Kater Mikesch - Otfried Preußler - E-Book

Kater Mikesch E-Book

Otfried Preußler

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Beschreibung

Der Kinderbuchklassiker: Seit mehr als fünfzig Jahren ist der sprechende Kater aus Holleschitz der Liebling aller Kinder. Kater Mikesch versetzt die Bewohner von Holleschitz in Staunen, weil er plötzlich sprechen kann. Alle schließen den höflichen und lieben Kater in ihr Herz. Er bekommt vom Schuster ein paar Stiefel gemacht und vom Schneider einen Mantel geschenkt. Kater Mikesch bringt seinerseits dem Hund und dem Schwein der Großmutter das Sprechen bei. Als Mikesch versehentlich den Rahmtopf der Großmutter zerbricht, begibt er sich auf Wanderschaft, um Geld für einen neuen Rahmtopf aufzutreiben, und erlebt auf seiner Reise viele Abenteuer. Otfried Preußler wurde für seine Übertragung ins Deutsche 1963 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Seitdem ist der Siegeszug des sprechenden Katers nicht mehr aufzuhalten: Theater (Augsburger Puppenkiste), Film, Fernsehen, Rundfunk – und natürlich das Buch! Kater Mikesch ist ein Star!

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Seitenzahl: 204

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Josef Lada | Otfried Preußler

Kater Mikesch

Geschichten vom Kater, der sprechen konnte

FISCHER E-Books

Inhalt

Ein Kater, der sprechen kannSchusters Großmutter erlebt eine ÜberraschungMikesch und Paschik auf der KirchweihEin Traum und seine FolgenEin Ziegenbock macht das Kleeblatt vollBobesch und Mikesch zaubernDie Geschichte vom unzufriedenen SchweinchenDie Tiere an der KrippeWie Pepik und Mikesch Weihnachten feiernDrei Freunde beim WeihnachtssingenMikesch erzählt die Geschichte vom braven SchubkarrenDie Geschichte vom Ziegenbock KokeschMikesch in der SchuleMikesch ist weg!MaunzerleDas Märchen vom Hund mit dem Glöcklein am SchwanzEin Brief aus der FremdeVorbereitungen zu einem großartigen EmpfangImmer kommt es anders, als man denktMikesch packt ausDie Geschichte vom Leierkasten DideldumMikesch beginnt zu erzählenBei den Hütebuben und in Großmutters BuckelkorbMikesch gespenstertHilfe, Zigeuner!Mikesch in der FalleGlück im UnglückDer sprechende SackGut gemacht, Tonda!Schusters Mikesch aus HolleschitzDer Autor als Übersetzer – ein Werkstattbericht

Ein Kater, der sprechen kann

Liebe Kinder, ich möchte euch eine Geschichte erzählen, aber ich fürchte, ihr werdet sie mir nicht glauben. Und doch ist es die reine Wahrheit, dass Schusters in Holleschitz einen Kater hatten, der Mikesch hieß.

Jetzt werdet ihr natürlich lachen. »Ach so!«, höre ich euch sagen. »Wir haben daheim auch einen Kater!« – »Und wir auch! Und ein Kätzchen obendrein!«

Schön und gut, meine Lieben, aber der Kater in Holleschitz war ein ganz besonderer Kater. Er konnte nämlich sprechen! Ob ihr es glaubt oder nicht. Schusters Pepik und die anderen Holleschitzer Dorfkinder sind meine Zeugen.

Ich weiß nicht genau, wie es kam, dass Mikesch das Sprechen erlernt hat. Vielleicht, weil Pepik immer mit ihm geredet hat. Aber was ist an der ganzen Sache eigentlich so verwunderlich? Habt ihr nicht schon mal eine Dohle oder einen Papagei sprechen hören? Warum sollte das ein Kater nicht auch erlernen? Obgleich Mikesch die Menschensprache bald fließend beherrschte, hat er doch seine Kunst niemals dazu missbraucht, jemanden zu verleumden oder zu verspotten. Stets war er höflich, und wenn man ihm einen guten Happen schenkte, bedankte er sich dafür, wie es sich gehört. Auch grüßte er jedermann anständig.

Stellt euch vor: Da geht eines Abends der Großvater Frantak an Schusters Garten vorbei und schmaucht zufrieden seine Tabakspfeife. Plötzlich hört er, wie ihm jemand mit feiner Stimme »Guten Abend, Großvater Frantak!« zuruft. Großvater stutzt und schaut sich um. Niemand zu sehen.

Aber da hört er von neuem die feine Stimme. »Ich sage: Guten Abend, Großvater Frantak!« Sie scheint aus einer der Baumkronen zu kommen. Diesmal schaut Großvater Frantak schärfer hin und schon patscht er sich fröhlich auf die Schenkel.

»Potztausend – was für ein Wunder!«, ruft er aus. »Bloß ein Kater – und grüßt freundlicher als alle Dorfjungen miteinander! So was, so was! Ein kleiner Kater – und grüßt einen wie der Herr Bürgermeister persönlich!« –

Pepik und Mikesch schliefen miteinander auf dem Backofen. Wenn Pepik am Abend hinaufkletterte, kam auch Mikesch gleich herbeigeflitzt, machte hopp! und war früher oben als Pepik. Danach kuschelte er sich zu ihm unters Federbett und schnurrte ihm zufrieden ins Ohr. Das hörte sich an, als surrte ein Spinnrad. Und vor dem Einschlafen erzählte ihm Pepik Märchen. Die hörte der Kater Mikesch fürs Leben gern.

Nur wenn Pepik mit einer Gespenstergeschichte anfing, bat er ihn:

»So was erzähle mir lieber nicht! Da muss man sich ja fürchten, wenn man nachts in der Scheune Mäuse jagt!«

Einmal hörte Pepik den alten Schneider-Großvater das Märchen vom gestiefelten Kater erzählen. Es gefiel ihm so gut, dass er an seinem Vater so lang herumbettelte, bis er auch dem Mikesch ein Paar Stiefel schusterte.

Pepik überreichte sie ihm eines schönen Tages im Winter. Da war Mikesch gerade völlig durchfroren von der Mäusejagd heimgekommen. Besonders an den Pfoten war ihm schrecklich kalt. Deshalb hatte er eine Mordsfreude, als ihm Pepik die schönen neuen Stiefel schenkte. Der Jubel war groß, aber es dauerte eine ganze Zeit, bis er in den Stiefeln richtig gehen konnte. Wie oft purzelte er kopfüber in den Schnee, bevor Pepik ihm beigebracht hatte, wie man aufrecht auf den Hinterpfoten läuft! Aber er nahm es von der lustigen Seite und lachte darüber. Übrigens brauchte er auch an den Vorderpfoten nicht mehr zu frieren, denn außer den Stiefeln hatte ihm Pepik auch noch Handschuhe besorgt, dicke Fäustlinge, wie sie die Buben tragen. Dann pantschten sie miteinander lustig auf dem Hofplatz im Schnee herum, bauten Schneeburgen und rodelten den lieben langen Tag.

Unter den Dorfkindern gab es eine große Überraschung, als Pepik seinen Mikesch eines schönen Tages auf die Eisbahn mitbrachte. Zwar hatten einige Buben gezähmte Eichhörnchen zu Hause, auch Stare, Häschen und Igel; aber das alles war nichts Besonderes. Und da kommt nun auf einmal dieser Pepik zum Dorfweiher, und dicht hinter ihm spaziert auf zwei Beinen ein schwarzer Kater, der an den Vorderpfoten warme Fäustlinge trägt und in seinen Stiefeln über das Eis stapft wie ein Alter.

Sofort kamen die Buben auf ihren Schlittschuhen von allen Seiten herbeigesaust und umringten sie.

»Nanu!«, sagte Schreiners Franta, indem er kopfschüttelnd auf Mikesch zeigte, »wer ist das denn?« Und nun stellt euch, bitte, die Gesichter der Dorfkinder vor, als ihm der Kater in aller Seelenruhe zur Antwort gab: »Ich? Ich bin Schusters Mikesch.«

Einige Kinder rannten spornstreichs mit lautem Geschrei nach Hause. »Mutter! Vater!«, riefen sie schon von weitem, »auf der Eisbahn ist Schusters Pepik mit einem Kater, der sprechen kann!«

Und sofort machten sie wieder kehrt und rannten an den Dorfweiher zurück.

»Ist er vielleicht vom Zirkus?«, wollte Schreiners Franta wissen; aber Pepik erklärte voller Stolz, er selbst habe Mikesch das Sprechen beigebracht.

Da bat ihn Franta: »Verkauf ihn mir gegen meine Mundharmonika!«

Aber Pepik hätte ihn nicht einmal gegen einen ausgewachsenen Leierkasten verkauft!

»Komm«, sagte er zu Mikesch, »ich zeig dir, wie man übers Eis schlittert.«

Es dauerte nicht lang, da tummelte sich auch Mikesch auf dem zugefrorenen Weiher. Wenn er über sein Schwänzchen stolperte, schlug er einen Purzelbaum und fegte mit seinem Fell die Eisbahn blank. Was meint ihr wohl, wie die Dorfkinder da gelacht haben! Und weil Mikesch sah, wie viel Spaß ihnen das machte und wie sie sich nur so schüttelten vor Lachen, ließ er sich fortan absichtlich jeden Augenblick auf die Nase fallen. Er tat stets so, als habe er sich tüchtig weh getan, rieb sich den Rücken und wimmerte: »Autsch, das hat weh getan! Ich glaube, Pepik, wir müssen heut Abend die alte Kräuterfrau kommen lassen, damit sie mir die blauen Flecken mit Salbe einschmiert …«

Der ganze Kerl krümmte sich zusammen wie eine Leierkastenkurbel, und so humpelte er zum Vergnügen der Kinder über den Dorfweiher.

Plötzlich aber richtete er sich starr auf. Im nächsten Augenblick streifte er die Fäustlinge von den Vorderpfoten und eins-zwei fuhr er aus den Stiefeln. Hastig stopfte er die Fäustlinge in die Stiefelschäfte, die Stiefel selbst warf er sich über die Schulter, und hast du nicht gesehen – schon saß er hoch droben auf der kahlen Pappel, die am Ufer des Weihers stand.

Es war aber auch allerhöchste Zeit! Schon kam nämlich Nachbars Karo herbeigestürzt wie der leibhaftige Teufel, und es fehlte nicht viel, da hätte er Mikesch gerade noch am Schwanz erwischt.

Karo war außer sich vor Zorn. Er bellte Mikesch etwas in der Hundesprache zu, und Mikesch antwortete ihm darauf in der Katzensprache. Aber auf einmal packte ihn die Wut, und nun schrie er den verdutzten Karo mit Menschenworten an: »Scher dich weg, du elender Köter!«

Was meint ihr, wie Nachbars Karo da erschrocken ist! Sofort hörte er auf zu bellen. Die Haare sträubten sich ihm, er klemmte den Schwanz zwischen die Beine und nahm Reißaus, dass der Schnee hinter ihm aufstob!

Als Karo verschwunden war, stieg Mikesch von seiner Pappel herunter. Er schlüpfte wieder in die Stiefel, zog die Fäustlinge an und kehrte voller Stolz auf die Eisbahn zurück. Die Kinder empfingen ihn mit lautem Jubel. Einer der Buben setzte sich den kleinen Helden auf die Schultern, und nun ging es ein paarmal im Zuckeltrab rund um den Weiher.

Wäre es nach den Kindern gegangen, dann hätten sie sich mit Mikesch bis nach Mitternacht auf der Eisbahn vergnügt. Aber es wurde allmählich Zeit zum Abendbrot. »Pepik! Mikesch! Kommt heim!«, rief auch Schusters Großmutter. Da gehorchten die beiden, und gleich nach dem Abendessen krochen sie in die Federn.

Sie waren rechtschaffen müde und durchfroren, und es dauerte nicht lang, da schnarchten sie schon. Mikesch schlief wie erschlagen, nur einmal rief er im Traum: »Scher dich weg, du elender Köter!«

Schusters Großmutter erlebt eine Überraschung

Schusters Großmutter war eine ordentliche Hausfrau. Bei ihr brauchte niemand Hunger zu leiden, jedermann bekam sein Essen rechtzeitig und reichlich. Pepik speiste am liebsten mit Mikesch an dem niedrigen Tischchen neben dem Ofen. Er lehrte ihn mit einem Löffelchen aus einer kleinen Blechschüssel essen, und es dauerte nicht lang, da aß Mikesch artiger als mancher Junge. Großmutter hatte den Kater gern, weil er höflich und folgsam war. Wenn Pepik nicht im Hause war – und sie brauchte jemand, der ihr vom Dachboden Zwiebeln, gedörrte Birnen oder Zwetschgen holte –, dann schickte sie einfach Mikesch los, und der brachte ihr alles, was sie verlangte.

So war Großmutter recht zufrieden mit ihm, und manch liebes Mal streichelte sie ihm das Fell, wenn er auf der alten quietschenden Handmühle den Kaffee mahlte und dabei vor sich hin sang:

»Es sprang der Hund übers Haberfeld,

über die grü-hüüüne Wiese!«

Aber eines Tages hat sich Großmutter wegen Mikesch ganz schön ärgern müssen! Es war um die Mittagszeit, und sie trug dem Schweinchen Paschik gerade Stampfkartoffeln mit Milch in den Stall. Sie stieß den Riegel zurück, öffnete das Türchen und beobachtete Paschik eine Weile. Dann sagte sie: »Paschik, Paschik, du gefällst mir nicht! Wirst kein bisschen dicker, bleibst dürr wie ein Zaunstecken. Woran liegt das bloß?«

Und nun stellt euch das bitte vor! Das Schweinchen Paschik wischt sich mit der Vorderpfote den Rüssel, blinzelt Großmutter aus seinen Schweinsäuglein pfiffig an – und auf einmal sagt es: »Nun ja, Großmutter, wie mir Mikesch erzählt hat, ist doch jetzt Schlanksein die große Mode!«

Schusters Großmutter blieb eine Zeitlang wie betäubt stehen. Aber dann stellte sie den Topf mit den Stampfkartoffeln energisch auf den Boden nieder, stemmte die Hände in die Hüften und rief aus: »Herr des Himmels!! Da hört aber doch alles auf! Du bist mir ein schönes Tier! Sind wir ein Zirkus oder ein ordentliches Hauswesen? Nicht genug, dass wir einen Kater haben, der sprechen kann wie ein Hanswurst – jetzt bringt dieser Pepik auch noch dem Schweinchen das Reden bei!«

Großmutter war ernstlich böse. So eine Geschichte!

»Ich würde ja gar nichts sagen, wenn ihr euch miteinander unterhaltet, von mir aus auf Türkisch oder auch in der Mohrensprache«, schimpfte sie. »Aber dass dir der Mikesch so einen Unsinn einredet, das geht zu weit! Da hast du dein Fressen … Und jetzt geh ich zum alten Gemeindehirten, dem muss ich das gleich erzählen!«

Großmutter verriegelte den Stall und lief hinaus auf den Hügel, wo in seinem hölzernen Häuschen der alte Gemeindehirt wohnte. Jetzt stand er gerade beim Zaun und striegelte seinem Ziegenbock Bobesch den langen Spitzbart. Das schien Bobesch zu zwicken, denn er meckerte immer wieder zornig auf.

Großmutter wünschte dem Hirten einen schönen guten Tag und fing gleich an ihm vorzujammern, was für Qualen sie mit ihrem Pepik auszustehen habe: »Zuerst hat er dem Kater Mikesch beigebracht in der Menschensprache zu reden, und nun auch noch dem Schweinchen Paschik! Wenn er doch lieber das Einmaleins ordentlich gelernt hätte!«

»Ja, ja«, brummte der alte Gemeindehirt. »Im ganzen Dorf erzählt man sich schon, dass Euer Pepik das Siebener-Einmaleins nicht kann!«

»Das mit dem Kater hätte ich ihm noch durchgehen lassen«, fuhr Großmutter fort. »Mögen sich die beiden getrost auf dem Ofen Geschichten erzählen! In dieser Zeit treibt Pepik wenigstens keine Dummheiten mit den anderen Jungen. Aber die Sache mit Paschik, Gevatter, die ärgert mich!«

Der Gemeindehirt machte ein finsteres Gesicht. Er stützte das Kinn in die Hand und dachte ein Weilchen nach. Dann sagte er streng: »Ist Euch Paschik etwa frech gekommen, Großmutter?«

»Das nicht gerade«, erwiderte Großmutter. »Aber guten Tag dürfte er ruhig sagen, wenn er schon sprechen kann. Doch nein, dafür kann er ja nichts, wenn es ihn niemand gelehrt hat. Aber stellt Euch vor: Mikesch hat dem Paschik eingeredet, er soll nicht dick werden, weil Schlanksein jetzt Mode sei. Sagt selbst, Gevatter: Was hab ich davon, dass Paschik sprechen kann, wenn er mir dabei mager bleibt? Ratet mir, was ich tun soll!«

Der Gemeindehirt kratzte sich eine Weile am Kinn, und dann kraulte er eine Weile den Ziegenbock Bobesch hinter den Ohren. Schließlich meinte er bedächtig:

»Zunächst, liebe Großmutter, würde ich mir den Mikesch ordentlich ins Gebet nehmen. Er soll den Paschik ja nicht mehr zu solchen Dummheiten anstiften, sonst wird er davongejagt. Und danach würde ich dem Pepik verbieten, noch weitere Haustiere in der Menschensprache zu unterrichten. Er soll lieber seine Rechtschreibregeln und das Einmaleins ordentlich lernen! Im Übrigen will ich Euch nicht erzürnen, Großmutter, aber ich finde, dass es gar nicht schlecht wäre, wenn die Tiere reden könnten. Wenn ich von den Bauern geholt werde, um nach ihrem kranken Vieh zu sehen, tut es mir jedes Mal von Herzen leid. Die armen Viecher können einem nicht sagen, wo es sie schmerzt und sticht, sondern einen nur schweigend mit traurigen Augen anschauen. Wie froh wäre ich, wenn mir solch eine kranke Kuh gleich an der Stalltür sagen könnte: ›Schön willkommen, Gevatter Hirt, wie gut, dass Sie da sind! Ich fühle mich gar nicht wohl in meiner Haut. Schon seit Tagen schmeckt mir das Essen nicht mehr, ich bin am ganzen Leib wie gerädert. Auch habe ich Magenschmerzen und Kopfweh!‹ Ja, Großmutter, wenn das so wäre, wüsste ich auf der Stelle, wie ich diese Kuh zu behandeln hätte, und brauchte nicht lang herumzurätseln.«

»Da habt Ihr auch wieder recht«, sagte Großmutter. »Mich hat es auch immer bedrückt, dass ich nicht gewusst hab, was unserm Paschik fehlt, wenn er mal nicht gefressen hat. Aber jetzt frag ich ihn einfach danach, und er sagt mir Bescheid … Also, schönen Dank, Gevatter Hirt! Jetzt gehe ich gleich zu Paschik und frage ihn, wie ihm das Mittagessen geschmeckt hat und worauf er noch Appetit hätte. Lebt wohl, Gevatter Hirt, mitsamt Eurem Ziegenbock Bobesch!«

Großmutter lief rasch nach Hause, und sie nahm es nicht weiter krumm, als sie sah, dass Mikesch gerade bei Paschik zu Besuch war und eifrig auf ihn einredete. Als er sie erblickte, wollte er rasch verschwinden, aber Großmutter winkte ihm freundlich zu, er möge bleiben. Paschik begrüßte sie höflich mit einem »Schön willkommen, Großmutter!« Dabei blinzelte er zu Mikesch hinüber, wie um zu fragen, ob er seine Sache gut gemacht habe.

»Also, erzählt euch was Gescheites«, sagte Großmutter. »Aber dass du mir unsern Paschik nie wieder zu solchem Unsinn anstiftest, Mikesch, das sag ich dir! Und du, Paschik, friss ordentlich, damit ich zufrieden sein kann mit dir! Brauchst mir nur zu sagen, was dir schmeckt, ich werde dir’s gerne geben. Und wenn nachts mal ein Dieb kommt und dich stehlen will, dann schrei kräftig um Hilfe! Da wird er sicher gleich ausreißen, der Halunke, weil er denkt, dass am Stall ein Mensch ist!«

Als Großmutter gegangen war, sagte Mikesch zu Paschik: »Ich bin froh, dass die Sache so gut abgelaufen ist! Ich hab ganz schön Angst gehabt, dass es der Pepik wegen mir mit dem Besen kriegt, weil doch ich es bin, der dir die Menschensprache beigebracht hat. Was meinst du, wie froh ich bin, dass wir zwei nun ein bisschen miteinander schwatzen können, wenn Pepik in der Schule ist. Früher konnten wir uns nicht mal guten Morgen sagen! Nur eines, Paschik: Sei höflich zur Großmutter, widersprich ihr nie und friss immer schön alles auf, was sie dir vorsetzt! Dann wird sie zufrieden sein und bestimmt nichts dagegen haben, wenn wir Freundschaft halten. So, und nun muss ich in die Scheune und nachsehen, dass die Mäuse dort keinen Unfug treiben!«

Mikesch und Paschik auf der Kirchweih

Eines schönen Sonntags räkelte sich der Kater Mikesch faul auf der Ofenbank. Hier vor dem Bratrohr lag er am allerliebsten, weil es da immer hübsch warm war und manchmal nach Braten duftete. Aber heute war Mikesch schlechter Laune. Verdrießlich knurrte er in seinen Bart:

»O diese Langweile! Ich muss doch mal nachsehen, ob Paschik schon mit seinem Mittagsschläfchen fertig ist. Wir könnten ein bisschen miteinander schwatzen.«

Mikesch sprang von der Bank, zog sich die Stiefel an (barfuß ging er jetzt überhaupt nie mehr), lief hinaus auf den Hof und ging schnurstracks zu Paschiks Stall. Er klopfte höflich bei ihm an und fragte mit leiser Stimme: »Schläfst du noch, Paschik?«

»Ach wo!«, grunzte Paschik drinnen. »Heut kann ich auf keine Art einschlafen. Ich hab schon beinah bis fünf gezählt, und zweimal hab ich mir schon das ganze Märchen von dem Schaf vorgesagt, das die Hirten auf dem Steg übern Bach treibt – aber glaubst du, ich könnte einschlafen?«

Paschik hob mit dem Rüssel die Futterklappe ein wenig hoch. »Was für ein schöner Sonntag!«, sagte er. »Ich wäre dafür, dass wir einen Ausflug machen. Meinetwegen in den Wald zum Eichelnsuchen!«

»Großartig!«, pflichtete ihm Mikesch bei. »Ich werde im Wald Eicheln sammeln, und du kletterst auf die Kiefer und holst die jungen Krähen aus dem Nest!«

»Ach, prahl nicht so schrecklich mit deinen Kletterkünsten!«, maulte Paschik, »erklär mir lieber, wohin die vielen festlich gekleideten Leute gehen!«

»Ach du liebe Zeit!«, rief Mikesch aus. »Heute ist doch in Machowitz Kirchweih! Das wäre ein Ausflug, Paschik! Am Geld soll es uns nicht fehlen. Hier kommen doch immer wieder mal Stadtleute aus Prag vorbei, und wenn ich sie höflich grüße, wundern sie sich mächtig darüber und spendieren mir ein paar Kreuzer. Nur schade, dass es so weit ist bis Machowitz, das werd ich auf meinen kurzen Beinen wohl kaum schaffen!«

»Weißt du was?«, meinte Paschik. »Ich fahre dich auf dem Schubkarren hin! Hauptsache, du hast Geld! Wie ein Graf sollst du fahren! Lauf um die Kreuzer, ich hole einstweilen den Schubkarren aus dem Schuppen.«

»Also gut!«, stimmte Mikesch freudig zu und rannte auf den Dachboden, wo er seine Kreuzer in einem alten Topf hinter einem Balken versteckt hatte. Er stopfte das Geld in die Stiefel. Dann eilte er wieder auf den Hof hinunter, um Paschik nicht warten zu lassen.

Paschik kam gerade mit dem Schubkarren aus dem Schuppen.

Er lief aufrecht auf den Hinterpfoten. Mit den Vorderpfoten hielt er die Holme des Schubkarrens fest gepackt, den Traggurt hatte er sich über die Schultern geworfen, und so rumpelte er mit dem Karren dahin wie der Taglöhner Wondrak, wenn er um Holz in den Wald ging.

Mikesch setzte sich ganz vorn auf die Karrenleiter und schon fuhren sie los. »Töff-töff«, machte Mikesch alle Augenblicke, damit sie nicht womöglich eines der alten Mütterchen über den Haufen fuhren, die nach Machowitz unterwegs waren. Gott behüte!

Die alten Mütterchen aber und die Großväter, die Buben und Mädchen riefen ihnen fröhlich zu: »Wohin des Weges, Mikesch? Auch nach Machowitz auf die Kirchweih?« Und Mikesch antwortete ihnen nicht minder fröhlich: »Na klar! Ohne uns wäre es doch in Machowitz eine halbe Sache!«

Die Wandersleute, die Mikesch schon kannten, wunderten sich nicht besonders über die seltsame Fuhre, aber die Mütterchen aus den entfernteren Dörfern flüchteten vor ihnen in den Straßengraben und starrten ihnen mit offenen Mündern nach wie einer Geistererscheinung. Das muss man gesehen haben! Ein Schweinchen fährt einen Kater, der Stiefel trägt, auf dem Schubkarren! Eine Welt ist das heutzutage! Zum Um-den-Verstand-Kommen!

Als Mikesch und Paschik in Machowitz ankamen, war der Marktplatz schon schwarz von Menschen. An den Schaukeln, den Karussellen, den Schießbuden und den Zuckerwarenständen herrschte ein solches Gewimmel, dass sich die beiden Freunde kaum durchzwängen konnten. Im Gasthof »Zum bunten Hund« stellten sie gegen ein geringes Entgelt ihren Schubkarren ein wie andere Leute ihre Kutschen, Autos und Motorräder – und heidi! auf die Kirchweih.

Kaum hatten die Verkäufer in den Marktbuden die beiden erblickt, da riefen sie ihnen auch schon von allen Seiten zu: »Kommen Sie, Herrschaften, kommen Sie! Möchten Sie nicht etwas Hübsches kaufen?« – »Na, die müssen wir jetzt was verdienen lassen!«, sagte Mikesch mit Gönnermiene und fischte seine Kreuzer aus den Stiefeln. Sich selbst kaufte er ein Paar heiße Würstchen, Paschik bekam eine saure Gurke, und als sie gespeist hatten, gingen sie hinüber zu der Schiffsschaukel.

Der Schaukelmann wunderte sich kein bisschen, als Paschik von ihm verlangte, nur ganz sachte geschaukelt zu werden. Solche Leute sind an dergleichen Wunder und Überraschungen längst gewöhnt. Der Schiffsschaukelmann zuckte nicht mit der Wimper, sondern er half Paschik beim Einsteigen und schaukelte ihn so sanft, als säße die alte Baronin von Klokotschna in der Gondel. Dafür trieb es Mikesch auf der Schaukel so toll, dass die Leute von allen Seiten herbeiliefen und ihm zuschauten. Er schaukelte, bis die Gondel am obersten Balken anstieß, dann sprang er hinaus und schlug auf dem Balken einen Purzelbaum. Als die Gondel wieder zu ihm heraufschwang, sprang er rücklings hinein und legte sich flach auf den Boden, dass die Zuschauer nur mehr sein schwarzes Schwänzchen sahen, das nach den Klängen des Leierkastens hin- und herpendelte.

Was Wunder, dass sich die Leute vor Lachen bogen! So mancher warf dem lustigen Kater ein paar Kreuzer zu, die Mikesch geschwind in die Stiefel schob.

Als sie vom Schaukeln genug hatten, gingen die beiden Freunde ein bisschen zwischen den Buden spazieren. Mikesch kaufte sich eine Mundharmonika, und Paschik bekam einen kleinen Quietschballon. Aber die Freude war nur von kurzer Dauer. Paschik wollte den Quietschballon sogleich ausprobieren, aber als er die Luft einsog, verschluckte er aus Versehen das ganze Ding. So ein Tollpatsch!

»Wie kann man sich bloß so ungeschickt anstellen!«, schimpfte Mikesch. »Soll ich dir beim nächsten Mal lieber eine Posaune kaufen, oder verschluckst du die auch?«

Aber Mikesch war ja ein guter Kerl. Er kaufte Paschik noch eine saure Gurke, und er selbst leistete sich ein zweites Paar Würstchen. Geld hatte er ja reichlich, und noch immer steckten ihm die Nachbarn und Nachbarinnen aus Holleschitz welches zu, wenn sie ihm in der Menge begegneten.

»Da hast du auch von mir ein paar Kreuzer«, hieß es dann, »geh und kauf dir was Gutes davon!«

 

Die beiden Freunde fühlten sich pudelwohl auf der Kirchweih, aber allmählich wurde es Zeit, an den Heimweg zu denken. Paschik war schon ganz unruhig.

»Lass uns endlich nach Hause fahren!«, drängte er, »Großmutter sucht uns gewiss schon im ganzen Dorf!«

Da spazierten sie ein allerletztes Mal an den Verkaufsbuden entlang, und dann eilten sie nach dem Gasthof »Zum bunten Hund«, um den Schubkarren abzuholen.

Aber der Schubkarren war verschwunden! »Tut mir furchtbar leid«, sagte die Wirtin, »jemand hat ihn mit seinem Motorrad verwechselt. Weiß der Kuckuck, wie das passieren konnte.«

»Na, hören Sie!«, schimpfte Mikesch, »das ist ja eine feine Geschichte! Irgend so ein Halunke klaut uns den schönen neuen Schubkarren und lässt uns dafür sein Motorrad da! Können Sie mir vielleicht sagen, was wir jetzt tun sollen?«

»Was ihr tun sollt?«, meinte die Wirtin. »Setzt euch drauf und fahrt heim! – Das heißt, wenn ihr auf so einem Ding überhaupt fahren könnt …«

Was blieb ihnen anderes übrig? Mikesch war zwar noch nie auf einem Motorrad gefahren, aber er hatte gut aufgepasst, wie sich die Motorradfahrer benahmen, die von Zeit zu Zeit auf der Dorfstraße vorüberbrausten. Kurz entschlossen schwang er sich in den Sattel und hieß Paschik auf den Rücksitz klettern, dann ließ er den Motor an, hupte und fuhr davon.

Sie sausten auf der Landstraße dahin, dass es nur so staubte. Mikesch war der geborene Rennfahrer. Aber Paschik, der alte Plumpsack, hockte auf dem Rücksitz wie ein Häuflein Unglück. Bald quietschte er vor Angst laut auf, bald kreischte er: »Herr, steh mir bei!« Und als Mikesch einmal wegen eines alten Weibleins plötzlich hupen musste, verlor Paschik vor Schreck das Gleichgewicht und purzelte rücklings in den Straßengraben.

Sofort stellte Mikesch den Motor ab und lief nachsehen, ob sich Paschik verletzt habe. Aber gottlob, dem war nichts passiert!

»Mit dir kann man höchstens auf einem Schusterschemel fahren!«, fauchte Mikesch, »zu was anderem taugst du nicht!« Ein Wort gab das andere, und im Handumdrehen war zwischen den beiden Freunden die schönste Streiterei im Gange.