Jules Verne - Max Popp - E-Book

Jules Verne E-Book

Max Popp

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Beschreibung

"Jules Verne - Leben, Werke und Nachfolger des großen Romantikers" - mit diesem Buch hat Max Popp die erste Biografie über Jules Verne verfasst. Der Autor beschreibt das Leben Jules Vernes, sein Werk und seine literarischen Vorbilder sowie seine Nachfahren. Immer noch ist es ein Standardwerk über den großen französischen Schriftsteller. Mit zahlreichen Illustrationen.

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Jules Verne

Leben, Werke und Nachfolger des großen Romantikers

Max Popp

Impressum

© 2018 ebookland Imprint im Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Max Popp

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-178-7

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

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Inhalt

Titelblatt

Impressum

Vorwort

Zum Geleit: Wie dies Buch entstanden ist

I. Teil: Vernes Leben

1. Kapitel: Vernes Abstammung und Jugend

2. Kapitel: Theater und Börse

3. Kapitel: Der Weg zum Ruhm

4. Kapitel: Mensch und Schriftsteller

5. Kapitel: Wanderjahre

6. Kapitel: In stiller Ruh

7. Kapitel: Das Ende

8. Kapitel: Das schönste Denkmal

II. Teil: Vernes Werke

1. Kapitel: Zur Geschichte des phantastischen Reiseromanes

2. Kapitel: Die Entwicklung der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert

3. Kapitel: Vernes Werke

4. Kapitel: Aeronaut

5. Kapitel: Astronom und Geolog

6. Kapitel: Ingenieur und Chemiker

7. Kapitel: Geograph, Ethnograph und Biologe

8. Kapitel: Historiker; Phantast, Humorist und Dramatiker

III. Teil: Vernes Nachfolger

1. Kapitel: Landsleute und Anfänger

2. Kapitel: Auf der Höhe

3. Kapitel: Kosmische und irdische Zukunftsreisen

Schlusswort

Unsere Empfehlungen

Vorwort

Ein japanischer Dichter hat einmal gesagt: »Wenn man ein Lehrbuch schreiben will, so darf es nur ein nutzbringendes Buch sein; schreibt man aber einen Roman, so soll man das Herz des Lesers erheben.«

Die Biographie eines Dichters muss beides: Sie soll die wissenschaftliche Erkenntnis fördern, indem sie zeigt, in welchem Zusammenhang der Dichter mit seiner Mitwelt gestanden hat; und sie soll uns den Dichter menschlich näher bringen dadurch, dass sie den Leser in das Leben des Dichters selbst hineinführt.

Jules Verne hat zwar durch seine naturwissenschaftlichen Romane beide Forderungen erfüllt; er hat belehrt und unterhalten zu gleicher Zeit. Aber es ist nicht richtig, wenn er selbst sagt: »Ein Dichter interessiert nur als Dichter«; vielmehr haben Tausende seiner Leser den Wunsch geäußert, nun auch den Menschen als solchen kennen zu lernen. Sie wollten wissen, inwieweit die Werke des Dichters der Ausfluss seines Charakters und seines Lebens gewesen sind; sie fragten danach, wie diese spannenden Phantasien, die er uns geschenkt hat, möglich wurden, und welchen Einfluss sie auf die Nachwelt gehabt haben.

Wenn es dem Verfasser gelungen ist, diese Fragen kurz zu beantworten, so hat dies Buch seinen Zweck erfüllt.

Dr. Max Popp

Zum Geleit: Wie dies Buch entstanden ist

Kein ausländischer Schriftsteller ist in den deutschen Landen so populär geworden wie Jules Verne; es gibt wohl keinen Deutschen, der nicht wenigstens hätte von ihm reden hören. Der große französische Romantiker ist so völlig der unsere geworden, dass wir mit vollem Recht ihn Jules Verne nennen dürfen, ganz als wäre er ein Deutscher von Geburt. Doch nicht allein Deutschland oder Österreich zählt ihn zu den ihrigen, Jules Verne ist durch seine phantastischen Reiseromane, die in allen möglichen Weltgegenden spielen, international geworden, und seine Werke wurden in fast alle lebenden Sprachen übersetzt.

Er hat aber auch einen gewaltigen Einfluss ausgeübt auf mehrere Generationen, und dieser Einfluss, dem viele Entdecker und Erfinder ihren Lebensberuf verdanken, wird auch noch für lange Zeiten fortbestehen. Ich erinnere mich noch sehr deutlich des Tages, wo ich, erst 11 Jahre alt, den ersten Roman von Verne in die Hände bekam; es war seine »Reise nach dem Mittelpunkt der Erde«. Der Eindruck, den ich durch das spannende, interessante Buch erhielt, ist ein dauernder geblieben. Zeit jener Zeit bemühte ich mich stets, immer mehr Romane von Verne zu lesen, die anfangs nur heimlich aus den uns Schülern verbotenen Leihbibliotheken entliehen wurden. Tagelang konnte ich mich mit gleichgesinnten Kameraden unterhalten über Kapitän Nemo, Hatteras oder Robur. Ja, wir fassten sogar den Entschluss, Roburs Luftschiff im Kleinen nachzubauen.

In späteren Jahren verschaffte ich mir dann nach und nach sämtliche Werke Vernes, und als sie alle verschlungen waren, da blieb noch der rege Wunsch bestehen, näheres über den Schriftsteller selbst zu erfahren. Wer war eigentlich der Mann, der solche Wunderwerke schaffen konnte? Er musste ja die ganze Welt durchreist haben, dass er sie so anschaulich und fesselnd zu schildern verstand. So begann ich denn vor zwei Jahren zu forschen nach Mitteilungen aus Vernes Leben. Aber wenig war erst in der Literatur zu finden darüber. Anlässlich seines Todes im Jahre 1905 erschienen zwar in zahllosen Tageszeitungen Nachrufe, aber was man hier erfuhr, war höchst mangelhaft, oft widersprachen sich die Angaben direkt.

Da wandte ich mich an Vernes Pariser Verleger Hetzel, und bereitwilligst stellte mir dieser die Nummer seines »Magazin für Belehrung und Unterhaltung«, welche einen ausführlichen Nachruf enthielt mit zahlreichen Einzelheiten und Angaben über Jules Verne, zur freien Verfügung, hier erfuhr ich auch den Namen des Mannes, welcher der intimste Freund Vernes gewesen ist, Charles Lemire in Amiens. Dieser wurde bestimmend für den rein biographischen Teil meines Buches. Er teilte mir mit, dass auch er beschäftigt sei mit einer Biographie seines berühmten Freundes, und übersandte mir diese sofort nach ihrem Erscheinen im Februar dieses Jahres. Trotzdem ich inzwischen noch aus einer ganzen Anzahl französischer Zeitungen interessante Einzelheiten über Vernes Leben gesammelt hatte, gab mir doch Lemires Werk, ein würdiges Zeugnis edelster Freundesliebe, erst das rechte Verständnis für den Zusammenhang mancher Daten, die bisher noch der näheren Verknüpfung entbehrt hatten.

Leider war es nicht möglich, das schöne Buch in seinem ganzen Umfange für meinen Zweck zu verwerten, da es viele, mit großem Fleiß gesammelte Einzelheiten enthält, die wegen ihres spezifisch französischen Charakters für einen deutschen Leser nicht von genügendem Interesse sind. In liebenswürdiger und selbstloser Weise gestattete Herr Lemire jedoch die Wiedergabe der von ihm entlehnten Berichte und ebenso die einiger Illustrationen, welche sein Werk schmücken. Es sei mir gestattet, ihm an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank dafür auszusprechen.

Nach vielen Mühen gelangte ich auch in leihweisen Besitz eines Büchleins von Jules Claretie, welcher im Jahre 1883 eine biographische Skizze über Jules Verne geschrieben hat. Dies Heftchen aus der französischen Sammlung »Célébrités contemporaines« ist vollkommen vergriffen; ihm ist vor allem die Schilderung von Vernes Segeljacht entliehen.

Interessante und wertvolle Studien über Jules Verne hat auch Prof. Mario Turiello zu Neapel geschrieben, einmal in seinen »Études de Critique Littéraire: Die Abenteuer von Gordon Pym und die Eissphinx« (1901), und ferner in den »Mélanges littéraires« (1908), wo Turiellos Nachruf auf Jules Verne vom 2. April 1905, der im »Journal de Nâples« erschienen war, abgedruckt ist.

Schließlich bin ich noch der »Städtischen Bücherhalle Darmstadt« zu großem Dank verpflichtet, welche mich bei meinen Forschungen, speziell über Vernes Nachfolger, auf das weitgehendste unterstützt hat.

Der Verfasser

I. Teil: Vernes Leben

1. Kapitel: Vernes Abstammung und Jugend

»Will man den Lebenslauf eines berühmten Mannes schildern, so wird man gut tun, auch die unscheinbarsten Züge nicht zu übergehen, die bei jedem anderen vielleicht ganz ohne Interesse wären. Sie erhalten nicht selten eine besondere Bedeutung, denn man erkennt in ihnen oft die Spuren eines unbewussten Triebes, und häufig werfen sie dadurch ein helles Licht auf den Charakter des Helden, dessen Bild man zeichnet.«

So beginnt Jules Verne seine kurze Biographie des berühmten Kapitän Cook. Diese Worte sind auch auf den großen Romantiker selbst anzuwenden; denn sein Leben floss im Allgemeinen ganz ruhig dahin, so dass sein Bild sich eigentlich nur aus ganz unscheinbaren Zügen zusammensetzt, obgleich man geneigt ist anzunehmen, dass gerade Vernes Leben, nach seinen Werken zu urteilen, eines der bewegtesten gewesen sei. Ist man doch im Allgemeinen der Ansicht, der Dichter könne nur das in seinen Werken niederlegen, was er, wenigstens zum großen Teil, selbst erlebt hat.

Weil dies aber gerade bei unserem Dichter nicht der Fall gewesen ist, hat sich die Sage seiner bemächtigt und seine hohe Gestalt zum Mittelpunkt der abenteuerlichsten Meinungen gemacht, hat es doch nicht an Leuten gefehlt, welche ihm überhaupt jede Existenzberechtigung absprachen und behaupteten, all seine Werke seien herausgegeben von einer Gesellschaft naturwissenschaftlich geschulter Dichter und Gelehrter, die unter dem Pseudonym »Jules Verne« ihre Werke veröffentlichten.

Nach einer anderen Leseart wieder soll Verne zwar gelebt haben, aber bereits im Jahre 1886 gestorben sein. Alle Werke nach dieser Zeit seien von anderen Schriftstellern geschrieben worden.

Wie sich im Altertum sieben Städte um die Wiege Homers stritten, so wollte man auch Verne seine Heimat absprechen.

Länger als 30 Jahre wurde eine Sage kolportiert, für welche Jules Verne zwar nur ein Lächeln hatte, die seine Leser aber irrezuführen imstande ist. Sie machte den französischen Romantiker, der mit ganzem Herzen an seinem Geburtslande und dessen Traditionen hing, zu einem polnischen Juden. Bereits im Jahre 1876 wagte man ihm zu sagen:

»Du bist ein polnischer Jude. Du bist im Plock geboren (an der Weichsel in Russisch-Polen). Dein wahrer Name ist Olchewitz, abgeleitet von Olscha, dem polnischen Wort für ein Getreidemaß, das auf altfranzösisch lautet vergne oder verne. Du selbst hast Deinen Namen übersetzt.«

Jules Verne lachte nur über diese Dummheit, sprach wohl auch eine Viertelstunde darüber; dann kehrte er zu seiner Schüler- Schreibmappe zurück, ergriff seinen Groschenfederhalter und nahm das unvollendete Kapitel aus der »Geheimnisvollen Insel« wieder auf.

Aber die Sage spukte immer weiter. Nach Vernes Tode lebte sie wieder auf in der Lemberger »Volks-Zeitung« in Galizien, von da aus ging sie nach Petersburg über, wo sie 1905 im »Graschdjanin« erschien in folgender Färbung:

»Die Tatsache steht unwiderlegbar fest; Jules Verne war ein Pole oder, genauer, ein polnischer Jude.

Das Folgende ist der Auszug aus einem Briefwechsel zwischen einigen polnischen Priestern vom Orden der Auferstehung aus dem Jahre 1861 über Jules Verne, woraus klar hervorgeht, dass dieser – sein wahrer Name ist Olschowiec – nicht nur ein Kind des polnischen Ghetto war, sondern auch in seiner Jugend zwischen Polen und Frankreich geschwankt hat, bis er schließlich das letztere zu seinem Vaterlande erkor.

Im Jahre 1861 bekehrte sich Verne in Rom zum Christentum und änderte gleichzeitig seinen Familiennamen Olschowiec in Jules Verne um. Die Auferstehungsbrüder nennen ihn in ihren Briefen bald »unsern Verne«, bald einfach Olschowiec, wie er auf Polnisch heißt.

Nach seinem Übertritt zum Katholizismus in Rom ließ sich Verne-Olschowiec beim General des Auferstehungsordens einführen und fand in ihm einen eifrigen Protektor, da er es verstanden hatte, ihn ganz und gar für sich einzunehmen, teils durch seinen religiösen Eifer, teils vor allem durch seinen lebhaften Wunsch, sich dem Heiligen Stuhl nützlich zu erweisen. Eines Tages jedoch musste Verne seinem Protektor, dem Pater Semenko, eingestehen, dass seinen guten Absichten Stillstand geboten sei; denn es fehle ihm eine Stellung, die ihm einen wirksamen Einfluss sichern könnte. In Wahrheit, sagte er, bot ihm die französische Regierung eine sehr gute Stelle im Ministerium des Innern an; da hätte er jedoch nur ein Rad in einer Maschine werden müssen, deren Tätigkeit oft nicht mit den Forderungen seines Gewissens übereinstimmte. Auch zögerte er, diese Stelle anzunehmen, da ihm der Gedanke kam, er würde durch eine reiche Heirat größeren Einfluss gewinnen können. Er bat den Pater Semenko, ihn gütigst auch hierin zu unterstützen, hatte er doch seine Wahl bereits getroffen.

Die Geschichte endigte folgendermaßen: Verne ließ sich von dem Gedanken einer Heirat mit einer reichen Polin abbringen und entschied sich für Frankreich, wo er seine bekannte Berühmtheit erlangte. Seitdem aber hat er stets seine polnische Abstammung verleugnet.«

Das ist die abgeschmackte Geschichte in ihrer ganzen Ausführlichkeit. Nur ein authentischer Beweis konnte sie definitiv widerlegen. Vernes Sohn Michel übernahm dies nach dem Tode seines Vaters dadurch, dass er uns einen beglaubigten Auszug aus dem Geburtsregister von des Dichters Geburtsstadt verschaffte, den wir, wie folgt, wiedergeben:

Auszug aus dem Geburtsregister der Stadt Nantes, Departement Loire-Inferieur.

Am 8. Februar des Jahres 1828, nachmittags 3 Uhr, erschien vor uns, dem unterzeichneten Standesbeamten und Abgeordneten des Bürgermeisters zu Nantes, Ritter der Ehrenlegion, der Advokat Peter Verne, 29 Jahre alt, wohnhaft Clissonstraße, 4. Bezirk, und brachte uns dar ein Kind männlichen Geschlechts, geboren 11 Uhr mittags des heutigen Tages. Er und seine Gattin Sophie-Henriette-Allotte, 27 Jahre alt, erklärten, das Kind habe den Namen Jules-Gabriel erhalten. Besagte Angaben wurden gemacht in Gegenwart der Zeugen Franz-Jakob-Johann-Marie Tronson, Untersuchungsrichter am Zivilgericht zu Nantes, 40 Jahre alt, wohnhaft Bel-Air-Straße, und Alexander Verne, Grundbesitzer, 45 Jahre alt, wohnhaft Königsplatz. Diese wie auch der Vater haben gleichzeitig mit uns vorliegende Urkunde nach ihrer Verlesung unterzeichnet. Gezeichnet im Register: P. Verne, F. Tronson, A. Verne und J Doucet, Standesbeamter.

Zur Beglaubigung des Auszuges verglichen mit dem Register der Bürgermeisterei.

Nantes, den 10. Oktober 1905.

Der Bürgermeister.

Dieser Beweis ist unwiderlegbar. Es steht somit fest, Jules Verne war geboren am 8. Februar 1828 zu Nantes, vielleicht war er selbst etwas daran schuld, dass derartige Gerüchte sich verbreiten konnten. Er gab sein Alter nicht gern an: »Das interessiert ja niemand, nicht einmal mich selbst!« pflegte er oft zu sagen.

Verne stammte aus einer alten französischen Familie. Nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (14. Oktober 1685) ging ein Zweig derselben nach der Schweiz und wurde dort zum Stamme einer protestantischen Familie, welcher der bekannte Bankier Verne entstammte, der einer der ersten Direktoren der Pariser Bank wurde.

Jules Verne selbst ist der Spross des katholisch gebliebenen Zweiges. »Wenn ich den Stammbaum meiner Ahnen überblicke, sagte er einmal, sehe ich lauter Militär- und Magistratsbeamte, Advokaten und Seefahrer.«

Vernes Urgroßvater war Rat am Pariser Parlament, sein Großvater väterlicherseits, der »Écuyer« Gabriel Verne, starb als Vizepräsident des Zivilgerichtes zu Provins im Seine-Marne-Departement, nicht weit von Paris. Er war vermählt mit Masthie-Adélaide Provost.

Vernes Vater endlich, Peter Verne, war geboren am 15. Ventôse im Jahre VII (also am 5. März 1799). Er heiratete Sophie-Nanine Allotte de la Fuye, die Tochter des Direktors Jean-Isaac- Augustin Allotte und der Sophie-Adélaide-Marie-Julienne Laperrière; sie war geboren am 2. Frimaire des Jahres IX.

Jules Verne verlor seinen Vater am 3. November 1871, seine Mutter am 16. Februar 1887, beide starben also in hohem Alter.

Peter Verne wohnte teils in Paris, teils in Nantes, siedelte aber im Jahre 1824 definitiv nach Nantes über, wo er ein Rechtsanwaltbureau eröffnete.

Unser Dichter selbst wurde hier in der Rue Oivier-de-Elisson Nr. 4 geboren und getauft in der Kirche zum Heiligen Kreuz. Die Wohnräume in der dritten Etage, wo er geboren wurde, sind seither unverändert geblieben und werden seit 50 Jahren von einer Kapitänsfamilie bewohnt. Peter Verne wohnte dort nur bis zum Jahre 1840, wo er nach der Jean-Jacques Rosseau-Straße 6 verzog.

Peter Verne hatte außer unserem Jules noch zwei Kinder; einen Sohn Paul, geboren am 26. Juni 1829, und eine Tochter, die mit dem Kapitän Ducrest de Villeneuve in Brest vermählt ist. Paul Verne wurde Bankier und lebt noch in Amiens, von ihm besitzen wir zwei kleine Erzählungen, welche mit unter seines Bruders Werke aufgenommen sind: »Eine Montblanc-Besteigung« und »Von Rotterdam nach Kopenhagen«.

Der junge Jules besuchte die Schulen seiner Vaterstadt, und zwar zunächst das »Kleine Seminar«, später das »College« zu Nantes, das heutige Gymnasium. Er machte gute Fortschritte in den klassischen Sprachen, bewies aber vor allem einen ausgesprochenen Gefallen an Mathematik. Im Jahre 1846 erhielt er einen zweiten Preis in Rhetorik für französischen Vortrag und in Philosophie für eine lateinische Abhandlung.

Sein Vater, ein angesehener Rechtsanwalt in Nantes, der 1854/55 Dekan seiner Fakultät war, hätte ihn gern zu seinem Nachfolger gemacht und ließ ihn daher Jura studieren. Damals war Paris noch der einzige Ort, wo man dies mit bestem Erfolge tun konnte, und Verne siedelte 1848 dorthin über; 1849 erwarb er sich seine Lizenz, 21 Jahre alt. Aber der Dichter lag ihm im Blut. Trotz seiner Examenarbeiten fand er noch Zeit, im gleichen Jahre einen Schwank zu schreiben zusammen mit dem volkswirtschaftlichen Schriftsteller Georg Schwob, dem Gründer der großen Nanter Zeitung »Der Leuchtturm an der Loire«.

Seine Ferien verbrachte der junge Rechtsgelehrte in Chantenay, der Vorstadt von Nantes, hier konnte er vom Pavillon am Ende der schönen Lindenterrasse den ganzen Unterlauf der Loire überüberblicken. Von hier aus unternahm er auch seine ersten Segelfahrten auf dem stolzen Fluss der Heimat. Das war entscheidend für seine ganze spätere Geschmacksrichtung. Schon zur Schulzeit war Fenimore Cooper sein Lieblingsschriftsteller gewesen, der in seinem jungen Herzen die Sehnsucht nach Abenteuern erweckte.

Als höchstes Ideal stand ihm damals der Beruf eines Goldsuchers in Kalifornien vor Augen. Und dieser Wunsch wurde fort und fort in ihm gestärkt, so oft er in Nantes die großen Segelschiffe sah, die aus fernen Ländern heimkehrten, so oft er die Sirenen der Dampfer hörte, die ausfuhren nach fremden Welten. In Nantes ist die natürliche Quelle zu suchen, woraus er seine ersten Eindrücke schöpfte, die später seine ganze Lebensbahn bestimmen sollten. Länger als in Nantes hat er in Paris gelebt, und länger als in Paris in Amiens; aber weder Amiens noch Paris verdankt er so viel wie seiner Vaterstadt, ihr verdankt er sein Genie.

Auch später noch, wenn Verne mit seiner schlanken Dampfjacht Nantes aufsuchte, weidete er sich gern an dem abwechslungsreichen Bilde der großen Hafenstadt. In seiner »Geographie von Frankreich« gibt er selbst an, dass in den Häfen 10 800 Segel- und Dampfschiffe ein- und ausliefen, ganz abgesehen von den 10 400 Küstenbooten und etwa 3000 Fischerbooten.

2. Kapitel: Theater und Börse

Jurist ist Jules Verne nie mit vollem Herzen gewesen. Seine Vorliebe für Bücher und Natur verließ ihn auch in Paris nicht, nur schlug sie hier zunächst eigenartige Pfade ein.

Nach Beendigung seiner juristischen Studien richtete er sich ein, dauernd in Paris zu bleiben und wurde Direktionssekretär bei Perrin, in dessen Händen damals die Verwaltung der »Komischen Oper« und des »Lyrischen Theaters« vereint lag. Hier lernte er eine ganze Reihe berühmter Schriftsteller kennen, die teilweise von großem Einfluss auf ihn waren; unter ihnen den jüngeren Dumas, Scribe, Auber, Michel Carré und Charles Wallut. Der letztere war der Herausgeber einer illustrierten Familienzeitschrift, des »Musée des familles«, einer der ältesten dieser Art. Hier veröffentlichte der junge Verne seine ersten Erzählungen vom Jahre 1851 an bis zum Jahre 1865.

In diesen kleinen Arbeiten genügte er sich jedoch nicht; er wollte höher hinaus, wollte für das Theater schreiben, hier kam ihm der jüngere Dumas zu Hilfe. Mit diesem nur vier Jahre jüngeren, etwas moralisierenden, aber fein empfindenden Schriftsteller verband ihn eine innige, aufrichtige Freundschaft. Er schrieb mit seiner Hilfe sein erstes Lustspiel »Les Pailles rompues« (1850), ein niedliches Stück in einem Akt und in Versen, welches Molières »Dépit amoureux« nachempfunden zu sein scheint.

Die beiden jugendlichen Schriftsteller arbeiteten zusammen im Hause von Dumasʻ Vater und hatten hier den Garten zu ihrem Studierzimmer gemacht. Am Abend kamen dann die Freunde des Hauses Dumas zusammen, meist angehende Schriftsteller, mehr oder weniger ausgehungert, ohne sich jedoch deshalb graue Haare wachsen zu lassen.

Dann verließ Vater Dumas sein Feuilleton, lief zur Küche, schürzte die Ärmel auf und fabrizierte hier gelehrte Mayonnaisen und vorzügliche Eierkuchen, die ihm recht gut gelungen sein müssen, wenn man unserem Verne glauben darf, der ihnen stets ein pietätvolles Andenken bewahrt hat.

Auf Verwendung von Dumasʻ Vater wurde das Stück auch am »Historischen Theater« aufgeführt und erzielte hier einen hübschen Erfolg. Es erschien dann im Buchhandel, und Dumas hielt es für seine Pflicht, das erste Exemplar davon zu kaufen. Das brachte ihm folgende poetische Widmung von seinem Freunde Verne ein:

A peine imprimé vif, voilà que tu mʻachètes;Je suis ton débiteur dʻargent et dʻamitié.Comme ma bourse, ami, nʻa jamais rien payé,Ce sera mon coeur seul qui te paiera mes dettes.

Die Gesinnung ist entzückend, wenn auch die Verse selbst sehr mittelmäßig sind.

Seine Vorliebe für Meer und Segel vergaß Verne aber auch jetzt nicht, denn er dichtete damals folgendes Matrosenlied:

Die Mastwächter.

En partant du bordVous voyiez naguèrePleurer sur le bordVotre vieille mère!

Dans son triste adieu,A la Sainte ViergeElle a fait le voeuDe brûler un ciergeSi son pauvre fils,Sauvé de lʻorage,Revient au rivage,Revient au pays.

Hardis matelotsMontez dans la hunePour chercher la duneAu milieu des flots.

Alerte!Alerte, enfants, alerte!Le ciel est bleu, la mer est verte.Alerte – Alerte!

Das Liedchen wurde in Musik gesetzt von dem Komponisten Aristides Hignard, mit dem Verne ebenfalls eng befreundet war. Derselbe komponierte auch Vernes komische Opern, zu denen er um jene Zeit den Text geschrieben hatte zusammen mit Michel Carré. Es sind dies:

1853 Colin Maillard in einem Akt,1855 Les Compagnons de la Marjolaine, ein Akt,1860 Die Herberge in den Ardennen, ein Akt,1861 Monsieur Chimpanse.

Damals war sein sehnlichster Wunsch, einmal Theaterdirektor zu werden. Aber er realisierte sich glücklicherweise nicht, und Vernes dramatische Werke blieben nur ein Zeitvertreib für seine Mußestunden. Aber davon leben konnte er nicht. Er sah sich vielmehr genötigt, eine der merkwürdigsten Schwenkungen seines ganzen Lebens zu machen und wurde Bankbeamter. Einen ähnlichen Berufswechsel unternahm übrigens auch CH. Wallut, der vom Herausgeber des »Musée des familles« zum zweiten Direktor des bekannten Pariser Bankhauses Crédit Mobilier ernannt wurde.

Im Jahre 1854 trat Jules Verne in das Geschäft des Maklers Fernand Eggly ein und wurde später Teilhaber eines Freundes aus Nantes, des Wechselagenten Maisonneuve. Fast zehn Jahre lang blieb er hier in einer seinem ganzen Wesen fremden Tätigkeit. Doch war es gerade Maisonneuve, der es erkannte, wozu er berufen war, und der ihn veranlasste, die Börse zu verlassen und ganz unter die Schriftsteller zu gehen. Sehnte sich doch sein poetischer und musikalischer Geist danach, Szenen zu erfinden und Charaktere zu schaffen. Die Musik selbst betrieb er außerordentlich gern, wie auch aus einigen seiner Romane hervorgeht. Auch später noch setzte er sich in Amiens oft an das Piano und entzückte bei intimen Gesellschaften seine Zuhörer durch sein Spiel.

Seine neue Stellung in der Pariser Finanzwelt ließ unseren Verne etwas aufatmen; er konnte sorgloser leben als bisher; sein Talent begann sich zu entfalten. Das bezeugen schon die kleinen, im »Musée des familles« damals veröffentlichten Erzählungen. Unsolide ist er jedoch niemals gewesen; auch hatte er niemals eine besondere Leidenschaft für die Frauen bewiesen. Daher sind auch die Heldinnen seiner Stücke und Romane meist nur sehr oberflächlich gezeichnet, so dass ihre Charaktere leicht zu analysieren sind.

Doch fehlte es seinem Leben nicht an Frohsinn und Heiterkeit. Er verkehrte damals viel in einem Kreise von elf Freunden, die sich humorvoll »Die elf Unbeweibten« nannten. Zu ihnen gehörte auch der Komponist Hignard. Ihnen las er gern seine elegischen und humoristischen Dichtungen vor.

Line der interessantesten Persönlichkeiten, mit denen Verne zu dieser Zeit in näherem Verkehr stand, war Felix Tournachon. Dieser, ein geborener Pariser und acht Jahre älter als Verne, hatte eine höchst abenteuerliche Vergangenheit. Er studierte zunächst Medizin, wurde dann Journalist und schrieb seit 1842 unter dem Pseudonym Nadar in Blättern zweiten Ranges. Dann war er einige Monate Sekretär bei Lesseps, dem Erbauer des Suezkanales, malte und zeichnete Karikaturen, wurde 1848 einige Wochen als Spion in Eisleben interniert, eröffnete 1852 in Paris ein photographisches Atelier und beschäftigte sich endlich seit 1854 eingehend mit der Luftschifffahrt. Er ließ auch den größten bis dahin aufgestiegenen Luftballon bauen, den »Riesen«, welcher 6000 m³ fasste und eine Tragkraft von 4900 kg besaß. Im Jahre 1863 erfolgte der erste Aufstieg, an welchem auch Jules Verne teilnahm. Der Ballon fiel jedoch nach kurzer Fahrt bei Meaux in der Nähe von Paris. Zwei Wochen später, am 4. Oktober 1863 erfolgte der zweite Aufstieg, welcher zu einer denkwürdigen, aber höchst gefährlichen Fahrt wurde, wobei die Reisenden durch einen Orkan bis in die Gegend von Hannover verschlagen wurden. Ob Jules Verne auch an dieser Fahrt teilgenommen hat, steht nicht mit Sicherheit fest. Nadar war auch der erste, welcher bei der Belagerung von Paris 1870 den ersten militärischen Ballon erbaute.

Verne hat den phantastischen französischen Abenteurer verewigt in seinem Roman »Von der Erde zum Mond«. Der kühne Pariser, der sich hier erbietet, die Reise nach dem Mond selbst mitzumachen, ist niemand anderer als Nadar, dessen Namen Verne durch das Anagramm Ardan wiedergab.

Die zahlreichen anderen Freunde, Kameraden und Kollegen, mit denen Verne damals noch verkehrte, alle aufzuzählen, hat für uns wenig Interesse; erwähnt sei nur der intimste unter ihnen, der humorvolle Felix Duquesnel, dem wir später wieder begegnen werden. Jedenfalls aber blieb der Dichter auch als Finanzier in steter Berührung mit dem Theater und den Schriftstellern. Sie alle erkannten seine große Begabung an, alle fühlten, dass er augenblicklich noch nicht in seinem eigentlichen Metier sich befinde. Ja, es ging sogar bereits die fixe Idee um, er müsste auf ganz besondere Weise sein Glück machen.

1861 wurde ein neues Lustspiel von Verne im »Vaudeville-Theater« aufgeführt, das er gemeinschaftlich mit Charles Wallut geschaffen hatte: »Onze jours de siège« in drei Akten und in Prosa.

3. Kapitel: Der Weg zum Ruhm

Trotz seiner Berufstätigkeit fand Jules Verne noch Zeit Schwänke und Lustspiele zu dichten und Erzählungen zu schreiben. Aber gerade ein Teil dieser Erzählungen beweist, dass Verne sich sehr eingehend mit dem Studium anderer Wissenszweige, besonders mit der Geographie beschäftigt hat. Ich erinnere an »Ein Drama in Mexiko«, »Martin Paz«, »Eine Überwinterung im Eise«, andere Erzählungen, wie »Die Blockadebrecher«, »Der Graf von Chanteleine«, zeugen von historischen Studien, und wieder andere, wie »Ein Drama in den Lüften«, von seiner Beschäftigung mit der Luftschifffahrt. Aber auch rein naturwissenschaftliche Studien muss Verne in jener Zeit in ausgedehntem Maße betrieben haben, wenn sie auch vorläufig noch nicht zum Ausdruck kamen.

Wie ernst er es mit dem Studieren nahm, geht aus den großen wissenschaftlichen Werken hervor, die er später über die Erdforschung und über sein Vaterland veröffentlicht hat. Er bereitete sich für seine Lebensaufgabe vor.

Eines Tages, es mag etwa um die Mitte des Jahres 1862 gewesen sein, ging er mit seinen Freunden und Kollegen spazieren, plötzlich sagte er:

»Kinder, ich glaube, ich werde Euch verlassen müssen. Ich habe nämlich den großen Gedanken erfasst, den jeder Mensch, der sein Glück machen will, einmal erfassen muss, wie der Dichter Girardin sagt. Ich schreibe eben an einem Roman von ganz neuer Form, eine Idee von mir. Glückt es mir, dann habe ich, das weiß ich sicher, eine Goldader gefunden. Dann schreibe ich nur immer solche Romane, und Ihr müsst sie teuer bezahlen. Ich habe so die Idee, dass ich damit sehr viel Geld verdienen werde.«

Die Freunde lachten.

»Ja, lacht nur, fuhr er fort, wir werden ja sehen, wer zuletzt lacht!«

Nun galt es einen Verleger für den neuen Roman zu finden. Am »Musée des familles« war auch Alfred de Bréhat Mitarbeiter. Bréhat hat lange in Indien gelebt und schrieb für das »Musée« Erzählungen aus den indischen Aufständen, die sich sowohl durch vorzüglichen Stil, besonders auch durch wahrheitsgetreue Wiedergabe von zum Teil selbst miterlebten Tatsachen auszeichneten. Seine Berichte dürften auch den geschichtlichen Hintergrund von Vernes Roman »Das Dampfhaus« abgegeben haben.

Bréhat war mit dem Verleger Hetzel bekannt und empfahl Verne an ihn. Hetzel suchte gerade Weihnachtsgeschichten für die Jugend, und am Ende des Jahres 1862 stellte sich ihm Verne vor mit dem Manuskript seines ersten wissenschaftlichen Romanes »Fünf Wochen im Ballon«. Der Verleger war von Verne und seinem Roman so entzückt, dass er mit ihm sofort einen Vertrag auf 20 Jahre mit jährlich zwei Romanen abschloss.

Schriftsteller und Moralist; diese Worte bezeichnen sehr treffend den doppelten Charakter im Talent P. J. Stahls, dem Schriftstellernamen Hetzels. Moralist ist nicht immer gleichbedeutend mit Moralprediger, es bezeichnet eigentlich den Beobachter und dann erst den Kritiker der menschlichen Moral, der Moral, die allen Menschen gemeinsam innewohnt. In dieser Bedeutung war Hetzel Moralist. Er erkannte die kleinen Schwächen der Menschheit und geißelte sie mit humoristischem Spott. Sein erstes Werk, das er gemeinsam mit Alfred de Musset schrieb, war die reizende »Reise, wohin es euch gefällt«. Später folgte er in phantastischen Erzählungen der alten Idee, die Tiere sprechend auftreten zu lassen und sie zum Mittel der Satire auf die menschliche Gesellschaft zu machen. So schrieb er »Memoiren eines Hasen«, »Die Abenteuer eines Schmetterlings«, »Leben und philosophische Gedanken eines Pinguin«.

Im Jahre 1848 zog sich Hetzel etwas von der literarischen Tätigkeit zurück, da er sich trotz seiner Jugend an der Politik dieser Zeit beteiligte. Er musste sogar acht Jahre lang nach Brüssel in die Verbannung gehen. Aber auch hier verließ ihn sein Humor nicht, sondern er schrieb gerade hier einen Teil seiner reizendsten Novellen, wie »Die Reise eines Studenten«, »Die Geschichte eines Prinzen und einer Prinzessin« u. a. In der »Geschichte eines Verschnupften« lässt er die Zügel seines Humors am freiesten schießen. Sein Hauptwerk war »Les Bonnes fortunes parisiennes«, eine Art Dekameron, das zum Schauplatz Elsass, Baden und die Rheinufer hat.

Hetzel war Elsässer, sein Landsmann J. J. Weiß sagte von ihm: »Wer könnte sich denn rühmen, tiefer in das Verständnis französischen Wesens eingedrungen zu sein, eine eigenere, lebhaftere, vollendetere Sprache zu reden, als der Autor der »Bonnes fortunes parisiennes«. Das ist wie ein Duft von Rheinkräutern, wie der reine Geruch von Kornblumen auf dem Gipfel der Vogesen!«

Nach seiner Rückkehr nach Paris schrieb Hetzel moralistische Erzählungen für die Kinder, wie er in seiner Jugend für die Jugend moralisiert hatte und als gereifter Mann für Liebhaber und Gatten. Die Jugend las damals wenig in Frankreich, und Hetzel wollte sie einer Betäubung und einer Gleichgültigkeit entreißen, die geradezu verhängnisvoll zu werden drohte. In dieser Absicht gründete er das »Magazin der Erziehung und Unterhaltung«. »Man kann die Kinder nur erziehen, wenn man sie unterhält«, pflegte er zu sagen, »man muss ihnen das Brot gleichzeitig mit Süßigkeiten reichen. Er selbst verfolgte diesen Grundsatz in seiner »Geschichte meines Paten« und in den »Erzählungen aus der Familien-Moral«.

Am 20. März 1864 erschien die erste Nummer des »Magazins«. Das neue Unternehmen fand begeisterte Aufnahme, sogar das »Musée des familles«, dem es doch durch die Gleichartigkeit der Prinzipien Konkurrenz machte, »reichte ihm gern die unterstützende Hand«, wie Wallut sich ausdrückte. Es ist aber wohl nicht anzunehmen, dass der Erfolg den moralistischen Erzählungen Stahls zuzuschreiben ist. Das Neue im »Magazin« waren eben Vernes wissenschaftliche Romane, Hetzel war Menschenkenner; mit großem Scharfblick hatte er erkannt, was in Verne steckte. Daher konnte er auch ohne Bedenken den bekannten Vertrag auf 20 Jahre mit ihm abschließen, der sich dann bis zu Vernes Tode, also 41 Jahre lang ausdehnte.

Vernes Roman »Fünf Wochen im Ballon« erschien im Anfange des Jahres 1863. Dies Werk war das erste der großen Serie der »Seltsamen Reisen«. Es hatte einen ungeheuren, wohl kaum geahnten Erfolg; man riss sich um das Buch, dessen Originalität jedermann gefiel. Mit großem Geschick hatte Verne aber auch gerade das getroffen, was besonders in Frankreich überall interessieren musste. Sein Vaterland hatte damals gerade einen heftigen Krieg in seiner Kolonie Senegambien führen müssen; die Luftschifffahrt stand infolge der Bemühungen Nadars im Mittelpunkte des Interesses. Und beide Momente verwebte der Dichter außerordentlich geschickt in seinem Roman. Er wurde sofort in mehrere Sprachen übersetzt, und Verne hatte damit glücklich die Goldader angeschlagen, von der er seinen Kollegen an der Börse gesprochen hatte.

Jetzt konnte er leicht auf alle anderen Pläne verzichten. Lebewohl, Theaterdirektor! Adieu, Goldsucher und Finanzmann!

Alles wurde aufgegeben und nur noch der neuen Idee, dem wissenschaftlich-phantastischen Roman gelebt!

Hetzel war ein sehr kluger Verleger, der sein Geschäft mit viel Verständnis betrieb. Er hatte auch die Werke von Viktor Hugo, von George Sand, von Balzac und noch anderen bedeutenden Schriftstellern verlegt.

Vernes Romane veröffentlichte er fast alle in dem neuen »Magazin der Erziehung und Unterhaltung«, das mit Verne stieg und fiel. Denn gleich nach dem Tode Vernes, am Ende des Jahres 1906, stellte es sein Erscheinen ein, nachdem es nach dem Tode Hetzels noch lange von seinem Sohne und Jules Verne weiter herausgegeben worden war.

Hetzel hielt das Erscheinen aller Romane und Novellen in einzelnen Fortsetzungen pädagogisch für außerordentlich wichtig. Dies passte für Vernes Romane sehr gut. Das »Magazin« erschien alle 14 Tage; so konnte also das Gelesene gut verdaut werden, die Leser hatten Zeit, sich besonders mit den naturwissenschaftlichen Auseinandersetzungen des Dichters zu beschäftigen, sie zu überlegen und somit auch im Gedächtnis festzuhalten.

Nach dem Erscheinen wurden die Romane Vernes sofort in Buchform herausgegeben, vortrefflich illustriert von guten Zeichnern, besonders von G. Roux und von Benett. Besonders der letztere hat auf seinen Reisen in Indochina und Ozeanien schöne Studien zu seinen Illustrationen gesammelt.

Der erste Roman, welcher in Hetzels »Magazin« erschien, war »Die Abenteuer des Kapitäns Hatteras«; die Publikation begann in der ersten Nummer der Zeitschrift am 20. März 1864. Alle Romane Vernes zeugen von einem genialen Geist, der erfindungsreich und fruchtbar allen Entdeckungen der Wissenschaft folgte, die er ausnutzte und ausbaute, und aus denen er neue Erfindungen schuf mit einer staunenswerten Phantasie. »Obgleich ich erfinde und erdichte, sagte er manchmal, bleibe ich doch stets auf dem Boden der Wahrheit. Immer wird ein Zeitpunkt kommen, wo die Schöpfungen der Wissenschaft die der Einbildungskraft noch weit übertreffen.«

Jules Verne verheiratete sich am 10. Januar 1867 im Alter von 25 Jahren mit der reizenden verwitweten Frau Morel, geborenen von Fraysne de Viane, deren Vater ein alter Kürassierkapitän gewesen war. Sie war jünger als Verne und brachte ihm zwei Töchter in die Ehe mit.

Vier Jahre später, 1861, wurde ihnen ein Sohn geboren, Michel-Jules Verne; er veranlasste seinen Vater zu dem Ausspruch: »Meine Frau hat drei Kinder, ich nur eins.«

Frau Vernes Familie stammte aus Amiens in der Pikardie an der Somme, wo ihre Verwandten lebten und teilweise noch leben. Das veranlasste unseren Dichter auch, gegen Ende des Jahres 1870 von Paris nach Amiens überzusiedeln, hier hoffte er wohl den Schicksalen des deutsch-französischen Krieges zu entgehen, entging aber nur der Belagerung von Paris, die am 19. September 1870 begann. Bekanntlich blieb aber auch Nordfrankreich nicht vom Kriege verschont, und gerade Amiens wurde von Faidherbe am 28. November den Preußen preisgegeben. Nur die Zitadelle der Stadt blieb von der Bürgerwehr besetzt, die sich genötigt sah, auf ihre eigenen Wohnungen zu schießen. Am 30. November wurde aber auch die Zitadelle den Preußen ausgeliefert.

So lernte Verne gleich nach seiner Ankunft in Amiens alle Gefahren des Krieges kennen, und daher mag wohl auch seine Abneigung gegen die Deutschen datieren, die sich seitdem immer wieder bemerkbar gemacht hat. So hat er sich auch um die deutsche Ausgabe seiner Schriften niemals gekümmert. Die ersten Romane wurden im Jahre 1874 von A. Hartlebenʻs Verlag in Wien ins Deutsche übertragen.

4. Kapitel: Mensch und Schriftsteller

Fern sein von Paris, dem leuchtenden Mittelpunkt im literarischen Sonnensystem Frankreichs, heißt das nicht, sich vergraben in die Eiswüsten der Polarländer? In der Tat war ja das damalige Amiens in literarischer Beziehung gleichsam 20000 Meilen weit von Paris entfernt. Musste es unserem Verne nicht eine ungeheure Überwindung kosten, auf alle Annehmlichkeiten der Weltstadt zu verzichten?

 

 

Verne als Professor Aronnax (41 Jahre alt)

 

Doch nicht! Während der sieben Jahre nach der Veröffentlichung seines ersten Romanes war der Ruhm Vernes so gestiegen, dass er alles erreicht hatte, was er nur wollte. Das Publikum selbst sorgte jetzt dafür, dass sein Ruhm nicht einschlief. Binnen ganz kurzer Zeit wurden seine Romane in fast alle lebenden Sprachen übersetzt; selbst die fernsten Völker kannten »ihren Verne« und wussten seine Werke zu schätzen. Das war schon mehr, als ein gewöhnlicher Sterblicher erhoffen konnte. Seine Romane waren von der großen Pariser Akademie der Wissenschaften preisgekrönt, und der Dichter selbst war zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden. Die Kaiserin Eugenie hatte sich für ihn verwendet, und sein Dekret war das letzte, welches Napoleon III. überhaupt unterzeichnete.

Was wollte der große Romantiker noch mehr?

Schon seit dem Jahre 1864 suchte er nicht mehr die Bekanntschaft berühmter Literaten, und in Amiens vollends lebte er ganz seiner Familie und seinem Lebenswerke in stiller Ruhe und Behaglichkeit. Denn er war nicht der kühne Reisende und Forscher, als den man ihn so gerne sich vorstellte.

 

 

Verne im Alter von 49 Jahren.

 

Seinen Charakter erkennen wir am schönsten aus seiner lustigen Erzählung »Zehn Stunden auf der Jagd«, wo er in humorvoller Weise sich selbst schildert, wie er, der Jagd völlig unkundig, im Oktober des Jahres 1859 gelegentlich eines Besuches in Amiens sich dazu verleiten lässt, zur Büchse zu greifen. »Ein jeder ist hier mehr oder weniger Jäger« sagte er und durchbohrte nach mancherlei Fährnissen den Hut eines schlafenden Gendarmen.

Es war kein »Kapitän Nemo«, der die Welt durch seine großartigen Entdeckungen in Erstaunen setzt, er war vielmehr ein »Professor Aronnax«, der ja auch seine Züge trägt und der in emsigem Bemühen ein großes Geheimnis löst zur Aufklärung der Menschheit. Er schildert die schrecklichsten Abenteuer und bleibt dabei selbst ruhig und leidenschaftslos.

Der Vorsitzende der Akademie zu Amiens, Dr. Fournier, beschreibt ihn wie folgt:

»Und doch erschien uns dieser populärste Romantiker des 19. Jahrhunderts hier in dieser nüchternen Provinzialstadt unter den Zügen eines liebenswürdigen Mannes von einfacher Erscheinung. Er plauderte mit uns in der Weise gewöhnlicher Menschenkinder, und man hat in Amiens gern vergessen, wenn man ihn auf den Boulevards spazieren gehen sah, gerade wie es seine Landsleute auch tun, dass er der bekannteste aller Schriftsteller unseres Zeitalters war.

Er hatte ein schönes, ruhiges und regelmäßiges Gesicht; ein schon lange ergrauter Bart rahmte wunderbar sein Antlitz ein. Seine Stirn war hoch und breit, sein Blick bald durchdringend und angeregt, bald schweifend und mild, mit Augen von einer blauen Klarheit wie ein grundloses Meer. Man sah ihnen an, dass ihr Strahl oft den Horizont durchdrang und gerichtet war auf das, was jenseits unserer gewöhnlichen Wahrnehmung liegt, auf jene fernen Gegenden, die er nur allein ahnte. Etwas Fremdes, Erhabenes und Tiefes spiegelte sich in seiner Physiognomie ab. Wenn die Unterhaltung stockte, dann begannen seine Gedanken ihren Flug. Sein Gesicht wurde unbeweglich und sein Blick öffnete sich für das Grenzenlose: In ihm zog ein großer Traum vorüber.«

Im Jahre 1895 stattete ihm der italienische Dichter De Amicis aus Mailand (gestorben 1908) mit seinen beiden Söhnen einen Besuch in Amiens ab, den er folgendermaßen schildert:

»Wir klopften an die Tür eines Eckhauses in einer einsamen Straße. Man führt uns in einen hellen, freundlichen Salon, und sogleich erschien Jules Verne lächelnden Antlitzes und streckte uns beide Hände entgegen.