Irresistibly Broken - Julie Saman - E-Book
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Julie Saman

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Beschreibung

Zaxton Monroe ist reich, mächtig und super attraktiv. Und er glaubt, dass ich das Ziel habe, ihn zu ruinieren. Da könnte er natürlich Recht haben …

CEO Zaxton Monroe kann sich kaufen, was sein Herz begehrt. Doch all sein Geld macht ihn nicht glücklich, da sein Leben vor acht Jahren gehörig aus den Fugen geriet. Immer wieder holen ihn diese Erinnerungen ein und die Vergangenheit lässt ihn einfach nicht los.

Dann taucht eines Tages Aurelia, seine Ex-Stiefschwester in seiner Firma auf und ist fest entschlossen, sich in seinem Unternehmen zu behaupten. Zaxton ist davon gar nicht begeistert und er versucht, mit allen Mitteln Aurelia wieder loszuwerden.

Doch aus dem kleinen Mädchen ist eine schöne Frau geworden, die genau weiß, was sie will. Und Zaxton erliegt immer mehr ihrem Charme.

Doch spielt Aurelia wirklich mit offenen Karten? Kann er ihr vertrauen? Oder versucht sie ihn zu ruinieren?

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Zaxton Monroe ist reich, mächtig und super attraktiv. Und er glaubt, dass ich das Ziel habe, ihn zu ruinieren. Da könnte er natürlich Recht haben …

CEO Zaxton Monroe kann sich kaufen, was sein Herz begehrt. Doch all sein Geld macht ihn nicht glücklich, da sein Leben vor acht Jahren gehörig aus den Fugen geriet. Immer wieder holen ihn diese Erinnerungen ein und die Vergangenheit lässt ihn einfach nicht los.

Dann taucht eines Tages Aurelia, seine Ex-Stiefschwester in seiner Firma auf und ist fest entschlossen, sich in seinem Unternehmen zu behaupten. Zaxton ist davon gar nicht begeistert und er versucht, mit allen Mitteln Aurelia wieder loszuwerden.

Doch aus dem kleinen Mädchen ist eine schöne Frau geworden, die genau weiß, was sie will. Und Zaxton erliegt immer mehr ihrem Charme.

Doch spielt Aurelia wirklich mit offenen Karten? Kann er ihr vertrauen? Oder versucht sie ihn zu ruinieren?

Über Julie Saman

Julie Saman ist USA-Today-Bestsellerautorin und süchtig nach Cola Light, sauren Bonbons und Indie-Rock. Sie flucht viel zu viel (vor allem nach einem Glas Wein) und hat eine Vorliebe für Sarkasmus (zumindest sagen das ihr Mann und ihre Kinder gerne).

 Sie ist vor allem bekannt für ihre witzigen und emotionalen Second Chance Romances mit intelligenten, starken Frauen und sexy Alpha Männern.

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Julie Saman

Irresistibly Broken

Aus dem Amerikanischen von Sabine Neumann

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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1: Zaxton

2: Aurelia

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25: Aurelia

26: Aurelia

27: Zaxton

28: Aurelia

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Zaxton

Alle haben sich nur für die Schlagzeile interessiert. Sie war es, die bis zum Erbrechen wiederholt wurde – von jedem Nachrichtennetzwerk, Unterhaltungsmagazin und Blog. »Suzie Ward, Managerin der supererfolgreichen Rockband Central Square und Freundin von Zaxton Monroe, tot in der Dusche aufgefunden.«

Der Schlagzeile folgten Massenspekulationen, denn auch wenn hier und da mal etwas durchsickerte und ein paar Statements abgegeben wurden, wusste niemand außer uns, was wirklich passiert ist. Ich bin der Einzige, der die Wahrheit kennt, und werde die mysteriösen Umstände mit ins Grab nehmen. Diese Katastrophe hat aus mir das entzückende Arschloch gemacht, das ich heute bin.

Besonders heute.

Genau vor acht Jahren ist die Liebe meines Lebens gestorben.

Und es scheint mit der Zeit nicht einfacher zu werden. Vielleicht liegt es daran, dass ich an diesem Tag mehr als bloß sie verloren habe. Ich habe ein Stück von mir selbst verloren, das ich bisher nicht wiederfinden konnte.

Auf dem Sitz neben mir vibriert mein Handy, aber ich ignoriere es. Das ist entweder einer der Jungs, mein Bruder oder die Arbeit. Und mit nichts davon will ich mich jetzt gerade befassen. Ich hätte ausnahmsweise mal zu Hause bleiben sollen. Ich hätte gar nicht erst aufstehen sollen, doch wir haben heute ein Fotoshooting für ein paar Teile der neuen Damenherbstkollektion, und da muss ich dabei sein, und wen interessiert’s?

Mein Bett und Whiskey zum Frühstück wären eine viel bessere Option.

Mein Fahrer Ashley sitzt ruhig und geduldig vorn, starrt geradeaus und lässt mich in Ruhe. Er weiß es. Er arbeitet schon lange genug für mich, um zu wissen, dass ich aussteige, wenn ich bereit bin, und im Moment bin ich es einfach noch nicht.

Werde ich jemals darüber hinwegkommen? Wird der Schmerz jemals verschwinden?

»Was passiert, wenn ich mich krankmelde?«, murmele ich leise und bemerke, wie sich Ashley da vorne bewegt. Die Frage war nicht an ihn gerichtet, aber ich hätte kein Problem damit, wenn er mir trotzdem antworten würde. Er ist derjenige, der einer Vaterfigur in meinem Leben am nächsten kommt, auch wenn ich ihn dafür bezahle, hier zu sein, denn mit meinem richtigen Vater will ich nichts mehr zu tun haben. Was auch der Grund dafür ist, dass ich der Geschäftsführer von Monroe Fashion bin und nicht er.

»Mein Vorschlag wäre, dass Sie mit jemandem über diesen Tag sprechen. Sich alles von der Seele reden.«

»Dafür müsste man überhaupt erst mal eine Seele haben.«

Er stößt einen traurigen Seufzer aus, der mir sagt, dass er von dieser Antwort nicht gerade begeistert ist.

»Darüber zu reden wird keine Last von mir nehmen. Es wird nur andere belasten.« Die Wahrheit würde mich nicht befreien. Sie würde jemanden ruinieren, der bereits mehr leidet, als er sollte.

»Sie wissen –«

»Ich weiß. Und danke. Wenn ich jemals darüber reden möchte, könnte es sein, dass Sie mehr hören, als Sie jemals wollten.«

Er lacht leise über meinen sarkastischen Ton, als neben meinem Fenster etwas Weißlich-Blondes aufblitzt und mich aus meinen elenden Gedanken reißt. Unwillkürlich folgt mein Blick der Spur, gebannt von der Einzigartigkeit der Farbe und dem wellenförmigen Fluss. Eine blonde Mähne, die fröhlich im Sonnenschein des Sommertages hüpft und springt. Bis sie plötzlich zusammen mit dem dazugehörigen Körper aus meinem Sichtfeld verschwindet und ein Schrei ertönt.

»Scheiße!«

Ich nehme mein Handy, stürze aus dem Auto und rase die drei Betonstufen zum ersten Treppenabsatz hinauf, wo eine Frau steht und sich schreiend gegen einen Mann wehrt, der versucht, ihr die Handtasche zu stehlen. Er greift nach dem Lederhenkel, zieht mit einem festen Ruck daran und schubst sie gleichzeitig mit der anderen Hand zu Boden. Brutal.

Ohne nachzudenken, werfe ich mich mit der ganzen Kraft meiner Größe und meines Gewichts auf ihn. Die Handtasche entgleitet seiner Hand und rutscht die Treppe hinunter, aber ehe er sich selbst abfangen oder wieder aufrichten kann, um abzuhauen, packe ich ihn am Shirt und zerre ihn hoch. Während seine Füße in der Luft baumeln, erhasche ich einen genaueren Blick auf ihn.

»Mein Gott!«, zische ich bestürzt. »Warum zum Teufel klaust du in deinem Alter Handtaschen?«

Der Junge, der nicht älter als siebzehn sein kann, grinst mich höhnisch an und macht einen auf obercool, trotz der Tatsache, dass ich ihn gerade in der Luft baumeln lasse. »Fick dich, Mann! Was geht dich an, was ich tue? Du kennst mich nicht.«

Ich setze ihn ab, lasse sein Shirt dabei aber nicht los. »Du glaubst, dass es dich tough macht, wenn du Frauen beklaust? Dass es einen Mann aus dir macht? Weißt du, was wirklich tough ist?« Ich stehe direkt vor ihm. »Tough ist, seinen Mann zu stehen, auch dann, wenn es schlecht für dich aussieht. Das Richtige zu tun, wenn das Falsche einfacher ist. Werd erwachsen. Lass diese Scheiße und mach es besser. Und jetzt hau ab, bevor ich die Cops rufe!«

Ich stoße ihn weg, achte jedoch darauf, dass er sieht, wie ich ihm hinterherstarre. Eine Sekunde lang zögert er, sein Blick fällt auf die Frau, die noch immer am Boden liegt, ehe er wieder zu mir hochschaut und schließlich wegrennt.

Ich drehe mich um und sehe zu der Frau hinunter, die sich leise fluchend aufgesetzt hat und ungläubig auf den hochhackigen Schuh in ihrer Hand hinabstarrt. Der lange, schmale Absatz des schwarzen Stilettos ist abgebrochen und hängt nun schlaff herunter.

»Das hättest du nicht tun sollen«, schimpft sie. »Nicht heute! Deine Aufgabe ist es, mich von Punkt A nach Punkt B zu tragen, ohne dabei abzubrechen wie ein jämmerlicher Zweig. Weißt du nicht, was das für mich bedeutet? Sieh dir das an.« Ihre Hände fahren über ihren Körper. »Was für eine blutige Sauerei! Im wahrsten Sinne des Wortes.« Sie schüttelt den Schuh drohend. »Ich werde Marie sagen, dass du uns das angetan hast, und sie wird nicht erfreut sein. Ganz und gar nicht.«

Marie? Ich schaue mir die Schuhe genauer an. Marie Marcato. Exklusiv und teuer. Aber natürlich macht sie Witze, denn niemand kennt Marie persönlich oder spricht mit ihr direkt. Nicht einmal ich, und ich versuche es schon länger, als ich zugeben möchte. Dennoch kann ich nicht verstehen, dass sie sich mehr über ihren kaputten Absatz ärgert als über die Tatsache, dass sie fast ausgeraubt wurde.

Mein Schatten fällt auf sie und schirmt sie von der gleißenden Sommersonne ab. »Was haben Sie sich dabei gedacht, mit ihm zu kämpfen? Er hätte bewaffnet sein oder Sie ernsthaft verletzen können. Geht es Ihnen gut?« Aus den Schürfwunden an ihren Knien tropft Blut auf ihre Schienbeine und auf die Betonstufen, aber sie konzentriert sich mehr auf ihren kaputten Schuh.

Sie wirft mir einen Blick aus beunruhigend strahlenden saphirblauen Augen zu und fixiert mein Gesicht. Und sobald sie sieht, wer vor ihr steht, werden die Augen riesengroß, und ihre prallen, rosigen Lippen öffnen sich. »Scheiße!«, flüstert sie.

»Jetzt sind Sie wieder auf der Höhe. Das Gleiche habe ich gesagt, als ich Sie mit ihm kämpfen sah. Geht es Ihnen gut?«, wiederhole ich, und man hört meinem Tonfall an, wie genervt ich bin, nun, wo sie mich anstarrt wie, na ja, wie jeder andere auch. Überwältigt. Ehrfürchtig. Ängstlich. »Wissen Sie nicht, wie man auf Fragen antwortet, oder ist Ihnen die Fähigkeit zu sprechen zusammen mit dem gesunden Menschenverstand abhandengekommen?«

Sie runzelt die Stirn über meine scharfen Worte. »Haben Sie das gerade wirklich gefragt? Haben Sie eine Ahnung, wie wahnsinnig unhöflich und herablassend das ist, nach dem, was gerade passiert ist?«

Meine Lippen zucken und wollen sich zu einem Grinsen verziehen, aber ich lasse es nicht zu. »Irgendwie musste ich Sie ja zum Reden bringen.«

Sie wendet den Blick ab und starrt auf ihre Knie hinunter, die aus mehreren Wunden bluten und nässen. »Er hat mich geschubst, und mein Schuh ist kaputt«, entgegnet sie mir. »Offensichtlich ist das nicht mein Tag heute.«

»Offensichtlich«, sage ich trocken und äffe ihren bissigen, süffisanten Tonfall nach. »Und Sie sind verletzt. Zum dritten Mal: Geht es Ihnen gut?«

»Ähm. Ich weiß nicht«, gibt sie mit zittrigem Atem zu. »Ich bin wütend. Und verletzt. Und verärgert. Wegen so vieler, vieler Dinge gerade.«

»Kann ich Ihnen aufhelfen?«

»Sie sind wahrscheinlich der Letzte, von dem ich je Hilfe erbitten oder annehmen sollte.«

Okay. Keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. »Arbeiten Sie hier?«

»Wahrscheinlich nicht mehr lange. Ich mache ein Praktikum im Design. Heute ist mein erster Tag.« Sofort macht sich Bedauern auf ihrem Gesicht breit. Sie runzelt die Stirn und schüttelt heftig den Kopf. »Ich wünschte wirklich, ich hätte Ihnen das gerade nicht erzählt.«

Ich lache leise, und sie nimmt anscheinend fälschlicherweise an, dass ich über sie lache. Jedenfalls wirft sie mir mit ihren faszinierenden Augen einen vernichtenden Blick zu. Und dann sind da noch ihre Haare und diese sexy Lippen und diese bezaubernden Sommersprossen auf dem Nasenrücken einer entzückend zierlichen Nase und auf dem oberen Teil ihrer perfekten hohen Wangenknochen und so weiter.

Ich kann nicht aufhören, sie anzustarren.

Obwohl ich weiß, dass ich ihr Gesicht irgendwo schon einmal gesehen habe, fällt es mir schwer zu sagen, wo genau. Trotzdem regt sich mein dummer Schwanz in meiner Hose. Nicht der günstigste Zeitpunkt dafür, wenn man bedenkt, dass sie gerade vom Boden aus zu mir hochsieht.

Sie beginnt, langsam aufzustehen, wenn auch ungeschickt, denn sie kann sich nicht hinknien, um sich aufzurichten, und der Bleistiftrock, den sie trägt, engt ihre Oberschenkel ein.

»Das ist keine gute Idee«, sage ich zu ihr. »Sie bluten. Ihr Schuh ist kaputt. Ganz zu schweigen davon, dass Sie gerade zugegeben haben, sich nicht sicher zu sein, ob es Ihnen gut geht.«

»Es geht mir gut.« Sie keucht erschrocken auf, als ihr Knie über den Boden schrammt. »Ich kann nicht ewig hier rumsitzen, und außerdem will ich an meinem ersten Tag nicht zu spät kommen.«

»Ich bin mir sicher, sie werden es verstehen, wenn sie Sie sehen.«

Sie dreht sich auf die Seite und versucht, zum Aufstehen ihre Ellbogen einzusetzen, was einfach nur lächerlich ist.

»Ich weiß nicht, was das da werden soll, aber Sie werden sich so bloß noch mehr wehtun«, mahne ich. »War Ihre Handtasche das wirklich wert? Hier, nehmen Sie meine Hand.«

»Nein, danke.« Sie schiebt meine angebotene Hand weg. Ihr Stolz hat gesiegt.

Oder vielleicht liegt es daran, dass du dich ihr gegenüber wie ein Arsch benimmst, nachdem sie gerade überfallen wurde. Ich verdränge diesen Gedanken.

»Wissen Sie, wer ich bin?«, frage ich kühl, denn es ärgert mich, dass sie mich zurückweist, obwohl ich ihr mit dem Straßenräuber geholfen habe und ihr gerade wieder anbiete, ihr zu helfen.

Sie wirft mir einen Blick zu. »Sie meinen, abgesehen von dem Idioten, der hier über mir steht und sich über mich lustig macht? Ja, ich weiß, wer Sie sind.«

»Dann bin ich schockiert, dass Sie immer noch so mit mir reden.« Sie macht hier ein Praktikum. Das heißt, sie arbeitet für mich, ob direkt oder nicht. Und dann spricht sie so mit mir?

»Ich auch. Das müssen der Blutverlust und das Adrenalin sein, das mich durchdrehen lässt. Ich nehme an, sonst gibt Ihnen nie jemand Widerworte oder beleidigt Sie?«

»Niemand, der auch nur ein Fünkchen eines natürlichen Selbsterhaltungstriebs besitzt, aber ich denke, wir haben bereits festgestellt, dass Sie den nicht haben.«

»Wow!«, spottet sie. »Sie sind ein wahrer Prinz unter den Sterblichen, was, Zaxton?« Sie schnaubt. »Was für ein Name ist Zaxton überhaupt? Paxton, Jaxson, von mir aus sogar Saxton, aber von einem Zaxton habe ich noch nie gehört.«

Meine Augen verengen sich zu bedrohlichen Schlitzen. Ich kann furchterregend sein, wenn ich will. »Ein Name, der Sie nichts angeht, Praktikantin. Apropos Namen …« Ich ziehe erwartungsvoll die Augenbrauen hoch.

»Nein, nein. Wenn Sie wissen, wer ich bin, werde ich mit Sicherheit gefeuert.«

Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll, aber es interessiert mich im Moment nicht genug, um noch weiter nachzubohren. Ich kann es nicht ertragen, sie noch eine Sekunde länger so herumzappeln zu sehen, ob sie meine Hilfe nun will oder nicht. Also beuge ich mich hinunter, lege ihr den Arm um die Hüfte und ziehe sie hoch, um ihre Knie zu schonen. Dabei versuche ich zu ignorieren, wie sich ihr Körper an meinem anfühlt. Und wie gut sie riecht. Parfüm, Shampoo, Duschgel oder ihr natürlicher Duft – was auch immer es ist, wenn ich es in Flaschen abfüllen und verkaufen könnte, wäre ich noch reicher, als ich es ohnehin schon bin.

Sobald sie aufrecht steht, wenn auch etwas wackelig, mache ich einen Schritt zurück und lasse sie so schnell los, wie ich kann, ohne zu riskieren, dass sie wieder fällt.

»Danke«, murmelt sie. »Und danke, dass Sie meine Tasche gerettet haben. Vielleicht hätte ich nicht versuchen sollen, mich zu wehren, aber ich habe genug davon, dass man mir etwas wegnimmt und auf mir herumtrampelt.« Sie wendet sich von mir ab und humpelt auf einem Absatz die Treppe hinauf, weil sie unbedingt hinein und weg von mir will. Wirklich?

»Sie tropfen alles mit Blut voll«, rufe ich ihr nach. Es gefällt mir nicht, wie schnell sie mich abgewiesen hat. Es gefällt mir nicht, wie sehr ich ihren Blick wieder auf meinem spüren will. »Bleiben Sie jetzt bitte stehen? Sie können so doch kaum laufen!«

Sie stößt einen verzweifelten Seufzer aus, weil sie weiß, dass ich recht habe. Das Blut rinnt ihr die Beine hinunter und über ihren absatzlosen Fuß und sogar in den anderen noch intakten Schuh.

Ich habe die Nase voll von diesem Spiel.

»Ich kann mich nicht erinnern, Sie nach – ah!« Sie stößt einen leisen Schrei aus, als ihre Beine unter ihr weggefegt werden und ich sie hochhebe. »Was tun Sie da?«

»Ich trage Sie rein. Sie bluten hier meine ganze Treppe voll und wurden gerade angegriffen. Ich muss mich vergewissern, dass es Ihnen gut geht.«

Ich halte sie fest an mich gedrückt, während ich sie wie eine Braut die Treppe hinauftrage. Sie ist groß und schlank, aber mit tollen Kurven an all den richtigen Stellen. Ihr Haar streift mein Gesicht, als ich sie in meinem Arm zurechtrücke, und überall ist ihr köstlicher Duft. Ich ziehe sie näher an mich heran, weil sich das Ganze hier ein bisschen zu gut anfühlt. Was ist das für ein Duft? Er erinnert mich an eine Sommerwiese mit Wildblumen. Es macht mich fertig, dass ich meine Nase nicht in ihrem seidigen Haar vergraben und ihn noch tiefer einatmen kann.

»Ich kann laufen«, protestiert sie, ohne zu wissen, was sie mir hier gerade antut.

»Da bin ich anderer Ansicht. Hören Sie auf, sich zu winden.«

»Ich höre auf, mich zu winden, wenn Sie mich runterlassen.«

»Wir haben es gleich geschafft. Jetzt. Hören. Sie. Auf.« Meine Hand auf ihrem Oberschenkel ballt sich warnend zur Faust, und sie gibt den Protest auf.

»Ich versuche nur, Ihren Sakkoärmel nicht mit meinem Blut zu besudeln.«

»Danke, aber ich ziehe mich sowieso in ein paar Minuten um.«

Sie lacht spöttisch. »Ist das Ihr Standardprozedere, Mr. Monroe? Wie viele Garderobenwechsel haben Sie pro Tag?«

Ich neige den Kopf. Mein Blick, dunkel und verschleiert, begegnet ihrem. Ich grinse darüber, wie dreist sie zu mir ist. »Sie haben ein ziemlich freches Mundwerk für eine Praktikantin, die an ihrem ersten Tag mit ihrem Chef spricht.«

Sie zuckt mit den Schultern und versucht, ihr Gesicht zu verbergen, da uns inzwischen alle Leute anstarren. Allerdings kann ich es ihnen auch nicht wirklich verübeln. Ich bin zwar für vieles bekannt, aber nicht dafür, Jungfrauen in Nöten die Treppe hinauf und in mein Bürogebäude zu tragen.

Die Tür öffnet sich, und der kalte Luftzug der Klimaanlage lässt sie erschaudern, als er auf das Blut auf ihrer Haut trifft. Ich drücke sie fester. »Geht es Ihnen gut?«

»Mir geht’s gut. Einfach prächtig. Ich meine, wenn man bedenkt, dass es mein erster Tag ist und ich fast überfallen worden wäre, der Absatz meines Schuhs kaputt ist und ich blute wie Sau. Oh, und ich beschimpfe meinen Chef, der zufälligerweise ausgerechnet Sie sind.« Sie schlägt sich die Hand vor den Mund und murmelt »Entschuldigung« hinter ihren Fingern. »Ich meine …« Ein schwerer Seufzer. »Ich wollte Sie nicht so kennenlernen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie überhaupt jemals kennenlernen müsste. Das hat er gesagt, und dann kommen Sie als edler Ritter daher, und ich … ich bin nun fertig mit Reden.«

Ich habe keine Ahnung, was sie da redet. Meine Verwirrung muss offensichtlich sein, denn sie nagt an ihrer Unterlippe und schüttelt den Kopf, was mir sagt, dass sie mich nicht aufklären wird.

»Mr. Monroe, was ist passiert?« Der Mann vom Sicherheitsdienst kommt auf uns zugeeilt, während ich sie zu der Bank an der Wand zwischen den Aufzügen und den bodentiefen Fenstern hinübertrage.

»Sie hat sich draußen auf der Treppe verletzt. Haben wir hier unten ein Erste-Hilfe-Set, George?«

»Natürlich, Sir. Ich hole es sofort.«

George huscht davon, und ich setze sie aufrecht auf den gepolsterten Ledersitz. Dann knie ich mich vor sie, ziehe mein weißes Seidentaschentuch aus der Brusttasche und drücke es auf die Schnittwunde, die am stärksten blutet.

Das brennt bestimmt tierisch. Ihr Kinn zuckt, sie atmet scharf ein, und ihre hübschen blauen Augen werden glasig.

»Sie kennen seinen Namen«, flüstert sie und starrt dabei auf ihre Knie hinunter, ohne mir in die Augen zu sehen.

»Ja. Ich kenne seinen Namen«, entgegne ich knapp. »Ich kenne den Namen seiner Frau sowie die Namen seiner Kinder. Er arbeitet hier, seit ich ein Kind war, und ich schätze ihn sehr.«

Ihr Kopf wippt auf und ab. »Ich wollte nicht, dass das so wertend rüberkommt, wie es sich anhörte.« Sie neigt den Kopf. »Oder vielleicht doch. Tut mir leid.« Sie berührt den Ärmel meines Sakkos. »Mein Blut klebt an Ihnen.«

Mein Blick bleibt auf ihr schönes Gesicht gerichtet. »Sollte mich das stören?«

»Tut es das nicht?«

Mal überlegen. Es fühlt sich an, als sollte es eklig sein, aber es ist auf eine seltsame Weise erotisch.

»Nein.«

Sie sieht unter ihren langen Wimpern zu mir hoch, ein schüchternes Lächeln spielt um ihre Lippen, und ich bekomme keine Luft mehr, als hätte mir gerade jemand ein Messer in die Brust gerammt. Sie ist mit Abstand die umwerfendste Herzensbrecherin, der ich je begegnet bin.

»Springen alle Leute immer gleich, sobald Sie mit den Fingern schnippen?«, fragt sie beiläufig, während sie ihren kaputten Schuh auf den Boden fallen lässt und auf ihre Armbanduhr schaut. Sie ist spät dran. Ich übrigens auch, aber das ist mir gerade so was von egal.

Mir gefällt ihr Auftreten. Mir gefällt, dass sie sich gewehrt hat, obwohl es sie ihren Schuh und ihre Knie gekostet hat. Mir gefällt, wie sie mit mir redet, mich anpöbelt und mir kühne Fragen stellt, die sich sonst niemand zu fragen traut.

»Ja«, entgegne ich rundheraus und knie weiterhin vor ihr, unfähig, mich auch nur einen Millimeter von ihr wegzubewegen.

»Sie sind wirklich ein einschüchternder Typ.«

Ich schnaube über ihren frechen und spöttisch koketten Tonfall.

»Nein, ich meine es ernst«, beharrt sie. »Das sind Sie. Ich wette, Sie spüren es jedes Mal, wenn Sie mich berühren.«

Ich ziehe überrascht die Augenbrauen hoch, und mein Griff um ihre Wade wird fester, während meine andere Hand immer noch das Taschentuch auf ihre Wunde drückt. Ich schüchtere sie ein, doch sie hat keine Angst vor mir.

»Was genau macht meine Berührung mit Ihnen?« Die Daumen beider Hände streichen über ihre Haut, bewegen sich hin und her und hinterlassen dort Gänsehaut, während sich ihre Pupillen ganz leicht weiten.

Scheiße!

Das macht meine Berührung mit ihr. Ich bin nicht der Einzige, der es spürt. Ich sollte nicht so auf sie reagieren – sie ist hier Praktikantin, und das mache ich normalerweis wirklich nicht –, aber es ist, als ob mein Gehirn von meinem Körper abgekoppelt wäre. Denn jetzt erkenne ich ihr elegant strahlendes Gesicht. Auch wenn ich schon lange aufgehört habe, die Gesichtszüge von Frauen zu katalogisieren. Zumindest über den Rahmen der Professionalität und über die geschäftliche Notwendigkeit hinaus.

Doch ich kenne ihr Gesicht von irgendwoher.

»Sie stößt mich ab«, flüstert sie und lächelt mich dabei immer noch halb an.

»Ach ja?« Meine Daumen bewegen sich erneut, ziehen eine längere Spur über ihre Haut, und ihr Atem stockt und wird zu einem heftigen Schluckauf. Ich grinse hochmütig. »Sind Sie immer so unverschämt zu Leuten, die Ihnen helfen?«

»Ich denke, das ist nur bei Ihnen so. Sie scheinen eine seltsame Wirkung auf mich zu haben.«

»Was ist, wenn es mir gefällt, diese Wirkung auf Sie zu haben?« So etwas sollte ich eigentlich nicht zu ihr sagen, aber ich möchte noch einmal sehen, wie sie auf mich reagiert, wenn auch aus keinem anderen Grund als zu meinem eigenen perversen Bedürfnis.

Zum Glück kommt in diesem Augenblick George zurück und zeigt uns stolz das Erste-Hilfe-Set. »Sir, Sie werden oben verlangt.«

»Sagen Sie Ihnen –«

»Ich kann von hier aus übernehmen«, unterbricht sie mich und schnappt sich das Erste-Hilfe-Set aus Georges Hand. Dann befreit sie mit Schwung ihre Beine aus meinem Griff, legt sie auf den Sitz, öffnet den weißen Deckel des Kastens und macht mir so unmissverständlich klar, dass ich hier nicht mehr gebraucht werde.

Ich stehe auf und stecke das blutgetränkte Taschentuch ein, anstatt es wegzuwerfen.

»Danke für Ihre Hilfe«, sagt sie zu mir und zwingt sich zu einem müden Lächeln, das ihre Augen nicht erreicht. »Es tut mir leid, wenn ich kurz angebunden oder gar aufsässig war. Heute ist anscheinend nicht mein Tag, und hoffentlich können Sie so tun, als wäre ich überaus respektvoll und höflich gewesen.«

Ich runzele die Stirn, genervt von allem. Von ihr. Von mir. Davon, dass ich ihre Wunden reinigen und sie verbinden möchte. Mehr Zeit mit ihr haben möchte, obwohl ich es nicht sollte.

Ohne ein weiteres Wort bin ich weg. Das Klappern meiner makellosen Schuhe auf dem Marmorboden hallt durch die Lobby, die immer voller wird, je näher der offizielle Beginn des Tages rückt. Der Aufzug wartet schon dort, aber bevor ich einsteige, werfe ich einen Blick zurück in ihre Richtung.

Unsere Blicke treffen sich für Sekundenbruchteile, mein Puls rast, und dann bin ich allein im Fahrstuhl. Niemand sonst wagt es, ihn zu betreten, während ich hier drin bin. Ich drücke den Knopf für das oberste Stockwerk und fluche leise, als sich die Tür schließt. Was zum Teufel habe ich gerade mit diesem Mädchen angestellt, und warum will ich das alles noch einmal machen?

Ich reibe mir mit den Händen über das Gesicht. Heute hätte ich wirklich im Bett bleiben sollen.

2

Aurelia

Ich starre für einen Moment auf die geschlossene Fahrstuhltür und versuche herauszufinden, was gerade passiert ist. Ich wurde zu Boden gestoßen, verletzt und fast ausgeraubt. Seltsamerweise spielen diese Gedanken im Augenblick kaum eine Rolle für mich. Ich habe Zax gesehen. Die einzige Person, der ich partout nicht über den Weg laufen wollte, solange ich hier arbeite.

Und dann war ich unhöflich. Und er hat mich berührt. Und wir haben vielleicht ein bisschen geflirtet? Letzteres weiß ich nicht genau.

Ich habe ganz vergessen, wie umwerfend der Mann ist. All die Fotos in den Zeitschriften und im Internet werden ihm einfach nicht gerecht. Groß, breit und sichtlich muskulös, sogar unter seinem dunkelgrauen Anzug und dem marineblauen Hemd. Einschüchternde, ernsthafte dunkle Augen, die zu dem dichten, leicht widerspenstigen Haar passen, und ein Grübchen am Kinn, das noch heißer ist als das von Henry Cavill.

Es ist unmöglich, ihn nicht anzustarren und anzuschmachten.

Den Mann, der mir gegenüber noch nie auch nur den Hauch von Freundlichkeit gezeigt hat. Ich habe es verstanden. Schon damals. Ich wusste, warum er mich hasste, aber es machte den Schmerz nicht besser, genauso wie seine Freundlichkeit – könnte man das als Freundlichkeit auffassen? – heute Morgen alles bloß noch schlimmer macht.

Er hat mich nicht erkannt. Zum Glück.

Hoffentlich vergisst er mich, aber zumindest ist das jetzt vorbei, und ich muss ihn nicht mehr sehen. Ich atme erleichtert auf und erinnere mich daran, dass es erst ein Jahr her ist. Ein Jahr, um mich erneut zu beweisen und das, was in New York passiert ist, hinter mir zu lassen. Ich brauche das. Und wie ich das brauche! Es kümmert mich nicht einmal, dass ich für diese Chance einen Mann um den größten Gefallen meines Lebens bitten musste, der vielleicht noch schlimmer ist als mein neuer Chef.

Er war mir etwas schuldig, und wir haben uns gegenseitig versprochen, dass keiner von uns beiden Zax etwas sagen würde.

Und dann treffe ich auf Zax, bevor ich das Gebäude überhaupt betreten habe.

Schnell krame ich mein Handy aus meiner Handtasche. Gerade als ich die Textnachricht losschicke, in der ich meiner neuen Chefin berichte, was passiert ist, höre ich einen Schrei. »Da bist du ja! Wir warten schon seit einer halben Stunde oben auf dich. Eigentlich solltest du längst in der Maske sitzen, und o mein Gott, was zum Teufel ist denn hier passiert?«

Als ich aufblicke, sehe ich einen großen, gut aussehenden, tadellos gekleideten Schwarzen mit einer trendigen Brille mit transparentem Rahmen vor mir stehen, der angewidert auf meine Wunden starrt.

»Ähm. Tut mir leid, reden Sie mit mir?«

»Scheiße, soll das ein Scherz sein? Verdammt, natürlich rede ich mit dir! Mit wem soll ich denn sonst reden, wenn ich buchstäblich hier stehe und dich anstarre? Du kommst nicht nur zu spät zum Shooting, sondern auch noch mit völlig lädierten Knien.«

Ich blinzle gefühlt zehntausendmal, zum Teil vollkommen überrumpelt von seinem Gefluche und zum Teil – Moment mal. »Es tut mir leid. Wer sind Sie?«

»Wer ich bin?« Er legt sich seine manikürte Hand auf die Brust und starrt mich ungläubig an. »Das wagst du zu fragen?! Ich bin deine gute Fee, du Zicke, und du solltest dich verdammt glücklich schätzen, dass ich dich nicht gleich auf der Stelle feuere! Ich mache diese Diva-Model-Scheiße nicht mit, und dass du zu spät zu deinem Shooting auftauchst, fällt genau in diese Kategorie.«

»Haben Sie gerade Model gesagt?«

Er nimmt den Unterarm vor die Stirn, als hätte er gerade einen Schlag abbekommen. »Herr, gib mir die Kraft, diesen verfluchten Montag zu überstehen.« Dann beugt er sich nach unten, damit wir auf Augenhöhe sind. »Hi. Ich bin Lamar. Verstehst du, was ich sage?«

Warum fragt mich das heute jeder? »Ja.«

»Was gibt es dann noch zu fragen?«

Mein Herz gerät ins Stolpern, verwirrt darüber, was ich nun tun soll. Ich hatte heute schon mehr Glück als Verstand, wenn man bedenkt, dass Zax mich auf wundersame Weise nicht gefeuert hat, wie ich es angenommen hatte. »Ich bin nicht dein Model. Ich bin Designpraktikantin und komme sowieso schon zu spät zu meinem ersten Tag, nachdem ich auf der Treppe da vorne überfallen, zu Boden geschubst und beinahe ausgeraubt wurde.«

Er richtet sich wieder zu voller Größe auf und spitzt die Lippen. Kneift die Augen zusammen, während er mich von Kopf bis Fuß mustert, und dann scheint er plötzlich zu realisieren, was hier los ist, jedenfalls sieht man ihm den Aha-Moment deutlich an. »Du bist Lia Sage. Du bist das Model, das auf der Fashion Week in diesem verdammten Kleid gelaufen ist, von dem ich immer noch hart werde, wenn ich nur daran denke.«

Großartig. Mal wieder das Kleid.

Ich senke den Blick, bevor er sieht, wie unglaublich und wie schrecklich ich mich bei diesen Worten fühle, und mache mich daran, meine blutige Haut zu reinigen und meine Wunden zu verbinden.

»Habe ich recht?«, beharrt er, als ich nicht antworte. »Sag mir nicht, dass ich falschliege.«

»Du weißt, was du zu wissen glaubst«, sage ich zu ihm, während ich mir Pflaster auf die Knie klebe.

»Ich kenne die Wahrheit, weißt du?«

Mein Kopf schnellt in Raketengeschwindigkeit nach oben, und ich ignoriere seinen neckenden Tonfall. »Was?«

Er wirft mir einen mitleidigen Blick zu. »Ich weiß, was diese Schlampe Vermicelli oder wie auch immer sie ihren Namen ausspricht, dir angetan hat.«

»Valencci«, korrigiere ich ihn, aber er ignoriert mich.

»Das hat überall die Runde gemacht, und nicht nur bei ihren Shows.«

Ich schüttele den Kopf. »Das kannst du nicht wissen, und das kann nicht wahr sein. Wenn du es wüsstest, dann wüsste es jeder, und dann hätte ich mein Praktikum und jedes weitere Praktikum nicht verloren und wäre nicht gezwungen gewesen, jemanden, den ich abgrundtief hasse, um einen Gefallen zu bitten, um hierherzukommen. Nachdem ihr mich schon einmal abgewiesen habt.«

»Tut mir leid, es dir sagen zu müssen, Schätzchen, aber ich weiß es und alle anderen auch. Aber dass wir es wissen, heißt nicht, dass es nicht richtig scheiße für dich wird. Niemand wollte einen Streit mit Valentisha anfangen, weil diese Schlampe so austeilt wie Mike Tyson, als er diesem Typen das Ohr abgebissen hat. Die macht keine halben Sachen, und du bist Model und Praktikantin. Unbedeutend und austauschbar. Verstehst du?«

Ich runzle die Stirn und verzichte darauf, ihn noch einmal bezüglich ihres Namens zu korrigieren, da ich zu sehr damit beschäftigt bin, mich zu fühlen, als würde ich in ein schwarzes Loch hineingesaugt. »Und ob ich das verstehe!«

Ein Teil von mir wundert sich darüber. Eigentlich sollte ich mich doch besser fühlen, nun, da ich weiß, dass die Leute die Wahrheit darüber kennen, was passiert ist, aber ich tue es nicht. Weil es genau so ist, wie er gesagt hat. Unbedeutend und austauschbar. Es macht mich total wütend. Was ich hasse. So war ich noch nie, auch wenn ich mehr Gründe als die meisten Menschen dafür gehabt hätte.

So zu sein, würde bedeuten, dass sie mir mehr als nur Teile meines Lebens genommen hätten. Dann hätten sie mir auch meine Seele genommen, und das kann und werde ich nicht zulassen.

Ich schüttele mich innerlich selbst. Ich muss bloß diesen Vormittag überstehen. Diesen Tag. Als ich ein Kind war, sagte mein Therapeut immer, dass das Leben so oder so passiert und neunzig Prozent davon außerhalb unserer Kontrolle liegen. Was wir allerdings unter Kontrolle hätten, sei unsere Reaktion darauf.

»Fabelhaft«, sagt Lamar, ohne meinen inneren Kampf zu bemerken. »Jetzt, wo wir das alles geklärt haben, komm mit.«

Ich bücke mich, nehme meinen Schuh vom Boden und hebe ihn hoch, damit er ihn sehen kann. Er schnappt entsetzt nach Luft. Ja, da bist du nicht der Einzige!

Er reißt ihn mir aus der Hand und hält ihn als Geisel fest. »Die brauchst du oben nicht, und ich bin mir sicher, jemand kann das kleben oder so.«

»Hey. Ich brauche den.« Ich strecke mich, um mir den Schuh zurückzuholen, aber er hält ihn so, dass ich nicht drankomme.

»Ich habe dir doch gerade gesagt, dass du ihn nicht brauchst.« Irgendwie schafft er es, die Augen zu verdrehen, den Kopf zu schütteln und gleichzeitig die Lippen zu spitzen. »Nun komm schon, Model! Wir sind bereits spät dran.«

Ich laufe barfuß hinter ihm her, während er im Eiltempo zum Fahrstuhl marschiert und ungeduldig bestimmt fünfzigmal auf den Knopf drückt.

»Ich bin kein Model«, protestiere ich und starre ihn von der Seite an, während er die Metalltür des Aufzugs anstarrt.

»Lügnerin.«

Ich werfe die Hände in die Luft. »Na gut. Ich bin kein Model mehr.«

»Lügnerin.«

»Bin ich nicht«, sage ich mit Nachdruck. »Ich habe meinen Abschluss in Modedesign am Fashion Institute of Technology als Jahrgangsbeste gemacht. Ich möchte Designerin werden.«

Er packt mich am Arm und zieht mich in den Aufzug, sobald sich die Tür öffnet. »Von mir aus. Was auch immer. Verstanden. Wen interessiert das? Heute Vormittag bist du ein verdammtes Model, weil ich gesagt habe, dass du eins bist.«

Ich öffne den Mund, um zu protestieren, aber er lässt mich nicht zu Wort kommen.

»Du bist hier Praktikantin, was im Wesentlichen bedeutet, dass du Mädchen für alles bist. Das macht dich zu meinem Mädchen für alles, und da ich praktisch wichtiger bin als irgendjemand sonst in diesem Gebäude, dessen Nachname nicht Monroe ist, hast du keine andere Wahl, als zu kündigen, was du nicht tun wirst, das wissen wir beide. Das hier ist buchstäblich deine letzte Chance, wenn du jemals wieder etwas in der Modebranche machen willst.«

»Danke für deine schonungslose Ehrlichkeit«, murmele ich sarkastisch. »Als ob so ein Montagmorgen nicht schon hart genug wäre!«

»Süße, ich beschönige nie etwas. Mein Model ist nicht aufgetaucht, und ich brauche jemanden, der perfekt für den Job ist, und du bist es. Du hast jede Menge Erfahrung als Model, und du wirst in die Kleider passen, die wir für das Shooting vorbereitet haben, und neben Zaxton unglaublich aussehen, wenn wir dich mit ihm fotografieren, weil du groß bist.«

Mein Magen zieht sich zusammen. »Ihr fotografiert mich mit Zaxton?«

Lamar grinst mich böse an und zeigt jeden einzelnen seiner weißer als weißen Zähne. »Willkommen bei Monroe Fashion! Aber keine Sorge, sein Ruf eilt Zaxton voraus, und er ist sogar noch viel schlimmer.«

Als wüsste ich das nicht!

Während wir schweigend nach oben fahren, zückt Lamar sein Handy und tippt mit Lichtgeschwindigkeit darauf herum. Als sich die Tür öffnet, schnellt seine Hand hervor, und er ergreift wortlos meinen Unterarm, um mich wiederum mit Lichtgeschwindigkeit mit sich zu ziehen. Anscheinend macht er alles in diesem übertriebenen Wahnsinnstempo.

»Setz dich. Bleib da. Rühr dich nicht vom Fleck.« Lamar schnippt mit den Fingern in Richtung eines Friseurstuhls.

Wir sind im zwanzigsten Stock, in einem riesigen, offenen Raum, der mindestens zwei Etagen hoch sein muss. Sehr industriell mit Betonböden und gigantischen Fenstern. Offensichtlich machen sie hier den Großteil ihrer Fotoshootings. Viel wird mir nicht gezeigt. Neben diesem Stuhl hier hat Lamar mir auf dem Weg nur kurz die Ankleide mit den Klamotten und das Set für das Shooting gezeigt.

»Ich bin kein Hund«, brumme ich, tue aber dennoch wie geheißen.

»Nein, Schätzchen, du bist Model, das heißt, du bist daran gewöhnt, dass dir Leute genau sagen, was du tun sollst. Jetzt sei brav.«

Ich räuspere mich, doch er ignoriert mich. »Das stimmt leider. Wenn ich mehr Rückgrat hätte und meinen Worten Taten folgen lassen würde, wäre ich vielleicht nicht hier.«

»Nein. Du wärst trotzdem hier«, sagt er, scheint es sich dann aber doch anders zu überlegen. »Oder vielleicht auch nicht, da Valentina dich wie einen Fisch ausgeweidet und in den East River geworfen hätte, als kleinen Snack für was auch immer da drin lebt.« Er schaudert. »Deshalb gefällt mir Boston so viel besser als New York. Darf ich fragen, warum du mit dem Modeln aufgehört hast?«

»Ich bin dreiundzwanzig.«

Er wirft mir einen ungeduldigen Blick zu und schiebt den Steg seiner Brille hoch. »Und?«

»Und ich möchte Designerin werden. Ich liebe das Modeln. Wirklich. Zum Großteil macht es Spaß. Deshalb habe ich das Studium um ein Jahr hinausgezögert. Ich habe einige unglaubliche Leute getroffen, bin um die Welt gereist und habe gutes Geld verdient, aber es ist unbarmherzig. Sie sagen dir, du bist zu dick und musst abnehmen, obwohl es überhaupt nicht stimmt. Und wenn du nicht bei allen ganz oben auf der In-Liste stehst, kannst du ganz schnell schauen, wo du bleibst.«

Er wirft mir ein schiefes Grinsen zu.

»Was? Was ist das für ein Blick?«

»Du bist clever und siehst die Dinge genau so, wie sie sind. Es gefällt mir, wenn Praktikantinnen und Models so sind.«

»Clevere Leute machen nicht so viele Fehler, wie ich sie gemacht habe.«

»Nein. Clevere Leute lernen aus diesen Fehlern. Junge Leute, die den falschen Leuten vertrauen, machen die Art von Fehlern, die du gemacht hast.«

Schluck. Aus diesem Grund braucht man Menschen in seinem Leben, die alles für einen tun und stets hinter einem stehen. Ich habe eine beste Freundin, aber solche Leute kann man doch immer gebrauchen. »Ich glaube, ich mag dich.«

»Besser nicht. Ich bin ein verdammtes Arschloch.« Er schnappt sich meinen Stuhl und wirbelt mich herum, sodass ich in den Spiegel und auf die Tabletts mit Make-up- und Haarstyling-Equipment blicke. Zwei Frauen kommen auf mich zu und begrüßen mich, eine klein und kurvig mit kurzen feuerroten Haaren und die andere durchschnittlich groß mit schulterlangen glatten braunen Haaren und einem geraden Pony. »Diese Göttinnen gehören zu unserem hauseigenen Style-Team. Sonia (die Rothaarige) schminkt dich, und Eloise (die Brünette) macht dir die Haare. Meine Ladies, das ist Lia …«

»Aurelia«, korrigiere ich ihn.

Er schüttelt den Kopf. »Nein. Die Modelbranche kennt dich als Lia Sage, also bist du das heute. Wie auch immer, wie ich schon sagte« – er wendet sich wieder den beiden Frauen zu – »Ladies, da unser ursprüngliches Model uns versetzt hat, springt Lia für sie ein«, er betont den Namen noch einmal, »obwohl sie eigentlich jetzt Praktikantin in unserer Designabteilung ist.«

»Willkommen«, sagen sie gleichzeitig.

»Hi.« Ich erwidere ihr begeistertes Lächeln. »Schön, euch beide kennenzulernen.«

»Wir sind bereits spät dran, und wir alle wissen, wie sehr Zax es liebt, hinter dem Zeitplan zu sein, also lasst uns loslegen.« Lamar schnippt mit den Fingern, und dann kommen beide Damen auf mich zu, während er verschwindet, um Gott weiß was zu tun. Mein Gesicht wird von jeglichem Make-up gereinigt, das ich getragen habe, und dann wird mit Creme, Foundation, Concealer und Puder hantiert. Sie kämmen mir die Haare, föhnen sie, drehen sie auf den Lockenstab und bringen sie in Topform.

Ich sitze einfach nur da und lasse sie tun, was sie am besten können.

»Es tut mir leid, dass ich nicht vollkommen ungeschminkt gekommen bin. Ich habe nicht damit gerechnet, heute zu modeln.«

»Ach, papperlapapp«, sagt Sonia und winkt ab. »Du bist perfekt und machst uns viel weniger Arbeit als die Dame, die eigentlich dort sitzen sollte, wo du jetzt sitzt.«

»Allerdings«, stimmt ihr Eloise zu und besprüht meinen Hinterkopf mit Haarspray. »Sie ist ein Albtraum. Möchtest du etwas trinken, Liebes?«

»Kann ich irgendetwas anderes haben als Kaffee oder Wasser?«

»Ich will es gar nicht wissen«, sagt Eloise und verzieht das Gesicht. »Ja. Du kannst trinken, was du willst, aber wenn du um …« – sie sieht auf ihre Armbanduhr hinunter – »Viertel nach neun morgens nach Alkohol fragst, müssen wir leider intervenieren.«

Ich kichere leise. »Nein. Ich wollte eigentlich nach einer Cola Light fragen, aber ich weiß, dass viele Fotografen und Shooting-Direktoren nicht so darauf stehen, wenn ihre Models vor einem Shooting Kohlensäure trinken.«

»Süße, niemand sieht deinen Bauch, und solange du nicht Mr. Monroe anrülpst, sollte alles passen!«, sagt Eloise.

Wir drei lachen. »Kein Bäuerchen auf den Chef. Verstanden.«

»Ich hole dir eine Cola Light. Mit Strohhalm. Und nur, bis wir dir die Lippen gemacht haben!«, warnt Sonia, und ich nicke. Das Prozedere kenne ich bereits. Bloß nicht das Make-up oder die Frisur ruinieren.

»Ich komme nicht über deine Haarfarbe hinweg«, ruft Eloise und fährt mit den Fingern durch meine langen Haare, um einige der Locken zu lockeren Wellen zu verarbeiten. »Diese Farbe ist einfach umwerfend.«

»Danke«, murmele ich durch schmale Lippen, um das Make-up nicht zu gefährden.

»Das ist deine Naturfarbe, oder? Wenn nicht, muss ich auf jeden Fall mit demjenigen schlafen, der diese Highlights gemacht hat, um seine Geheimnisse zu erfahren.«

Ich muss grinsen, und ich bin so froh darüber. Nach dem morgendlichen Fiasko mit dem Überfall auf der Treppe, Zax, meinem abgebrochenen Absatz und den blutenden Knien habe ich das hier echt gebraucht. »Das ist meine Naturhaarfarbe. Keine versauten Gefälligkeiten erforderlich.«

»Gott sei Dank.« Sie zwinkert mir zu.

»Ihre Haut ist genauso unglaublich. Hier, Süße.« Sonia reicht mir eine Cola Light in einer Dose mit Strohhalm. Ich hasse es, auf diese Weise zu trinken, aber anders geht es nicht, weil ich den Kopf nicht so viel bewegen darf. »Wir sehen die Models während der Shows nie laufen, weil wir immer backstage sind. Aber wir wissen, wer du bist, und haben deine Karriere verfolgt, also freuen wir uns sehr darauf, dich heute Vormittag bei der Arbeit zu sehen.«

»Wow! Danke schön.« Ich bin fassungslos. Ich hatte keine Ahnung, dass die Leute viel über mich wissen, abgesehen davon, was im vergangenen Frühjahr auf der Fashion Week passiert ist. »Ich weiß noch nicht mal, was für ein Shooting das hier heute ist«, gebe ich zu.

»Das ist Runde eins von fünf für Haare und Make-up«, informiert mich Sonia und gibt meinem Lidschatten den letzten Schliff. »Es ist für die Herbstkollektion. Du wirst zuerst das blaue Kleid tragen, denn das ist das Kleid, das sie für das Shooting mit Mr. Monroe haben wollen.«

»Na prima.«

Beide kichern über meinen sarkastischen Tonfall und werfen sich bedeutungsvolle Blicke zu.

»Bist du kein Fan von ihm?«, fragt Sonia.

»Du meinst, wie alle anderen anscheinend auch nicht?« Ungeachtet dessen, was heute früh passiert ist, sind meine Gründe besser als die aller anderen.

»Er ist … spröde«, stimmt Eloise mir diplomatisch zu und klopft sich dabei mit einer Haarbürste gegen den Oberschenkel. »Ich meine, niemals unhöflich. Zumindest nicht uns gegenüber. Aber schroff und direkt und ein absoluter Perfektionist. Wie man es von jemandem in seiner Position erwarten würde.«

»Ich liebe ihn trotzdem.« Sonia legt sich die Hand auf das Herz, ihr Gesichtsausdruck ist verträumt. »Ich kann nicht anders. Central Square war meine absolute Lieblingsband. Ich war auf zehn Konzerten von ihnen, und das in mehreren Städten. Ich war am Boden zerstört, als sie sich getrennt haben.«

»Du und ich und jeder andere Mensch auf der Welt.« Eloise lacht leise, bevor sie ernst wird. »Nach dem, was sie alle durchgemacht haben, nach dem, was er durchgemacht hat, als er Suzie verloren hat, kann ich es ihnen nicht verübeln, dass sie aufgehört haben und dass er … missmutig wurde.«

Central Square war eine wilde Rockband. Fünf Jungs aus Central Square, Cambridge, die als Teenager groß herauskamen, nachdem ein YouTube-Video von ihnen viral ging. Ich habe sie damals direkt nach ihrem großen Durchbruch getroffen, als sie sich gerade auf ihre Welttournee vorbereitet haben. Sie sind über Nacht zur größten Band überhaupt geworden und blieben es vier Jahre lang. Reisten um die Welt und spielten in ausverkauften Stadien. Zaxton war der Älteste und spielte Bass, sein jüngerer Bruder Greyson – der immer noch ein äußerst erfolgreicher Rockstar ist – war der Frontmann.

Dann starb Suzie, ihre Managerin und die Freundin von Zax, unter der Dusche. Es war tragisch, und danach konnte die Band nicht mehr weitermachen. Wenige Wochen nach ihrem Tod trennten sie sich offiziell, alle gingen ihres Weges, taten unterschiedliche Dinge, obwohl gemunkelt wird, dass sie sich immer noch sehr nahestehen.

Aber auch acht Jahre später wurde Zax noch nicht wieder mit einer anderen Frau gesichtet. Er datet nicht. Und er ist berüchtigt für seinen, na ja, Missmut, wie Eloise es ausdrückte.

Ping. Die Handys von Eloise und Sonia reißen uns alle aus unseren Gedanken.

»Was ist los?«, frage ich, während die beiden hastig nach ihren Telefonen greifen.

»Der Firmen-Chat. Sie warten jetzt auf dich«, sagt Sonia.

Apropos Firmen-Chat: Im Aufstehen zücke ich mein eigenes Handy, um sicherzustellen, dass meine Chefin und Iris, meine beste Freundin, die hier als Marketing-Praktikantin arbeitet, meine Nachricht darüber erhalten haben, wo ich bin. Haben sie. Da bin ich aber erleichtert! Meine Chefin schreibt, sie sei froh, dass ich dort helfen könne, wo es nötig sei, also ist sie offensichtlich nicht böse, dass ich zu spät komme oder meinen ersten Tag als Designpraktikantin verpasse.

Mit Iris sieht das anders aus. Sie fragt bereits nach allen Details.

Später, schreibe ich ihr, stecke mein Handy zurück in meine Handtasche und schaue mich dann im Spiegel an.

»Wow!«, flüstere ich. »Ladies, einfach wow!«

Meine langen weißblonden Haare fallen mir in glänzenden Wellen über die Schultern und den Rücken, wobei ein paar weiche Strähnen mein Gesicht einrahmen. Mein Make-up ist schlicht, aber rauchig, betont meine blauen Augen und lässt die Farbe wirklich auf meiner cremig-blassen Haut hervorstechen.

»Du hast es uns leicht gemacht. Los jetzt, bevor Lamar hier aufkreuzt und dich sucht! Er ist hinten in der Ankleide.«

»Danke.«

Schnell laufe ich auf dem kühlen Beton barfuß durch den Raum. Die Tür zur »Ankleide« steht offen, und ich betrete das palastartige Zimmer, das mit Kleiderständern, Schuhen, Handtaschen, Mänteln und Dessous gefüllt ist. Hier ist alles drin, was man sich nur vorstellen kann.

»Lamar?«, rufe ich, unsicher, wohin ich mich wenden soll.

»Lia? Beweg deinen Hintern hierher!«

Ich folge dem Klang seiner Stimme, bis ich vor einem dreiteiligen Spiegel mit einer großen achteckigen Plattform davor stehe. An der Seite befindet sich eine Reihe offener Umkleidekabinen. Lamar mustert meine Haare und mein Make-up und nickt mir kurz zu.

»Perfekt. Das ist dein Kleid.« Er zeigt auf ein königsblaues Midikleid aus Seide – Gott sei Dank wird es meine bandagierten Knie bedecken – mit dünnen goldgewebten Trägern aus Metall und einem passenden Gürtel. »Wenn du nicht schon einen knappen nudefarbenen Tanga anhast, findest du einen in der Umkleide. Und ja, bevor du fragst, er ist ungetragen. Kein BH. Schuhe sind auch da drin. Du hast zwei Minuten. Kein Witz.«

Er zeigt auf die Kabine, und ich haste hinein und reiße mir dabei die Kleider vom Leib. Jedes Schamgefühl, das man als Frau je hatte, ist spätestens nach einer Woche als Model dahin. Meistens ziehen wir uns in großen, offenen Umkleidekabinen um, und in der Regel sind ständig Personal und andere Models in der Nähe. Ganz zu schweigen davon, dass unsere Kleidung oft während des Shootings zurechtgezupft und teilweise entfernt wird. Zumindest ist Lamar so freundlich, mir den Rücken zuzuwenden, um mir etwas Privatsphäre zu geben.

»Wann werde ich mit Mr. Monroe fotografiert?« Mein Herz rast, und meine Hände fühlen sich klamm an bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen. Ihn nicht nur sehen, sondern mit ihm vor der Kamera zu stehen.

Ich kann bloß beten, dass ich mich danach nicht mehr mit ihm auseinandersetzen muss. Es ist nichts weiter als ein Shooting, und dann ist er oben in der Chefetage und ich bin unten bei den anderen Praktikanten, und unsere Wege werden sich nicht mehr kreuzen. Er wird mich vergessen, und meine Anonymität bleibt gewahrt.

Falls ich den Mund halten kann.

Aber es ist eine Feuerprobe, und ich habe mich heute schon einmal verbrannt.

»Wir fotografieren dich zuerst alleine und dann mit ihm. Er hasst es zu modeln. Abgrundtief. Das solltest du wissen, denn er ist noch anstrengender als sonst, wenn er diese Shootings machen muss.«

Ich ziehe das Kleid an, das perfekt passt, da es eine Standardmustergröße ist, und dann schlüpfe ich in die Peeptoes aus blauem Lackleder und füge so meinen eins achtundsiebzig noch zehn Zentimeter hinzu.

Beim Verlasen der Umkleide drehe ich mich um, damit Lamar den Reißverschluss zumachen kann.

»Wenn er das Modeln und diese Shootings so hasst, warum macht er es dann?«

Lamar lacht, als wäre die Antwort offensichtlich. Er dreht mich um, stellt mich vor den Spiegel und geht einmal schnell um mich herum, um sicherzustellen, dass alles auch wirklich so ist, wie er es haben will. »Passt wunderbar zu deinen Augen. Ich kann verdammt noch mal nicht glauben, dass ich das sage, aber ich bin so froh, dass die andere Hexe nicht aufgetaucht ist. Dieses Kleid wurde für dich gemacht. Beweg dich.«

Er schiebt mich an den Schultern aus der Ankleide und zurück in den Hauptraum, der jetzt für das Shooting hergerichtet ist, komplett mit einem weißen Bett, einer großen weißen gepolsterten Liege und überall Fotoausrüstung.

Gerade als ich denke, dass er meine Frage nicht beantworten wird, beugt sich Lamar vor und flüstert mir ins Ohr: »Er ist der CEO und das Gesicht des Unternehmens. Und er ist selbst irrwitzig berühmt, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Sein Gesicht ist verantwortlich für die Hälfte der Verkaufszahlen dieses Unternehmens, und obwohl er es verabscheut, ist er ein versierter Geschäftsmann, der das versteht und das notwendige Opfer bringt. Zeit zu modeln.« Er schiebt mich nach vorne. »Franco, das ist Lia, unser Model für heute. Macht was Schönes draus.«

»Ah, Lia. Wir sind uns schon einmal begegnet.« Franco nimmt mich an der Hand und führt mich zur Liege. »Das war vor Jahren in New York. Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an –«

»Es war mein erstes Shooting für Teen Threads, als ich sechzehn war. Ich erinnere mich. Du warst geduldig und freundlich, und ich hätte nie gedacht, dass das in dieser Branche überhaupt möglich ist. Ich freu mich, dich wiederzusehen.«

Franco lächelt freundlich. »Gleichfalls. Du bist zu einer wunderschönen Frau geworden. Bist du bereit?«

Als hätte ich eine Wahl. »Ja, bin ich.«

Franco schenkt mir ein nachsichtiges Zwinkern, das mich an meinen Großvater erinnert, und dann hilft mir eine Assistentin auf die Liege und platziert mich so, wie Franco mich haben möchte, während überall Blitzlichter losgehen, als die Beleuchtung getestet wird.

Ich habe früh in diesem Business gelernt, dass einen selbstbewusstes Auftreten am sexysten macht. Selbst wenn du anfangs unsicher bist, täusche es vor, bis du dich souverän fühlst. Trotzdem schlägt mir das Herz bis zum Hals, wie bei jedem Shooting. Aber das hier ist schlimmer. Es ist mir egal, wie attraktiv Zaxton ist oder wie sehr ich ihn hasse. Dies ist meine zweite Chance auf eine Karriere und ein Leben, das mir nicht nur genommen, sondern gestohlen wurde. Lamar hat vielleicht vorhin Witze über Valenccis Namen gemacht, aber nicht darüber, wer sie ist und wer ich bin.

Die Frau, die mein Leben ruiniert hat. Oder es zumindest versuchte.

Doch ich bin jetzt hier. Und auch wenn heute meine alles andere als glückliche Vergangenheit mit Zaxton auf brutalste Art und Weise wieder hochgekommen ist, geht es nun für mich um alles oder nichts. Wenn ich hier einen schlechten Job mache, bin ich raus. Da mache ich mir keine Illusionen. Niemanden wird es jemals interessieren, wie gut ich designe, wenn ich heute beschissen modele.

Schlimmer noch: Ich muss mit Zaxton posieren, und nach unserer Begegnung gerade eben habe ich keine Ahnung, wie das ablaufen wird. Er war nicht gerade begeistert von mir, aber er hat mir geholfen, als es sonst niemand tat. Verdammt, der Mann hat meinen Angreifer verjagt, mich die Treppe hochgetragen und medizinisch versorgt!

Und seine Berührungen … seine Blicke …

Es hat sich fast so angefühlt, als wäre da mehr –

»Lia, ich würde gern damit anfangen, dass du ausgestreckt auf der Liege liegst«, sagt Franco und unterbricht meine Gedanken. »Ich möchte, dass dein Haar um dich herum fällt und dass dein Blick auf mich gerichtet ist, es sei denn, ich sage dir etwas anderes.«

Ich nicke und bringe mich in Position, atme tief ein und verlagere meine Gedanken, um mich nur auf das zu konzentrieren, wofür ich hier bin. Ich lasse es nicht zu, dass sie abschweifen. Dass sie sich fragen, ob Zaxton hier ist oder ob er mich nun gerade beobachtet. Und ich gebe der Tatsache, wie mein Puls sich bei diesem fehlgeleiteten, nutzlosen Gedanken beschleunigt und das Blut in meinen Adern kribbelt, ganz sicher keine Bühne.

Nein. Zaxton Monroe ist der Letzte, an den ich denken oder auf den mein Körper auf diese Weise reagieren sollte. Er darf niemals herausfinden, wer ich bin. Er darf niemals erfahren, welche Beziehungen ich spielen lassen musste, um hierherzukommen. Sollte er doch einmal Wind davon bekommen, bedeutet das mit Sicherheit mein Karriere-Aus.

3

Zaxton

»Perfekt, Lia. Jetzt wölbe mal den Rücken und sieh zu, dass das Kleid genauso fällt wie deine Haare. Ja. Genau so!«

Klick. Klick. Klick.

»Wie lange willst du dich noch hier hinten verstecken und zuschauen?«

»Ihr seid zu spät«, schnauze ich zurück und ignoriere den neckenden Tonfall in Lamars Stimme. Er ist der Einzige, dem ich so eine Scheiße nachsehe, und das liegt einfach daran, dass er einer von vielleicht sechs Menschen auf der Welt ist, die ich tolerieren kann.

»Unser Model hat uns versetzt.«

»Und wie ist die hier raufgekommen?«, frage ich, unfähig, meine Augen von der jungen Frau abzuwenden. Von derjenigen, deren Blut oben in meinem Büro auf meinem maßgeschneiderten Sakko und meinem Seidentaschentuch klebt.

»Ich habe sie blutend in der Lobby gefunden und sofort erkannt. Sie ist Praktikantin hier, was bedeutet, dass sie mir gehört, wann immer ich sie brauche.«

Meine Backenzähne mahlen aufeinander, bevor ich überhaupt begreife, was ich tue. Was kümmert es mich, dass er so über sie redet und behauptet, er könne sie haben, wann immer er sie will? Er meint es vielleicht nicht einmal unbedingt sexuell, obwohl: Wie ich Lamar kenne, meint er es wahrscheinlich sowohl beruflich als auch persönlich. Auch wenn das Wunschdenken seinerseits ist.

»Weiß Jacob, dass du versuchst, ein Model zu vögeln?«

Er lacht über meinen Tonfall, und das ist auch besser so. Heute bin ich einfach in einem furchtbaren Zustand, und nicht alles daran hat mit der wunderschönen Blondine zu tun, die sich wie die ultimative sexuelle Versuchung auf meiner Chaiselongue ausgebreitet hat.

»Jacob weiß, dass ich auf alles und jeden stehe, aber sie ist ein bisschen zu jung für mich. Für dich wahrscheinlich auch.«