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GEWAGTE ROMANZE AUF RHODOS von CHANTELLE SHAW Einst raubte Dimitris Kyriakou ihr Herz. Jetzt soll Savannah für den mittlerweile berühmten Star-Koch auf Rhodos arbeiten. Nur um ihrer kranken Mutter zu helfen, stimmt sie zu. Riskant, denn die schöne Food-Fotografin weiß, in Dimitris' Nähe erwartet sie ein Spiel mit dem Feuer. BLITZHOCHZEIT MIT EINEM FREMDEN von LYNNE GRAHAM Als Lara in einer Winternacht einem Fremden das Leben rettet, ist es für sie Liebe auf den ersten Blick! Obwohl er durch einen Sturz sein Gedächtnis verloren hat, heiraten sie. Doch plötzlich erinnert Gaetano sich wieder an seine Herkunft und setzt ihrer Liebe ein jähes Ende. MERRY CHRISTMAS, BOSS! von MARION LENNOX „Sie können Weihnachten bei uns feiern!“ Meg bereut ihr Angebot sofort. Zwar sind alle Flüge gestrichen, aber was soll ein Workaholic wie ihr Boss auf einer australischen Farm? Da gewährt William ihr überraschend einen Blick hinter seine eisige Fassade. Und Meg ist verloren … MAGISCHE NÄCHTE UNTER DEN STERNEN DER TOSKANA von CATHY WILLIAMS Zärtlich streichen seine Lippen über ihren Hals … Noch nie fühlte Karrierefrau Maude sich so begehrt. Dabei ist sie mit Milliardär Mateo Moreno in der Toskana, um ein Projekt zu planen. Ein sinnliches Ringen zwischen Herz und Verstand beginnt, denn schon einmal wurde sie tief verletzt.
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Seitenzahl: 685
Chantelle Shaw, Lynne Graham, Marion Lennox, Cathy Williams
JULIA EXTRA BAND 544
IMPRESSUM
JULIA EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© Deutsche Erstausgabe 2023 in der Reihe JULIA EXTRA, Band 544
© 2023 by Chantelle Shaw Originaltitel: „Penniless Cinderella for the Greek“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Lia Kornblum
© 2022 by Lynne Graham Originaltitel: „The King’s Christmas Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Hartmann
© 2010 by Marion Lennox Originaltitel: „Christmas with her Boss“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Meriam Pstross
© 2023 by Cathy Williams Originaltitel: „The Italian’s Innocent Cinderella“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anke Laumann
Abbildungen: Harlequin Books S. A., Gatsi / Getty, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751518246
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Was kann ich Ihnen bringen, Sir?“ Der Barkeeper wischte lustlos über die Theke, richtete sich aber auf, als er Dimitris erblickte. „Sie sehen dem Starkoch Dimitris Kyriakou sehr ähnlich, wenn ich das sagen darf.“
„Das habe ich schon öfters gehört“, murmelte Dimitris trocken. Er war es gewöhnt, in der Öffentlichkeit erkannt zu werden – das brachte das Berühmtsein mit sich. An diesem Abend aber beschäftigte ihn etwas, und er hatte keine Lust auf ein Gespräch mit dem Barkeeper. „Eine Flasche Champagner und ein paar Gläser, bitte.“
„Natürlich, Sir. Sind Sie Hotelgast? Dann kann ich für eine Lieferung aufs Zimmer sorgen.“
„Ich nehme es mit.“ Dimitris lächelte, aber sein Blick war hart. „Es soll eine kleine Überraschung werden.“ Er ließ sich seine Ungeduld nicht ansehen, während der Barkeeper zwei Gläser auf ein Tablett stellte, Eis in einen Eimer schaufelte und eine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank nahm.
„Gibt es etwas zu feiern?“, fragte der junge Mann gesprächig.
„So in der Art.“
Bestätigte sich der Verdacht seiner Schwester Eleni über ihren Partner Matt Collier, war die Verlobung Vergangenheit. Für Dimitris wäre das ein Grund zum Feiern. Er hatte diskret herausgefunden, dass Collier angeblich seine früheren Freundinnen betrogen hatte.
Eleni verdiente einen treuen und liebevollen Mann als Ehepartner. Dimitris dachte voller Schmerz an die glückliche Ehe seiner Eltern bis zu ihrem tragischen Tod. Als Elenis Bruder fühlte er sich verpflichtet, ihr bei den Nachforschungen zu helfen, ob Collier eine Geliebte hatte. Schließlich war er schuld daran, dass seine jüngere Schwester im Alter von zehn Jahren zur Vollwaise geworden war.
Dimitris war vierzehn, als seine Eltern ums Leben kamen. Eleni hatte bei dem Unfall damals lebensverändernde Verletzungen erlitten. Erstaunlicherweise war er selber beinahe unversehrt aus dem Autowrack gestiegen. Übrig geblieben war eine schwache weiße Narbe, die er im Spiegel hinter der Bar sah. Sie zog sich über seine Wange und wurde am Kiefer von den dunklen Bartstoppeln verdeckt.
Die Narbe war zwar verblasst, doch die Schuldgefühle blieben. In den letzten achtzehn Jahren hatte sich Eleni zahlreichen Operationen unterziehen müssen und lange Zeit einen Rollstuhl oder Gehstock gebraucht. Dank neuester chirurgischer Erfolge würde sie auf ihrer Hochzeit in drei Wochen ohne Hilfe vor den Altar treten können. Außer Dimitris fand einen Beweis, dass Elenis aalglatter Verlobter, ein Werbefachmann, sie betrog.
„Matt verhält sich in letzter Zeit seltsam. Deswegen konnte ich nicht anders und habe mir vor Kurzem sein Handy angeschaut, als er im Nebenzimmer war. Er schreibt regelmäßig einer Frau, die er S. nennt“, hatte Eleni geschluchzt. „Matt hat mir erzählt, dass er am Wochenende zu einem Golfturnier fährt, aber in seinen Nachrichten steht, dass er mit S. in einem Hotel verabredet ist. Ich muss die Wahrheit wissen. Du hilfst mir doch, Dimitris, oder?“
Also war Dimitris in das Hotel ein paar Meilen außerhalb von London gefahren, in dem das geheime Rendezvous von Elenis Verlobtem stattfinden sollte. Auf dem Parkplatz stand Colliers Auto. Die Zimmernummer stand in der Handynachricht der mysteriösen S. Nach dem mittelmäßigen Abendessen, bei dem er Collier und seine Gefährtin nicht zu Gesicht bekommen hatte, musste er seinen Plan B anwenden.
Er nahm das Tablett von der Bar und betrat den Fahrstuhl.
„Ich dusche noch schnell, Baby. Geh nicht weg!“ Matt zwinkerte Savannah zu und verschwand im Bad. Sie lächelte gezwungen, aber ihr Gesicht verdüsterte sich.
Sie konnte es nicht durchziehen. Sie konnte nicht mit Matt schlafen, auch wenn es ihr drittes Date war und es dann gewöhnlich zu Sex kam. Deshalb hatte sie sich seit Jahren nie mehr als zweimal mit einem Mann getroffen. Sie wollte sich nicht unter Druck setzen und eine sexuelle Beziehung überstürzen. Bei ihren Rendezvous fehlte immer etwas, und die Entscheidung, die Männer nie wieder zu sehen, fiel ihr jedes Mal leicht. Doch zu Matt fühlte sie sich hingezogen und seine offene, freundliche Art ließ ihre gewohnte Vorsicht dahinschmelzen.
Sie waren beide erwachsen, ungebunden und wollten es einvernehmlich. Wo lag also das Problem? Die unpersönliche Ausstattung der Hotelsuite war nicht gerade romantisch, und Savannah kam sich eher schäbig vor. Vielleicht hätten sie ihre erste gemeinsame Nacht doch in Matts Wohnung in Canary Wharf verbringen sollen, wo sie sich vielleicht wohler gefühlt hätte. Aber Matt hatte gesagt, dass bei ihm gerade Raumgestalter arbeiteten und dort Chaos herrschte.
Matt hatte ein privates Abendessen in der Suite organisiert. Die Geste war nett, aber Savannah hatte vor Nervosität kaum etwas anrühren können. Froh über den Moment allein lief sie nun im Zimmer auf und ab und fuhr sich angespannt mit den Fingern durchs Haar.
Sei keine Idiotin!, sagte sie ihrem Spiegelbild.
Sie versuchte, sich zu beruhigen. Natürlich hatte sie Angst, schließlich war ihr letztes Mal schon einige Zeit her. Sie konnte ihre sexuellen Erfahrungen zwar an einer Hand abzählen, doch ihre Unsicherheit würde sich schon legen.
Vielleicht sollte sie sich einfach ausziehen. Sie trug ein reizvolles Wickelkleid. Eigentlich wählte sie die Farbe nur selten, doch heute sollte das feuerrote Kleid ihrem Selbstbewusstsein auf die Sprünge helfen. Tat es aber nicht. Mit zitternden Fingern löste sie den Gürtel, bis das Kleid aufging und die Spitzen ihres neuen schwarzen Push-up-BHs zum Vorschein kamen. Sie hatte die sexy Unterwäsche gekauft, um ihre Libido zu wecken.
Savannah hatte Matt vor ein paar Wochen bei der Arbeit kennengelernt. Als Food-Fotografin sollte sie Bilder einer neuen Tapasbar in Soho schießen – für eine von Matt entwickelten Werbekampagne. Seine Lässigkeit und sein Charme hatten sie gleich eingenommen. Nach dem Termin schien es ihr nur natürlich, mit ihm etwas trinken zu gehen. Alles war besser, als nach Hause zu fahren und an das finanzielle Desaster erinnert zu werden, das ihr Vater zurückgelassen hatte.
Bei ihrem zweiten Date hatte Matt ihr beim Abendessen im Restaurant erzählt, seine letzte Beziehung sei vor Monaten in die Brüche gegangen. Savannah hatte sich in seiner Gesellschaft wohlgefühlt und einem Treffen im Hotel zugestimmt. Ansonsten lief in ihrem Leben alles andere gerade ordentlich schief, deswegen taten ihr die Ablenkung und die neue Beziehung nur zu gut. Mit achtundzwanzig war es außerdem an der Zeit, sich nicht mehr länger vor dem Leben zu verstecken.
„Keiner umwirbt einen mehr, das ist heute altmodisch“, hatte ihre Agentin und Freundin Bev vor ein paar Tagen gesagt, als Savannah ihr anvertraut hatte, vielleicht den nächsten Schritt mit Matt wagen zu wollen. „Wenn du den Typ magst, tu es. Dein Ex-Verlobter war ein Scheißkerl, und du musst endlich über ihn hinwegkommen.“
Vor Jahren hatte Savannah ihre Verlobung gelöst, als ihr klar wurde, dass sie Hugo nicht liebte. Er hatte sie benutzt und damit sehr gedemütigt. Das Herz hatte er ihr aber nicht gebrochen. Diese Ehre gebührte dem Mann, der ihr vor zehn Jahren eine grausame Abfuhr erteilt hatte und sie noch immer in ihren Träumen heimsuchte. Allein der Gedanke an ihn regte sie auf. Daher hatte sie beschlossen, Bevs Ratschlag anzunehmen und Matt eine Chance zu geben.
Beim Anblick des riesigen Betts in der Hotelsuite waren ihr aber Zweifel gekommen oder die Nerven mit ihr durchgegangen oder vielleicht beides. Es war zu früh, und sie war noch nicht bereit für eine sexuelle Beziehung mit einem fast Fremden. Vielleicht war die Hoffnung lächerlich, eines Tages einen Mann kennenzulernen, für den ihr Herz schlug und mit dem sie bis ans Ende der Welt gehen würde. Mit weniger gebe ich mich aber nicht zufrieden, erkannte Savannah mit plötzlich einsetzender Klarheit.
Sie hörte Matt unter der Dusche und überlegte kurz zu flüchten. Sich einfach zu verdrücken, ist nicht fair, meldete sich ihr Gewissen zu Wort. Er war ein netter Kerl und verdiente zu wissen, dass nicht er, sondern sie das Problem war.
Es klopfte an der Tür und sie hoffte kurz, dass im Hotel ein Feuer ausgebrochen war, obwohl man dann eigentlich Sirenen hören müsste. Vielleicht hatte sie ja Glück, und ein Loch hatte sich plötzlich in der Einfahrt aufgetan, sodass die Gäste aus dem Hotel evakuiert werden mussten. Eine Unterbrechung, egal was für eine, kam ihr gerade sehr gelegen. Dann müsste sie Matt nicht erklären, warum sie ihre Meinung geändert hatte.
Savannah eilte zur Tür, und erst zu spät fiel ihr ein, dass ihr Kleid vorne offenstand.
Dimitris war im vierten Stock aus dem Aufzug gestiegen und klopfte nun an Zimmer 402. „Zimmerservice.“
„Einen Moment bitte“, rief eine Frau hinter der Tür. „Matt, hast du etwas bestellt?“ Stille folgte und dann ein Murmeln: „Bestimmt hört er mich im Bad nicht.“
Die Tür ging auf, aber die Frau war mit dem Gürtel ihres feuerroten Kleides beschäftigt und sah ihn nicht an. Dimitris fragte sich, ob sie das Kleid gerade übergestreift hatte. Es stand vorne offen und bot ihm einen verlockenden Blick auf die schneeweißen Brüste, die der BH nach oben drückte.
Ihr zerzaustes blondes Haar reichte ihr in Wellen bis knapp über die Schultern. Sein Blick fiel auf ihren schlanken Körper, dann auf ihre langen Beine und hinunter bis zu den feuerroten High Heels mit Pfennigabsatz. Die Lady in Rot war eine kleine sexy Schnitte. Ihr Parfüm rief etwas in ihm wach. Die blumige Note war schwer und sinnlich, er kannte sie, konnte sie aber nicht einordnen.
„Ich stelle den Champagner auf den Tisch, ja?“ Er betrat das Zimmer, bevor die Frau auch nur antworten konnte. In seinem Magen toste die Wut. Er war froh, dass er Eleni hatte überreden können, daheim zu bleiben. Hier war der Beweis, dass der Verlobte seiner Schwester wirklich eine Liebhaberin hatte. Eleni würde am Boden zerstört sein. Wenigstens blieb ihr aber die Demütigung erspart, der wohlduftenden Frau selbst gegenüberzutreten. Ihrer Haare und Kleidung nach zu urteilen, kam sie wahrscheinlich gerade mit Elenis Verlobtem aus dem Bett.
Die Tür zum Bad öffnete sich und Matt Collier trat im Bademantel heraus. Ihm fiel die Kinnlade herunter, als er Dimitris erblickte. „Was zum Teufel tust du hier?“
Dimitris antwortete nicht. Er wusste jetzt, weshalb ihr Parfüm ihm bekannt vorkam. Seit Jahren erinnerte er sich. An sie erinnerte er sich, die Frau, die jetzt den Kopf hob und deren braungrüne Augen sich vor Überraschung weiteten und aufblitzten, als auch sie ihn erkannte.
„Dimitris?“
„Savannah O’Neal.“ Erschrocken senkte er den Blick, um seine Gefühle zu verbergen. Er, oder eher sein Körper, stellte anerkennend fest, dass die hübsche Teenagerin, die er vor zehn Jahren verlassen hatte, heute eine schöne und sehr sexy Frau war. „Es ist lange her.“
Dimitris hatte die gleiche Wirkung auf Savannah wie vor zehn Jahren. Sie hatte Herzklopfen, und ihr Mund war trocken. Viele Male hatte sie ihn im Fernsehen bei seinen Kochsendungen gesehen. Er war sehr beliebt und regelmäßig zu Gast in Talkshows – kein Wunder, er sah aus wie ein Rockstar und war sehr charismatisch. Savannah war trotzdem nicht auf ihn vorbereitet. Sein Sexappeal war nicht von dieser Welt.
Wie oft hatte sie sich ein Wiedersehen mit ihm ausgemalt! Kühl und elegant wollte sie wirken. Ganz anders als die schwer verliebte Achtzehnjährige von damals. Sie war wieder zurück in diese Zeit versetzt, wieder das unbeholfene Mädchen an der Schwelle zum Frausein. In ihren Träumen hatte der hübsche griechische Gott, der im Restaurant seiner Eltern arbeitete, nur Augen für sie. Elf magische Nächte lang war ihr Traum wahr geworden. Anstatt eines märchenhaften Happy Ends hatte sie aber die kalte Realität zu spüren bekommen, und sie war buchstäblich über Nacht erwachsen geworden.
Dimitris war damals zweiundzwanzig. Seine dunkle Schönheit wirkte exotisch und umwerfend – einfach kein Vergleich zu den Jungen ihres Alters. Sie war behütet aufgewachsen und auf eine private Mädchenschule gegangen. Dimitris’ potente Männlichkeit war ihr neu. Beim Lachen hatten seine Augen verführerisch gefunkelt. Er war einfach unwiderstehlich. Jetzt aber wirkte sein markantes Gesicht kühl wie aus Granit oder wie in harten Marmor gemeißelt.
Er war nun Anfang dreißig und sogar noch attraktiver als in ihrer Erinnerung. Die Narbe auf seiner Wange war inzwischen verblasst. Sie schadete seinem guten Aussehen nicht. Im Gegenteil, wie bei einem Piraten machte sie ihn nur interessanter. Seine eckige Kinnpartie ließ ihn entschieden wirken, und seine Wangenknochen standen scharf hervor. Unter dichten schwarzen Wimpern lagen seine unergründlichen dunkelblauen Augen, und über der starken Nase trafen sich seine kräftigen Augenbrauen. Savannah fiel aber vor allem sein Mund ins Auge. Die vollen Lippen versprachen das Paradies auf Erden. Das hatte sie nie vergessen. Sein Kuss war in ihre Seele eingebrannt.
Bestimmt erinnerte sich Dimitris, der ihr Herz und das tausend anderer Frauen gebrochen hatte, nicht an ihre erste Begegnung. An den schwülen Sommerabend vor zehn Jahren nach der Feier zu ihrem achtzehnten Geburtstag. Verriet das Leuchten in seinen Augen vielleicht doch, dass er die Nächte voller Leidenschaft nicht vergessen hatte?
„Es ist nicht, wie es aussieht.“ Matts Stimme riss Savannah wieder zurück in die Realität.
Matt!
Wie schnell sie ihn vergessen hatte. Es war lieb von Matt, Champagner zu bestellen. Vielleicht wollte er unseren ersten Liebesakt feiern, dachte sie schuldbewusst. Sie musste ihm sagen, dass sie doch nicht mit ihm schlafen wollte, und das würde unangenehm werden.
Warum aber brachte der berühmte Koch und TV-Promi Dimitris Kyriakou Champagner auf ihre Suite? Verwirrt überlegte Savannah, ob Matt sie mit dem Besuch einer berühmten Persönlichkeit überraschen wollte. Vielleicht stand eine kleine Stripshow auf dem Plan, obwohl Dimitris keine Anstalten machte, sich auszuziehen. Die Erinnerung an seine festen Muskeln, an seinen nackten Körper dicht an ihrem trieb ihr die Wärme ins Gesicht, und sie errötete.
Sie sah zu Matt und dann wieder zu dem imposanten Griechen, dessen bloße Anwesenheit den ganzen Raum einnahm. Dimitris hatte ihr damals nur wenig über sich erzählt. Allerdings hatte er erwähnt, dass er seine Größe von über einem Meter achtzig von seiner Mutter und ihrer englischen Familie geerbt hatte.
Mit achtzehn war Savannah schmerzhaft naiv gewesen. Sie hatte nicht gewusst, dass Männer wie Dimitris eine Seltenheit waren. Ihre Verwirrung nahm noch zu, als sie seinen Ärger spürte.
„Was ist hier los?“, fragte Savannah Matt. Er sah sie aber nicht an und sprach stattdessen mit Dimitris.
„Ich weiß, es sieht verdächtig aus. Aber Savannah ist eine Arbeitskollegin. Sie wollte sich zur Besprechung eines Projekts mit mir im Hotel treffen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie ein Zimmer gebucht hat, um mich zum Sex zu verführen.“
Savannah rang nach Luft. „Das ist nicht wahr! Du hast mich gebeten, die Nacht mit dir zu verbringen.“ Als Matt ihrem Blick auswich, wandte sie sich an Dimitris. „Und warum bitte schön bist du hier?“
Als er sie aus dem Meeresblau seiner unergründlich tiefen Augen ansah, entflammten alle ihre Nervenenden. Dimitris’ durchdringender Blick verunsicherte Savannah. Es war, als könne er ihr in den Kopf schauen.
„Du weißt also nicht, dass dein Liebhaber verlobt ist?“, fragte er barsch.
„Nein, davon weiß ich nichts.“ Ihre Wut verrauchte, als sie aus Dimitris’ Worten schlau wurde. „Das ist bestimmt ein Missverständnis. Matt ist nicht verlobt, oder, Matt?“
Aus Matts Gesicht verschwand die Verlegenheit, und es wurde finster. Er brauchte gar nichts zu sagen. Fassungslos und schockiert atmete Savannah langsam aus. Ihre Beschämung verwandelte sich zu Ärger. Ich Idiotin, warf sie sich vor. Lerne ich nie, dass alle Männer Lügner sind? Immerhin traf diese grobe Verallgemeinerung auf ihren Vater wie auf beide Männer in der Hotelsuite zu.
Ihr wurde schlecht, als sie Matt mit seinem vom Duschen noch nassen Haar ansah. Er hatte Sex gewollt. Wie hätte er reagiert, wenn sie ihm gesagt hätte, dass sie doch nicht mit ihm schlafen wollte? Hätte er sie trotz seiner Verlobung zu überreden versucht?
„Matt ist nicht mein Liebhaber“, sagte sie zu Dimitris. Er wirkte ungläubig, und als sein Blick an ihr hinunterwanderte, sah sie, dass sich das Band ihres Wickelkleides wieder gelöst hatte. Die Vorderseite klaffte auf, und ihr BH und Dekolleté lugten hervor. Sie errötete verärgert und zog ihr Kleid hastig zurecht.
„Das stimmt“, bestätigte Matt schnell. „Ich habe nicht mit Savannah geschlafen, sie bedeutet mir nichts. Es war ein Fehler, mich mit ihr zu treffen.“
„Auf mich hat das aber ganz anders gewirkt“, sagte sie scharf. Schlimm genug, von Matt gedemütigt zu werden, aber auch noch vor Dimitris! Was für ein Albtraum!
Matt überging ihren Einwand und sagte zu Dimitris: „Hör mal, mein Freund, ich weiß nicht, wie du mich gefunden hast. Aber du brauchst Eleni nicht von dem kleinen Fehltritt hier zu erzählen. Es ist ja nichts passiert.“
„Ich bin nicht dein Freund, Collier.“ Dimitris’ Stimme war eisig vor Verachtung. „Meine Schwester hat Nachrichten auf deinem Handy entdeckt, die beweisen, dass du lügst. Du wolltest nicht zu einem Golfturnier, sondern dich mit einer Frau namens S. treffen. Ich nehme an, es handelt sich um Savannah.“
„Matt ist mit Eleni verlobt?“ Endlich verstand Savannah den Grund für Dimitris offene Wut. Schon damals hatte er seine Schwester entschieden beschützt. „Das wusste ich nicht“, flüsterte sie.
Die seltsamen kleinen Dinge ergaben nun Sinn. Matt hatte gescherzt, ihr Name sei zu lang, deshalb tippe er in Nachrichten nur den ersten Buchstaben ihres Namens. Er hatte auch gesagt, er wolle eine Social-Media-Pause einlegen, weil es ihm die Seele raube, ständig online zu sein. Sie hatte ihm geglaubt. Matt hatte so einiges unternommen, um sie zu täuschen, und sie war auf seine Lügen hereingefallen.
Dimitris sah Matt finster an. „Mit der Hochzeit ist es vorbei, Collier. Meine Schwester will sicher nichts mehr mit dir zu tun haben.“
„Ist das Elenis Entscheidung oder deine, Kyriakou? Wenn ich mit ihr rede, gibt sie mir bestimmt noch eine Chance.“ Als sich Dimitris’ Unterkiefer vor kaum verhohlener Wut verhärtete, schwand Matts Selbstvertrauen, und er wich schnell einen Schritt zurück.
„Halt dich von Eleni fern. Ich bin zu allem bereit, um sie vor Dreckskerlen wie dir zu beschützen“, knurrte Dimitris.
Sein kalter Blick wanderte flüchtig zu Savannah. „Weiß dein Lover, dass du verheiratet bist?“ Er schürzte die Lippen angesichts ihrer Verwunderung. „Von deiner Verlobung mit dem englischen Adeligen habe ich nach meinem Wegzug aus London gehört. Die Hochzeit wurde als gesellschaftliches Großereignis angekündigt.“ Er schüttelte den Kopf. „Collier und du, ihr verdient einander.“
Bevor Savannah etwas erwidern konnte, verließ Dimitris das Hotelzimmer. Sie war benommen und verwirrt wie nach einem Erdbeben.
„Du bist verheiratet?“ Matt besaß die Dreistigkeit, beleidigt zu klingen.
„Nein. Ich war verlobt“, murmelte sie. „Aber die Hochzeit habe ich abgeblasen.“
„Offenbar ist auch meine Verlobung abgeblasen.“ Matt wirkte eher ärgerlich als gereizt. „Kyriakou war von Anfang an dagegen, dass ich seine Schwester heirate. Und Eleni tut, was er sagt. Er zahlt nämlich alles, auch die Luxuswohnung in Canary Wharf, die wir zur Hochzeit geschenkt bekommen sollten. Es kommt verdammt unpassend. Meine Mietwohnung habe ich schon gekündigt, jetzt muss ich mir was Neues suchen.“
Er trat zu Savannah und strich ihr über die Wange. „Vielleicht könnte ich zu dir nach Hampstead Heath ziehen. Was meinst du? Wir fangen noch mal von vorne an, Baby. Lass uns den Champagner öffnen und anstoßen.“
Angewidert wich sie vor ihm zurück. „Du bist unverschämt. Ich will dich nie wiedersehen. Außerdem gehört das Haus meiner Mutter.“
Eigentlich gehört Pond House nicht meiner Mutter, dachte Savannah niedergeschlagen. Auf der Besitzurkunde stand nur der Name ihres Vaters. Das Haus gehörte allein Richard O’Neal. Eine bittere Erkenntnis, denn seine Gläubiger verlangten den Verkauf des Hauses zur Begleichung seiner Schulden.
Savannah erinnerte sich, wie beeindruckt Matt von ihrem Haus war. Nach ihrem zweiten Date hatte er sie vor dem Haus abgesetzt. Die Immobilien in dieser Gegend seien ein Vermögen wert, hatte er anerkennend bemerkt. Pond House mitsamt Pool, Tennisplatz und einem weitläufigen Gelände war kürzlich auf mehrere Millionen Pfund geschätzt worden. Der Verkauf des Hauses sollte genug Geld einbringen, um die Schulden ihres Vaters zu begleichen. Savannah war in dem Haus aufgewachsen, und seit ihre Mutter erkrankt war, lebte sie wieder in Pond House. Ihrer Mutter würde es das Herz brechen, ihr geliebtes Zuhause verlassen zu müssen.
„Matt, verschwinde.“ Sie wusste nicht, wen sie mehr verachtete – den Mistkerl Matt oder sich selbst für ihre Leichtgläubigkeit. „Warum triffst du dich mit mir, wenn du eine andere heiraten willst?“
Er zuckte die Schultern. „Du warst ungebunden, und als wir nach dem Fotoshooting etwas trinken waren, kamst du mir irgendwie verloren vor. Ich dachte, wenn ich vorsichtig bin, merkt Eleni nichts. Die meisten Männer nutzen so eine Möglichkeit, wenn sie sich ihnen bietet“, sagte er verdrießlich. „Gerade Kyriakou spielt den Moralapostel. Er ist ein berüchtigter Womanizer, die Klatschblätter berichten regelmäßig aus seinem Privatleben.“
Savannah kannte die Fotos in den Zeitungen von Dimitris mit der endlosen Reihe gut aussehender Frauen. Dimitris war schnell berühmt geworden und galt als Junggeselle und begehrter Ehemann. Als Promikoch hatte er mit seinen Kochbüchern, die alles Bestseller waren, mit seinen zahlreichen Fernsehauftritten und einer erfolgreichen Kette griechischer Restaurants ein millionenschweres Vermögen angehäuft. Zum Unglück seiner Schar an Verehrerinnen wollte er sein Singledasein nicht beenden. Mehrfach hatte er bestätigt, dass er nicht heiraten und eine Familie gründen wolle.
Das hatte er auch schon vor zehn Jahren gesagt, als Savannah ihm ihr Herz geöffnet und ihm ihre Liebe gestanden hatte. Sie schämte sich jetzt für ihre Naivität. Zu ihrem Schrecken löste Dimitris immer noch ein Erdbeben in ihr aus. Ihr gesamter Körper prickelte, und sie fühlte sich so lebendig und ihrer Weiblichkeit so bewusst wie bei keinem anderen Mann zuvor.
„Was hat es mit Kyriakou und dir auf sich?“ Matt klang gereizt. „Woher kennt er dich?“
„Ich habe ihn vor langer Zeit kennengelernt.“ Ihre kurze Affäre mit Dimitris war leidenschaftlich und intensiv gewesen, aber trotz ihrer Besessenheit von ihm hatte sie ihn nicht wirklich gekannt. Savannah fragte sich, ob es irgendeiner Frau gelungen war, die stählerne Mauer um seine Gefühle zu durchbrechen.
Sie war wütend, nicht die Chance zu einer Erklärung gehabt zu haben. Matt hatte sie an der Nase herumgeführt. Was Dimitris über mich denkt, ist mir egal, sagte sie sich. Eleni und sie waren aber Freundinnen gewesen, und sie wollte die Dinge richtigstellen.
„Ruf mich nicht mehr an“, sagte sie Matt, während sie ihre Tasche und das letzte bisschen Würde zusammenraffte und aus der Suite eilte. Im Flur sah sie Dimitris in den Aufzug steigen.
„Warte!“ Savannah stürmte den Flur entlang. Die Türen des Aufzugs glitten zu, und sie hielt ihre Hand dazwischen, damit sie wieder automatisch aufgingen. Die Zeit blieb plötzlich stehen, als sie Dimitris ansah. Der Rachegott.
Sein schwarzes Haar war kürzer als damals und kräuselte sich leicht. Er war ein Kunstwerk, nicht nur ein gut aussehender Mann. Von seinem muskulösen Körper ging Wut aus. „Ich habe keine Zeit“, grummelte er. „Ich muss zu meiner Schwester.“
Savannahs Blick fiel auf eine golden funkelnde Armbanduhr auf seiner olivfarbenen Haut. Bis zu den Ellbogen hatte er die Ärmel hochgekrempelt, und seine Unterarme waren von schwarzen Härchen bedeckt. Er trug eine schwarze Hose und ein Oberhemd. Mit seinem finsteren Blick wirkte er wie ein dunkler Racheengel, entschlossen, seine Schwester vor meinen Taten zu beschützen, dachte Savannah niedergeschlagen. Unwissentlich war sie zu einer Ehebrecherin und Matts Komplizin geworden. Dass es tatsächlich nicht zu Sex gekommen war, machte es nicht besser.
„Ich habe nicht mit Matt geschlafen“, wiederholte sie. Dimitris’ Gesichtszüge blieben hart. Savannah biss sich auf die Lippe. „Erzähl Eleni bitte nicht, dass du mich bei ihrem Verlobten gefunden hast. Wir beide waren Freundinnen, der Kontakt ist abgebrochen, aber ich würde nie etwas tun, das sie verletzt.“
Dimitris’ Schweigen war vernichtend, doch erschrocken erkannte Savannah ein Schimmern in seinen Augen. Vor zehn Jahren waren zwischen ihnen die Funken geflogen. Sie zog ihre Hand zurück, um ihr Kleid festzuziehen, und sofort gingen die Aufzugtüren zu. Fluchend schlug sie auf den Knopf, damit sie sich wieder öffneten. Doch der Pfeil auf der Anzeige verriet, dass der Fahrstuhl schon hinunterfuhr.
Sie sackte an der Wand zusammen und atmete so schwer, als wäre sie einen Marathon gerannt. Es war verrückt, wie sehr sie Dimitris’ abweisendes Verhalten verletzte. Dass er sie mit dem Verlobten seiner Schwester angetroffen hatte, besiegelte sein ungerechtes Urteil über sie. Und was noch schlimmer war: Das Wiedersehen mit Dimitris zwang Savannah dazu, sich endlich der Wahrheit zu stellen. Sie war nie über ihn hinweggekommen und hatte alle anderen Männer nur an ihm gemessen.
„Ist sie hübsch?“
Dimitris zog eine Augenbraue hoch. „Wer?“ Bevor er seiner Schwester antwortete, wollte er Zeit schinden, aber zuerst musste er seine Gefühle unter Kontrolle bringen. Er hasste Überraschungen, und der Abend war bereits unerwartet genug verlaufen.
„Matts Geliebte natürlich.“ Eleni wischte sich die Tränen weg. Sie hatte seit Dimitris’ Rückkehr nach Richmond upon Thames, wo sie sich wegen der Hochzeitsvorbereitungen aufhielt, nicht mehr zu weinen aufgehört. Dimitris hatte ihr die Nachricht über Collier behutsam beigebracht.
„Ich habe sie nicht so genau angesehen.“ Dimitris hasste Unwahrheiten, entschuldigte sich aber nicht für die Lüge. Theós! Er würde es weder Eleni noch sich selbst eingestehen. Bei Savannahs Anblick hatte ihm das Herz mit der Kraft eines nicht zu bremsenden Lastzugs gegen die Rippen geschlagen. Er sah keinen Sinn darin, seiner Schwester zu enthüllen, dass es sich um eine alte Schulfreundin von ihr handelte.
Dimitris hatte Savannah nach dem Ende ihrer Beziehung auf Fotos gesehen, die aber ihre faszinierende Mischung aus Unschuld und Sinnlichkeit nicht völlig einfangen konnten. Ihr Bild hatte Werbetafeln in den Metropolen rund um die Welt geschmückt. Sie war das Gesicht eines sehr bekannten Kosmetikunternehmens und hatte auch für eine Designerbrillenmarke gemodelt.
Savannahs Gesichtszüge waren besonders schön und ihre braungrünen Augen hypnotisierend. Dimitris wusste, dass die atemberaubende Farbe nicht durch fotografische Techniken verstärkt worden war. Ihre Augen waren ihm als Erstes an ihr aufgefallen, als sie noch ein Teenager war und sich für einen Sommerferienjob im Restaurant seines Großvaters beworben hatte.
„Savannah ist nicht wie die anderen reichen Mädchen in der Schule“, hatte ihm Eleni versichert. Er hatte nämlich Zweifel gehegt, ob die Tochter eines reichen Geschäftsmannes Überstunden und einen niedrigen Lohn hinnehmen würde. Hestias traditionell griechisches Restaurant lag in einem Nordlondoner Stadtteil am Ende einer Hauptstraße. Seit der Eröffnung mehrerer Fast-Food-Restaurants in der Nähe war das Geschäft schlecht gelaufen.
„Ich brauchte mich bei ihr nie zu schämen, die einzige Schülerin mit einem Stipendium an der Brampton Girls Academy zu sein oder im Rollstuhl zu sitzen. Savannah ist meine Freundin. Bitte gib ihr eine Chance, Dimitris.“
Bei der Erinnerung an Savannahs schüchternes Lächeln, ihre schlanke Figur und ihre wohlgeformten Kurven fluchte er still. Seine Blicke hatten sie immer erröten lassen. Damals, mit zweiundzwanzig, hatte er Savannah für zu jung gehalten und wegen ihrer Verletzlichkeit für tabu. Er hatte ihr nicht die bedeutsame Beziehung bieten können, von der sie träumte.
Hätte ich auf die warnende Stimme in meinem Kopf gehört! Ihre Affäre war von kurzer Dauer gewesen, und Dimitris war weggezogen. Er hatte die unkontrolliert lodernde Leidenschaft zwischen ihnen aber nie so richtig vergessen. Sie hatte ihn tiefer berührt, als er zugeben wollte.
Ein paar Monate nach seiner Trennung von Savannah hatte er in einem Hotel auf Rhodos, wo er als Küchenchef arbeitete, in einer englischen Zeitung geblättert. Zu seinem großen Entsetzen las er von ihrer Verlobung mit dem Sohn eines, er konnte sich nicht mehr genau erinnern, Earls oder Dukes. Vor allem war er enttäuscht, dass sie so bald nach ihrer Liebeserklärung an ihn einen anderen Mann heiraten wollte. Savannahs Vater hatte die Einheirat in den Adelsstand sicherlich begrüßt. Dimitris war von Richard O’Neal zu einer Abmachung gezwungen worden, von der er Savannah nicht erzählt hatte.
„Ich wette, Matts Freundin kann ganz normal gehen.“ Eleni runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass du Zweifel an Matt hattest. Ich wünschte, ich hätte auf dich gehört. Ich muss das Catering und die Floristin und alle Gäste anrufen und Bescheid geben, dass die Hochzeit abgesagt ist. Die letzte Anprobe meines Kleides steht auch an, aber jetzt werde ich es nicht mehr tragen.“
„Hör auf, paidi mou“ Dimitris legte seiner Schwester die Hand auf die vor Schluchzern bebenden Schultern. Er hatte sein gesamtes Erwachsenenleben lang auf Eleni aufgepasst, aber in diesem Augenblick fühlte er sich hilflos. Ihr Kummer stachelte seine Wut auf Matt Collier und Savannah an. „Ich werde mich um alles kümmern und die Hochzeitsvorbereitungen absagen. Geh du ins Bett und versuch zu schlafen.“
Voller Schuld, seinem immer gegenwärtigen Dämon, sah er Eleni hinterher, wie sie steif aus dem Zimmer ging. Dass sie überhaupt laufen konnte, grenzte an ein Wunder. Die letzten zehn Jahre hatte Dimitris regelmäßig achtzehn Stunden am Tag gearbeitet, alle Chancen genutzt und auch wirklich Glück gehabt. Er hatte seine Leidenschaft ins Kochen fließen lassen, angetrieben von dem Wunsch, seine Schwester für ihr zerstörtes Leben zu entschädigen.
Er würde sich nie verzeihen, den Unfall verursacht zu haben, der seine glückliche Familie vernichtet hatte. Hätte er seine Mutter nicht abgelenkt, bis sie ihren Blick von der Straße wegrichtete, wäre das Auto nicht auf die Fahrbahn eines entgegenkommenden Lkws geraten.
Dimitris litt nach all dieser Zeit noch immer an Flashbacks. Er war ein Problemteenager gewesen, der sich zwischen seiner griechischen und englischen Kultur zerrissen und nirgendwo zugehörig gefühlt hatte. So war er in eine Gang älterer Jungen geraten, die Drogen konsumierten und auf der Straße verkauften. Im Nachhinein war Dimitris klar, dass seine Eltern ihn mit dem Verbot, noch spät draußen zu sein, beschützen wollten. Mit vierzehn hatte er ihnen ihre Regeln und Ausgehverbote aber übelgenommen.
An diesem schicksalshaften Tag hatten seine Eltern Eleni zum Tanzunterricht bringen wollen, und er hätte mit dem Rad zum Fußballtraining fahren sollen. Er hatte aber verschlafen und war mitgenommen worden. Im Auto hatte der Streit begonnen.
„Könntest du mir heute Abend im Restaurant helfen, Dimitris? Eine Kellnerin ist krank.“
„Ach, Mum. Es ist Samstagabend, und alle treffen sich bei Jack zu Hause.“
„Gut, du kannst mit deinen Freunden weggehen, aber sei um elf zurück. Dad holt dich ab, damit du nicht allein zurücklaufen musst.“
„Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln. Ihr seid die einzigen Eltern, die so einen Aufriss machen. Kann ich wenigstens bis Mitternacht bleiben?“
„Das ist zu spät. Und du musst noch deine Hausaufgaben erledigen. Eleni hat gesagt, dass du Computerspiele gespielt hast, anstatt weiter an deinem Geschichtsprojekt zu arbeiten.“
„Eleni, du Petze. Bleib in Zukunft aus meinem Zimmer raus.“
Eleni hatte angefangen zu weinen. Beide Eltern hatten den Kopf gedreht, um Dimitris auf der Rückbank anzusehen.
„Sei nicht gemein zu deiner Schwester“, hatte ihm seine Mutter mit nun weicherer Stimme gesagt. „Wir machen uns Sorgen um dich, weil wir dich lieben.“
Dimitris hatte den Lkw eine Millisekunde vor dem Zusammenstoß gesehen. „Mum – pass auf!“
Sein Kiefer verkrampfte sich, als er gegen die quälenden Erinnerungen ankämpfte. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Eleni zu, die an der Türschwelle anhielt. „Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber eines Tages wirst du den Menschen finden, der dich glücklich macht.“
Eleni schniefte. „Du hast diesen Menschen auch nicht gefunden.“
„Ah, ich möchte mich aber nicht verlieben.“
„Liebe passiert einfach, auch wenn wir es gar nicht erwarten.“
„Bei mir nicht“, sagte Dimitris entschieden. Voller Trauer und Schuldgefühle hatte er mit vierzehn entschieden, den Rest seines Lebens allein zu verbringen. Er verdiente nichts anderes.
„Kommst du mit mir nach Rhodos?“, bat ihn Eleni. „Ich kann Oma nicht erzählen, dass meine Hochzeit abgesagt ist.“
Ihre Großmutter Hestia war selbst mit fast neunzig eine ausgezeichnete Matriarchin. Dimitris schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich muss wegen des Fotoshootings für Philpot’s in London bleiben. Sobald ich Zeit habe, komme ich zur Villa nach.“
Als Eleni nach oben gegangen war, las Dimitris seine E-Mails auf dem Handy. Er hatte sich bereiterklärt, Markenbotschafter für Philpot’s, der größten Supermarktkette im Vereinigten Königreich, zu werden. Im Gegenzug sollte seine Wohltätigkeitsorganisation Food for All unterstützt werden, die jungen Leuten in zahlreichen Projekten das Kochen näherbrachte. Das Team hatte eine aufstrebende Food-Fotografin beauftragt. Dimitris fluchte, als ihm der Name ins Auge fiel. Savannah O’Neal. Das kann doch nicht wahr sein!
Savannah wachte bei blendendem Sonnenlicht auf, das durch die halboffenen Gardinen schien. Blinzelnd sah sie auf den Nachttisch und seufzte, als ihr klar wurde, dass sie den Wecker ausgeschaltet hatte und wieder eingeschlafen war. Es war acht Uhr, und vor ihr lag ein langer Arbeitstag. Am Abend hatte sie ihre Kameraausrüstung gepackt. Der Ort für das Shooting war ihr aber noch nicht verraten worden. Als sie aus dem Bett kletterte, klingelte das Telefon. Es war bestimmt ihre Agentin mit den Termininfos.
„Leider schlechte Neuigkeiten“, grüßte sie Beverly Wright, Eigentümerin der Fotoagentur Wright’s.
„Ich hatte schon mehr als genug schlechte Neuigkeiten.“ Savannah ging im Geiste die Geschehnisse des vergangenen Jahres durch, als ihr Vater wegen Korruption verhaftet und verurteilt worden war. Vor Antritt der Haftstrafe war er allerdings an einem Herzinfarkt gestorben. Savannah musste das alles immer noch verarbeiten.
Die Rendezvous mit Matt Collier waren zwischendurch eine Ablenkung gewesen. Matt hatte sich aber als genauso unzuverlässig herausgestellt wie alle anderen Männer, die Savannah kannte.
Bei Dimitris hatte sie die unmittelbare Reaktion ihres Körpers erschreckt. Brauchte es wirklich den Kuss des schönen Prinzen, um Dornröschen aufzuwecken? Ein glühender Blick von Dimitris hatte gereicht, und ihre Libido war erwacht. Letzte Nacht hatte sie einen erschreckend erotischen Traum von ihm gehabt. Die Erinnerung daran trieb Wärme zwischen ihre Schenkel.
„Was für Neuigkeiten?“, krächzte sie ins Telefon.
„Philpot’s haben abgesagt.“
„Aber der Termin war für heute geplant. Wird er verlegt?“ Savannah sank aufs Bett. „Sag mir einfach das neue Datum, und ich richte mir die Zeit ein.“
Ihr Arbeitskalender platzte nicht gerade vor Aufträgen. Es brauchte Zeit, sich als freiberufliche Fotografin zu etablieren. Zum Glück hatte ihr die kurze Modelkarriere genügend Ersparnisse eingebracht. Nach der Verhaftung ihres Vaters und der Einfrierung seines Vermögens aber war ein Großteil ihres Geldes in Haushaltsrechnungen geflossen. Ihre Mutter besaß nicht genügend Mittel, um Pond House instand zu halten.
„Der Fototermin findet heute statt, aber Philpot’s haben um einen anderen Fotografen gebeten“, berichtete ihr Bev. „Es tut mir leid, Savannah. Tara Brown, die Leiterin der Markenkommunikation, rief mich gestern spät am Abend an. Es war wohl eine Ansage von ganz oben. Das Shooting ist für Philpot’s Herbstkampagne. Der heiße griechische Starkoch Dimitris Kyriakou ist neuer Markenbotschafter.“
Savannah entfuhr ein ersticktes Geräusch, das einem Schluchzen oder hysterischen Lachen ähnelte. Bev schien es aber zum Glück nicht gehört zu haben.
„Eigentlich hätte mir das gar nicht rausrutschen sollen. Philpot’s will erst beim Kampagnenstart preisgeben, wer es ist. Ich weiß aber, dass ich dir vertrauen kann und es bei dir bleibt. Kyriakou arbeitet am liebsten im eigenen Kochstudio, deshalb findet der Fototermin im River Retreat in Richmond statt, wo seine letzte Kochserie gedreht wurde. Ich weiß nicht, warum er jemanden anders möchte. Vielleicht fand er dein Portfolio nicht so spannend, aber Philpot’s gefällt deine Arbeit gut. Du bist bestimmt enttäuscht über die Absage von Philpot’s, aber so was passiert.“
Nach dem Gespräch wollte Savannah am liebsten kindisch das Handy durchs Zimmer schleudern. Der Fototermin hätte ihr zu größerer Bekanntheit als Food-Fotografin verholfen. Den Auftrag zu verlieren, war eine Katastrophe – für ihre Karriere wie auch ihren Kontostand, der zurzeit im Minus war.
Sie war nicht nur enttäuscht, sie war wütend auf Dimitris. Sie hatte nichts falsch gemacht. Matt Collier hatte Eleni wie auch sie betrogen. Trotzdem plagten sie Schuldgefühle, unwissentlich die Hochzeitspläne ihrer alten Schulfreundin zerstört zu haben. Beim Gedanken an die arme Eleni tat ihr das Herz weh.
Mit achtzehn war Savannah am Boden zerstört gewesen, als Dimitris ihr ohne Umschweife gesagt hatte, er liebe sie nicht. Er hatte ihr Herz gebrochen, und nun zerstörte er vielleicht ihre Karriere. Vielleicht hatte er aber wieder einen kühleren Kopf und würde ihr zuhören.
Ihr blieb nicht viel Zeit. Das Fotoshooting war für zehn Uhr angesetzt, doch das Team aus Assistenten, Foodstylisten und Technikern traf meist schon früher ein. Wenn sie gut durch den Verkehr kam, könnte sie in etwas über einer halben Stunde in Richmond sein. Hoffentlich sprang ihr Auto an. Es war alt und bockte in letzter Zeit. Ihre schlechte finanzielle Lage ließ aber keinen Neukauf oder eine Wartung zu.
Es galt, keine Zeit mehr zu verschwenden. Schnell schlüpfte Savannah in ihre übliche Arbeitskleidung, schwarze Hose und T-Shirt. Sie band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz und tuschte sich die Wimpern. Sie grüßte noch kurz Cathy, die Vollzeitpflegekraft, und schaute bei ihrer Mutter vorbei.
Eine Welle der Liebe und Besorgnis überkam sie. Evelyn lag auf Kissen gestützt und wirkte so zerbrechlich. Die Traumata der vergangenen paar Jahre hatten ihre Spuren auf Evelyns Gesundheit und seelischem Wohlbefinden hinterlassen. Ihre Multiple Sklerose hatte sich verschlimmert. Savannah versuchte, vor ihr zu verbergen, wie pleite sie tatsächlich waren. Sie hatte vorranging Cathys Lohn bezahlt, denn Evelyn brauchte in ihrem schlechter werdenden Gesundheitszustand die Hilfe einer Pflegekraft. Doch das Geld dafür aufzutreiben, war ein Kampf.
Sie ging zum Bett und gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. „Ich fange heute früh an, Mum.“
„Heute steht der Fototermin für Philpot’s an, nicht wahr? Weißt du, mit welchem Starkoch du zusammenarbeitest?“
Savannah versuchte, locker zu klingen. „Ich soll keiner Menschenseele davon erzählen. Es ist Dimitris Kyriakou.“
Evelyn ließ sich nichts vormachen. „Pass auf, mein Schatz. Er hat dich ziemlich traurig gemacht, als du jünger warst.“
„Ich fotografiere bloß sein Essen.“ Was nicht stimmt, dachte Savannah, als sie sich auf den Weg machte. Wenn sie Dimitris überzeugen könnte, sich ihr Portfolio anzuschauen und ihrer Arbeit eine Chance zu geben, setzte Philpot’s sie vielleicht in Zukunft für Kampagnen ein.
Das wohlhabende Richmond upon Thames im Südwesten Londons war unter Millionären beliebt. Kein Wunder, der grüne Vorort lag nahe der Hauptstadt. Vor Kurzem hatte Savannah in der Zeitschriftenbeilage einer Sonntagszeitung ein Interview mit Dimitris gelesen mit Fotos von ihm in seinem Londoner Eigenheim. Zum Glück hatte sie sich die Bilder vor Neugierde aufmerksam angesehen. In Richmond angekommen, erkannte sie sein Haus River Retreat zwischen exklusiven Immobilien am Fluss.
Sie parkte das Auto an der Straße und nahm aus Gewohnheit ihre Kameratasche mit. Savannah hatte sich nicht überlegt, wie sie vorgehen sollte. Vielleicht wollte Dimitris gar nicht mit ihr sprechen. Die Tore waren nicht verschlossen. Vor Anspannung schlug ihr das Herz schnell bis in die Ohren, als sie die Einfahrt entlangging und an der Haustür klingelte.
Eine Frau, wahrscheinlich die Haushälterin, öffnete und warf einen Blick auf die Kameratasche. „Sie sind wegen des Foto-shootings hier“, sagte sie, bevor Savannah sich auch nur vorstellen konnte. „Mr. Kyriakous Kochstudio ist im Garten. Folgen Sie dem Weg um das Haus herum, das Studio befindet sich am Rasenende, gleich am Fluss.“
Bis jetzt war es einfach. Savannah seufzte leicht, als sie hinter dem Haus die große grüne Rasenfläche sah, die von bunten Blumenbeeten umrahmt wurde. Alles war makellos gepflegt, und selbst das kräftigste Unkraut wagte es nicht, durch die Hofsteine zu wachsen. Dafür sorgte sicherlich ein aufmerksamer Vollzeitgärtner.
Welch Ironie, dass sich Dimitris’ und mein Schicksal so komplett umgekehrt haben. Sie war mit Reichtum und Privilegien aufgewachsen, und als sie von den kriminellen Machenschaften ihres Vaters erfuhr, war sie tief verstört.
Savannah hatte Dimitris mehrere Jahre nach dem Unfall kennengelernt. Damals wohnte er in einer kleinen Wohnung über dem Familienrestaurant, die er sich mit seinen Großeltern teilte. Er hatte ihr kaum etwas über sich erzählt. Seine Gefühle waren ein Buch mit sieben Siegeln gewesen, aber sie hatte, verliebt wie sie war, alles durch eine rosarote Brille gesehen und sich eingeredet, er liebe sie auch.
Aber was bringen mir jetzt schon die Erinnerungen! Savannah folgte dem Weg in Richtung des Gebäudes aus Glas und Holz, dem Studio. Das erkannte sie aus seinen Kochshows wieder. Seiner Online-Biografie zufolge hatte er das Kochen von seinem Großvater, einem in London lebenden Griechen, gelernt, der ein Restaurant namens Hestia’s, dem Namen seiner Frau, eröffnet hatte.
Nach seiner Ausbildung zum Profikoch hatte er viel Erfahrung gesammelt, und war in einem Wettbewerb zum besten Koch Europas gekürt worden. Diverse Fernsehauftritte folgten.
Mit Adonis in der Küche hatte Dimitris seinen Durchbruch als Starkoch und Sexsymbol in Europa und Amerika, wo er immens beliebt war. Die Serien Kochen mit dem Griechen, Dinner mit Dimitris, und Ein Date mit Dimitris hatten ihm danach den Spitznamen „der heiße Koch“ eingebracht.
Dimitris’ eindrucksvolles Londoner Haus war Beweis dafür, dass sich sein Ehrgeiz ausgezahlt hatte. Savannah blieb stehen und sah auf die majestätische Themse, die breit und blau im Sonnenlicht eines neuen Sommertags funkelte. Eine glänzende Motorjacht, die an einem privaten Steg festgetaut war, machte den dezenten Luxus vollkommen.
„Was hast du hier auf meinem Grundstück zu suchen, Savannah?“
Sie drehte sich langsam um und versuchte, sich innerlich für das Wiedersehen zu wappnen.
Die Faltschiebetür stand offen, und Savannah fragte sich, wie lange Dimitris dort wohl schon stand. Er sah wie ein Gott aus mit der ausgewaschenen, an seinen schlanken Hüften sitzenden Jeans und dem weißen enganliegenden Strickpullover über dem definierten, muskulösen Oberkörper.
„Du solltest nicht hier sein“, sagte er barsch. „Philpot’s haben die Agentur gebeten, einen anderen Fotografen zu schicken.“
„Ich wollte mit dir reden …“ Doch Dimitris hatte ihr den Rücken zugekehrt und schritt zum Studio.
Savannah folgte ihm hinein. Das Küchenstudio war groß, Licht flutete durchs Glasdach, und helle Holzmöbel standen an den Ziegelwänden. In der Raummitte gab es eine Kücheninsel mit Kochfeld, dahinter befanden sich professionelle Öfen, Spülbecken und weitere Arbeitsflächen.
Der himmlische Duft gebackenen Brots lag in der Luft. Ihr knurrte der Magen, als sie auf einem Rost frische Brötchen sah. Sie hatte keine Zeit fürs Frühstück gehabt und auch kaum etwas mit Matt im Hotel gegessen. Ihre Wangen brannten bei der Erinnerung an die Demütigung des letzten Abends.
„Ich rufe bei Philpot’s an und frage nach, warum meine Anweisungen nicht befolgt wurden.“
„Ich bin nicht wegen des Fototermins hier. Bitte lass mich nur erklären …“
„Ich habe dir nichts zu sagen.“
Sein abfälliger Tonfall fehlte gerade noch. Glühende Wut stieg in ihr auf. Das Hungerloch in ihrem Magen wetteiferte nun mit dem Schmerz in ihrem Herzen. Dimitris’ Studio bei seinem wunderschönen Haus am Fluss verdeutlichte, wie anders ihre Leben verlaufen waren. Savannah gönnte ihm den Erfolg, machte sich aber Sorgen um die körperliche und emotionale Gesundheit ihrer Mutter, wenn sie Pond House verkaufen musste.
Die Arbeit als Fotografin war eine wichtige Einkommensquelle und machte sie stolz. Ihr Beruf bedeutete ihr viel. Mit einem Anruf könnte Dimitris das alles zunichtemachen. Sein Handy lag auf der Arbeitsfläche. Als er es zur Hand nehmen wollte, kam sie ihm blitzschnell zuvor und riss es an sich.
„Sag nichts“, entfuhr es ihr ungestüm. „Hör mir einfach zu.“
Seine Augen verdüsterten sich zu einem Blau-Schwarz wie von Obsidianen, als er finster von seiner großen Gestalt zu ihr heruntersah. Sie atmete den würzigen Duft seines Aftershaves ein und etwas Altbekanntes rührte sich in ihrem Magen. Sie ärgerte sich über ihre Schwäche, denn sie war keine leicht beeinflussbare Teenagerin mehr und sollte sich nicht von ihm aus der Fassung bringen lassen.
„Ich bin nicht Matt Colliers Liebhaberin. Bei unseren paar Dates hat er mir gesagt, er sei Single. Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass er mit Eleni verlobt ist. Ich weiß nicht, warum mich seine Lüge überrascht“, sagte Savannah bitter. „Ich bin noch nie einem Mann begegnet, der die Wahrheit sagen konnte. Es geht dich nichts an, aber ich war nie verheiratet.“
Dimitris verzog keine Miene. Savannah erinnerte sich, dass er schon früher seine Gefühle streng unter Kontrolle hielt. Sein erbitterter Zorn wurde dadurch noch viel aufregender, denn sie wusste, sie war durch seine Mauern gedrungen. „Ich habe dich nie belogen“, sagte er schroff.
Sie rollte die Augen. „Ach, hör auf. Du hast Schluss mit mir gemacht, weil du dich angeblich auf deine Karriere konzentrieren wolltest. Ich weiß aber, dass dir mein Vater Geld gegeben hat, damit du mich abservierst. Er hat mir erzählt, dass er dir nicht traute und dich auf die Probe stellte und dir zweihundertfünfzig Pfund anbot, wenn du mich verlässt.“
Endlich hatte sie ihn damit konfrontiert. Savannah war zufrieden. Doch als ein Schreck über sein schönes Gesicht fuhr, zerriss ihr die Enttäuschung das Herz. Er wirkte schuldig, was bloß die Worte ihres Vaters bestätigte. Vor zehn Jahren hatte Dimitris das Geld gewählt, nicht sie.
„Ich weiß nicht, was mich mehr beleidigt. Dass du mich für Sex benutzt hast oder gegen Geld mit mir Schluss gemacht hast“, sagte sie sarkastisch. „So oder so bist du nicht besser als Matt Colllier. Er hat Eleni und mich betrogen. Du warst mit deiner Vortäuschung aber nicht besser.“
„Ich habe dich nicht für Sex benutzt. Ich weiß jetzt, dass ich mich nicht mit dir hätte einlassen sollen.“ Er runzelte die Stirn. „Du warst jung und unglaublich unschuldig. Du wolltest ein Märchen, das ich dir nicht geben konnte. Ich musste mich um ein schlecht laufendes Restaurant kümmern, dazu um meine alten Großeltern und meine Schwester mit ihrer Gehbehinderung. Ich konnte dir nichts bieten.“ Dimitris zögerte. „Hat dir dein Vater sonst noch etwas erzählt?“
„Was meinst du?“, Savannah verzog das Gesicht, während sie an all das dachte, was ihr Vater verschwiegen hatte. Nach außen hin hatte ihre Familie perfekt gewirkt, und sie war das verwöhnte und vom Vater abgöttisch geliebte Einzelkind. Doch von klein auf hatte sie gewusst, dass Richard O’Neal sie nicht liebte, trotz all ihrer Versuche, ihm zu gefallen und seine Anerkennung zu gewinnen. Sie fragte sich immer noch, ob etwas mit ihr nicht stimmte, wenn sie selbst ihrem eigenen Vater nichts bedeutet hatte. Dimitris’ Zurückweisung hatte ihr Gefühl, sie sei nicht liebenswert, verstärkt.
Die angespannte Stille wurde vom Klingeln des Handys in ihrer Hand unterbrochen. Sie sah Tara Browns Namen auf Dimitris’ Bildschirm. Es ist Zeitverschwendung, mich ihm so auszuliefern, dachte Savannah bitter.
Auf der Arbeitsfläche stand eine Rührschüssel mit einer zähen, hellen Masse, die nach Pfannkuchenteig aussah. Frustration stieg in ihr auf, und ohne an die Folgen zu denken, ließ sie Dimitris’ Handy in den Teig fallen.
Er fluchte. „Verdammt noch mal! Warum machst du das?“
„Ich will nicht, dass du dich bei Tara Brown über mich beschwerst“, murmelte Savannah. „Ich brauche den Auftrag von Philpot’s dringend.“ Sie hatte jetzt ein für alle Mal verspielt. Schneller als Dimitris’ Handy auf den Boden der Pampe gesunken war, wurde ihr das Ausmaß ihrer Tat bewusst.
Sein Kiefer spannte sich an, und sie merkte, wie er die Wut mit Mühe zurückhielt. Angesichts seiner eisernen Selbstbeherrschung kam sich Savannah noch mehr wie eine Idiotin vor. Sie rang nach Luft, als Dimitris mit der tödlichen Geschwindigkeit einer Kobra ihre Hand packte und fest umschloss. Von ihren Fingerspitzen schoss Elektrizität bis hoch in ihren Arm und breitete sich überall in ihrem Körper aus. Hoffentlich sah er nicht ihre hart gewordenen Brustspitzen unter dem T-Shirt.
Er stieß ihre Hand in die Schüssel mit der Teigmischung. Sie zog das Handy heraus, und Kleckser tropften auf die Arbeitsfläche.
„Ich erwarte von dir eine Entschädigung in Höhe eines neuen Handys.“
Das ist doch ein Witz. Sein Handy war eine Spezialanfertigung von einem sehr teuren Hersteller. Ihre Ersparnisse waren fast aufgebraucht, und sie konnte unmöglich ein Ersatzgerät bezahlen. Am vernünftigsten wäre es, sich überschwänglich zu entschuldigen, aber Savannah steckten die Worte im Hals fest.
In ihr tobte die Wut. Ihr ganzes Leben lang hatte sie ihre Gefühle unterdrückt, um nicht auf Ablehnung wie bei ihrem Vater zu stoßen. Jetzt erkannte sie aber, wie bestärkend Rebellion war.
Wortlos hob sie die Hand und wischte das Handy an Dimitris’ Hemd ab. Von oben bis unten beschmierte sie ihn mit Teigmischung. Seine Augen verengten sich und funkelten gefährlich, doch Savannah war alles egal. Ihr professioneller Ruf war ruiniert. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Ein zweites Mal wischte sie ihm mit dem Handy über das Hemd. Es fühlte sich so gut an, böse zu sein.
Dimitris’ dunkelblaue Augen flackerten warnend. Er entriss ihr das Handy und ließ es auf die Arbeitsfläche fallen. Savannah stellte sich schon auf Ärger ein, doch er zog bloß die Augenbrauen hoch und lächelte spöttisch.
„Du kannst es wohl nicht abwarten, dass ich mein Hemd ausziehe?“
Savannah hielt den Atem an, als er den Saum seines Oberteils langsam über den Kopf zog und seine nackte bronzefarbene Brust darunter zum Vorschein kam. Schwarze Körperhaare sprossen ihm über den straffen Bauch und verschwanden unter dem Jeansbund. Sie standen sich jetzt so nahe, dass sie den würzigen Duft seines Aftershaves roch.
„Ich …“ Die Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie konnte ihn nur anstarren und seine männliche Schönheit mit zu weit aufgerissenen Augen auf sich wirken lassen. Es war, als starre sie in die Sonne, und er blendete sie. Unter ihren Wimpern brannte sich sein Bild auf ihrer Netzhaut ein.
Zehn Jahre lang hatte er sie in ihren Träumen verfolgt, aber das hier war keine Einbildung. Dimitris war echt. Instinktiv legte sie ihre Hand auf seine nackte Brust und spürte, wie wild sein Herz schlug, ähnlich wie ihres.
„Savannah, du hättest nicht herkommen sollen“, sagte er barsch, während er seine Hand auf ihre legte und sie seinen Oberkörper hinunterführte. Sie schämte sich für ihre Berührung und wollte schon zurückweichen. Doch er fluchte, legte seinen Arm um ihre Hüfte und zog Savannah so nah an sich, dass ihre Brüste gegen seinen harten Oberkörper pressten. Sie blickte erstaunt zu ihm hoch. Sein Gesicht war so nah an ihrem, dass sie seine Wimpern hätte zählen können, wäre ihre Aufmerksamkeit nicht bei seinem Mund gewesen.
Vor zehn Jahren hatten bloße Blicke ausgereicht, damit es zwischen ihnen knisterte. Savannah hatte es aber an Erfahrung gefehlt, um ihre Macht als Frau zu verstehen. Letzte Nacht und auch jetzt erkannte sie das Verlangen in Dimitris’ Augen, und ihr Herz dröhnte, als sie atemlos seinen Kuss erwartete.
Er senkte den Kopf, bis seine Lippen ihre fast berührten. Sein warmer Atem strich ihr über die Haut, und als sie den dezenten Geruch von Schweiß und Begehren auf seiner Haut roch, erzitterte sie unweigerlich vor Verlangen. Dann aber kam der Schock: Er löste sich von ihr, stieß sie von sich weg und ließ seine Arme so plötzlich zurück neben seinen Körper fallen, dass sie fast das Gleichgewicht verlor.
„Theós!“, rief er wild. Er atmete schwer. Genau wie sie war er kurz davor, die Beherrschung zu verlieren.
Seine Abfuhr verletzte ihre Gefühle zutiefst, und ihr Verstand drängte sie, wie ein verletztes Tier vor ihm wegzulaufen und sich in Sicherheit die Wunden zu lecken. Ihre Füße klebten allerdings am Boden fest. Lange starrten sie sich an, und sie nahm ein Ziehen tief in ihrem Schoß wahr. Die feuchte Wärme zwischen ihren Schenkeln demütigte sie nur noch mehr. Sie hoffte, er würde den verräterisch süßen Duft ihrer Erregung nicht bemerken.
„Guten Morgen.“ Eine Frauenstimme drang aus dem Eingang zu ihnen. „Oh! Entschuldigen Sie die Unterbrechung …“, sagte die Frau, als Savannah hastig von Dimitris zurücktrat.
„Guten Morgen, Tara.“ Er klang ungezwungen, und seine vorher wie in Granit gemeißelten Gesichtszüge verloren an Ausdruck. „Sie unterbrechen nichts. Ich habe eben versehentlich überall Pfannkuchenteig verschüttet. Miss O’Neal hat mir beim Aufwischen geholfen.“
„O’Neal?“ Tara Brown runzelte die Stirn. Sie war perfekt geschminkt, und mit ihrem blassgrauen Hosenanzug und den Stilettos war sie der Inbegriff von Eleganz.
Savannah wünschte sich, sie selbst hätte High Heels statt ihrer Sneaker an. Aus Gewohnheit fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare, doch sie hatte ganz vergessen, dass sie zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Nun löste er sich, und blonde Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie hörte Dimitris schlucken.
„Ich wollte Ihnen gerade telefonisch mitteilen, dass es ein Problem mit dem Fototermin gibt“, erklärte ihm Tara Brown.
Savannah rutschte das Herz in die Hose, während sie auf Dimitris’ anschuldigende Worte wartete. Zu ihrer Überraschung aber schob er das immer noch mit Teig bekleckerte Smartphone in die hintere Jeanstasche.
„Mein Handy ist mir vorhin runtergefallen und funktioniert nicht mehr“, murmelte er. „Geben Sie mir ein paar Minuten, damit ich mein Hemd wechseln kann, und erklären Sie mir dann, was los ist.“ Er nickte Tara zu, und ohne Savannah anzusehen, verschwand er durch die Tür am anderen Ende des Studios.
Das Team der Produktionsassistenten kam an. Kluge, selbstbewusste Profis, die sorglos miteinander quatschten und lachten und die Savannah beneidete. Sicherlich würde Dimitris Tara Brown von ihrer Handyaktion berichten. Ehrlich gesagt konnte sie es ihm nicht übelnehmen. Ihr dummes Benehmen würde ihrer Karriere als Food-Fotografin praktisch ein Ende setzen. Wer will schon eine Diva auf einem Foto-Shooting? Sie entschloss sich, davonzuschleichen und einem peinlichen Gespräch mit Philpot’s PR-Managerin aus dem Weg zu gehen.
Dimitris knallte die Tür zu seinem Büro zu, das als Umkleideraum diente, wenn seine Kochsendungen im Studio gedreht wurden. Er ging in das angrenzende Bad, warf sein Hemd in den Wäschekorb und stützte sich auf der Kommode ab. Auf die kühlen Fliesen über dem Waschbecken legte er die Stirn und füllte seine Lunge mit Sauerstoff.
Zum Teufel mit ihr!
Das unerwartete Wiedersehen mit Savannah hatte ihn schon genug verstört, weshalb er ein zweites Treffen hatte verhindern wollen. Offenbar war sie aber von der Fotoagentur über die Planänderung nicht informiert worden. Als er Savannah im Garten erblickt hatte, war die Reaktion seines Körpers erschreckend gewesen.
Er sah sie in ihrer engen Hose und ihrem elastischem T-Shirt vor sich, das ihre Figur und die festen Brüste zur Geltung brachte. Von denen hatte er letzten Abend mehr erhascht, als sie oben aus dem Kleid ragten. Im Hotelzimmer zusammen mit seinem zukünftigen Schwager war Savannah ihm in ihrem sexy Kleid wie eine Verführerin vorgekommen. Sie hatte behauptet, nichts von Colliers Verlobung mit Eleni gewusst zu haben. Vor zehn Jahren war Savannah noch von Grund auf ehrlich gewesen.
„Vielleicht liebst du mich nicht, aber meine Gefühle für dich werden nicht aufhören. Ich liebe dich, Dimitris.“
Er verfluchte die lästigen Erinnerungen an seine Beziehung mit der jungen Savannah, ging zum Schrank und nahm sich ein frisches Hemd heraus. Er hatte sie wegen des intensiven Gefühls, das Savannah in ihm erweckte, nicht als Fotografin gewollt.
Es ist nicht das Einzige, was sie erweckt, dachte er mit Selbstverachtung. Seitdem er sie im Garten entdeckt hatte, war er unangenehm hart. Viel zu schön und ruhig mit diesem Hauch von Verletzlichkeit hatte sie da gestanden! Sein Beschützerinstinkt hatte sich sofort geregt. Leider hatte dieser Instinkt nur gefehlt, als er sie beinahe geküsst hatte.
Dimitris wusste nicht, was ihn am meisten störte – dass er dem dringenden Verlangen, Savannah zu küssen, nachgegeben hatte, oder dass er wieder die Kontrolle erlangt und einen Rückzieher gemacht hatte. Ihre braungrünen Augen hatten enttäuscht aufgeblitzt, und er war kurz davor gewesen, sie wieder in die Arme zu schließen, ohne an die Folgen zu denken. Gefühle waren aber gefährlich. Deshalb ließ er seiner Leidenschaft nur beim Kochen freien Lauf und ging keine zu engen Beziehungen zu Frauen ein.
Er versuchte erfolglos, sein Handy einzuschalten und fluchte. Savannahs unverschämte Aktion, das Handy in den Pfannkuchenteig zu tauchen, hatte ihn in Rage gebracht. Wut und Verlangen hatten ein Chaos in ihm ausgelöst und sie in seine Arme schließen lassen. Gott sei Dank war er zur Besinnung gekommen und hatte sie nicht geküsst.
Die junge Frau, die er vor Jahren gekannt hatte, war süß und schüchtern gewesen. Sie hatte ihn mit einer welpenhaften Hingabe verehrt, die er nicht verdiente. Die neue Savannah war trotzig und temperamentvoll. Sie war sogar noch schöner und ohne Frage frecher als mit achtzehn und stellte seine Selbstkontrolle wie keine Frau zuvor auf die Probe.
Entschieden schob er den Gedanken an die Vergangenheit zur Seite und ging zurück ins Studio, wo seine Assistenten und Techniker das Fotoshooting vorbereiteten. Die PR-Managerin Tara Brown wirkte angespannt.
„Es ist nicht klar, weshalb Miss O’Neal heute doch zum Studio gekommen ist. Leider hatte der neue beauftragte Fotograf auf dem Weg hierher einen Unfall. Ich versuche, jemanden anders zu organisieren, befürchte aber, das Fotoshooting wird mit Verspätung losgehen. Alternativ könnten wir es auf einen anderen Tag verschieben.“
Dimitris wollte den Termin ungern verlegen. Seine Schwester war am Morgen nach Athen geflogen, und er wollte ihr baldmöglichst folgen. Er musste seiner Großmutter die Nachricht von der abgesagten Hochzeit überbringen, ehe Eleni in der Villa ankam. Hestiasgut gemeinte Sorge wäre im Augenblick zu viel für seine Schwester.
„Wir könnten auch Miss O’Neal bitten, die Fotos für die Zeitschrift zu machen. Ich habe vielleicht zu schnell um einen anderen Fotografen gebeten.“ Tara Brown schien verwirrt. „Ich habe mir Miss O’Neals Portfolio noch einmal angesehen, und mir gefällt ihr Stil.“
Tara wirkte sichtbar erleichtert. „Sie ist vor ein paar Minuten aus dem Studio gegangen. Ich hole sie.“
Er hatte sich über Savannahs Behauptung gewundert, den Auftrag für Philpot’s dringend zu brauchen. Finanzielle Gründe konnten es nicht sein. An ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag war sie bestimmt an einen großen Batzen Geld aus dem Treuhandfonds ihres Vaters gekommen.
Bitterkeit und Abscheu mischten sich, als er an das Treffen mit Savannahs Vater vor zehn Jahren zurückdachte. Es war demütigend gewesen, Bestechungsgeld anzunehmen. Doch er war überzeugt worden, sich von Savannah zu trennen, um sie nicht um ihr Vermögen zu bringen. Richard O’Neal hatte nämlich damit gedroht, sie als Begünstigte aus dem Treuhandfonds zu nehmen und ihr finanziell den Hahn zuzudrehen. Dimitris war nicht stolz darauf, aber er hatte das Geld angenommen, um Savannah die Wahrheit über Richard zu ersparen.
Das Schicksal hat uns wieder zusammengeführt. Er musste bloß den heutigen Tag überstehen, dann hatte er seine Gefühle bestimmt wieder im Griff. Als Savannah aber wenige Minuten später das Studio betrat, pochte es unangenehm in seiner Leistengegend …
„Miss O’Neal …“
Savannah drehte sich um und sah Philpot’s PR-Managerin eilig über die Einfahrt auf sie zukommen.
„Was für ein Glück, dass Sie noch da sind. Bleiben Sie doch bitte für den Fototermin.“ Tara Brown klang verlegen. „Der andere Fotograf kann nicht kommen. Bei einem Unfall auf dem Weg hierher hat er sich vermutlich das Handgelenk gebrochen.“
„Mr. Kyriakou möchte nicht mit mir zusammenarbeiten“, sagte Savannah mit Bestimmtheit. Nicht weil sie dummerweise sein Handy beschädigt hatte, sondern weil Dimitris sie hatte küssen wollen. Der Selbsthass in seinen Augen, als er zurückgewichen war, hatte sie nur noch mehr gedemütigt.
„Es war Dimitris’ Idee, Sie zurückzuholen.“
Es wäre dumm, die Chance auszuschlagen. Trotzdem zögerte sie, denn sie musste ihre Gefühle schützen.
„Miss O’Neal?“, hakte die PR-Frau nach.
„In Ordnung“, antwortete Savannah schnell, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Sie brauchte das Geld, und es würde bloß einen Tag Arbeit mit Dimitris bedeuten. „Ich bleibe.“
Zurück im Studio sah sie trotz der vielen Menschen eigentlich nur Dimitris. Ihre Blicke kreuzten sich, und seine Augen waren genauso marineblau wie das frische Hemd, das er nun trug. Die oberen Knöpfe standen offen und enthüllten ein Dreieck aus olivgoldener Haut und einigen wenigen schwarzen Brusthaaren. Er war zum Sterben schön, und sie wusste, eine zweite Begegnung mit ihm würde sie nicht überleben.
Eine Millisekunde lang war sie versucht, in Mordsgeschwindigkeit aus Richmond wegzufahren. Bei der Food-Fotografie war es wichtig, sehr nah mit dem Koch zusammenzuarbeiten. Wie um alles in der Welt sollte sie die verräterische Reaktion ihres Körpers auf ihn verbergen?