur ein Geruch der Welt,

Uns nicht durch die Nase dringet,

Uns nicht in die Sinne fällt,

Kommt daher, weil gleich auf Erden

Wir der Luft gewohnt schon werden;

Weil man sie sogleich empfindt,

Wenn wir kaum gebohren sind.

21.

Wenn die Lüfte dünner wären;

Könnt' die Dünn- und Seltenheit

Unsre Lunge nicht ernähren,

Durch die linde Feuchtigkeit.

Könnte sie sich sehr verdicken,

Müsten Vieh und Mensch ersticken,

Ja der Sonnen Lebens-Schein

Würd uns dann geraubet seyn.

22.

Sie wirckt in den Elementen

Mit so sonderbarer Kraft,

Daß sie nicht bestehen könnten

Sonder ihrem Lebens-Saft.

Wasser fault, die Erde schwindet,

Wenn nicht jedes Luft empfindet.

Sie verlieren alsobald

Fruchtbarkeit, Kraft und Gestalt.

23.

Was sich aber sonst aus Dingen,

Welche riechen, aufwärts drengt,

Und auf unsichtbaren Schwingen

Sich mit unsrer Luft vermengt,

Wird so bald von uns verspüret,

Als es unsre Nase rühret,

Die die Süss- und Bitterkeit

Wunderbarlich unterscheidt.

24.

Alle Luft, die um uns schwebet,

Ist zwar leib- und cörperlich,

Doch sehr dünn und zart gewebet,

Und ihr Wesen dehnet sich.

So hieß GOTT sie sich bereiten,

Daß sie, starck sich auszubreiten

Und zu spannen, wär geschickt,

Sich verdünnet und verdickt.

25.

Wann sie Wärm' und Hitze spüret,

Spannt sie sich, und wird verdünnt:

Ist es aber kalt und frieret;

Wird, was ausgedehnt, geschwind

Wieder in sich selbst gedrücket,

Starck gedrenget und verdicket.

Hat sie also, wenn es kalt,

Einen kleinern Aufenthalt.

26.

Wunderbarlich ist ihr Wesen,

Wenn man recht mit Ernst bedenckt,

Was wir von ihr sehn und lesen.

So, wann sie uneingeschränckt,

Als auch, wann sie in der Enge,

Sieht man, an der Theilchen Menge,

Eine sonderbare Spur

Ihres Wesens und Natur.

27.

Wenn man Luft in ein Gefässe

Von Metall, das starck und fest,

Von geraumer Maaß' und Grösse,

Durch ein Werckzeug, drengt und presst,

Lässt sie sich so feste drücken,

Und so wunderbar verdicken,

Daß sie fühlbar, und so dicht,

Als ein Wasser am Gewicht.

28.

Da ein Körnchen Luft hingegen

Im Gefäß, das ausgeleert,

Durch ein wunderbar Bewegen

Sich viel tausendfach vermehrt,

Und sich rings auf allen Seiten

Unvermerckt weiß auszubreiten,

Daß es tausendmahl so klein,

Ja ein Nichts fast, scheint zu seyn.

29.

Alle Luft, die uns umschräncket,

Und den Erden-Kreis umfasst,

Da sie sich stets abwärts sencket,

Drückt sich selbst durch eigne Last.

Daher wird durch ihr Gewichte

Unsre niedre Luft so dichte,

Daß sie leicht die obre trägt,

Der sie sich zum Grunde legt.

30.

Wie man denn gar deutlich spüret,

Daß die Luft auf allen Höhn

Ihre Schwere gleich verlieret.

Wenn wir auf Gebürgen stehn,

Kann kaum unsre Lung' und Magen

Solche dünne Luft vertragen.

So schnell, ja fast sichtbarlich,

Aendert unser Luft-Kreis sich.

31.

Kann man also leicht erweisen,

Daß die Luft nicht einerley,

Sondern in verschiednen Kreisen

Gleichsam abgesondert sey.

Wie denn dieß die Wolcken zeigen,

Die bald sincken und bald steigen,

Bloß nachdem sie dünn und feucht,

Frey, gepresset, schwer und leicht.

32.

Welches nicht geschehen würde,

Wenn die Luft stets leicht, stets schwer,

Und in allzeit gleicher Bürde

Jedes Orts vertheilet wär.

Alle müsten auf uns liegen,

Oder sämtlich aufwärts fliegen,

Wie nichts still im Wasser bleibt,

Sondern sincket oder treibt.

33.

Dieser Nutz ist unbeschreiblich.

Fiel der Wolcken Last herab;

Fünden wir unhintertreiblich

Ein beeistes plötzlichs Grab

In derselben Eingeweide.

Bäume, Felsen und Gebäude

Würden unter sich gedrückt,

Und was lebte, würd' erstickt.

34.

Da der weise GOTT hingegen

Durch die Luft sie droben hält,

Daß ihr Leib allein im Regen,

Und zwar tröpfelnd, abwärts fällt,

Und die Welt nicht überschwemmet.

Durch die Luft wird auch gehemmet,

Daß sie uns nicht näher stehn,

Sonst müst' man für Frost vergehn.

35.

Denn die Wolcken sind gezeuget

Bloß aus einem Duft, der friert,

Wenn er mählig aufwärts steiget,

Und solch eine Höh berührt,

Wo die Wärme von der Erden

Nicht mehr kann empfunden werden,

Und der Strahlen Gegenschlag

Sie nicht mehr erreichen mag.

36.

Alsdann werden augenblicklich

Ihre Theilchen Schnee und Eis,

Welche denn die Luft geschicklich

Trägt, und sie zu stützen weiß,

Weil sie sie erfüllt, umringet,

Ihren lockern Leib durchdringet,

Daß die Wolcke droben bleibt,

Wie ein Rohr im Wasser treibt.

37.

Bis sie endlich sich verdicket,

Wenn sich Flock auf Flocken legt,

Da, von eigner Last gedrücket,

Sie zuletzt zu sincken pflegt,

Und der Wärme Wiederprallen

Sie zerschmeltzt, im Niederfallen,

Daß sie wieder auf die Welt

Tropfenweis' herunter fällt.

38.

Welche Tropfen oftmals frieren,

Nemlich dann, wenn Blitz und Hitz'

Mit zu starckem Strahl berühren

Einer Wolcken obre Spitz,

Alsdann schmiltzt das Eis; hingegen

Wird der schon formirte Regen

Durch der Lüfte kalten Kreis

In den Schlossen wieder Eis.

39.

Ferner muß man nicht verschweigen,

Was wir mehr in Lüften sehn,

Wie sich Thau und Nebel zeugen,

Wie sie uns zum Nutz enstehn.

Dieses recht zu überlegen,

Muß man dieß erst wohl erwegen:

Hitze, Kält' und Feuchtigkeit

Steh'n, um Ruhe, stets im Streit.

40.

Ob sie noch so wiedrig scheinen;

Sucht doch diese fort und fort

Sich mit jener zu vereinen,

Durch des Höchsten Wunder-Wort.

Und aus diesem Triebe stammen

Die Bewegung zusammen,

Aller Witt'rung Unterscheid

Und derselben Fruchtbarkeit.

41.

Denn wenn Fluth und Erde glühet

Durch der Sonnen Lebens-Strahl,

Und die Sonne sich entziehet;

Wird der Luft-Kreis allemahl

Kälter, als der Kreis der Erden:

Um nun gleich gemischt zu werden;

Steigt die Hitz' aus Erd' und See

Alsbald wieder in die Höh.

42.

Daher wir die Nebel-Düfte

Meist im Herbst und Winter sehn,

Als die nimmer, wenn die Lüfte

Wärmer werden, auch entstehn,

Sondern, wie mans täglich lernet,

Denn, wenn sich die Sonn' entfernet,

Da sodann so Wärm', als Licht,

Alsobald der Luft gebricht.

43.

Ferner, wie wirs innen werden,

Druckt die Luft nicht sich allein,

Sondern alle Ding' auf Erden,

Die ihr unterworfen seyn,

Und zwar dieß mit solcher Bürde,

Wie ein Wasser drucken würde,

Welches zwantzig Ellen tief,

Wenn es über etwas lief.

44.

Daß wir aber dieß nicht spüren

Und empfinden, kommt daher,

Daß die Lüfte, die uns rühren,

Allenthalben gleiche schwer,

Daß sie uns nicht nur umringen,

Sondern selber durch uns dringen,

So daß, wenn mans recht erwegt,

Eine Luft die andre trägt.

45.

Wie kein Fisch im Meer ersticket,

Ob ihn gleich der Wellen Last

Unaufhörlich presst und drücket:

Denn weil sie ihn rings umfasst,

Kann er auch, in tiefsten Gründen,

Kein zu schwer Gewicht empfinden;

Denn der Druck im Wasser-Reich

Ist von allen Seiten gleich.

46.

Dennoch ist die Last der Lüfte

Allemahl nicht gleiche schwer:

Sondern, wenn die nassen Düfte

Von den Feuchtigkeiten leer;

Wenn die Welt vom Regen feuchte,

Wird sodann der Luft-Kreis leichte,

Und die Erde trägt und fasst

Einen Theil von ihrer Last.

47.

Doch spürt man auch nach dem Regen,

Daß sie sich noch abwärts senckt,

Weil sonst durch der Welt Bewegen,

Die sich stets im Circkel lenckt,

Sie bald würde von uns fliehen,

Und sich in die Höhe ziehen;

Drum schafft Gottes weise Kraft,

Daß sie stetig an uns hafft;

48.

Drückt sie also und umringet,

Wie den Erd-Kreis, auch die Fluth.

Daß sie aber nicht durchdringet,

Sondern gleichsam auf ihr ruht,

Kommt, daß diese dicht- und feuchter,

Da die Luft so dünn- als leichter,

Drum sie sie zwar sanfte drengt,

Doch sich nicht mit ihr vermengt.

49.

Wie sich nun die Erde rühret,

Und sich jäh- und täglich dreht,

Wird die Luft auch umgeführet,

Daß sie nimmer ruht, noch steht:

Drum die Welt, die sie bedecket,

Als in einer Schaale stecket,

Welche Schaal' in einem Stück

Bis auf sieben Meilen dick.

50.

Das ist klärlich zu ersehen

An der Dämm'rung Schimmer-Licht.

Denn die könnte nicht entstehen,

Stieß der Strahl der Sonnen nicht

Auf des Luft-Leib's äussre Gräntzen:

Die denn wiederprallend gläntzen:

Welches früher würd' geschehn,

Wenn die Luft sollt' höher stehn.

51.

Ja, wenn sie nur zwantzig Meilen

Höher, als sie itzt ist, wär;

Wär von allen Erden-Theilen

Keiner je von Dämm'rung leer:

Denn das Licht würd' an sie prallen,

Und drauf wieder abwärts fallen;

Aber ohne Gegenstand

Sieht man nicht der Sonnen Brand.

52.

Daß auch in der Lüfte Kreise

Ein beständig Feuer brennt,

Zeiget auf besondre Weise

Folgendes Experiment:

Wenn man in ein hohl Gefässe,

Dran ein Hals von kleiner Grösse,

Nur ein Licht von unten hält,

Und es dann aufs Wasser stellt;

53.

Hört das Licht bald auf zu brennen.

Wenn wir, durch ein krummes Rohr

Und den Blasbalg, Luft ihm gönnen,

Brennt es aber nach, wie vor:

Doch erlischet es zur Stunde,

Wenn man Luft aus unserm Munde,

Die schon in der Lung' gewest,

In dieselbe Röhre bläst.

54.

Hieraus scheinet nun zu fliessen,

Und, weils die Erfahrung lehrt,

Kann man draus gantz deutlich schliessen,

Daß die Luft, die uns genährt,

Durch die Lunge das verlieret,

Was dem Feur zur Kost gebühret,

Und daß von der Luft das Blut

Eben das braucht, was die Gluht.

55.

Nun in dieser Lüfte Kreise,

Den man Atmospära nennt,

Lebt auf wunderbare Weise

Alles, was man sieht und kennt.

Ausser ihr müst' alles sterben;

Alles würde schnell verderben,

Das sich nun durch sie erhält;

Sie ist bloß der Geist der Welt.

56.

Durch sie schwinget sich und schwebet

Jeder Vogel in der Höh.

Was der Sonnen Strahl erhebet

Von der Erd' und aus der See,

Wird von ihr, als wie im Wagen,

Rings um unsre Welt getragen.

Was die Fruchtbarkeit gebiehrt,

Wird in ihr herum geführt.

57.

Sie erhält die Lebens-Flamme,

Die in unserm Blute brennt.

Sie wird wohl mit Recht die Amme

Unsrer innern Wärm' genennt,

Ja man sieht, wie sie die Fische

Und die Pflantzen selbst erfrische,

Welche durch ihr löchricht Grün

Athem, wie die Thiere, ziehn.

58.

Lust ist fähig anzunehmen

Licht und Töne, ja sie kann

Sich zu Hitz' und Frost bequemen,

Gluht und Wasser nimmt sie an.

Der Geruch aus allen Dingen

Kann in ihr sich aufwärts schwingen,

Und es drenget ihr Gewicht

Ueber sich Rauch, Flamm' und Licht.

59.

Welche, stets von ihr umgeben,

Rings umher gedrenget sind:

Wie sich Wasser-Blasen heben,

Nicht nur durch den innern Wind;

Sondern weilen ihre Leichte

An des Wassers Last nicht reichte,

Drückt die Fluth sie heftiglich

Allenthalben über sich.

60.

Wann die Sonn' uns nahe stehet,

Wird sie warm, erhitzt, geschwühl:

Wann der Wind hingegen wehet,

Wird sie alsbald wieder kühl,

Wie man oft mit Schmertzen lernet,

Falls die Sonne sich entfernet,

Daß die Luft, wenn sie verdickt,

Uns beschweret, sticht und drückt.

61.

Aber, kehrt die Sonne wieder;

Aendert sich so gleich die Luft:

Gleich empfinden unsre Glieder,

Wie derselben lauer Duft

Uns mit süssem Hauchen streichelt,

Uns mit sanftem Säuseln schmeichelt,

Die zu starcke Hitze kühlt,

Und, wie Wellen, um uns spielt.

62.

Wollen wir nun nach den Gründen

Der Chymie die Luft besehn;

So wird sich gar deutlich finden,

Sie muß hieraus meist bestehn:

Ihr unfühlbar-dünner Schleyer

Heget Feuchtigkeit und Feuer.

Ist also der Luft Natur

Etwas Schwefel und Mercur.

63.

Ferner hat man zu erwegen,

Wie die Lüfte, durch den Wind,

Solch ein unschätzbarer Seegen

Kräutern, Thier- und Menschen sind.

Durch die Winde werden droben

Alle Wolcken fortgeschoben,

Wodurch in der gantzen Welt

Allenthalben Regen fällt.

64.

Durch die Winde sind die Lüfte

Ohne Fäulniß stets bewegt,

Und gereiniget vom Gifte,

Der sich drin zu sammlen pflegt.

Durch die Wind' und durch die Blitze

Wird die gar zu grosse Hitze,

Die man oft im Sommer fühlt,

Ausgedehnt und abgekühlt.

65.

Durch die Winde sind die Kräfte,

Die der Kreis der Luft begreifft,

Und die Lebens-Balsam-Säfte,

Wenn sie sich durch ihn gehäufft,

In die Cörper eingetrieben;

Welche sonst unfruchtbar blieben.

Keine reiche Erndt' entsteht,

Wenn die Winde nicht geweht.

66.

Keine Handlung könnte bleiben;

Keine Schiff-Fahrt vor sich gehn,

Deren Nutz nicht zu beschreiben,

Wie ein jeder muß gestehn:

Trieben nicht der Winde Kräfte

Dieß so nöthige Geschäffte,

Wie so manches schöne Land

Wär' uns ewig unbekannt?

67.

Alle Vortheil' sind ungläublich,

Die man durch den Wind verspürt.

Ist der Nutz nicht unbeschreiblich,

Wenn er Wasser aufwärts führt?

Wenn er Mühlen-Räder treibet,

Länder trocknet, Korn zerreibet,

Tücher stampfet? Holtz und Stein

Schneiden uns die Winde klein.

68.

Fragt man nun: was sind die Winde,

Und wo kommen sie doch her?

So bekenn' ich, daß die Gründe

Des Beweises etwas schwer.

Denn die meisten sind gebrechlich:

Doch dieß ist unwidersprechlich,

Daß die Winde bloß allein

Unsrer Luft Bewegung seyn;

69.

Welche durch der Sonnen Strahlen

Oft gedehnet, oft gedrückt,

Oft gespannet, oftermahlen

Dünn gemachet, oft verdickt.

Wechselt dieses nun gelinde;

So entstehn gemeine Winde:

Aber wenn ein Sturm sich regt,

Scheint die Luft, wie folgt, bewegt.

70.

Glaublich ist, daß dieß entstehet,

Wenn der Sonnen Wunder-Licht

Eine Menge Dünst' erhöhet,

Ihre Cörperchen zerbricht,

Und dadurch die Luft vermehret,

Da die erste rückwärts fähret,

Aber bald, aufs neu gedehnt,

Sich nach ihrer Stelle sehnt.

71.

Und dadurch die neuern Theile

Von sich drenget, stösst und treibt,

Deren jede nun in Eile

Sich an andern Theilen reibt,

Da sich denn die Luft ergiesset,

Und in Strichen gleichsam fliesset,

Wie ein strenger Wasser-Fluß,

Vor dem alles weichen muß.

72.

Doch so schrecklich auch von Stärcke

Solche Stürme manchmahl sind;

Spürt man gleichwohl Gottes Wercke

Augenscheinlich, Der den Wind

Dennoch Maasse zwingt zu halten,

Da, dieß alles zu verspalten,

Dem erzürnten Lüfte-Heer

Sonsten nicht unmöglich wär.

73.

Daß der West-Wind wärm- und nasser,

Als der Ost-Wind, kommt daher:

Weil die Sonn' ein duftig Wasser

Aus dem Theil von Erd' und Meer,

Die sie kurtz vorher berühret,

Aufgezogen. Dadurch führet

Stets der Wind aus diesem Strich

Viele Feuchtigkeit mit sich.

74.

Da der Morgen-Wind hingegen

Stets aus solchem Orte bläst,

Welcher in der Sonnen Wegen

Eine Zeitlang nicht gewest;

Sinckt also der Dunst hinwieder,

Durch der Nächte Kälte, nieder;

Darum ist die Morgen-Luft

Kühl, und leer von Dunst und Duft.

75.

In der Erden innern Gründen,

Wo der Mittelpunct sich schliesst,

Soll sich ein Behälter finden,

Woraus stets sich Luft ergiesst,

Die aus Süden theils entspringet,

Theils sich durch den Nord-Pol dringet,

Wovon diese Süd-wärts fährt,

Jene sich nach Norden kehrt.

76.

Und durch dieses Luft-Geists Regen

Soll der leitende Magnet

Sich so wunderbar bewegen,

Daß er immer Nord-wärts steht,

Weil die Erd-Luft, wie man meynet,

Sich mit seiner Luft vereinet,

Als die beyde gleiche klein,

Und von einer Grösse seyn.

77.

Daß im Winter, wenn es frieret,

Es nicht immer gleich kalt,

Daß man nicht im Sommer spüret,

Gleicher Hitz' und Gluht Gewalt;

Dieß, wie viele Weise gläuben,

Ist dem Luft-Geist zuzuschreiben,

Ja der frechen Winde Zucht

Ist wohl gar derselben Frucht.

78.

Diese Gründ' und mehr dergleichen

Glaubt man: denn sie scheinen klar.

Gleichwohl will ich gerne weichen,

Werd' ich bessere gewahr.

Um nur Gottes Werck zu preisen,

Und nicht, meinen Witz zu weisen,

Schreib' ich, und es hat mein Kiel

Gottes Ruhm, nicht sich, zum Ziel.

79.

GOTT, der Du der Winde Rasen

Fassest, als in einem Schlauch,

Du versperrst ihr stürmisch Blasen

In der Erden dunckelm Bauch.

Woher aller Winde Schaaren

Kommen, und wohin sie fahren,

Fasst kein menschlicher Verstand.

Dir ist es allein bekannt!

Das unverhoffte Grün

Jüngst gieng ich, nebst Fabricius,

Den, ohne Neid fast, selbst der Neid bewundern muß,

In einem zierlichen, am klaren Alster-Fluß

Belegnen, grossen Bluhmen-Garten,

Worin, von mehr als tausend Arten,

Viel hundert tausend Bluhmen stunden,

Die wir, durch ihre Meng', in solchem Glantze funden,

Daß durch den Ueberfluß der Lust,

Der uns fast mehr erfüllt' und drengt', als rührte,

Das Hertz in unsrer Beyder Brust

Sich gleichsam recht gedruckt, und sanft gepreßt verspürte.

Wir stutzten erst vor übermachter Freude,

Und, durch die bunte Gluht der Bluhmen angeflammt,

Gedachten wir mit Lust und Ehrfurcht alle Beyde

An den, aus dessen Kraft Luft, Erd' und Himmel stammt.

Es brach ein froh Gott Lob! aus beyder Hertz und Mund:

Gott Lob! Der sich bey uns in solcher Schönheit kund

Und gleichsam sichtbar macht!

Le Fevre, welcher sich zugleich bey uns befand,

Le Fevre, eine Zier von seiner Vater-Stadt,

Und der, zu meiner Ehr', mit mir verwandt,

Bewunderte nebst uns, und ehrt', in ihrer Pracht,

Die Gottheit ebenfalls. Als eben Böckelmann,

Des schönen Gartens Herr und Pfleger, zu uns trat;

Und, wie er uns sehr höflich angesprochen,

Auch für uns eine gute Zahl

Erles'ner Bluhmen abgebrochen,

Kam er von ungefehr auf seine Morgen-Zeit.

Nicht auszudrücken ist die Lust, die ich verspüre,

Sprach er, wenn ich, schon früh' um viere,

Der Bluhmen ungezählte Zahl

Im von der frühen Sonnen-Strahl

Gefärbt- und gantz durchdrungnen Thau,

In einem himmlischen, nicht ird'schen, Firniß schau.

Ich fühle, wie so denn die allgemeine Stille,

Die dann die Welt beherrscht, auch mein Gemüth erfülle.

Dieß ist die schönste Zeit, dieß sind die schönsten Stunden!

Nur dauret mich, daß sie von Menschen auf der Erden

So wenig nur empfunden,

Und mehrentheils verschlafen werden.

Wir traureten und freuten uns mit ihm.

Hierauf kam man von ungefehr

Von neuem auf der Bluhmen Heer:

Man sprach: Bewunderns-wehrt ist, da der Bluhmen Pracht

In allen Farben glimmt, daß die Natur von ihnen

Doch keine grün gemacht.

Wir andern stimmten bey,

Und dachten, daß dem Laub' und Gras' allein, im Grünen

Zu gläntzen, vorbehalten sey.

Drauf gieng, mit sanften Schritten,

Herr Böckelmann von uns, kam aber bald hernach,

Mit ja so sanften Schritten, wieder;

Und, sonder daß er etwas sprach,

So legt' er in der Mitten,

Auf unsern Tisch drey grüne Bluhmen nieder,

Wodurch er, daß wir uns geirrt,

Uns überzeuglich überführte.

Wir sah'n einander an. Halb lächelnd, halb verwirrt,

Gestunden wir, zu seiner Ehr',

Daß dieß die beste Art zu überzeugen wär.

Nachhero nahmen wir der grünen Bluhmen Pracht,

So ein' Anemone, Bewund'rungs-voll in acht,

Da jeder dann, nachdem wir sie recht wohl beschaut,

Gestand, daß auch das schönste Kraut

Kein schöner Grün fast zeigen kann.

Hierüber stimmten wir zuletzt der Meynung bey,

Daß alles, was in der Natur

Sowohl an Farben, als Figur,

Nur möglich auch vermuthlich wircklich sey.

HERR, meine Lust sind deine Wercke.

Ach, gib, daß mancher auch mit mir,

O aller Dinge Quell, sie, Dir

Zum Ruhm, mit Lust und Danck, bemercke!

Die Käiser-Krone

Es sieht die holde Käiser-Krone

Von ihrem hoch-erhab'nen Throne

Beständig auf die Erd' herab,

Die ihre Wieg' und auch ihr Grab.

»Ach möchten doch von ihren Höhen

Die Fürsten so herunter sehen!«

Die Augen, welche, wie Krystallen,

In diesen Bluhmen offen stehen,

Die lassen oftermahl

Fast Honig-süsse Thränen fallen.

»Ach möchten sich doch auch die Grossen fassen,

Und, nach dem Beyspiel dieser Bluhme,

Vergnüg't durch ihrer Hoheit Strahl,

Dem GOTT, der sie so groß gemacht, zum Ruhme,

Auch Freuden-Thränen fallen lassen!«

Der bitter-süßliche Geruch,

So aus den Käiser-Kronen quillt,

Ist ein mit Lehr' erfülltes Bild,

»Daß auch der allerhöchste Stand

Mit Bitterkeit oft angefüllt.«

Auf dieser Bluhmen Kronen-Spitzen

Sieht man ein Büschel Gras nicht ohn Bedeutung sitzen.

»Ach dächten doch die Grossen dieser Erde,

Bey dieser Bluhm', an ihre Flüchtigkeit,

Und daß auch Gras, nach kurtzer Zeit,

Gekrön'te Häupter decken werde!«

Die Rose

Ich sahe jüngst, mit fast erstaunten Blicken,

Die Sonn' im Garten, nach dem Regen,

Der Bluhmen Heer mit heitern Strahlen schmücken,

Und ihren reinen Glantz in nasse Blätter prägen.

Indem mein Auge nun, durch ihre Zahl verwirrt,

Durch ihren Schmuck entzückt, von der zu jener irrt,

Der spielenden Natur gefärbtes Kleid betrachtet,

Bald die, bald jene, höher achtet;

Sich bald an dieser hier, und bald an der, ergötzet;

Bald beyde gleiche schön, bald die noch schöner, schätzet;

Reisst endlich Augen, Hertz und Sinn

Ein Rosen-Busch auf sich nur eintzig hin.

Ich seh' ihn kaum aufmercksam in der Nähe;

So deucht mich, als ob ich in seiner Zier

Nichts Irdisches, nein, gar aus Edens Lust-Revier

Annoch ein Ueberbleibsel, sähe.

Aria.

Paradises Kind und Bild,

Rose, deiner Blätter Prangen

Hat mit sehnlichem Verlangen,

Durch das Aug', mein Hertz erfüllt,

Die verlohr'nen Edens-Auen

Selig wiederum zu schauen.

Im Geiste stelle man sich ein Gebüsche vor,

Deß Blätter aus Smaragd geschnitten,

Die Stengel aus Türkis, woran aus Hyacinth,

Geschärften Dornen gleich, formir'te Spitzen sind.

Auf solchem Wunder-Strauch, der mannichfaltig grün,

Stünd' ein hell-schimmernd Heer von Bluhmen aus Rubin,

So funckelnd gläntzt und strahl't, in deren Mitten

Ein kleines göld'nes Licht in hellem Schimmer schien;

Ja, daß des Künstlers Hand

Versthied'ne Kügelchen vom reinsten Diamant

Auf ihrer Blätter Pracht, zu gröss'rer Zier, gestreut.

Dann dencke man, wie diese Herrlichkeit

Noch lange nicht dem Schmuck gewachs'ner Rosen gleichet,

Ja ihnen kaum das Wasser reichet.

Aria.

Flammende Rose, Zierde der Erden,

Gläntzender Gärten bezaubernde Pracht!

Augen, die deine Vortrefflichkeit sehen,

Müssen, vor Anmuth erstaunet, gestehen,

Daß dich ein Göttlicher Finger gemacht.

Da Capo.

Sie kam mir für, wie eine Königinn,

Mit Purpur angethan;

Die gelbe Saat schien eine göld'ne Krone;

Der schöne Busch glich einem hohen Throne,

Der Dornen Heer geharnischten Trabanten,

Der Tropfen Ründ' und Glantz geschliffnen Diamanten.

Die nimmer stille Schaar der Bienen,

So öfters murmelnd zu ihr kam,

Und, mit geschwindem Flug, bald wieder Abschied nahm,

Schien, ihrer Majestät zu dienen,

Und gleichsam ihr Verlangen zu erfragen,

Um ihren gnädigen Geheiß,

Mit fröhlichem Gesums' und unverdrossnem Fleiß,

Den lieblich riechenden Vasallen vorzutragen.

Aria.

Rose, Königinn der Bluhmen,

Wenn du Bienen, die du tränck'st,

Honig aus Rubinen schenck'st;

Sollten billig unser' Augen,

Da man deinen Glantz betracht't,

Auch aus deines Purpurs Pracht,

Dem zum Ruhm, der dich gemacht,

Süssen Andachts-Honig saugen.

Wenn sie sich öffnet, sieht in ihr die frohe Seele

Ein' angenehme kleine Höle,

In welche, nebst dem Blick, den Geist

Ein lieblich-rother Wirbel reisst,

Den tausend Blätterchen, die wir daselbst verspüren,

Wie sie sich inwärts drehn, formiren.

Erweg't die Kraft, so man in diesem Wirbel sieht,

Da er, nebst Blick und Geist, die Nas' auch in sich zieht.

Die Bildung ist der bildenden Natur

Vollkommenste Figur.

Ihr Leib ist Circkel-rund, und ihrer Mutter gleich;

Bald sieht man weißlich-roth, bald röthlich-bleich,

Auf ihrer Blätter Sammt sich, ohne Grentzen,

Vereinigen, und süß in weisser Röthe gläntzen.

Es sind die Blätter dicht,

Und doch so dünn und zart,

Daß selbst das Licht

Durch ihr so angenehm gefärbt Gewebe bricht,

Sich mit den röthlichen gelinden Farben paar't,

Und, selber roth gefärbt, die innern Blätter färbet.

So dünn ist jedes Blatt, zumahlen wenn es naß,

Daß es durchsichtig, wie ein Glas.

Man kann in ihnen oft das zärtlichste Gespinnste

Der dünnen Adern sehn,

Woran, durch der Natur uns unbekannte Künste,

Viel kleine klare Bläsgen stehn.

Sie sind, da sie mit rothem Saft erfüllt,

Der Adern recht natürlich Bild.

Ein rother Schatten ohne Schwärtze

Bedeckt das kleine göld'ne Hertze,

Das in dem Mittel-Punct der holden Tiefe sitzt,

Und in der Balsam-reichen Höle

In Purpur-farb'ner Dämm'rung blitzt.

Der rothen Farben süsser Schein

Scheint leiblich nicht, nein, geistig fast, zu seyn,

Da er, nachdem als man die Rose drehet,

Bald von, bald nach dem Licht', entstehet und vergehet,

So daß ihr Roth und Weiß, als wie das Blau und Grün

An einem Tauben-Hals, sich oft zu ändern schien.

Dieß ist der inn're Schmuck, die kühle rothe Gluht,

Die in dem runden Schooß der edlen Rose ruht;

Da gegentheils, was auf den äussern Blättern glühet,

In einer bläulich-weiss- und röthlich-klaren Pracht

Fast einer Fleisch-Farb' ähnlich siehet,

Zumahl wenn unterwärts ein glattes Dunckel-roth,

Das einem rothen Atlaß gleich,