Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 12: Königin Shejitana - Thomas Ostwald - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 12: Königin Shejitana E-Book

Thomas Ostwald

0,0

Beschreibung

Kara ben Nemsi untersucht eine unterirdische Grabanlage, doch durch hereinströmende Wassermassen stürzt diese ein. Shejitana, die geheimnisvolle Schöne, bringt Kara zusätzlich in Gefahr. Die Printausgabe umfasst 136 Buchseiten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 152

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kara Ben NemsiKÖNIGIN SHEJITANA

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

Kara Ben Nemsi

Königin Shejitana

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Thomas Ostwald

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2018 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Thomas OstwaldTitelbild: Mark FreierUmschlaggestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-122-9Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

„Kommen Sie, kommen Sie rasch, das müssen Sie sich ansehen!“

Der Mann, der in mein Zelt gestürmt war und mich von der Beendigung meiner Rasur abhielt, war der englische Archäologe Robin Earl of Burlington, der mit David Lindsay befreundet war und über ihn von mir gehört hatte. Er hatte die letzten Tage in der unterirdischen Grabanlage zusammen mit Sir Walter Mitchell gearbeitet. Beide waren davon überzeugt, in der Kammer mit dem Bild des krokodilköpfigen Gottes Sobek auch Mumien von Krokodilen zu finden, die man zu Ehren des Gottes dort beigesetzt hatte.

Ich wischte mir mit einem Handtuch den letzten Seifenschaum vom Gesicht und eilte dem Engländer nach, der bereits auf dem Weg zum Grabmal war und mich ungeduldig am Eingang erwartete, als ich ihm nun folgte.

„Haben Sie Erfolg bei Ihrer Suche gehabt und sind auf eine Krokodilmumie gestoßen, My Lord?“, erkundigte ich mich freundlich, aber der Earl of Burlington hatte so große Eile, dass er nur nach vorn in den von Fackeln erleuchteten Gang deutete und weitereilte. Ich schmunzelte über den Eifer des Adligen, der sich mir gegenüber zwar immer freundlich, aber doch auf typische britische Weise etwas vornehm-zurückhaltend gezeigt hatte, ähnlich wie auch im Falle von Sir Walter. Aber auch der schien völlig aus dem Häuschen zu sein, als ich in die Kammer eintrat, deren Wand erst kürzlich geöffnet wurde und offenbar ebenfalls an ein Kanalsystem grenzte.

„Jetzt kommt der große Moment, Mister Nemsi“, verkündete der Fachmann für ägyptische Mythologie, „und da dachten wir uns, es wäre doch für Sie eine besondere Freude, das mitzuerleben!“ Die feuerroten Haare des Engländers waren ordentlich frisiert, der Schnauzbart exakt beschnitten, der Backenbart kurz und militärisch wie zur aktiven Dienstzeit Sir Walters in der britischen Armee. Queen Victoria hatte ihn 1868 zum Knight of Bachelor geschlagen, was seine Anrede mit dem Titel Sir mit sich brachte.

Gespannt sah ich auf die Stelle, auf die er deutete. Ich hatte den Raum gesehen, als Arbeiter dabei waren, den Fußboden zu öffnen, unter dem man die Mumien vermutete.1 Jetzt hatten die Arbeiter beinahe den gesamten Fußboden, der aus großen Sandsteinplatten bestand, entfernt und die Platten gegen die Wände gelehnt. Ein großes Segeltuch war über den Boden ausgebreitet worden und sollte verhindern, dass jemand versehentlich diesen Bereich betrat, bevor die beiden Forscher ihre Arbeit beendet hatten.

Jetzt gab der Earl den wartenden Arbeitern ein Zeichen, und die beiden Ägypter zogen die Plane beiseite und legten sie im Gang zusammen. Ich konnte die Aufregung der Wissenschaftler verstehen und stieß einen Ruf der Bewunderung aus, als ich die drei mächtigen Mumien­pakete entdeckte, die hier dicht beieinander lagen. Tatsächlich waren also hier, in einem Raum, der dem Gott Sobek gewidmet war, Krokodile im Boden beigesetzt worden. Während ich schon einmal lediglich mumifizierte, also im heißen ­Wüstensand getrocknete, Krokodilkörper gesehen hatte, unterschieden sich diese Funde deutlich. Sie waren alle mit Binden umwickelt, die zudem eine Bemalung trugen. Nur ihre Köpfe waren frei geblieben, und auf der eingetrockneten Haut ließ sich eine sehr frisch wirkende Bemalung erkennen. Bei dem mir am nächsten liegenden Tier erkannte ich eine sehr wirkungsvolle Aufmalung des Augenbereiches, die so wirkte, als würde mich das Krokodil direkt ansehen.

Zwei Bögen waren mit schwarzer Farbe um das Auge gezogen, die Pupille selbst ersetzt durch eine bläulich schimmernde Bemalung, bei der nicht einmal der den Reptilien eigene Querstrich ausgelassen wurde.

Die beiden Engländer begannen nun, lang und breit von der Bedeutung dieser Krokodilmumien zu berichten, aber ich konnte ihnen nicht aufmerksam folgen, denn es lag ein seltsames Geräusch in der Luft, das ich allerdings nicht bestimmen konnte.

Etwas beunruhigt sah ich zu den beiden ägyptischen Arbeitern, die wohl ebenfalls etwas vernommen hatten und auf die Wand mit dem Abbild des Gottes Sobek starrten.

„Diese Mumien haben eine Länge von etwas über neuneinhalb feet oder gut drei Metern. Nach Mitteilung von Reisenden gäbe es womöglich noch größere Krokodilmumien, aber der Earl und ich sind der Meinung, dass es noch keinen einzigen Fund von so hervorragend erhaltenen und zudem bemalten Mumien gibt“, erklärte mir Sir Walter.

Ich erinnerte mich an einen Artikel in der Zeitschrift Globus, in dem ein ungenannter Autor über solche Mumien berichtete, konnte mich aber nicht mehr an jedes Detail erinnern.2 Zudem verstärkte sich das Geräusch in diesem Raum zu einem kräftigen Rauschen, und ich erkannte, dass die beiden Arbeiter sich mit sehr ängstlichen Gesichtern zum Gang bewegten, um vermutlich unbemerkt die Grabanlage zu verlassen. Gerade wollte ich etwas zu ihnen sagen, als das Rauschen so laut wurde, dass auch die Köpfe der beiden Engländer entsetzt zu dem Bild des Krokodilgottes flogen.

Ein gewaltiger Riss in der Wand tat sich auf, und noch ehe einer von uns etwas unternehmen konnte oder zu einer Bewegung fähig war, schoss ein etwa armdicker Wasserstrahl auf uns herab. Ich sprang zurück, doch die Wand war im nächsten Moment zusammengebrochen, und eine riesige Flutwelle schwemmte herein. Die Schreie der beiden Ägypter vom Flur gingen im Gurgeln der Massen unter, und nun kämpften wir drei in dem Raum um unser Überleben. Durch den Einsturz der ersten Mauer, die ungeheure Wassermengen hereinließ, brach auch eine der seitlichen Wände zusammen. Ich versuchte, mich mit schwimmen in den Gang zu retten, aber vergeblich. Dort waren sämt­liche Fackeln erloschen, und unmittelbar hinter dem gerade erst kürzlich geöffneten Eingang in den Sobek-Raum mit den Mumien war offenbar die Decke herabgestürzt. Das ­Wasser schwappte dort gegen das neue Hindernis, wirbelte mich herum und stieß mich gegen die noch stehenden Wände. Rasch stieg das Wasser bis auf Deckenhöhe, und ich hatte Mühe, meinen Kopf darüber zu halten, um Luft zu bekommen. Dann war auch das nicht mehr möglich, denn das Wasser füllte den gesamten Raum bereits aus, und ich musste mit Tauchen nach einem Ausgang suchen.

Offenbar brachen weitere Wände zusammen, denn plötzlich gab es eine starke Strömung, die mich mitriss. Gleichzeitig sank glücklicherweise der Wasserspiegel wieder etwas ab, sodass ich beim Auftauchen gierig nach Luft schnappen konnte, bevor ich von einem weiteren Strudel wirbelnd herum­gerissen wurde und wieder gegen eine Wand schlug.

Halb benommen strampelte ich mich wieder frei, konnte Schwimmzüge machen und dabei meinen Kopf über Wasser halten. Wohin mich die starke Strömung trieb, konnte ich nicht erkennen, denn mit dem Wassereinbruch hatte mich rasch die Dunkelheit orientierungslos gemacht. Ein gelegentlicher Ruf nach den Engländern wurde nicht beantwortet. Zum Glück war das Wasser sauber und stammte vielleicht aus einer alten Zisternenanlage, aber die Menge verwunderte mich schon, und es kam wohl auch immer mehr Wasser dazu, denn ich musste schon wieder aufpassen, beim Schwimmen nicht gegen die Decke zu stoßen. Das Wasser riss mich durch das unterirdische Grabsystem wie durch einen Kanal. Eisiger Schreck durchfuhr mich, als ich eine Verengung meiner Umgebung bemerkte. Die Wände waren jetzt dicht an meine Schultern herangerückt, und noch etwas weiter konnte ich kaum noch zu den Schwimmbewegungen ausholen. Jetzt ging es wohl durch einen alten Kanalbereich, und ich musste jeden Augenblick damit rechnen, stecken zu bleiben und jämmerlich zu ertrinken.

Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, wurde immer matter und dazu jetzt ständig gegen die engen Steinwände gedrückt. Mein Herz raste, die Pulse flatterten, ich hatte nur noch einen Wunsch: Raus aus diesen Wassermassen und frei atmen! Dann entdeckte ich einen hellen Punkt vor mir und mein Herz schien kurz auszusetzen, um dann nur noch schneller zu klopfen. War das Tageslicht? Ging es endlich hinaus aus diesem System? Noch schneller schien das Wasser zu strömen, ich näherte mich jedenfalls mit großer Geschwindigkeit dem Licht. Endlich erkannte ich eine kreisförmige Öffnung, durch die tatsächlich das Tageslicht hereinkam. Die enge Röhre weitete sich und mündete schließlich in einen Raum. Im gedämpften Sonnenlicht, das den Eingangsbereich erreichte, bemerkte ich eine brunnenartige Ausmauerung, durch die mich das Wasser auf die Öffnung zu drängte. Ich hatte kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, dass sich diese Öffnung ja womöglich in einer Höhe befand, die mich auf die Steinbrocken einer zerstörten Anlage stürzen ließ, und versuchte deshalb, an einer der Wände Halt zu finden. Doch das war vergeblich, die Wände von Algen glatt und glitschig, nirgends gab es einen Halt.

Dann war der runde Bereich der Öffnung erreicht, aber auch hier griffen meine Hände vergeblich nach dem Rand. Gleich darauf stürzte ich in einer Art Wasserfall hindurch und schlug so hart auf, dass ich kurz das Bewusstsein verlor.

2.

„Das ist er, kein Zweifel. Der Franke, den sie suchen. He, du Giaur, steh auf!“

Ich spürte einen Fußtritt in die Rippen und schlug die Augen auf. Ich registrierte die tief stehende Sonne und nahm an, dass es gegen vier Uhr des Nachmittags war. Die mich umstehenden Männer waren alle in zerlumpte Dschallabija3 gekleidet, trugen ebenfalls schmutzige Turbane und hielten mir ihre langen Steinschlossflinten vor das Gesicht. Es waren zwar nur drei, aber auf diese Entfernung hätte wohl wenigstens einer von ihnen getroffen. Auf meinen Adams-Revolver konnte ich nicht zählen nach dem langen Schwimmen, und so musste ich erst einmal meine Gegner ein wenig beeindrucken.

„Ihr wagt es, mich einen Giaur zu nennen?“, herrschte ich die Männer an, deren finstere Gesichter sich bei meiner Anrede womöglich noch mehr verfinsterten. „Sagt nicht schon der Prophet in der fünften Sure: ... diejenigen, die den Gläubigen in Liebe am nächsten stehen, sind die, welche sagen: Wir sind Christen. Und wer gibt euch das Recht, einen Mann einen Ungläubigen zu nennen, nur weil er aus einem anderen Land kommt?“

Die beiden mir am nächsten Stehenden wechselten einen verwunderten Blick, und ich erhob mich langsam. Mein Gewand klebte auf unangenehme Weise am Körper. Ich war nicht nur vollkommen nass, sondern ich fror auch in diesem Moment, obwohl es doch noch immer sehr warm war.

Als ich mich aufrichtete, bohrte sich aber unmissverständlich der nächste Gewehrlauf in meine Seite, und der Besitzer herrschte mich an:

„Nimm nicht die Worte des Propheten in den Mund, Franke, sondern schweig! Du bist unser Gefangener und wirst jetzt mit uns kommen!“

„So, werde ich? Und wohin wollt ihr mich bringen?“

„Das wirst du schon sehen!“, sagte der andere, während der dritte Mann hinter mich trat und mir seinen Gewehrlauf in den Rücken stieß.

„Vorwärts!“

Ich gehorchte den Männern und wurde auf beiden Seiten flankiert, während der Dritte hinter mir her schritt. Erst jetzt konnte ich versuchen, mich etwas zu orientieren. Die Mündung des Kanals befand sich in etwa drei Meter Höhe, das Wasser lief jetzt nur noch spärlich heraus und rann durch den Sand, der hier alles bedeckte. Aber die Flutwelle, die das Grabgewölbe zum Einsturz gebracht hatte, hatte auch hier starke Spuren der Verwüstung hinterlassen. Deutlich konnte ich erkennen, mit welcher Wucht Sand und Erde im weiten Umkreis fortgespült waren, und noch immer umgaben mich hier dicker, zäher Schlamm und große Pfützen.

Jetzt stand die untergehende Sonne in meinem Rücken, wir bewegten uns also in nördlicher Richtung. Als ich den Kopf wandte, bemerkte ich zu meiner Rechten in einiger Entfernung die Minarette von Kairo, während die Stadt der Toten mehr zu meiner Linken lag. Wohin wollten mich diese Burschen bringen? Und was waren das für zerlumpte Gestalten? Ich hätte sie für Grabräuber gehalten, aber dazu passten ihre Waffen nicht recht. Es handelte sich zwar bei näherer Betrachtung um uralte, verrostete Exemplare und ich bezweifelte doch sehr, dass man damit genau schießen konnte, aber auf die kurze Entfernung wollte ich mich auch nicht vor dem Lauf befinden, wenn der Hahn auf die Pulverpfanne schlug.

Dann erkannte ich einige Grabkuppeln vor mir und mir wurde klar, dass mich meine Bewacher in die nördliche Totenstadt brachten. Die charakteristischen Kuppeln von gleich für fünf Sultane errichtete Mausoleen waren deutlich auszumachen, und ich wusste jetzt, dass etwas nordöstlich von mir die Zitadelle lag. Nach einer Stunde Fußmarsch waren wir auf der Straße vor dem Grabmal des Sultans Al-Ashraf Saif ad-Din Barsbay angelangt, der die Mameluken im 15. Jahrhundert befehligte. Es war ein beeindruckender, wenn auch schon teilweise zerstörter Bau auf einer kleinen Anhöhe und erinnerte mehr an eine kleine, zweistöckige Festung, über die der Kuppelbau aufstieg. Hier wurde das Gelände der Totenstadt hügelig, viele der imposanten Häuser für die Toten standen auf einer Erhebung und wirkten dadurch schon auf weite Entfernung sehr beeindruckend.

Wir passierten das Mausoleum und erreichten eine kleine Gasse zwischen zahlreichen weiteren, zumeist jedoch kleinen Grabmalen, Tempeln und entlang an mit Kuppeln gekrönten Bauten. Wie aus dem Boden gewachsen waren wir plötzlich von gut zehn oder zwölf Männern umringt, die sich von meinen Bewachern kaum unterschieden. Alle hatten verschmutzte und zerlumpte Gewänder, dreckige Tücher um den Kopf geschlungen und waren auf die gleiche Weise mit den Steinschlossflinten bewaffnet.

„as-salāmu ʿalaikum!“, grüßte ich fröhlich in die Runde, erhielt aber aus den mürrisch dreinschauenden Gesichtern keine Antwort.

Einer meiner drei Wächter machte mit seiner Flinte ein Zeichen, ihm zu folgen, und alle anderen schlossen sich uns an. Er ging auf einen gemauerten Eingang zu, der jedoch nicht direkt in eines der alten Grabmale führte, sondern die Einfassung eines natürlich entstandenen Höhleneinganges war. Natürlich hatte man vor Jahrhunderten auch diese Höhle für die Aufbahrung von Toten genutzt, wie mir einige Sarkophage bezeugten, die ich im hier herrschenden Dämmerlicht ausmachen konnte. Es ging an ihnen vorüber zu einer Treppe mit schmalen Stufen, die zu einem großen Raum führte. Hier stand auf den Steinplatten ein thronartiges Gebilde, zu dem ich gebracht wurde.

Erst beim Näherkommen bemerkte ich, dass dort eine vollkommen schwarz gekleidete Gestalt saß. Es musste sich um einen Mann handeln, denn er trug nach Art der Tuareg einen Tagelmust, also den am Turban befestigten Gesichtsschleier. Allerdings bezweifelte ich, in der Gestalt einen ­Tuareg vor mir zu haben, was sich bei den ersten in arabischer Sprache an mich gerichteten Worten sogleich bestätigte.

„Du bist also dieser Franke, der in unser Land gekommen ist, um die Gräber unserer Vorväter zu plündern. Der heilige Gegenstände stiehlt und zudem immer wieder unsere Mitglieder angreift.“

„Nein, der bin ich nicht!“, antwortete ich laut und vernehmlich, was ein drohendes Gemurmel in meinem Rücken auslöste. „Ich bin, wie ihr das so bezeichnet, ein Franke, besser: ein Mann aus 'almania. Und ich plündere nicht die Gräber eurer Vorväter, sondern begleite eine Gruppe von Archäologen, die vom Khediven ins Land geholt wurden, um das Wissen und die Kunst aus der Zeit der Pharaonen zu erforschen. Grabräuber sind dagegen deine Landsleute, die inzwischen zu Tausenden in den Totenstädten leben und nach und nach jedes Grab ausplündern und ihre Funde an die Reisenden in Kairo verkaufen.“

Ich hatte kaum ausgesprochen, als mich ein Kolbenhieb auf sehr schmerzhafte Weise in den Rücken traf und mir die Luft nahm. Trotzdem drehte ich mich zu dem Mann um, der hinter mir stand, und zischte ihm zu:

„Das machst du noch einmal, und ich töte dich auf der Stelle!“

Er hob erneut das Gewehr am Lauf und holte aus. Meine Faust landete auf seiner Kinnspitze und ließ ihn nach hinten taumeln. Dann griffen beide Hände zu und ich entriss dem Mann seine Waffe, drehte sie herum und hielt sie dem schwarz Gekleideten vor die Brust.

Atemlose Stille herrschte in diesem Augenblick, bis der Mann auf dem Thron unvermittelt in die Hände schlug und mir seinen Beifall spendete.

„Sehr schöne Vorstellung, Kara ben Nemsi, aber das nutzt dir nicht viel. Schau dich um, es sind wohl an die zwanzig Gewehre auf dich gerichtet. Du kannst mich töten, aber dein Tod wird die augenblickliche Folge sein. Also, lass uns miteinander reden, wie es Männer tun, und leg das Gewehr fort.“

„Du kennst also meinen Namen, gut. Dann weißt du auch, dass ich nicht einfach nur drohe, sondern handele. Ich habe keine Angst vor zwanzig alten Flinten, von denen bei einem Versuch noch nicht einmal die Hälfte funktionieren wird. Aber ich bin ein Mensch, der sich für dein Volk interessiert und deshalb immer wieder hierher komme. Dieses Mal hat mich der Khedive persönlich eingeladen, und du wirst es nicht wagen, seinem Gast auch nur ein einziges Haar zu krümmen. Mich interessiert aber, was du von mir willst. Schick deine Männer fort, und wir können miteinander reden.“

Ich bemerkte, wie sich der Körper meines Gegenübers hastig bewegte und fürchtete schon einen Angriff von seiner Seite, aber dann lehnte sich der Mann zurück, und ich hörte ihn lachen.

„Es ist gut, Karim, lasst uns allein, Kara ben Nemsi möchte sich ungestört mit mir unterhalten.“

Es gab eine kurze Unruhe hinter mir, ein Scharren von den mit Sandalen bekleideten Füßen, dann kehrte wieder Ruhe ein. Mein Gegenüber lehnte sich etwas vor und sprach mich mit einer tiefen, nicht unfreundlich klingenden Stimme erneut an.

„Dann hock dich meinetwegen hier auf eine Stufe und höre mir zu, Kara ben Nemsi. Ich bin Scheikh Al-Malik an-Nasir Faradsch ibn Barquq, Herr der nördlichen Totenstadt, Weiser Rat der Bewahrer der Insignien der Pharaonen. Leider besitzt du einen Gegenstand, der uns gehört, und wir werden dich töten müssen, wenn du ihn nicht an seine rechtmäßigen Besitzer zurückgibst.“

Damit lehnte sich der Scheikh wieder etwas zurück, aber ich sah seine dunklen Augen in dem schmalen Spalt des Gesichtsschleiers, die mich scharf musterten.