Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 11: Im Reich der Shejitana - Thomas Ostwald - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 11: Im Reich der Shejitana E-Book

Thomas Ostwald

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Beschreibung

Kara ben Nemsi trifft in Kairo erneut auf eine geheimnisvolle Schöne. In der alten Zitadelle von Kairo wird ein Anschlag auf den Khediven verübt, während der Verfolgung wird der Attentäter getötet. Bei der Untersuchung des Toten zeigt es sich, dass ihm die Zunge herausgeschnitten wurde. Eine Tätowierung gibt erste Hinweise. Die Printausgabe umfasst 142 Buchseiten.

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Seitenzahl: 156

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Kara Ben NemsiIM REICH DER SHEJITANA

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

Kara Ben Nemsi

Im Reich der Shejitana

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Thomas Ostwald

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2018 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Thomas OstwaldTitelbild: Mark FreierUmschlaggestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-121-2Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

al-Qāhira – die Siegreiche. Da breitete sie sich vor mir aus, die Stadt, die unter dem Vizekönig Ismail Pascha einen ungeheuren Aufschwung genommen hatte. Europäische Architekten waren von ihm in die Stadt gerufen worden, um ihr ein modernes Aussehen zu verleihen. Nach der Öffnung des Suezkanals im Jahre 1869 entwickelte sich Kairo zu einer gigantischen Metropole, und ich staunte bei jedem neuen Aufenthalt über die rasende Geschwindigkeit der Veränderungen. Wo eben noch einfache Lehmhütten gestanden hatten, waren moderne Geschäfts- und Wohnviertel entstanden, mit breiten, sauberen Straßen, angefüllt mit einem bunten Völkergemisch. Der Khedive pflegte einen freundlichen Umgang mit allen Religionen, und so verwunderte es kaum, dass man in den Straßen Kairos zahlreiche Juden schon an ihren auffälligen Hüten und ihren Bärten erkennen konnte. Dazu gab es alle Vertreter der christlichen Religion, von katholischen Christen bis zu den koptisch-orthodoxen hatten alle ihre Kirchen hier errichten dürfen. Man lebte in der gleichen Straße und sogar in den gleichen Häusern zusammen mit den Mohammedanern, und man lebte friedlich zusammen. Das war eigentlich auch gar nicht so verwunderlich, denn nach der alten Überlieferung war es ja der Evangelist Markus, der schon um das Jahr fünfzig in Ägypten missioniert haben soll. Ich hatte öfter Gelegenheit, auch die Randbezirke der ständig wachsenden Stadt zu besuchen, in der eine arme Bevölkerung in einfachen Hütten lebte. ­Allerdings herrschte auch hier ein fröhliches Miteinander, und verblüfft war ich nur über die zahlreichen Schweine, die natürlich nur von den Christen gehalten wurden, aber von den Moslems toleriert, wenn natürlich auch nicht berührt oder gar gegessen wurden.

Wir hatten einen sehr anstrengenden und langen Ritt nach Erreichen von Port Said hinter uns. Es wäre wesentlich bequemer für uns geworden, hätten wir die Eisenbahn über Ismailia nach Kairo nehmen können. Aber Hassan ben Khaifani, Oberst der Leibgarde des Vizekönigs, riet uns davon dringend ab. Nach unseren bisherigen Erlebnissen war er übervorsichtig geworden und hatte seine Agenten überall verteilt. Die eintreffenden Nachrichten bestätigten ihn nur, und als wir selbst in der Nähe der Stadt lagerten, noch etwa 120 Kilometer von Kairo entfernt, bestätigte uns ein berittener Melder, dass eine Bande arabisch sprechender Männer in schwarzen Gewändern und mit einem Gesichtsschleier den Zug überfallen und ausgeraubt hatten. Das war eine Provokation, praktisch unter den Augen des Vizekönigs und in der Nähe der Stadt, die nach ihm benannt war. 1863 von Ferdinand de ­Lesseps unter dem Namen Timsāh gegründet, nahm man bald den neuen Namen zu Ehren des Khediven an. Wir waren noch nicht in Kairo eingetroffen, als wir von anderen Spähern unterrichtet wurden, dass man eine bewaffnete Bande etwa zwanzig Kilometer vor Kairo in einer kleinen Oase gestellt hatte. Bei dem anschließenden Gefecht mit dem ägyptischen Militär wurden die Verbrecher getötet. Man fand fast die vollständige Beute aus dem Zugüberfall bei ihnen, allerdings blieb dieser Überfall rätselhaft und nicht vollständig aufgeklärt, denn offenbar hatte sich in der Nacht vor dem Gefecht der Anführer auf einem schnellen Hedschin, einem Rennkamel, in die Wüste abgesetzt und war nicht mehr aufzufinden.

Gern wäre ich einmal wieder im Hotel d’Orient abgestiegen, das ich während früherer Aufenthalte mehrfach als Quartier gewählt hatte. Doch davon konnte jetzt nicht die Rede sein, denn der Khedive war mein Freund geworden und duldete es nicht, dass ich in der Stadt und noch dazu in einem Hotel wohnen wollte. Sein Palast stand mir zur Verfügung, und das hatte natürlich erhebliche Vorteile für mich. Dabei war der gigantische Abdeen-Palast noch immer nicht ganz fertig gestellt, obwohl er durch den französischen Architekten Leon Rousseau schon im Jahre 1863 begonnen wurde. Der Palast in seinen unglaublichen Ausmaßen hatte bereits ein Vermögen für den Bau verschlungen, aber noch mehr Geld ließ der Vizekönig für die Innenausstattung fließen, die von Ausstattern aus Ägypten, der Türkei, Italien und Frankreich vorgenommen wurde. Ein erster Rundgang am Tag nach unserer Ankunft unter Führung Ismail Paschas nahm mir geradezu den Atem. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche Pracht, einen solchen Reichtum in einem Palast gesehen.

Bislang galt die Zitadelle in Kairo als Sitz der Regierung. Dieser historische Bau, errichtet im 12. Jahrhundert unter dem König der Ayyubiden Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub ad-Dawīnī, mit dem Titel geehrt al-Malik an-Nasir, der siegreiche Herrscher, liegt auf einer Anhöhe.

Kurz nach Sonnenaufgang dieses Tages und dem verrichteten fadschr, dem Morgengebet, war Hassan in mein Gemach gekommen, um mich abzuholen. Im Innenhof dieses Palastteiles befanden sich bereits unsere Pferde, drei prachtvolle Rappen von edelstem Geblüt. Mein Herz schlug höher, denn sofort dachte ich an meinen herrlichen Rih, der weit entfernt von mir bei den Haddedihn und meinem lieben Halef weidete. Staunend umrundete ich diese Tiere und erfreute mich an der Schönheit ihres Baus, an den edlen Köpfen und den anmutigen Bewegungen, als sie leise schnaubend ihren Herrn begrüßten, der soeben aus einem Tor trat und mich begrüßte.

„Kara ben Nemsi – es ist ein herrlicher Morgen, und wir werden ihn nutzen, um einmal auf die Zitadelle zu reiten. Von dort werden wir heute einen unglaublichen Ausblick genießen können, und dann reiten wir hinüber zu meinem Museum. Dort bereden wir unser Vorgehen der nächsten Tage, und dann hält mich hier nichts mehr länger – meine Amtsgeschäfte sind geregelt, wir können aufbrechen!“

„as-salāmu ʿalaikum‚ der Frieden sei mit dir, Ismail Pascha! In der Tat, es verspricht, ein schöner Tag zu werden. Und sehe ich diese prachtvollen Reittiere, so möchte ich wohl gleich für einen noch längeren Ritt aufbrechen.“

Wir saßen auf, Leibgardisten, die ihrem Herrn gefolgt waren, rissen die Tore auf, und als wir hinaus in die Straßen der Stadt ritten, wurden wir in gebührendem Abstand von einem Dutzend schwarz gekleideter und schwer bewaffneter Reiter begleitet. Jeder der Männer trug eine Revolvertasche am Gürtel, an der anderen Seite einen Säbel, auf dem Rücken Karabiner. Sie waren für das Volk schon von Weitem als Leibgarde des Khediven auszumachen, weil sie genau wie auch ihr Herr einen roten Fez trugen.

So waren wir alles andere als unauffällig bei dem Ritt durch Kairo, aber das lag auch nicht in der Absicht meines Freundes. Er zeigte sich überall und bei allen Gelegenheiten und hegte keinerlei Sorgen vor einem möglichen Attentat. Ismail Pascha vertraute darauf, dass sein Volk ihn liebte, und er hatte mit dieser Einstellung recht.

Obwohl die Sonne gerade erst ihre Strahlen über den Horizont schickte, tastend die gewaltige Stadt berührte und einen goldenen Schimmer auf sie legte, bemerkte ich schon das lebhafte Treiben in den Straßen. Überall waren Menschen unterwegs, die den Khediven auf fröhliche, aber ehrfurchtsvolle Weise grüßten.

Wir erreichten die Zitadelle, als die Sonne ihre Strahlen gerade auf die beiden Minarette der Moschee des an-Nasir Muhammad richtete, der wichtigsten Moschee der Stadt Kairo. Zum Beginn des 14. Jahrhunderts fertiggestellt, war sie die wichtigste Freitagsmoschee der Sultane. Hier stiegen wir von unseren prächtigen Pferden, die sofort von drei Leibgardisten in Empfang genommen wurden. Man führte sie in den Schatten, während uns der Vizekönig voran­schritt und dabei die Richtung zum eigentlichen Zitadellenbereich einschlug. Unser Weg führte uns zunächst unter den Arkaden der Moschee entlang, und ich konnte die Säulen bewundern, für die man alte Spolien verwendet hatte, also Materialien aus vorislamischer Zeit. Auch das beeindruckende Brunnenhäuschen auf dem Innenhof der Moschee durfte ich bewundern, dann verließen wir diesen Bereich und schritten zu der mächtigen Mauer, die einst die ganze Zitadelle umrandet hatte. Es gab eine große Stelle, die vermutlich als Steinbruch zur Zeit der Pharaonen benutzt wurde, und das war das nächste Ziel meines Freundes Ismail Pascha.

„Kara ben Nemsi, hier stehen wir auf geschichtsträchtigem Boden. Niemand weiß genau, warum hier auf dem Berg der Zitadelle ein Stück fehlt. Immer wieder wurde behauptet, dass er zur Zeit der Pharaonen als Steinbruch verwendet wurde. Komm mit mir, mein Freund, ich will deinen Blick in die Zukunft lenken!“

Mit dieser seltsamen Ansprache eilte er auch schon weiter, sodass ich kaum Zeit hatte, den Ausblick einmal zu genießen. Gemeinsam stiegen wir eine Steintreppe zur Bastionsmauer hinauf und dann bot sich mir eine Fernsicht, die mir den Atem stocken ließ. An diesem frühen Morgen waren die Sichtverhältnisse so gut, dass ich mit dem bloßen Auge die Pyramiden von Gizeh erkennen konnte.

Hassan trat an meine Seite und nickte mir lächelnd zu.

„Und jetzt, mein Freund Kara, schau nach Süden hinun­ter – was erkennst du?“

„Die südliche Nekropole, den Ort, an dem wir uns getroffen haben!“, antwortete ich, und der Vizekönig gab zurück:

„Nenne ihn ruhig beim richtigen Namen, Kara ben Nemsi. Es ist der Ort, an dem du mir und Hassan das Leben gerettet hast. Und genau an dieser Stelle werden wir in den nächsten Wochen und Monaten den Eingang zur alten Stadt Misr freilegen und die dort gefundenen Stücke ...“

Ich war der ausgestreckten Hand des Vizekönigs gefolgt und hatte dabei eine Bewegung über uns bemerkt. Wir standen auf einem stark ummauerten Teil der Festung, über uns befand sich ein gewölbtes Dach. Instinktiv hatte ich mich auf den Khediven geworfen, und im nächsten Augenblick prasselten mehrere Steine auf uns herunter, trafen uns aber glücklicherweise nur noch an den Beinen.

„Al-hamdu lillah, Khedive, du bist unverletzt!“, hörte ich die Stimme Hassans, der einen fürchterlichen Anblick bot. Ein Stein hatte ihn mitten auf die Stirn getroffen und eine hässliche, sofort stark blutende Wunde hinterlassen. Der nachfolgende Staub hatte seine braune Gesichtsfarbe mit einem weißen Schleier bedeckt, das jetzt aus der Wunde tretende Blut vermischte sich damit. Aber Hassan ben Khaifani achtete nicht darauf, kniete sich neben Ismail Pascha nieder und half ihm jetzt auf die Beine. Ich war sofort aufgesprungen, klopfte mir den Staub aus den Kleidern und schob meine Ghutra1 wieder zurecht, die mir bei meinem Sprung fast vom Kopf gerissen wurde.

Noch etwas hatte ich bemerkt und sprang deshalb sofort an die Mauer, um einen Blick auf die Umgebung zu werfen. Auf dem freien Platz unter uns lief eine schmale Gestalt, in einen hellgrauen Burnus mit Kapuze gehüllt, weg von der Zitadelle. Von der Moschee kamen gerade die Leibgardisten geritten, und ich wollte mich ihnen bemerkbar machen, als Hassan neben mir stand, die Situation offenbar sofort erfasste und laut seine Befehle brüllte.

Die Reiter sahen nur kurz zu ihrem Kommandeur ­hinauf, dann spornten sie ihre Pferde an und hetzten hinter dem Flüchtling her. Ich war mir sicher, dass er etwas mit dem plötzlichen Steinschlag aus der Decke zu tun hatte, wandte mich erneut zu Ismail Pascha und deutete auf die schmale Gestalt, die eben den eingefassten Bereich der Zitadelle erreicht hatte, noch ehe die Reiter zu ihm aufgeschlossen hatten.

„Was ist mit dem Menschen, Kara?“, rief der Vizekönig verwundert, denn ich hatte unwillkürlich den Arm in die Richtung ausgestreckt.

„Es ging alles zu schnell, aber fast möchte ich schwören, dass der Mann einen Anschlag auf dich verübt hat. In der rechten Hand trug er einen Gegenstand, der wohl die Ursache für die gelösten Steine war.“

„Die Ursache? Du glaubst also an einen Anschlag auf mein Leben, Kara ben Nemsi?“

Ich zuckte die Schultern, deutete auf die Decke über uns und erklärte schließlich: „Sicher bin ich mir natürlich nicht, dafür ging alles viel zu schnell. Aber mir wollte es so vorkommen, als hätte der Bursche unten vom Hof mit einer Schleuder auf die Decke geschossen. Dabei löste er den Steinregen aus, der uns auf so unangenehme Weise berieselt hat.“

Hassan hatte sich mit dem Ärmel das Blut aus den Augen gewischt und trat an unsere Seite.

„Kara hat vollkommen recht, Ismail. Schau, was ich zwischen den Brocken gefunden habe!“

Auf seiner offenen Hand präsentierte uns der Befehlshaber der Leibgarde einen runden, großen Stein, der vollkommen vom Staub bedeckt war. Mit der anderen Hand wischte er darüber und polierte ihn schließlich. Ich nickte zu seinen Worten und schließlich sagte auch Ismail Pascha: „Das scheint wirklich eine Kugel zu sein, wie man sie mit einer Schleuder verschießt. Aber was soll das? Der Mensch, der das getan hat, konnte doch nicht sicher sein, dass ich bei diesem Versuch unter Steinbrocken verschüttet werde!“

„Vielleicht wollte er dich auch gar nicht töten? Vielleicht war dieses Attentat nur ein Hinweis, noch vorsichtiger zu sein? Ich weiß es nicht, aber von meiner Position aus lässt sich direkt in der Deckenmitte, wo die meisten Steine heruntergefallen sind, erkennen, dass es ein absichtlich herbeigeführter Anschlag war. Dort oben“, damit deutete ich auf die Stelle, „lässt sich ganz deutlich der Einschlag eines Gegenstandes erkennen, rings umher sind Putzstücke und größere Steine herausgelöst, einige davon in der Größe einer Männerfaust. Das lässt sich nicht mit einem Streich oder einer Warnung verharmlosen. In meinen Augen war das ein gezielter Mordanschlag.“

Wir schwiegen und sahen uns betroffen an. Dann aber schlug der Khedive gegen die Steinwand und rief laut:

„Nein, das ist Unsinn. Kein Mensch plant ein Attentat gegen den Vizekönig von Ägypten! Ich bin beliebt beim Volk, das habt ihr vorhin erst gesehen! Und sollte wirklich jemand einen Stein unter dieses Kuppeldach geschossen haben, so frage ich euch, warum dieser angebliche Attentäter nicht das Geschoss direkt gegen meinen Schädel abgefeuert hat? So groß war die Entfernung nicht, ein geübter Schütze hätte mich in jedem Falle treffen müssen!“

„Wir werden sehen, wenn wir den Mann mit der Steinschleuder zu fassen bekommen, Exzellenz!“, antwortete Hassan und machte eine tiefe Verbeugung zu seinem Herrn, der seit vielen Jahren ein besonders herzliches Verhältnis zu seinem obersten Leibwächter unterhielt. Fünf Mann erhielten den Auftrag, den Khediven unverzüglich in den Palast zurückzubringen.

2.

Wir hatten die Männer bei unseren Pferden erreicht, als die andere Gruppe von der Verfolgungsjagd zurückkehrte. Über einem der Pferde hing vor dem Reiter der schlaffe Körper. Der Mann trug nur einen einfachen, grauen Burnus. Achtlos warf ihn der Reiter herunter, sodass der Körper direkt vor Hassan fiel. Der Offizier bückte sich rasch über das Gesicht und machte eine Bewegung zum Kiefer des Toten, um den Mund zu öffnen. Dann erhob er sich, flüsterte eine leise Bemerkung zu Ismail Pascha, der sich brüsk abwandte und zu seinem Pferd ging. Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber Hassan deutete auf den Kopf des Toten, dessen Mund noch immer offen stand.

„Man hat ihm die Zunge herausgeschnitten, aber schon vor langer Zeit. Er hätte uns seinen Auftraggeber nicht verraten können.“

„Dann war es also wirklich ein Anschlag auf den Khediven!“, stellte ich trocken fest, und Hassan nickte dazu mit düsterer Miene. Plötzlich hatte er wohl noch einen Einfall, bückte sich erneut neben dem Toten und griff nach dessen rechtem Arm, hob ihn leicht an, und auch ich erkannte die kleine, seltsame Tätowierung auf der Unterseite.

„Diese seltsame Zeichnung habe ich schon einmal gesehen, Hassan“, sagte ich leise und deutete auf das verschlungene Symbol. „Erinnerst du dich? Als ich den Toten in der Suite der Großfürstin Arka Semjonowka untersuchte – du hast neben mir gestanden.“2

Kein Muskel schien im Gesicht des Befehlshabers der Leibgarde zu zucken. Mit finsterer Miene starrte Hassan auf das Symbol, dann erhob er sich und sah dem Vizekönig nach, der bereits in der Ferne mit seinen Gardisten kaum noch zu erkennen war und in den nächsten Minuten seinen Palast erreichen musste.

„Er befindet sich in großer Gefahr, Kara. Jetzt bedaure ich, dich nicht in Wien eingeweiht zu haben, aber es ist nicht zu ändern. In jedem Falle müssen wir äußerste Vorsicht walten lassen, auch im Palast sind wir nicht vor weiteren Anschlägen sicher. – Moment, was ist das?“ Hassan entdeckte eine Lederschnur, die der Tote um den Hals trug, und zog sie aus seinem Gewand. Ein kleiner Beutel kam zum Vorschein, aus einem einfachen Stück Stoff mit der Schnur zusammengezogen. Der Offizier zog ihn auseinander und entnahm ihm ein sehr klein zusammengefaltetes Papier. Stirnrunzelnd entfaltete es Hassan und überflog die mit feiner Handschrift ausgeführten Zeilen, dann wiederholte er für mich den Text:

„Das Was-Zepter gehört mir! Gib es zurück, oder du stirbst, und mit dir deine Stadt! Die Weisen Räte finden dich! Darunter befindet sich noch ein Zeichen, das ich nicht deuten kann, Kara, aber es ähnelt dem Symbol der Tätowierungen.“

Das war eine interessante Entwicklung, und ich überlegte, ob die Weisen Räte ein Geheimbund waren, der sich das Wissen aus der ägyptischen Mythologie zu eigen gemacht hatte, um die Menschen mit ihren Drohungen zu beeindrucken.

Während wir zu unseren Pferden gingen, aufstiegen und gleich darauf, von den übrigen Leibgardisten gefolgt, den Rückweg antraten, erklärte mir Hassan mit unterdrückter Stimme, als fürchte er selbst unter seinen Gardisten Verrat: „Wir haben es mit einer mächtigen Organisation zu tun, die alles versuchen wird, die Macht in Ägypten zu erlangen. Einzelheiten kann und darf ich dir im Moment nicht erklären, Kara, aber der Mann mit der Steinschleuder war nur eine Warnung. Ein harmloser Versuch, uns eindeutig mitzuteilen, dass unser Gegner jederzeit in der Lage ist, an jedem Ort zuzuschlagen.“

„Was bedeutet das alles, Hassan, was ist das für eine Organisation?“, drängte ich meinen Freund nun doch, aber der schüttelte nur den Kopf und schwieg, bis wir wieder in den Innenhof vor dem Haupthaus des prächtigen Palastes aus dem Sattel stiegen.

Ich klopfte meinem Tier den Hals und sah zu, wie es von einem Stallknecht abgesattelt wurde. Mit einem Büschel Stroh rieb er über den Rücken und Hals des Pferdes, dann führte er ihn in den Stall. Gern hätte ich noch einen weiteren Ausritt unternommen, aber das musste jetzt zurückstehen.

Einer der Gardisten trat auf mich zu und bat mich, ihm zum Khediven zu folgen.

Ich trat in einen prachtvollen Raum, in dem sich auf erlesenen Teppichen eine Sitzecke aus kostbar bezogenen Kissen befand, in der Ismail Pascha Platz genommen hatte und sich einen Tschibuk durch einen Diener reichen ließ. Ich musste trotz des gerade überstandenen Anschlages schmunzeln. Hier saß der mächtigste Mann Ägyptens und ließ sich nach alter Art der Osmanen einen Tschibuk durch den dafür angestellten Tschibuktschi anzünden. Schon der aufsteigende erste Rauch verriet mir durch den Duft, dass es sich dabei um besten Dschebeli handelte, die edle Tabaksorte, die ich so sehr liebte.