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GELIEBTER WÜSTENDOKTOR von OLIVIA GATES Heiße Küsse vom Wüstendoktor: Voller Sehnsucht denkt Larissa an die verheißungsvollen Lippen ihres neuen Chefs. Doch sie darf sich ihrer Leidenschaft nicht hingeben – denn wenn Prinz Faress von ihrem Geheimnis erfährt, wird er sie des Landes verweisen … DRAMATISCHE STUNDEN MIT DR. KHALIL von MEREDITH WEBBER Seite an Seite mit dem faszinierenden Chirurgen Scheich Khalil, ihrem Ex-Geliebten, rettet die schöne Ärztin Nell Warren unter dramatischen Umständen Menschenleben. Noch weiß der Mann, dem nach wie vor ihr Herz gehört, nicht, warum sie in sein Wüstenreich gekommen ist ... DIE WÜSTE, DIE STERNE UND DU von AMALIE BERLIN Er ist atemberaubend sexy, aber Prinz Dakan Al-Rahal ist auch ihr Boss. Sie soll in seinem Land ein modernes Krankenhaus bauen. Für Architektin Nira Hathaway steht fest: Ein Flirt mit dem Arzt kommt nicht infrage. Doch ihr Herz sagt ihr etwas anderes …
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Seitenzahl: 566
Olivia Gates, Meredith Webber, Amalie Berlin
JULIA ÄRZTE SPEZIAL BAND 12
IMPRESSUM
JULIA ÄRZTE SPEZIAL erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage in der Reihe JULIA ÄRZTE SPEZIAL, Band 12 07/2023
© 2008 by Olivia Gates Originaltitel: „Desert Prince, Expectant Mother“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Jutta Ploessner Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Julia Ärzte zum Verlieben, Band 51
© 2005 by Meredith Webber Originaltitel: „Sheikh Surgeon“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Rabe Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Julia Ärzte zum Verlieben, Band 7
© 2016 by Amalie Berlin Originaltitel: „Challenging the Doctor Sheikh“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Claudia Weinmann Deutsche Erstausgabe 2018 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Julia Ärzte zum Verlieben, Band 119
Abbildungen: Ischukigor / Depositphotos, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751519069
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Bisher hatte Larissa McPherson sich für eine Frau gehalten, die in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrte. In diesem Augenblick kam sie sich jedoch eher wie ein schmachtender Teenager vor, dessen Hormone verrücktspielten. Oder warum sonst starrte sie den Mann dort drüben so atemlos an?
Wenn ihr bei ihrer gestrigen Ankunft in Bidalya jemand vorhergesagt hätte, was gerade passierte, hätte sie es nicht geglaubt. Doch es passierte: Sie blamierte sich bereits unsterblich, kaum dass sie einen Fuß in die riesige Klinik gesetzt hatte.
Dabei war sie erst vor wenigen Minuten so herzlich empfangen worden. Nachdem sie den „Az-Zufranah Royal Medical Complex“ betreten und sich an der Rezeption gemeldet hatte, war eine junge Frau mit einem Zahnpasta-Lächeln auf sie zugekommen. Zu ihrer Verblüffung war Larissa von ihr enthusiastisch umarmt und auf beide Wangen geküsst worden.
Wie sich herausstellte, war Soha eine der überaus freundlichen Angestellten, denen die administrative Seite des Weiterbildungsprojektes unterstand, an dem Larissa teilnahm. Soha hatte angekündigt, dass gleich jemand kommen würde, um sie durch das Klinikum zu führen und sie mit ihren zukünftigen Aufgaben während ihres dreimonatigen Aufenthaltes vertraut zu machen.
Mit leicht gemischten Gefühlen hatte Larissa ihr hinterhergeschaut. Bis auf jene, die sich von Kopf bis Fuß verhüllten, wirkten die bidalyanischen Frauen, die sie bisher gesehen hatte, alle unwahrscheinlich attraktiv, als wären sie den neuesten Modemagazinen entstiegen. Dagegen war sich Larissa mit ihrer zweckmäßigen Kleidung, ihrem ungeschminkten Gesicht und dem praktischen Pferdeschwanz richtig hausbacken vorgekommen.
Und dann war er in ihr Blickfeld geraten. Hoheitsvoll war er durch den breiten Korridor aus Marmor und Glas auf sie zugekommen, flankiert von einem Stab Untergebener in weißen Kitteln, die Mühe hatten, mit seinen langen Schritten mitzuhalten. In dem Moment, in dem er in ihre Richtung blickte, hatte sie das Gefühl gehabt, sich kaum mehr bewegen zu können, als wäre sie von Zauberhand berührt und gebannt worden.
Nun stand sie da und blickte ihm mit wild klopfendem Herzen entgegen, wie er sich ihr mit geschmeidigen und dennoch kraftvollen Bewegungen näherte. Sie spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden und ihr ganzer Körper wie von feinen, kleinen Stromstößen prickelte.
Larissa schluckte nervös. Bestimmt konnte jeder ihr die Aufregung ansehen, vor allem er. Was war nur los mit ihr? Hatte sie noch nie einen attraktiven Mann gesehen?
Oh ja, jede Menge. Aber dieser hier war anders. Es wäre eine Beleidigung gewesen, ihn mit anderen Männern zu vergleichen. Ihn umgab die Aura eines mystischen Ritters, der geheimnisvolle Kräfte besaß. Seine Erscheinung würde jeden griechischen Gott neben ihm verblassen lassen.
Larissa erzitterte. Er würde doch nicht tatsächlich auf sie zukommen? Sie fürchtete und hoffte es im gleichen Atemzug. Vermutlich würde er schon mit dem ersten Wort, das er sagte, all ihre Illusionen zerstören. Männer mit einem solchen Aussehen hatten ihre Fehler. Wahrscheinlich war er arrogant und überheblich.
Aber das konnte ihr nur recht sein. Offiziell war sie nach Bidalya gekommen, um an einem Trainee-Programm der „Global Aid Association“ für Chirurgen teilzunehmen. Doch der wahre Grund war, dass sie alles über die Familie des Kindes herausfinden wollte, mit dem sie schwanger war.
Ein Mann war das Letzte, was sie gebrauchen konnte, wenn es darum ging, die anstehenden wichtigen Entscheidungen zu treffen. Schon gar keinen Mann von seinem Kaliber.
Larissa zog scharf die Luft ein. Sie musste vollkommen übergeschnappt sein. Konnte das mit irgendwelchen Schwangerschaftshormonen zu tun haben, mit denen sie zum ersten Mal Bekanntschaft machte? Der Mann hatte nichts weiter getan, als ihr einen Blick zuzuwerfen und in ihre Richtung zu kommen. Er konnte jeden Moment an ihr vorbeirauschen, ohne sie anzusprechen.
Er war jetzt nur noch wenige Meter entfernt. Und zu Larissas Schrecken verlangsamte er seinen Schritt. Sein intensiver Blick schien ihr Innerstes zu durchbohren. Zweifellos würde er sie ansprechen. Ein erregter Schauer durchlief sie, als ihr der ausgesprochen sinnliche Ausdruck in seinen nachtschwarzen Augen auffiel. Augen, die sie an Obsidiane erinnerten.
Ihr wurde bewusst, dass ihr Blick wie eine Einladung auf ihn wirken musste.
Um Himmels willen, schau weg!
Doch sie brachte es nicht fertig. Noch nie war sie einem Mann begegnet, der solch hypnotische Kräfte besaß, dass sie sich vollkommen machtlos fühlte.
Und dann blieb er vor ihr stehen … viel zu nahe.
Larissa glaubte, nicht mehr atmen zu können. Ein fester Ring legte sich um ihre Brust, und außer ihm und seiner dominierenden Männlichkeit schien für sie nichts mehr zu existieren.
Er musterte sie, als wollte er testen, wie er auf sie wirkte. Dann öffnete er den Mund, und Larissa hätte am liebsten die Flucht ergriffen.
„Wer …“
Weiter kam er nicht, denn eine aufgeregte Stimme ließ sie beide herumfahren.
„Dr. Faress!“
Ein Mann kam in höchster Eile auf sie zugelaufen. Seiner Miene nach zu schließen war etwas passiert.
Der geheimnisvolle Fremde war also ein Arzt namens Faress. Larissa wusste, dass dieses Wort „Ritter“ bedeutete. Doch von dem Wortschwall auf Arabisch, mit dem der Neuankömmling Dr. Faress überschüttete, bekam sie keine Silbe mit. Anscheinend handelte es sich um einen Notfall, denn der Ausdruck auf Faress’ Gesicht veränderte sich. Fast mit Bedauern beobachtete sie, wie die Sinnlichkeit und die Neugier in seinem Blick einer dienstlichen Miene wichen.
Er schickte den Mann mit ein paar Worten weg und wandte sich dann Larissa zu.
„Darf ich erfahren, wer Sie sind?“ Es klang fordernd, fast schon wie ein Befehl, aber trotzdem nicht herablassend. Nicht aus seinem Mund.
„Ich … ich bin Larissa McPherson.“ Es erstaunte sie, dass sie in der Lage war, verständlich zu sprechen. Seine warme dunkle Stimme, sein sexy Akzent und seine männliche Schönheit faszinierten sie aufs Neue. „Ich bin neu hier.“
Er zog die markant gewölbten Augenbrauen leicht zusammen, als würde er versuchen, sich an ihren Namen zu erinnern. „Und was tun Sie hier?“
„Ich nehme an dem Trainee-Programm teil, das der Medical-Complex sponsert.“ Larissa kam sich reichlich dumm vor. Hätte sie sich nicht etwas präziser ausdrücken können? Ein so riesiges Klinikum wie dieses hier bot vermutlich Dutzende von Fortbildungsseminaren an.
Erstaunlicherweise wusste er trotzdem sofort, wovon sie sprach.
„Sie sind eine der Volontärinnen der Global Aid Association?“
„Nein, ich bin eine der chirurgischen Fachkräfte.“
„Sie sind Chirurgin?“
Was für eine unnötige Frage! Was sollte sie sonst sein? Friseuse? Aber sie wusste natürlich, dass es mehr eine Feststellung gewesen war als eine Frage.
Larissa konnte ihm seine Verblüffung nicht übel nehmen. Versierte Chirurginnen, die als Ausbilderinnen für dieses internationale Trainingsprogramm ausgewählt worden waren, starrten keine Männer in blankem Entzücken an, und wenn sie noch so göttlich aussahen. Und sie fingen in deren Gegenwart auch nicht an zu stottern.
„Unfall- und Rekonstruktionschirurgie“, erwiderte sie knapp, verärgert darüber, dass er sie so mühelos durcheinanderbringen konnte.
Er blickte sie erstaunt an, dann lächelte er. „Das muss eine Fügung des Schicksals sein, nicht nur in einer Beziehung.“ Während Larissa sich fragte, was sie mit dieser Bemerkung anfangen sollte, wurde seine Miene ernst. „Auf dem El-Eedan-Highway hat es eine Massenkarambolage gegeben. Die Zahl der Schwerverletzten wurde zuletzt mit vierundsechzig angegeben, doch sie steigt ständig. Die ersten Opfer sind bereits in die Notaufnahme eingeliefert worden und werden in Kürze in den OP gebracht. Wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können. Ist es Ihnen möglich, mit einzuspringen?“
Sofort war alles andere vergessen. Die Tatsache, dass Menschenleben auf dem Spiel standen, verwandelte Larissa augenblicklich wieder in die engagierte, kompetente Ärztin, die sie bis vor wenigen Minuten noch gewesen war.
Sie straffte die Schultern. „Selbstverständlich.“
Er musterte sie prüfend und nickte dann. „Folgen Sie mir bitte.“
Larissa lief hinter ihm her, ohne viel von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Ihr Blick war ausschließlich auf ihn fixiert, bis sie durch die Personalschleuse in einen chirurgischen Waschraum gelangten, der ebenso wie der gesamte Klinikkomplex aus einer futuristischen Welt zu stammen schien, in der Kosten keine Rolle spielten und die Technologie Jahrhunderte voraus war.
„Dort hinten ist der Waschraum für Damen.“
Larissa fand es merkwürdig, dass es hier getrennte Waschräume gab, selbst für ein so konservatives Land wie Bidalya. Schließlich ging es nur darum, sich die Hände zu schrubben und einen OP-Kittel überzuziehen.
„Hier kann ich mich genauso waschen“, erwiderte sie, bevor sie vor einem der Waschbecken stehen blieb und nach Nagelbürste und Seife griff.
Einen Augenblick später fiel ihr beides fast aus der Hand. Dr. Faress hatte ihr den Rücken zugedreht und zog sich gerade sein schwarzes Sweatshirt über den Kopf. Darunter trug er nichts.
Hastig wandte Larissa den Blick ab und begann, Hände und Unterarme mit Seife und Bürste zu bearbeiten. Dabei versuchte sie, den aufregenden Anblick seiner breiten Schultern und seines muskulösen Rückens, der in eine schmale Taille überging, zu ignorieren. Doch das führte nur dazu, dass sie das Spiel seiner stahlharten Muskeln unter seiner bronzefarbenen Haut aus dem Augenwinkel heraus umso deutlicher wahrnahm.
Angestrengt vermied sie es, in seine Richtung zu schauen. Trotzdem war sie sich jeder seiner Bewegungen bewusst, ebenso seiner Blicke, die auf ihrem gesenkten Kopf ruhten. Sie schrubbte und bürstete heftiger.
Die Tür ging auf, und weitere Ärzte kamen in den Raum, gefolgt von mehreren Krankenschwestern. Zwei von ihnen halfen Dr. Faress, die OP-Kleidung überzustreifen, zwei weitere gingen Larissa zur Hand.
Eine Minute später betraten sie einen gigantischen Saal mit acht OP-Tischen für simultane Operationen, dem weitere Behandlungsräume angeschlossen waren. Sie alle schienen technisch auf dem allerneuesten Stand zu sein. Mehrere Patienten wurden gerade auf die Operationstische umgebettet.
Auf Englisch erkundigte sich Dr. Faress nach den Verletzungen der Unfallopfer. Seine Kollegen antworteten ihm in arabischer Sprache.
Mit einer Handbewegung forderte er Larissa auf, näher zu treten. „Dr. McPherson ist unsere neueste Chirurgin, und ich möchte Sie alle bitten, in ihrer Gegenwart nur Englisch zu sprechen, im OP sowie auch außerhalb.“ Er wandte sich Larissa zu. „Ich übersetze für Sie. Bei den schwerwiegendsten Verletzungen handelt es sich um einen Fall von penetrierenden Unterleibsverletzungen sowie drei Fälle von stumpfen abdominellen Verletzungen. Außerdem haben wir drei Brustkorbverletzungen und einen Beckenbruch. Alle Patienten haben zusätzliche Brüche erlitten, hauptsächlich der Extremitäten. Nach erfolgter Reanimation ist ihr Zustand leider so instabil, dass die weiteren Untersuchungen vorläufig abgebrochen und Operationen vorgezogen werden mussten.“
Larissa nickte, während sie den Blick kurz über die verschiedenen Patienten schweifen ließ.
„Haben wir von jedem die neuesten Vitalwerte?“
Dr. Faress wandte sich an einen Mann, der für den Patiententransport zwischen Notaufnahme und Operationssaal verantwortlich zu sein schien. Er hielt einige Unterlagen hoch, damit die Ärzte sie lesen konnten, denn nach der sterilen Reinigung ihrer Hände durften sie die Papiere nicht mehr selbst berühren. Larissa trat näher, um die Erstdiagnosen und die letzten Werte zu prüfen. Alle Unfallopfer befanden sich in lebensbedrohlichem Zustand, doch am Schlimmsten hatte es den Mann mit dem Beckenbruch erwischt.
„Er war die ganze Zeit bei Bewusstsein“, erklärte Dr. Faress. „Keine äußerlichen Verletzungen, keine Anzeichen von Blutungen im Bauchraum, doch seine Bauchdecke ist hart und gespannt, und er befindet sich hämodynamisch gesehen in einem verheerenden Zustand.“ Er schaute sie an, als würde er darauf warten, dass sie ihm dieses Rätsel erklärte.
„Wie ich gesehen habe, konnte bisher nur eine rasche Sonografie mit dem mobilen Ultraschallgerät durchgeführt werden“, erwiderte Larissa. „Damit können zwar Flüssigkeitsansammlungen in Brustkorb und Oberbauch aufgespürt werden, aber keine retroperitonealen Blutungen. Auch keine noch so massiven, wie er sie nach dem Beckenbruch mit größter Wahrscheinlichkeit hat.“
Das muss er doch selbst gewusst haben, dachte sie bei sich. Hatte er sie nur testen wollen?
„Wir werden ihn uns zuerst vornehmen.“ Dr. Faress beauftragte eine der Krankenschwestern mit dem Anlegen der Patientenakte und der Beschaffung von fünfzehn Blutkonserven. „Dr. Tarek, Sie kommen mit uns“, warf er einem Kollegen über die Schulter zu.
Larissa eilte neben ihm her. „Wäre es nicht besser, wenn ich mich in der Zwischenzeit um die Patientin mit den penetrierenden Unterleibsverletzungen kümmern würde?“
„Das wird Dr. Kamal tun. Ich möchte Sie an meiner Seite haben.“
Ach – warum? Um sich davon zu überzeugen, dass sie wirklich geeignet war, andere Chirurgen weiterzubilden?
„Warum sollen wir uns zu zweit um denselben Patienten kümmern, wenn jeder von uns einen versorgen könnte?“, wandte sie ein.
Sie erntete nur einen undefinierbaren Blick, doch seine Körpersprache machte unmissverständlich klar, was er dachte.
Bitte tun Sie, was ich gesagt habe. Sofort.
Larissa schluckte ihren Ärger hinunter und folgte ihm.
Mit einem Blick stellte sie fest, dass der Patient mit der Beckenfraktur dabei war, das Bewusstsein zu verlieren. So rasch wie möglich führten sie und Dr. Faress die nötigen, wenn auch zeitraubenden Untersuchungen durch. Anschließend bestätigte er ihre Diagnose. Wenn die Blutungen nicht sofort gestoppt werden konnten, würde der Mann an einem hämorrhagischen Schock sterben.
„Wie würden Sie jetzt vorgehen?“, fragte Dr. Faress.
Er wollte sie tatsächlich auf die Probe stellen. Ohne ihn anzusehen, wandte Larissa sich an Dr. Tarek, von dem sich herausgestellt hatte, dass er der Anästhesist war. „Bewusste Sedierung, bitte. Wir werden das Verschließen der verletzten Blutgefäße mittels einer angiografischen Intervention vornehmen.“
Dr. Faress hob abwehrend die Hand. „Wollen Sie vorher nicht eine Computertomografie machen lassen? Oder eine chirurgische Fixation der Fraktur vorschlagen? Und wie steht es mit der Blutungskontrolle?“
„Dr. Faress, Sie wissen sicher so gut wie ich, dass kein instabiler Patient einer Röntgenuntersuchung unterzogen werden sollte“, raunte sie ihm halblaut zu, damit die anderen es nicht hören konnten. „Eine Fixation des Bruches würde die Blutungen nicht zum Stillstand bringen. Wir wissen beide, dass eine Eindämmung der Blutungen am offenen Patienten meistens zum Tod auf dem Operationstisch führt.“
So. Damit hatte sie ihm hoffentlich die richtige Antwort gegeben.
Er kniff die dunklen Augen zusammen. Larissa war sich nicht sicher, ob vor Ärger oder Belustigung. Oder war es etwa Anerkennung?
Genugtuung stieg in ihr auf, als er dem Anästhesisten ihre Vorgehensweise bestätigte. Dann drückte Dr. Faress ein paar Knöpfe und brachte ein angiografisches Untersuchungsgerät in Position. Er injizierte dem Patienten ein Kontrastmittel, dann konnten sie auf dem Monitor sehen, an welchen Stellen es gasartig aus den verletzten Arterien aufstieg.
Dr. Faress reichte ihr den Angiografiekatheter. „Fangen Sie an.“
Ohne zu zögern, schob Larissa die Sonde bis zur ersten verletzten Stelle vor. Konzentriert beobachtete sie auf dem Monitor ihr Vorgehen. Dann applizierte sie das flüssige Kunststoffmaterial und verschloss die erste verletzte Stelle.
Innerhalb von zwanzig Minuten hatte Larissa auf diese Weise alle verletzten Arterien behandelt. Zum Schluss injizierte Dr. Faress noch einmal ein Kontrastmittel. Es trat nirgendwo mehr aus.
Damit war der Fall allerdings noch nicht abgeschlossen. Der Zustand des Patienten hatte sich stabilisiert, doch es gab noch eine Menge zu tun.
Dr. Faress schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. „Willkommen im Team, Dr. McPherson. Der Patient gehört Ihnen.“
Damit nickte er ihr zu und ging zum nächsten OP-Tisch.
In den nächsten zwei Stunden arbeitete Larissa angestrengt, bis ihr Patient optimal versorgt war und auf die Intensivstation gebracht werden konnte. Danach wartete schon der nächste Patient auf sie. Auch Dr. Faress war wieder da. Offenbar wollte er sich vergewissern, dass sie auch in diesem Fall die richtige Diagnose stellte und die beste Therapie wählte. Er unterstützte sie beim schwierigsten Teil der Operation und ging dann zum nächsten Patienten, um auch dort dem Chirurgenteam Hilfestellung zu geben.
Larissa wurde klar, welche Rolle er hier einnahm. Er war der Maestro, der seine Leute dirigierte und dafür sorgte, dass kein Chaos aufkam. Er eilte von Operationstisch zu Operationstisch, nahm die schwierigsten Handgriffe selbst vor und ebnete den Weg für Larissa und die anderen Chirurgen. Das Ergebnis war verblüffend. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass sie keinen einzigen Patienten verloren.
Und das hatten sie nur ihm zu verdanken.
Fünfzehn Stunden später waren alle Patienten stabilisiert und auf die Intensivstation gebracht worden. Dr. Faress war wieder gegangen – Gott sei Dank!
Vollkommen erschöpft verließ Larissa den OP. Sie dachte über die Ungerechtigkeiten des Lebens nach. Als ob sie in der letzten Zeit nicht schon genug Aufregungen gehabt hätte, musste sie auch noch einem Mann wie ihm begegnen. Nicht nur, dass er ein wahres Phänomen war, was sein Aussehen und sein Charisma betraf, er schien auch ein großes Organisationstalent zu besitzen, ebenso Führungsqualitäten und vor allem chirurgische Fähigkeiten. Auf jeden Fall musste er eine einflussreiche Persönlichkeit sein, zumindest Chefarzt der Chirurgie. Wahrscheinlich würde sie mit ihm noch öfter das Vergnügen haben. Ihre einzige Hoffnung war, dass er an ihren Fortbildungsseminaren nicht weiter interessiert war und sie deshalb nicht viel miteinander zu tun haben würden.
Larissa verließ den Waschraum – diesmal den der Damen – und folgte dann den Wegweisern zur Rezeption. Als ihr der aromatische Duft von Kaffee und Gebäck entgegenschlug, wurde ihr ganz schwindelig.
Himmel, war sie hungrig! Sie hatte seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen. Es konnte gefährlich werden, wenn sie ein Absinken ihres Blutzuckers riskierte. Sie musste jetzt besonders auf ihre Gesundheit achten, das war sie ihrem Baby schuldig.
Gerade als sie den verlockenden Gerüchen nachgehen wollte, nahm sie einen anderen Duft wahr. Sofort wusste sie, dass er es war. Im nächsten Moment spürte sie auch schon seine Hand auf ihrem Arm. Beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren und wäre gefallen, wenn er sie nicht geistesgegenwärtig gestützt hätte.
Mit seinem kraftvollen Arm in ihrem Rücken hielt er sie einen Moment lang fest an sich gepresst. Larissa zog scharf die Luft ein. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Wieder fiel ihr dieser sinnliche Ausdruck auf, der in seinem Blick lag und seine männlichen Lippen umspielte.
„Wie kann ich mich nur dafür entschuldigen, dass ich Sie so erschreckt habe?“, fragte er mit dunkler Samtstimme.
Hastig machte sich Larissa aus seiner Umarmung frei. „Sie … Sie haben mich nicht erschreckt“, stammelte sie, während sie mühsam versuchte, ihre Fassung wiederzufinden. „Ich bin nur müde. Und schrecklich hungrig.“
„Verständlich. Sie haben einen regulären Arbeitstag erwartet und mussten stattdessen einen fünfzehnstündigen Albtraum durchstehen. Aber ich versichere Ihnen, dass es bei uns nicht immer so schlimm zugeht.“ Um seinen Mund zuckte es humorvoll. „Nur jeden zweiten Tag, in etwa. Lassen Sie mich das wiedergutmachen.“ Er hielt ihr seine Hand hin, eine Geste, die höflich und gleichzeitig gebieterisch wirkte.
Larissa hatte noch immer weiche Knie, diesmal war jedoch seine faszinierende Anziehungskraft der Grund, gegen die sie sich vergeblich zu wehren versuchte. Eine innere Stimme warnte sie davor, nach seiner Hand zu greifen, doch wie unter Zwang tat sie es doch. Es schien, als hätte sie plötzlich keinen eigenen Willen mehr.
Wie in Trance ging sie neben ihm her. Sie betraten einen Lift, der aus einem Science-Fiction-Film zu stammen schien. Larissa hatte das Gefühl, als würde er sich überhaupt nicht bewegen. Doch als die Edelstahltüren wieder auseinanderglitten, tat sich ein neues Bild vor ihr auf. Es war ein Raum, der etwa doppelt so groß wie ein Tennisplatz sein mochte. Das Glas der bogenförmigen Fensterfront reichte vom Boden bis zur Decke, die mindestens sechs Meter hoch sein musste. Anscheinend waren sie Dutzende von Stockwerken hochgefahren.
Larissa kam es vor, als würde sie aus einem Flugzeug blicken. Unter ihnen lag Az-Zufranah mit seinen Wolkenkratzern, deren Lichter den Nachthimmel erleuchteten und ihn zum Glitzern brachten, als wäre er mit Tausenden von Juwelen besetzt. Verschwommen wurde Larissa bewusst, dass sie sich in der turmhohen Konstruktion aus Stahl und Glas befinden mussten, die inmitten des Klinikkomplexes in den Himmel ragte.
Sie löste ihren Blick von der atemberaubenden Aussicht und konzentrierte sich auf den Raum. Er war mit erlesenem Geschmack eingerichtet, schlicht im Design, doch umso ausdrucksvoller in der Wirkung. Auf der gegenüberliegenden Seite bildete ein riesiger Schreibtisch den Mittelpunkt eines ultramodern ausgestatteten Arbeitsplatzes. Dies musste Dr. Faress’ Büro sein, wurde ihr in dem Moment klar, als er auch schon zu ihr kam, sie leicht am Arm fasste und über glänzendes Parkett und seidene Perserteppiche zu einer Sitzgruppe aus burgunderfarbenem Leder führte. Der Couchtisch war eine meisterhafte Konstruktion aus Plexiglas und Edelstahl.
Mit einer einladenden Handbewegung forderte Dr. Faress sie auf, sich zu setzen. Larissa fühlte sich immer noch wie erstarrt von den überwältigenden Eindrücken. Als Faress sie schließlich sanft auf das Sofa drückte, löste seine Berührung eine nervöse Schwäche in ihr aus. Willenlos ließ sie sich fallen.
Er blieb vor ihr stehen und musterte sie so eingehend, dass sie sich von seinen Blicken regelrecht ausgezogen fühlte. Bei dem amüsierten Lächeln, das um seine Lippen spielte, drohte ihr das Herz in der Brust zu zerspringen.
„Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen wollen, bestelle ich uns rasch etwas zu essen. Haben Sie einen bestimmten Wunsch? Welche Küche bevorzugen Sie?“
„Etwas mit vielen Kalorien“, seufzte sie, und er lachte.
Kaum hatte er ihr den Rücken zugekehrt, presste Larissa beide Hände auf ihr wild pochendes Herz. Wie schaffte dieser Mann es nur, derartige Reaktionen in ihr auszulösen? Nur mit größter Anstrengung konnte sie den Blick von ihm lösen.
Eine der Zeitschriften, die auf der Ablage unter der Plexiglastischplatte lagen, erregte ihre Aufmerksamkeit. Auf der Titelseite war er abgebildet. Das Foto zeigte ihn bei einer Operation. Seine Miene verriet Konzentration und Entschlossenheit. Seine faszinierende Persönlichkeit musste auch den flüchtigsten Betrachter in den Bann ziehen.
„Seine Königliche Hoheit Scheich Faress ben Qassem ben Hamad Al Rusheed: Arzt, Wegbereiter, Friedensstifter und Führer“, lautete die Überschrift. „Wohin wird der Renaissance-Mensch von Bidalya das Land führen?“
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis das Gelesene Larissa ins Bewusstsein sickerte. Dann traf es sie wie ein Schlag in die Magengrube.
Er war der Kronprinz!
Beinahe hätte Larissa bei dieser Erkenntnis laut aufgestöhnt. Dr. Faress war Jawads Bruder und einer der beiden Männer, derentwegen sie nach Bidalya gekommen war, um mehr über sie in Erfahrung zu bringen!
Faress war der Onkel des Babys, das sie unter dem Herzen trug.
Das Baby ihrer toten Schwester und seines toten Bruders.
Faress schüttelte den Kopf. Er hatte „etwas mit vielen Kalorien“ bestellt, wie Larissa gewünscht hatte, und fürchtete nun, dabei maßlos übertrieben zu haben. Wahrscheinlich würde er mehr Speisen geliefert bekommen, als zehn Personen an einem ganzen Tag essen konnten. Aber vielleicht würde ein opulentes Mahl seinen Hunger nach dieser Frau stillen.
Ein Blick auf seine neue Kollegin genügte, um seine Hoffnungen sofort wieder zu zerstören. Schon verwandelte sein sonst so kühles Blut sich wieder in flüssiges Feuer. Dabei schaute sie ihn nicht einmal an.
Er betrachtete sie mit den Blicken des Frauenkenners. Seine Fantasie spielte ihm aufregende erotische Bilder vor. Dabei hatte die Schönheit westlicher Frauen ihn bisher immer kaltgelassen. Aber wahrscheinlich nur deshalb, weil er ihr noch nicht begegnet war. Larissa war der Inbegriff von Weiblichkeit. Er hatte sie gefunden, die Frau, von der er nicht mehr geglaubt hätte, dass sie tatsächlich existierte.
Mühsam kämpfte er sein wachsendes Begehren nieder. Doch er brachte es nicht fertig, seinen Blick von ihrer Gestalt zu lösen. Er ließ ihn von ihren Hüften, deren reizvolle Formen auch die weiten olivfarbenen Hosen nicht verdecken konnten, zu ihren vollen Brüsten wandern, die sich unter ihrer losen Bluse abzeichneten. Nein, es war nicht ratsam, seine Blicke länger auf ihrer aufregenden Figur verweilen zu lassen. Nicht jetzt. Später vielleicht …
Er betrachtete ihr Gesicht mit dem makellosen hellen Teint, das von prachtvollem roten Haar eingerahmt war. Zu schade, dass sie es zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Im Geist sah er es in glänzenden Locken offen bis zu ihrer Taille fallen.
Faress holte tief Luft. Er war einfach überwältigt. Fasziniert und überwältigt. Und wie abfällig hatte er sich immer über jene Männer geäußert, die der erotischen Anziehungskraft einer Frau erlegen waren. Nun war er selbst ein Opfer dieses Phänomens geworden, und er musste zugeben, dass ihm diese neue Erfahrung nicht übel gefiel.
Larissa McPherson musste über geradezu magische Kräfte verfügen. Noch nie zuvor hatte er sich zu einer Frau so hingezogen gefühlt, noch dazu auf den ersten Blick. Wie ein Blitz hatte es ihn getroffen, als er sie an der Rezeption stehen sah. Er war es gewohnt, dass er die Blicke der Frauen auf sich zog. Aber sie bedeuteten ihm nichts. Und hatte eine Frau doch einmal sein Interesse geweckt, war es ihm nur um das erotische Vergnügen gegangen. Sein Herz war bisher nicht daran beteiligt gewesen.
Bei Larissa war alles anders. Allein ihre wundervollen Augen! Sie erinnerten ihn an das stürmische Meer. Mit jeder neuen Gefühlsregung schienen sie ihre Farbe zu ändern. Es würde ihn reizen, verschiedene Emotionen in ihr zu wecken, um dann das Farbenspiel ihrer Augen beobachten zu können.
Und ihre Lippen! Weiche volle Lippen, die ihn mit dem Verlangen erfüllten, ihr süßes Geheimnis zu erforschen und ihren Nektar zu trinken. Zu hören, wie ein erregtes Stöhnen über diese Lippen kam, als Aufforderung, in sie einzudringen.
Aber er war von ihr nicht nur als Frau fasziniert, sondern auch als Kollegin. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte sie sich in das Chaos gestürzt. Mit den geschickten Händen und dem kühlen Kopf einer erfahrenen Chirurgin hatte sie eine Operation nach der anderen hinter sich gebracht, während die Kollegen schon bald am Ende ihrer Kräfte gewesen waren. Larissa war die Einzige gewesen, die mit ihm zusammen fünfzehn Stunden lang durchgehalten hatte.
Doch plötzlich setzte fast sein Herzschlag aus. Diese verdammte Zeitschrift! Was hatte sie hier zu suchen?
Er stöhnte innerlich auf. Sein Cousin Atef musste sie ihm in der Hoffnung hingelegt haben, dass er den Bericht über sich doch irgendwann einmal lesen würde. Dabei bedeuteten ihm die Lobreden der internationalen Presse nicht das Geringste.
Larissas Blick war wie magnetisiert auf das Titelblatt geheftet. Nun wusste sie also, wer er war. Bestimmt hatte sie zuvor keine Ahnung gehabt. Nicht umsonst hatte er den Befehl gegeben, ihn im Dienst niemals mit „Somow’w’El Ameer“ oder „Königliche Hoheit“ anzureden, sondern ausschließlich mit Dr. Faress.
Natürlich war er sich darüber im Klaren gewesen, dass sie seine wahre Identität früher oder später herausfinden würde. Aber er hatte auch gehofft, ein wenig länger nur er selbst sein zu können. Kein anderer als der Mann, der ihre Sinne weckte und ihren Herzschlag zum Rasen brachte. Der Mann und Chirurg, an dessen Seite sie um das Leben der Patienten kämpfte.
Nun würde statt Begehren Berechnung in ihren Blick treten, und ihr offenkundiges Interesse an ihm würde mehr mit seinem Status zu tun haben als mit seiner Person.
Web’hagg’ej’jaheem … zum Teufel, warum hatte es nicht länger andauern können? Hätte das Schicksal nicht warten können, bis er zumindest einen Kuss von ihr bekommen hatte oder bis sie ihm eine Nacht schenkte – Faress, dem Arzt, und nicht Faress, dem Prinzen?
Ein Summen an der Tür unterbrach seine rebellischen Gedanken. Larissa zuckte zusammen. Warum war sie so nervös? Fragte sie sich jetzt, wie sie sich verhalten sollte? Würde sie anfangen, um ihn herumzuscharwenzeln, zu kriechen, zu schmeicheln?
Ya Ullah. Er würde es nicht ertragen können!
Der Summer ertönte erneut. Das musste das Essen sein. Faress öffnete und ließ die Bediensteten die Servierwagen hereinrollen. Unter Verbeugungen zogen sie sich wieder zurück.
Es waren weitaus mehr Speisen gekommen, als er befürchtet hatte. Wahrscheinlich würde Larissa jetzt noch beeindruckter von ihm sein. Ärger wallte in ihm hoch. Er wollte das Essen so schnell wie möglich hinter sich bringen, um sie wieder loszuwerden. Mit knappen Worten forderte er sie auf, zuzugreifen.
Er sah, wie sie nach dem Saftkrug und einem der Kristallgläser griff. Beim Einschenken zitterten ihre Hände so sehr, dass der Saft überall landete, nur nicht in ihrem Glas.
„Oh Gott!“ Mit einem lauten Klirren setzte sie beides ab und begann, mit Servietten den verschütteten Saft aufzutupfen. Danach wandte sie sich dem Fleck auf dem Teppich zu.
„Lassen Sie das“, herrschte Faress sie an.
Bei seinem befehlsmäßigen Ton versteifte sich Larissa. Die Gefühlsregungen auf ihrem Gesicht waren so vielfältig, dass er sie gar nicht alle analysieren konnte. Doch es war keine Spur von Berechnung dabei, kein Ausdruck von falscher Ehrerbietung. Eher eine angespannte Reserviertheit. Er glaubte aber auch, in ihrem Mienenspiel noch etwas anderes zu erkennen. War es … Furcht?
Er musste es herausfinden.
Ruckartig hob sie den Kopf, als er auf sie zutrat. Ihre Angst und Nervosität waren nicht zu übersehen.
„Larissa?“ Er verachtete sich für den exquisiten Genuss, den ihr Name auf seiner Zunge ihm vermittelte. „Fühlen Sie sich nicht wohl?“
„Es ist alles in Ordnung“, versicherte sie, ohne ihn anzusehen.
Nichts war in Ordnung. Und, b’Ellahi, sie machte tatsächlich einen verängstigten Eindruck. „Larissa haben Sie Angst vor mir?“ Er sah, wie ihre Augen sich bei seiner Frage weiteten. „B’Ellahi – warum? Dachten Sie, ich hätte Sie hierher gebracht, um mich an Sie heranzumachen?“
Entgeistert starrte sie ihn an. „Himmel, wie kommen Sie darauf? So etwas wäre mir nie in den Sinn gekommen.“
„Wirklich nicht?“, vergewisserte er sich. „Oder sagen Sie das nur, weil Sie meine Reaktion fürchten?“
Sie warf den Kopf zurück. „Selbstverständlich nicht. Ich habe keine Ahnung, was Sie auf solche Gedanken bringt.“
Um seine Lippen zuckte es belustigt. „Zum Beispiel der verzweifelte Ausdruck auf Ihrem Gesicht. Ich bin ja einige Reaktionen gewöhnt, wenn die Leute erfahren, dass ich der Kronprinz bin. Aber Sie haben auf diese Zeitschrift gestarrt, als würde dort stehen, dass ich Jack the Ripper bin.“
Einen Augenblick lang befürchtete er, sie würde in Tränen ausbrechen. Stattdessen lachte sie.
Sein Herzschlag beschleunigte sich. Noch nie zuvor hatte er ein so melodisches Lachen gehört.
„Bitte entschuldigen Sie“, bat sie und lief vor Verlegenheit rot an.
„Es erleichtert mich, dass meine falsche Annahme Sie so erheitert“, meinte er und stimmte in ihr erneutes Lachen mit ein. „Bitte vergessen Sie die Sache mit dem Kronprinzen. Ich bin es auch nur vorübergehend.“
Ihr Lachen wich einer verblüfften Miene. „Wie das?“
Er wusste selbst nicht, wie er dazu kam, es ihr zu erzählen, doch es drängte ihn danach. „Ich habe einen älteren Bruder, der der rechtmäßige Kronprinz ist. Aus Gründen, die ich Ihnen hier nicht erklären möchte, hat er das Königreich verlassen. Ich halte sozusagen nur die Stellung für ihn, bis er zurückkehrt.“
„Ach, und Sie glauben im Ernst, es würde für mich einen Unterschied machen, dass Sie nur zweiter Thronanwärter des mächtigsten Ölstaates der Welt sind?“
„Habe ich Sie jetzt abgeschreckt?“
Larissa lachte wieder. „Um Himmels willen, nein!“
Ihre Worte beruhigten ihn. Nichts hatte sich geändert. Sie sah noch immer den Mann und Kollegen in ihm, nicht den Kronprinzen. Was immer er in ihrem Blick zu lesen geglaubt hatte, musste er sich eingebildet haben.
Was bedeutete, dass er sich weiter seinen erotischen Fantasien hingeben durfte.
Und dass er sie verführen durfte. Bald …
Larissas Lachen verstummte, als Faress mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen näher kam. Sofort schrillten alle ihre Alarmglocken, auch wenn sie gerade noch behauptet hatte, keine Angst vor ihm zu haben.
Die verspürte sie auch nicht, obwohl er sie praktisch vollkommen in der Hand hatte. Ein Mann wie er konnte sich alles erlauben. Trotzdem war sie überzeugt, dass er seine Macht niemals missbrauchen würde. Er mochte ein Playboy sein, doch sie konnte sich vorstellen, dass er auch ein vertrauenswürdiger Beschützer war. Diesen Eindruck hatte sie schon gehabt, bevor er ihr Unbehagen fälschlicherweise als Angst interpretiert hatte.
Unbehagen – was für eine gewaltige Untertreibung für den Schock, den sie gerade erlebt hatte! Und sie konnte ihm nicht einmal sagen, warum sie so reagiert hatte. Oder hätte sie einfach damit herausplatzen sollen?
Nein, ich habe keine Angst vor Ihnen, nur Angst davor, den Verstand zu verlieren! Erst verdreht mir zum ersten Mal in meinem Leben ein Mann den Kopf, dann finde ich heraus, dass er der Kronprinz meines Gastlandes ist, und als Krönung des Ganzen bin ich mit dem Kind seines Bruders schwanger. Oh, nebenbei bemerkt – Ihr Bruder, auf dessen Rückkehr Sie warten, ist tot!
Die Situation war so grotesk, dass sie die Tränen, die ihr seit Claires Tod vor drei Wochen ohnehin locker saßen, kaum mehr zurückhalten konnte. Faress hatte so liebevoll von seinem Bruder gesprochen. Wie konnte sie ihn in dem Glauben lassen, dass er eines Tages zurückkehren und den Thron übernehmen würde?
Andererseits konnte sie jetzt unmöglich ihr Geheimnis preisgeben. Die Sicherheit und die Zukunft des Babys standen an erster Stelle. Bisher hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, zu beurteilen, ob Faress und die Al Rusheeds diese auch gewährleisten würden.
Faress stand in seiner ganzen imponierenden Größe vor ihr. Das Feuer, das in seinen Augen glomm, drohte über die Barrieren hinwegzufegen, mit der sie ihre Gefühle mühsam im Zaum hielt.
„Sie bleiben also dabei?“, fragte er mit seinem exotischen Akzent. „Sie werden weder jetzt noch später vor Ehrfurcht auf die Knie fallen, weil ich der Kronprinz bin? Und Sie haben nicht die geringste Angst, dass ich meine Macht ausnützen könnte?“
„Nein“, erwiderte sie fest, wenn auch ein wenig heiser.
Er lächelte. Es war ein Lächeln, das schlichtweg verboten gehörte.
„Sehr schön. Dann brauchen Sie ja auch keine Angst davor zu haben, dass Ihnen meine Annäherungen gefallen könnten.“
„Annäherungen?“, fragte sie atemlos, aber da beugte er sich schon zu ihr und löste ihre Haarspange. Schwer fiel ihr die Lockenfülle auf die Brust und durch die Berührung, aber vor allem durch seine Nähe, fühlte sie ein heftiges Prickeln in ihren Brustspitzen. Beinahe hätte sie auch noch laut aufgestöhnt. Sie konnte kaum glauben, wie verräterisch ihr Körper auf Faress reagierte.
Er verlor wirklich keine Zeit. So unaufhaltsam wie eine siegesgewisse Armee näherte er sich seinem Ziel. Ihr! Larissas Herz begann zu rasen, als er sich zu ihr setzte.
Sein zufriedener Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er sich der Wirkung, die er auf sie hatte, voll und ganz bewusst war. Er nahm den Krug und goss ihr ein Glas Ananassaft ein. „Trinken Sie, bevor Sie mir verdursten, Larissa.“
Sie leerte das Glas in einem Zug. Faress saß so dicht neben ihr, dass sie weder normal atmen noch einen klaren Gedanken fassen konnte.
Seine nächsten Worte verschlimmerten diesen Zustand noch.
„Sie werden übrigens bei mir im Palast wohnen.“
Larissa glaubte, sich verhört zu haben. „Oh, besten Dank, aber ich … ich habe bereits eine Unterkunft in Burj Al Taj. Das Apartment ist … es ist fantastisch.“
„Ich zweifle nicht an der luxuriösen Ausstattung Ihrer Unterkunft, was immer die Projektleitung Ihnen zugewiesen haben mag. Doch darum geht es nicht. Ich möchte Sie in meiner Nähe haben.“ Seine Lippen verzogen sich belustigt, als sie ihn entgeistert anschaute. „Was nicht heißen soll, dass Sie meine Privaträume mit mir teilen müssen, falls Ihnen das noch zu früh ist. Sie können in einem der Gästehäuser wohnen, die ein Stück vom Palast entfernt auf dem Gelände stehen. Sollte es Ihnen jedoch nicht zu früh sein, dann sollten Sie keine Hemmungen haben, es zuzugeben.“
„Himmel, wir haben uns doch gerade heute erst kennengelernt“, platzte sie heraus.
„Was bedeutet Zeit, wenn die ersten Minuten bereits alles über einen Menschen verraten?“, tat er ihren Einwand ab. „Wenn wir innerhalb weniger Stunden mehr miteinander teilen als andere Paare in einem ganzen Leben? Vergessen Sie die Konventionen, Larissa. Denken Sie nur an uns beide, als Mann und Frau. Nichts anderes zählt.“
Er hatte seinen Beruf verfehlt. Er hätte Hypnotiseur werden sollen oder Magier. Aber vermutlich war er beides.
Als sie ihn nur schweigend anblickte, begann er, die dekorativ bemalten Porzellanteller und Schälchen zu füllen. Er breitete eine tiefrote Seidenserviette auf ihrem Schoß aus, fuhr mit dem Löffel in eine der Speisen und hielt ihn ihr an die Lippen. Automatisch öffnete sie den Mund. Es schmeckte süß und cremig. Genüsslich seufzte sie auf.
„Das schmeckt Ihnen, nicht wahr?“
Sah er es ihr nicht an? Musste sie es noch mit Worten bestätigen?
Die Art und Weise, wie er mit dem Finger etwas Creme von ihrer Unterlippe wischte, fühlte sich für Larissa wie eine ungeheuer erotische Berührung an.
„M’halabeya besteht aus Milch, Sahne, Honig und gemahlenem Reis. Mehr brauchen Sie nicht, um wieder zu Kräften zu kommen“, erklärte er und schob ihr mit sichtlichem Vergnügen Löffel für Löffel in den Mund, bis die Schale leer war.
Larissa dankte es ihm mit kleinen genüsslichen Lauten, die sie einfach nicht zurückhalten konnte.
Faress lehnte sich zurück und betrachtete sie. Larissa wagte es nicht, den Ausdruck in seinen Augen näher zu analysieren. Aufreizend langsam beugte er sich vor, was ihr Herz erneut zum Flattern brachte. Nur wenige Zentimeter von ihrem Mund entfernt öffnete er die Lippen. Sein Atem streifte ihre Wange, bevor er ihren Mundwinkel küsste. Dann spürte sie seine Zunge. Warm und liebkosend leckte er damit über ihre Lippen, wo sich wohl noch ein Rest von m’halabeya befunden hatte.
Wie ein elektrischer Schlag durchlief es ihren Körper. Doch viel zu schnell löste Faress seine Lippen wieder von ihren. Eine Hand hatte er in ihren Nacken gelegt, mit der anderen hob er ihr Kinn zu sich an.
Atemlos blickte sie ihm in die Augen. Sie wusste, worauf er wartete, was geschehen würde, wenn sie nicht Nein sagte. Doch sie brachte keinen Ton heraus.
Mit einem heiseren Laut drückte er ihr einen Kuss auf den Mund. Ganze Feuerwerke schienen in ihrem Körper zu explodieren. Doch er zwang ihre Lippen nicht mit seiner Zunge auseinander. Er knabberte nur an ihnen wie ein liebesbedürftiges Löwenbaby.
„Küss mich, Larissa“, stöhnte er rau, als würde er große Qualen leiden. „Nimm dir alles von mir, was du brauchst, ya jameelati.“
„Ist … ist das ein Befehl?“, brachte sie stammelnd hervor. „Von meinem Chef oder vom Kronprinzen?“
Abrupt ließ er sie los, und sie sank in die Polster zurück.
Schweigend saß er da. Sie spürte, dass sie ihn gekränkt hatte. Dann holte er tief Luft. „Außerhalb der Dienstzeiten gibt es zwischen uns keine Befehle, sofern sie nicht Teil intimer Spielereien sind. Ich würde mich Ihnen auch nie nähern, wenn ich nicht wissen würde, dass Sie mich ebenso wollen wie ich Sie.“
Es war zwecklos, es zu bestreiten. Aber es war einfach verrückt. Sie musste Schluss machen, sofort.
„Hören Sie, Dr. Faress … ähm, Eure Hoheit …“
„Faress“, unterbrach er sie. Seine Stimme klang, als wäre er zu keinem Kompromiss bereit. „Kein Doktortitel und schon gar nicht ›Hoheit‹. Nennen Sie mich beim Vornamen, so, wie ich es auch bei Ihnen tue. Sagen Sie ihn. Ich möchte meinen Namen aus Ihrem Mund hören.“
„In Ordnung … Faress. Aber eines möchte ich klarstellen. Auch wenn ich zugebe, dass ich gegen Ihre Anziehungskraft nicht immun bin, habe ich nicht vor, mich von Ihnen verführen zu lassen. Ich bin nicht hergekommen, um ein Techtelmechtel mit einem reichen, übermächtigen, verwöhnten Kronprinzen anzufangen!“
Ihren Worten folgte ein betretenes Schweigen. Faress’ Gesicht hatte sich in eine undurchdringliche Maske verwandelt. Larissa fürchtete schon, zu weit gegangen zu sein. Vermutlich würde er im nächsten Moment verlangen, dass sie ihre Sachen packte, wenn sie ihm nicht nachgab. Aber das würde sie auf keinen Fall.
Nach nervenaufreibenden Augenblicken warf er den Kopf zurück und fing an zu lachen. „Sie sind köstlich. Keine Sorge, ich werde Ihnen Ihre Offenheit nicht übel nehmen. Es steht Ihnen vollkommen frei, wie Sie auf meine Annäherungen reagieren. Wie immer Sie sich entscheiden, Sie werden für die Dauer Ihres Aufenthaltes mein Gast sein.“
„Aber … aber ich habe doch gerade abgelehnt …“
„Was eine Affäre mit mir betrifft. Was Ihre Unterkunft angeht, so bestehe ich darauf, dass Sie in einem der Gästehäuser wohnen.“ Als sie den Mund zu einem neuen Protest öffnete, hob er einhaltgebietend die Hand. „Es muss ein Versehen gewesen sein, dass man einen weiblichen Gastchirurgen am anderen Ende der Stadt untergebracht hat.“
„Wenn das Ihre einzige Sorge ist, können Sie mir in der Nähe des Klinikums eine Unterkunft zuweisen.“
„Natürlich könnte ich das, aber ich werde es nicht tun. Auf meinem Grund und Boden genießen Sie hundertprozentigen Schutz, und ich muss mir um Ihre Sicherheit keine Sorgen machen.“
„Das hört sich an, als wäre Bidalya ein höchst gefährlicher Ort für alleinstehende Frauen.“
„Eine alleinstehende Frau von Ihrer Schönheit ist immer auf irgendeine Weise in Gefahr. Sie würden zweifellos unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“
„Ich? Ihre Frauen hier sind die wahren Schönheiten. Kein einheimischer Mann würde mir einen zweiten Blick schenken.“
„So wie ich, nicht wahr?“, meinte er amüsiert.
Sie musste ihm einen Punkt gutschreiben. Nicht, dass sie im Mindesten verstanden hätte, warum er sich zu ihr hingezogen fühlte.
„Bieten Sie allen ausländischen Ärztinnen diesen besonderen Schutz an?“
„Die anderen wohnen gemeinsam im Hotel oder im Ärztehaus und stehen unter staatlichem Schutz. Sie jedoch möchte ich unter meinem persönlichen Schutz haben.“
„Und Sie verbinden keine bestimmten Erwartungen mit diesem Arrangement?“, vergewisserte sie sich.
Er schenkte ihr ein Lächeln, bei dem sie am liebsten sofort alle guten Vorsätze über Bord geworfen hätte.
„Oh, Erwartungen habe ich jede Menge. Aber ich erwarte keine Gegenleistung. Was Sie mir geben wollen, müssen Sie ungezwungen und aus freien Stücken tun.“ Er schwieg kurz. „Sie haben behauptet, keine Angst von mir zu haben. Aber wie sieht es mit Ihrem Vertrauen zu mir aus?“
„Ich vertraue Ihnen“, erwiderte sie entschlossen.
In seinen schwarzen Augen blitzte es auf. „Ich fühle mich geehrt.“ Er legte ihr kurz die Hand an die Wange. „Auch wenn Sie in einiger Entfernung vom Palast wohnen werden, bedeutet das nicht, dass ich Distanz halten will. Ich habe vor, das, was zwischen uns ist, mit allen Sinnen zu genießen.“
Larissa verschluckte sich beinahe. „Zwischen uns ist nicht das Geringste …“
„Oh, doch. Es ist da, unbestreitbar, unaufhaltbar.“ Er beugte sich kurz zu ihr und streifte mit seinen Lippen ihre heiße Wange. „Aber wie schon gesagt, das Tempo bestimmen Sie. Ich werde mich in Geduld fassen. Und nun lassen Sie uns dafür sorgen, dass Sie zu Ihren Kalorien kommen.“
Faress fütterte sie mit Speisen, die sie noch nie zuvor gegessen hatte. Er teilte jeden Bissen mit ihr, nannte ihr den Namen des Gerichtes und erklärte ihr, wie es zubereitet wurde.
Larissa konnte nicht bestreiten, dass sie seine Aufmerksamkeiten genoss. Sie musste dem Drang widerstehen, ihm zu sagen, dass er sich nicht in Geduld zu üben brauchte, dass sie ihm gehören wollte … Wenn nur das Baby unter ihrem Herzen nicht gewesen wäre und ihre Pflicht, für seine Zukunft zu sorgen.
Larissa Bissen für Bissen zwischen die verführerischen Lippen zu schieben, war für Faress ein höchst erotisches Erlebnis. Doch jetzt musste er damit Schluss machen, bevor er alle guten Vorsätze vergaß und sie an Ort und Stelle verführte.
Er legte seine Gabel zur Seite und umfasste ihre Wange. Ihre Haut fühlte sich seidenweich an, wie die Blütenblätter einer Rose. Beinahe hätte er vor Sehnsucht nach ihr aufgestöhnt. „Sag Ja, Larissa.“
Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht. Dann nickte sie, jedoch ohne ihn anzusehen.
Faress stand auf und ging zu seinem Schreibtisch hinüber, um alles für Larissas Unterbringung zu arrangieren. Ihr Widerstand reizte ihn. Sein Wunsch, ihn zu überwinden, wurde beinahe übermächtig. Doch er würde warten. Larissa war es wert.
Er wusste, dass sie eine wunderbare Geliebte sein würde, die es verstehen würde, seine Leidenschaft immer wieder aufs Neue zu entfachen. Faress war entschlossen, so lange um sie zu werben, bis er Erfolg hatte. Bei ihrer Zusammenarbeit würde sich die beste Gelegenheit dazu ergeben. Jeden Tag würde sie ihren Widerstand ein wenig mehr aufgeben, bis sie …
Energisch rief er sich zur Ordnung und griff nach dem Telefonhörer. Die zuständige Sekretärin meldete sich, und er gab seine Anweisungen, während er der Herausforderung entgegensah.
Larissa lehnte in den Polstern der Luxuslimousine und blickte aus dem Fenster. Der Anblick des nächtlich erleuchteten Az-Zufranah mit seiner verschwenderischen Fülle von Lichtern bot ein fantastisches Schauspiel, doch sie nahm kaum etwas davon bewusst wahr.
Umso bewusster war ihr Faress’ Nähe. Obwohl er am anderen Ende der Rückbank saß, schien er sie am ganzen Körper zu berühren – mit seinen Blicken.
Noch nie zuvor war ihr ein Mann begegnet, der so viel Macht und Charisma ausstrahlte wie er. Es war schwer, seiner Anziehungskraft zu widerstehen. Doch das war nicht der Grund, weshalb sie seinem Wunsch nachgegeben hatte. Sie hatte es getan, weil sich ihr damit die beste Möglichkeit bot, Jawads Familie kennenzulernen.
Ihr Schwager, der nur eine Woche vor Claire gestorben war, hatte immer vorgegeben, keine Angehörige zu haben. Seit Larissa erfahren hatte, dass er sehr wohl Familie besaß, sogar der Thronerbe von Bidalya war, hatte sich ihre Situation dramatisch verändert. Sie war also nicht die einzige Verwandte des Babys, das sie für ihn und ihre Schwester austrug. Hier in Az-Zufranah lebte die Familie, die Jawad verleugnet hatte.
Larissa war es dem Baby schuldig, seine Verwandten zu finden. Allerdings hatte sie auch gehört, dass der König von Bidalya ein Despot sein sollte, der es mit der Wahrung der Menschenrechte nicht so genau nahm und jeden einsperren ließ, der etwas Negatives über ihn sagte. Wenn diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen, war es besser, kein Wort über die Existenz des Babys zu verlieren.
Als sie erfahren hatte, dass Bidalya Volontären der „Global Aid Association“ die Möglichkeit bot, in ihren ultramodernen Kliniken ein dreimonatiges Fortbildungsseminar zu absolvieren, hatte Larissa sich als Ausbilderin gemeldet und war sofort angenommen worden. Sie hatte gehofft, dass sie über die Kollegen etwas über die Königsfamilie in Erfahrung bringen konnte. Niemals hatte sie sich träumen lassen, dass sie schon am ersten Tag Jawads Bruder begegnen würde.
Bisher wusste sie von ihm nur, dass er ein äußerst fähiger Chirurg war – und als Mann unwiderstehlich. Doch sie musste weitaus mehr über ihn wissen, bevor sie weitere Schritte riskierte.
„Sie haben kein Wort davon gesagt, dass ich in Scheherazades Reich wohnen soll“, bemerkte Larissa beeindruckt.
Fasziniert blickte Faress auf sie herab. Larissa wirkte auf ihn wie das personifizierte Feuer. Ihr rotes Haar züngelte wie Flammen im Licht der Öllampen, die überall im Raum verteilt waren. Ihre Lippen, deren Rot jetzt dunkler und intensiver wirkte, waren eine einzige Verlockung.
Er lächelte über ihren Scherz. Nach ihren begeisterten Ausrufen über die märchenhafte Architektur der dem Palast angeschlossenen Gästehäuser hatte er befürchtet, dass sie von der weitaus weniger authentischen Einrichtung enttäuscht sein würde. Doch das war nicht der Fall, im Gegenteil.
Faress freute sich, dass es ihr gefiel. Er hatte dieses Gästehaus, dessen Bau und Einrichtung er persönlich überwacht hatte, für besondere Gäste errichten lassen. Doch seit der Fertigstellung hatte es noch keinen Gast gegeben, dem dieses Privileg gebührt hätte. Larissa war die Erste, die hier wohnen würde.
Ob er das Haus nur für sie gebaut hatte – auch wenn er es damals noch nicht gewusst hatte?
Faress beobachtete Larissa, wie sie mit der Hand andächtig über die Lehne eines handgeschnitzten ägyptischen Stuhls strich, bevor sie ihre Aufmerksamkeit einer kugelförmigen Lampe aus Glas und blank poliertem Messing zuwandte, die an langen Messingketten von der Decke hing. Sie zauberte ein hypnotisches Muster von Licht und Schatten, das Larissas Gestalt eine beinahe überirdische Schönheit verlieh.
Sie schenkte ihm ein Lächeln, und fast wäre es um seine Beherrschung geschehen gewesen. Es kostete ihn einige Mühe, sie nicht leidenschaftlich in die Arme zu reißen und das mit ihr zu tun, wozu sie seiner Überzeugung nach beide bestimmt waren.
Larissa merkte nichts von dem Aufruhr in seinem Inneren. Sie griff nach einem handgewebten Seidenkissen, das auf einer Areekah lag, einem niedrigen Sofa, und fuhr mit den Fingern bewundernd über das dekorative Muster.
„Das Gästehaus ist wunderschön. Ich komme mir vor wie in einem futuristischen Märchenland und gleichzeitig um Jahrhunderte zurückversetzt.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand noch in den Zeiten von ›Tausendundeiner Nacht‹ leben möchte, ohne die Annehmlichkeiten unserer modernen Welt“, sagte Faress, während er sich bemühte, seine Gefühle im Zaum zu halten.
„Nein, vielleicht nicht. Aber ich finde es faszinierend, vor Türen zu stehen, die aus einer vergangenen Epoche zu stammen scheinen und die sich dann ganz modern per Sensor öffnen lassen. Selbst Scheherazade hätte sich einen solchen Ort nicht träumen lassen.“
Faress musste dem Drang widerstehen, ihr das Lächeln von den Lippen zu küssen. „Es tut mir leid, dass das authentische Flair des Gästehauses Scheherazades Anwesenheit nicht mit einschließt. Aber Sie können gern ihre Rolle spielen.“
„Warum? Übernehmen Sie dann Scheherayars Rolle?“
„Ich hoffe, ich habe nichts mit diesem schrecklichen Despoten gemein, der allen Männern in der Gegend einen schlechten Ruf verliehen hat“, gab er trocken zurück.
Larissa lachte leise. „Wie kann ich dann Scheherazade spielen, wenn Sie mit den alten Märchen offenbar nichts im Sinn haben? Nicht, dass ich welche zu erzählen hätte.“
„Dann verraten Sie mir eine wahre Geschichte. Ihre Geschichte.“
Genauso gut hätte er sie bitten können, in eine Grube voller Skorpione zu springen. Hastig wandte sie sich ab und legte das Kissen wieder an seinen Platz zurück.
„Faress, es ist drei Uhr morgens. Ich denke nicht, dass es der richtige Zeitpunkt ist, um Ihnen meine Lebensgeschichte zu erzählen.“
Sofort entschuldigte er sich, als ihm bewusst wurde, wie gedankenlos er gewesen war. „Aassef – bitte verzeihen Sie. Ich habe die Zeit vollkommen vergessen. Sie waren nicht nur fünfzehn Stunden im Dienst, Sie sind am Tag zuvor auch um die halbe Welt geflogen. Ein Wunder, dass Sie noch nicht umgekippt sind.“
Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. Als er sie dann ansah, hatte er den Eindruck, als hätte sich die Farbe ihrer Augen verdunkelt. Warum musste er sich zu dieser Zurückhaltung zwingen?
Faress straffte sich. „Ich werde den Türmechanismus noch auf Ihre Stimme und Ihre Fingerabdrücke programmieren und Ihnen zeigen, wie Sie die Zeituhr für das Reinigungspersonal und die Lieferanten einstellen, wenn Sie nicht da sind. Und nehmen Sie morgen erst einmal frei.“
„Wenn ich in einer halben Stunde im Bett bin, werde ich um acht Uhr pünktlich zur Stelle sein“, wehrte sie ab. „Mehr Schlaf brauche ich nicht.“
Er zog drohend die Brauen zusammen. „Sie nehmen morgen frei. Das ist ein Befehl von Ihrem Vorgesetzten.“
Larissa schaute ihn überrascht an. „Sie … Sie sind …“
„Ihr Boss. Wussten Sie das nicht?“
„Nein. Ich habe Sie für den Chefarzt der Chirurgie gehalten, aber ich wusste nicht, dass Sie mit dem Trainingsprogramm direkt zu tun haben. Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft …“ Sie brach ab und biss sich auf die Lippe.
„Dass es nicht der Fall wäre? Dass wir uns kaum begegnen und Sie nur zum Schlafen herkommen würden?“
Er sah ihr an, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Es war wie eine kalte Dusche für ihn. Bis sie hinzufügte: „Das war, bevor … bevor …“
„Bevor Sie mich ein wenig näher kennengelernt haben?“ Sie nickte, und er atmete auf. „Habe ich mich so schrecklich benommen, dass Sie mich nicht mehr sehen wollten?“
„Nein, das war es nicht.“ Larissa griff sich mit beiden Händen an die Schläfen. „Bitte hören Sie auf mit Ihren Fragen. Ich kann kaum noch denken.“
Wieder entschuldigte er sich. „Aassef marrah tanyeh, ya Larissa. Ich werde Sie noch mit dem Türmechanismus vertraut machen und Sie dann schlafen lassen.“
Nach kurzem Zögern nahm sie seine ausgestreckte Hand und ließ sich von ihm mitziehen. Larissa begriff rasch, wie der komplizierte Mechanismus funktionierte.
Ihre Hand lag immer noch in seiner, als er über die Schwelle trat. Er zog ihre Finger an seine Lippen, dann drückte er einen Kuss in ihre Handfläche. Deutlich konnte er spüren, wie ein Schauer durch ihren Körper lief.
„Nehmen Sie morgen frei“, beharrte er. „Oder ich werde Sie eigenhändig wieder zurückbringen.“
Damit drehte er sich um und ging.
Larissa sah ihm nach, wie er durch den geschmackvoll angelegten Laubengang schritt. Selbst wenn er ihr den Rücken zukehrte und sie nicht seinem faszinierenden Blick ausgesetzt war, bekam sie noch weiche Knie. Dass ein Mann wie er sie begehrte, erfüllte sie mit blankem Entzücken, das konnte sie nicht bestreiten.
Sie musste alle Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht der hypnotischen Wirkung zu erliegen, die er auf sie hatte. Es fiel ihr genauso schwer, nicht mit der Wahrheit über ihre Person herauszuplatzen und ihm zu sagen, aus welchem Grund sie wirklich in Bidalya war. Aber diesen Fehler durfte sie nicht begehen.
Der Tod seines Bruders würde ein schwerer Schlag für ihn sein. Und würde er sich nicht für Jawads ungeborenes Kind verantwortlich fühlen? Oder würde er es eher als Bedrohung empfinden? Larissa hatte keine Ahnung, wie dieses Kind von der königlichen Familie und dem Volk als späterer Thronanwärter angenommen werden würde.
Und was war, wenn Faress ihr nicht glaubte? Wenn er sich plötzlich als ein ganz anderer Mensch entpuppte und über ihre Offenbarung in Zorn geriet? Wenn er sie in seinem Palast einschloss, bis der Beweis erbracht war, dass sie die Wahrheit sagte?
Trotz seines charmanten, höflichen Wesens und seiner überragenden Fähigkeiten als Chirurg glaubte sie, auch einen rücksichtslosen Zug an ihm bemerkt zu haben. Larissa vertraute ihm als Frau, dass er sich niemals nehmen würde, was ihm nicht freiwillig gegeben wurde. Doch wie würde es mit der Moral eines Prinzen aussehen, von dem das Wohlergehen eines ganzen Staates abhing?
Nein, sie konnte ihm vorläufig nichts von ihrer Schwangerschaft sagen. Erst wollte sie alle Informationen zusammentragen, die sie brauchte. Dann würde sie entscheiden, ob sie ihm und seiner Familie von der Existenz des Babys erzählen oder nach Hause zurückkehren und es allein aufziehen würde. Bis dahin würde sie ihre Schwangerschaft geheim halten.
Ungewollterweise nahm Larissa dann doch den nächsten Tag frei. Ein Blick auf den Wecker sagte ihr, dass es sechs Uhr morgens war – am übernächsten Tag. Sie hatte vierundzwanzig Stunden durchgeschlafen.
Es war aber auch kein Wunder. Der Tod ihrer Schwester hatte sie fast alle Kräfte gekostet. Dazu kam noch der Jetlag durch die Zeitverschiebung nach dem langen Flug, die Aufregung um Faress, die Erschöpfung nach den vielen anstrengenden Operationen und nicht zu vergessen ihre Schwangerschaft. Es war nur natürlich, dass ihr Körper sein Recht gefordert hatte.
Einen Moment lang blieb sie noch im Bett liegen und blickte hinauf zu der hohen weißen Decke. Wie das gesamte Gästehaus hatte auch das Schlafzimmer enorme Ausmaße. Es war in Erdtönen gehalten und mit exquisiten, handgeschnitzten und handbemalten Möbeln ausgestattet. Der Raum wurde nur von einer Lampe aus Messing und buntem Glas im Dekor der berühmten arabischen Fenster erleuchtet, da durch die dichten Vorhänge kein Tageslicht drang.
Liebevoll legte Larissa die Hände auf ihren Bauch. Es war noch zu früh, um die Bewegungen ihres Babys zu spüren. In dem frühen Stadium konnte man ihr die Schwangerschaft auch noch nicht ansehen. Trotzdem hatte das winzige Wesen bereits ihr ganzes Leben verändert.
Sie stand auf und lief ins Bad. Besser, sie beeilte sich und sah zu, dass sie zum Dienst kam.
In weniger als einer Stunde war sie fertig. Zielstrebig ging sie zur Tür. Als ihr Blick dabei in einen hohen Spiegel mit einem dekorativen Perlmuttrahmen fiel, verhielt sie den Schritt und seufzte. Warum hatte sie nur dieses figurbetonte Ensemble gewählt, dessen lebendiges Grün ihren hellen Teint und das Rot ihrer Haare noch stärker zum Ausdruck brachte? Und wieso trug sie ihr Haar heute offen?
Jetzt war es zu spät, um sich noch einmal umzuziehen. Sie wusste auch noch nicht, wie sie zum Klinikum kommen sollte und wie viel Zeit sie dafür veranschlagen musste. Als Faress sie hergebracht hatte, war sie von seiner Nähe zu abgelenkt gewesen, um sich jetzt noch daran erinnern zu können, wie lange die Fahrt gedauert hatte.
Rasch nahm sie eine Spange aus ihrer Handtasche und raffte ihr Haar im Nacken zusammen. Nun sah sie wenigstens nicht mehr wie eine verführerische Sirene aus. Dann öffnete sie die Tür, wie Faress es ihr gezeigt hatte.
Im nächsten Moment blieb sie wie erstarrt stehen. Am anderen Ende des Laubenganges, in dem es verschwenderisch grünte und blühte, erschien Faress. Er war in Beige und Weiß gekleidet, was ihn größer und eleganter erscheinen ließ, als sie ihn in Erinnerung hatte.
Atemlos blickte sie ihm entgegen, wie er mit den geschmeidigen Bewegungen eines Löwen auf sie zukam. Der Schein der Morgensonne zauberte blaue Lichter in sein rabenschwarzes Haar und verlieh seiner bronzenen Haut einen goldenen Schimmer.
Seine Miene war unbewegt, und seine Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen. Dennoch konnte sie seine intensiven Blicke wie Laserstrahlen auf sich spüren. Ihr wurde erst warm, dann heiß.
Unaufhaltsam kam er näher, während sie noch immer am gleichen Fleck stand, unfähig, sich zu bewegen. Als er bei ihr angelangt war, zog er sie zur Begrüßung kurz in die Arme.
„Sabah’l khair, ya jameelati“, raunte er ihr ins Ohr. Schwer legte sich sein männlicher Geruch nach Morgenfrische und arabischem Moschus auf ihre Sinne. „Das heißt ›Guten Morgen, meine Schöne‹ auf Arabisch. Es wäre nicht verkehrt, wenn Sie ein paar Grundbegriffe unserer Sprache lernen würden.“
Larissa spürte, wie sie von einer neuen Hitzewelle erfasst wurde. „Ich bezweifle, dass ich jemals in die Verlegenheit kommen werde, zu jemandem ›ya jameelati‹ zu sagen.“
„Aber nun wissen Sie wenigstens, wie ich Sie nenne, ya helweti. Das heißt ›meine Süße‹.“ Er nahm ihre Hand und verteilte kleine Küsse auf ihren Knöcheln. „Haben Sie gut geschlafen?“
Sie schnitt eine Grimasse. „Müssen Sie es mir noch unter die Nase reiben, dass ich doch mehr Schlaf brauchte, als ich behauptet habe?“
„Halten Sie mich für einen Mann, der sich in seiner Rechthaberei sonnt?“
Larissa schaute ihn an. Weder seine Miene noch sein Tonfall drückten aus, ob er gekränkt oder amüsiert war.
„Bitte verzeihen Sie“, begann sie, doch er legte ihr einen Finger auf die Lippen. Seine Berührung ließ sie augenblicklich verstummen.
„Es gefällt mir, dass Sie die Dinge sagen, wie sie Ihnen in den Sinn kommen. Sie müssen mir versprechen, in meiner Gegenwart immer die Wahrheit zu sagen.“
Larissa fühlte sich leicht unbehaglich. „Ich verspreche es nicht nur, ich garantiere es Ihnen. Hätten Sie das Gegenteil von mir verlangt, hätten wir ein Problem gehabt.“
Faress nahm seine Sonnenbrille ab. In seinem Blick lag ein intensives Interesse, doch sie bemerkte auch, dass er sich amüsierte.
„Beinhaltet Ihre Garantie auch, dass Ihre Worte völlig ungeschminkt aus Ihrem Mund kommen werden?“
„Ich sage immer, was ich denke“, versicherte Larissa. „Aber was gewisse andere Gedanken betrifft …“
„Sie meinen, es könnte Ihnen peinlich sein, diese unverblümt auszusprechen?“
Sie wich seinem Blick aus, doch sein Finger unter ihrem Kinn zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Darüber werden wir später noch reden. Im Moment bin ich schon damit zufrieden, wie erholt Sie aussehen.“
„Ich fühle mich auch voller Energie und werde mich gleich in die Arbeit stürzen. Wenn Sie mir sagen, wie ich zum Krankenhaus komme …“
Er schaute sie in gespielter Verwunderung an. „Haben Sie den wahren Grund nicht erraten, weshalb Sie in meiner Nähe wohnen sollten? Ich habe es so arrangiert, damit wir gemeinsam zum Dienst fahren, um Benzin zu sparen.“
Erregung breitete sich in ihr aus. Er hatte also vor, sie auf der Fahrt zum Krankenhaus zu begleiten – jeden Tag!
Larissa hatte Mühe, ihre Aufregung vor ihm zu verbergen. „Da Sie sich wohl nicht ernsthaft um den Benzinverbrauch sorgen müssen, nehme ich an, dass Sie ein umweltbewusster Mensch sind?“, meinte sie mit einem flüchtigen Lächeln.
„Selbstverständlich bin ich das. Sind Sie bereit?“
Larissa wusste, dass seine Frage sich nicht nur auf die Fahrt bezog und noch eine andere Bedeutung dahintersteckte. Nämlich die Frage, ob sie für ihn und seine Annäherungen bereit war.
Obwohl sie wusste, dass es besser gewesen wäre, diese Fahrgemeinschaft abzulehnen, nickte sie. „Ja, ich bin bereit.“