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Kati und ihre Freundin Eva gewinnen dreitausend Kronen im Fußballtoto und beschließen nach Italien zu reisen - sehr zum Entsetzen von Katis Freund Jan, der befürchtet, seine Liebste an einen feurigen Italiener zu verlieren. Gut, dass er nicht weiß, dass es im Süden nicht nur Italiener, sondern auch sehr nette Schweden gibt! Erfrischend und unkonventionell: das zweite Abenteuer von Kati, ein früher Roman von Astrid Lindgren.
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Kati und ihre Freundin Eva gewinnen dreitausend Kronen im Fußballtoto und beschließen nach Italien zu reisen – sehr zum Entsetzen von Katis Freund Jan, der befürchtet, seine Liebste an einen feurigen Italiener zu verlieren. Gut, dass er nicht weiß, dass es im Süden nicht nur Italiener, sondern auch sehr nette Schweden gibt!
Erfrischend und unkonventionell: das zweite Abenteuer von Kati, ein früher Roman von Astrid Lindgren.
»Großartig«, sagte Jan. »Dann heiraten wir sofort.«
»Meinst du?«, sagte ich und legte den Kopf nachdenklich auf die Seite. Ich hatte ihm gerade erzählt, dass meine Tante auf und davon sei und einen alten Bewunderer in Chicago geheiratet habe. Meine Tante, mit der ich die Zweizimmerwohnung in der Kaptensgatan im fünften Stock geteilt hatte.
Jetzt war ich auf einmal Alleininhaber der kleinen Wohnung. Mehr noch: Ich war plötzlich eine gute Partie. Besser zwei Zimmer und Küche mit Kati in der Kaptensgatan als ein kleines, scheußlich möbliertes Einzelzimmer bei einer bissigen Witwe auf Kungsholm. Mit einem solchen hatte Jan sich bisher begnügen müssen, und das war nicht viel für einen jungen, viel versprechenden Architekten. Kein Wunder, dass er es großartig fand, zu mir überzusiedeln. Er redete lange und ausdauernd davon, wie großartig es werden würde. Aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass die Zweizimmerwohnung das Großartige sei, nicht ich.
Schließlich fragte ich Jan, ob er die Geschichte von dem Landwirt kenne, der ein Heiratsgesuch in die Zeitung gesetzt hatte: Junger Landwirt sucht Bekanntschaft zwecks eventueller Heirat mit Dame, die einen Traktor besitzt. Antwort mit Bild … von dem Traktor.
»Was meinst du damit?«, sagte Jan gereizt.
»Ich meine, dass du mich etwas an diesen Landwirt erinnerst.«
Das konnte Jan überhaupt nicht verstehen. »Rede keinen Unsinn, sondern zieh den Mantel an, dann können wir gleich das Aufgebot bestellen«, sagte er.
Aber da sagte ich bitter: »Oh nein, lieber Jan, ich wage es nicht, dich zu heiraten. Eines schönen Tages triffst du vielleicht eine, die drei Zimmer und Küche hat, und dann stehe ich da!«
Oje, wie wurde Jan böse! Er sagte, wenn ich so dumm sei die Liebe eines ehrlichen Mannes wegzuwerfen, dann hätte ich wirklich selbst Schuld, wenn ich eine alte Jungfer würde. Er werde mich nicht weiter belästigen.
Das tat er auch nicht. Zwei Tage lang nicht. Ich dachte in diesen zwei Tagen gründlich nach. Alte Jungfer, hatte er gesagt! Ich begann mich vorsichtig an den Gedanken zu gewöhnen. Man konnte sich einen kleinen Mops anschaffen und einige Kanarienvögel, man brauchte nicht unbedingt Jan zu haben. Ja, je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr neigte ich zu dem Mops.
Ich war zweiundzwanzig Jahre alt und war mit Jan »gegangen«, seit ich neunzehn war. Es würde so leicht sein, einfach in eine Ehe hineinzuschlittern. Aber ich wollte nicht in etwas hineinschlittern, wenn ich nicht überzeugt war, dass es das Richtige sei. Ach, wie konnte man wissen, was das Richtige war? Müsste man nicht eine Wünschelrute haben und damit alle seine Bewerber untersuchen? (Ich habe allerdings nicht mehr als einen, aber trotzdem!) Wenn die Wünschelrute dann plötzlich über einem Kopf ausschlüge, wüsste man sofort ganz sicher: Der ist es! Wer weiß, vielleicht gab es irgendwo auf der Welt einen Menschen, der ganz anders war als Jan, der nur darauf wartete, dass meine Wünschelrute ihn als den Einzigen und Richtigen bezeichnen würde. Ich bezweifelte manchmal, dass Jan der Einzige und Richtige sei. Allerdings behauptet Eva, Männer seien nur dazu da, damit man geläutert würde, und von diesem Gesichtspunkt aus war Jan ein wirklicher Fund. Jan war tatsächlich ungeheuer darauf erpicht, mich zu läutern, oder sagen wir: mich zu ändern. Er versuchte immer mich anders zu machen, als ich war. Ich durfte nicht fröhlich sein, denn dann fand Jan mich albern, und ich durfte nicht zu ernst sein, denn hinter einer kleinen, runden Mädchenstirn dürften nicht zu viele »Gedanken und Gedankensplitter« sein, behauptete er. Aber ich sollte allgemein interessiert sein, damit er über dieses und jenes mit mir sprechen könne. Er müsse über die Arbeit mit mir reden können. Über seine Arbeit natürlich, nicht über meine! Versuchte ich gelegentlich, ihm etwas von meinem spannenden Dasein als Stenotypistin in einem Anwaltsbüro zu erzählen, wurde er merklich zerstreut und es endete nur damit, dass ich seufzend sagte: »All right, reden wir lieber über Zeichnungen. Wie hattest du dir die Nordseite der Volksschule in Pyttåkra vorgestellt?«
Über dies alles grübelte ich nach während der zwei Tage, an denen Jan nichts von sich hören ließ. Da war auch noch etwas anderes. Ich war, wie schon gesagt, zweiundzwanzig Jahre alt und war bisher am Gängelband meiner Tante gegangen. Ich hatte nie ausprobiert, wie es war, selbstständig zu sein. Das Leben war voll von praktischen Einzelheiten, die ich nicht beherrschte. Man musste Steuererklärungen machen, Kleider in Mottensäcke tun und sehen können, ob ein Stück Fleisch zäh war oder nicht, und man musste darauf achten, wann die Lebensversicherung verfiel, und wissen, wie man es anfing, den ganzen Monat mit dem Wirtschaftsgeld auszukommen. Das alles hatte Tante für mich erledigt. Ich war nicht im Stande alles selbst zu erledigen. Ich musste es erst lernen. Ich konnte nicht aus Tantes Armen unmittelbar in Jans Arme wandern, da ich nun endlich einmal Gelegenheit hatte, auf eigenen Füßen zu stehen.
In feiner Weise versuchte ich Jan dies zu erklären, als wir uns wieder trafen.
»Du meinst, dass du nichts mehr von mir wissen willst«, sagte er unendlich gekränkt.
Nein, das meinte ich nicht. Hin und wieder bildete ich mir ein in ihn verliebt zu sein, hin und wieder glaubte ich jedenfalls, er sei der Einzige und Richtige. Aber ich wollte sicher sein. Ich brauchte etwas Zeit.
»Lass mir ein Jahr Zeit«, sagte ich zu Jan.
»Mach, was du willst«, sagte er übellaunig, »aber in einem Jahr kann viel passieren.«
Ich nehme an, das sollte eine Drohung sein, doch in meinen Ohren klang es wie eine Verheißung.
Nachdem Jan fortgegangen war, stand ich an meinem geöffneten Fenster und starrte gedankenvoll zu den vereinzelten Sternen auf, die den Sommernachtshimmel hinter den Häuserreihen der Kaptensgatan tüpfelten.
»In einem Jahr kann viel passieren«, sagte ich erwartungsvoll zu mir selbst.
Dann rief ich Eva an. »Willst du für ein Jahr den Junggesellenhaushalt mit mir teilen?«, fragte ich.
»Was sagst du?«
Ich wiederholte meinen Vorschlag. Es wurde ganz still im Hörer.
»Bist du noch da?«, fragte ich ungeduldig. »Warum antwortest du nicht?«
»Ich hab schon angefangen zu packen«, sagte Eva.
Eva, ja! Was soll man von Eva sagen? Sie ist blond und geschmeidig und sehr gesprächig und ziemlich schlagfertig, und dies alles plus eine gewisse Launenhaftigkeit ihres beweglichen Wesens konzentriert sich zu einer Art Aprilcharme, dem mancher arme Jüngling erliegt.
»Mit der Liebe bin ich endgültig fertig … augenblicklich«, sagte sie oft. Sie verliebte sich in einem fort, aber es ging immer rasch vorbei. Die Objekte wechselten so schnell, dass einem vom Zusehen schwindlig wurde. Während ich treu mit meinem alten Jan herumzog, wusste Eva von einem Tage zum andern nicht, wen sie auf ewig liebte.
»And if I loved you Wednesday,
well, what is that to you?
I do not love you Thursday,
so much is true«,[1]
sagte sie unbarmherzig zu dem hoffnungsvollen Knaben, der eines Donnerstagmorgens früh anrief und sie an ihre warmen Liebesworte vom Abend vorher erinnerte. Aber er hatte ja selbst Schuld, wenn er Eva vor neun Uhr anrief und ehe sie ihren Tee getrunken hatte.
Evas Wiege stand in Åmål. Mit zwanzig Jahren wanderte sie nach der Hauptstadt aus. Es muss damals in Åmål erschreckend still geworden sein!
Ich bin mit Eva im gleichen Büro und wir sind immer gut miteinander ausgekommen. Niemand anders möchte ich lieber in Tantes früherem Zimmer haben als gerade Eva, und sie war begeistert zu mir übersiedeln zu können. Seit zwei Jahren war sie in Stockholm. Während dieser zwei Jahre hatte sie an sieben verschiedenen Stellen zur Untermiete gewohnt, fast so gemütlich und behaglich wie Dreyfus auf der Teufelsinsel, behauptete sie. Im Augenblick bewohnte sie ein Zimmer in der Döbelnsgatan. Darin standen ein Bett, ein Tisch und zwei ungeheure Palmen in Kübeln. Wenn das Fenster offen war, raschelte es in den Palmblättern, dass man sich am Mittelmeer glauben könne, sagte Eva.
»Näher werde ich wohl nie an das Mittelmeer herankommen«, fügte sie hinzu.
Dann und wann nachts tauchte eine verirrte Wanze auf Evas Kopfkissen auf. Sie fing sie sofort und sperrte sie in eine besondere kleine Schachtel, die so genannte Wanzenschachtel, die sie neben dem Bett stehen hatte. Am Morgen überreichte sie dann die Wanzenschachtel regelmäßig der Wirtin, die beteuert hatte, dass kein Ungeziefer in der Wohnung sei. Der Wirtin war es gar nicht angenehm, die Wanzenschachtel zu bekommen. Sie zog den Mund zusammen und machte ein Gesicht, als habe sie den Verdacht, dass Eva eine eigene Wanzerei betreibe, dass die Schachtel eine Art Wanzen-Remonte-Stall sei, in dem Eva besonders gute Exemplare aufzog.
»Die Leiden in zwei Jahren haben mich gegen Zimmervermieterinnen rücksichtslos gemacht«, sagte Eva warnend zu mir.
»Klingt für mich sehr verheißungsvoll«, antwortete ich. »Das eine ist jedenfalls sicher: Du kommst nicht über meine Schwelle, ehe du richtig entwanzt bist!«
Schon am nächsten Abend kam sie. Erwartungsvoll und nach eigener Angabe völlig entwanzt stieg sie meine fünf Treppen hinauf, hinter ihr ein Dienstmann, der ihre irdischen Habseligkeiten trug. Ich wohne in einem alten, notdürftig modernisierten Haus, das keinen Fahrstuhl hat. Seit ich mit sechs Jahren zu meiner Tante kam, bin ich diese Treppen hinauf- und hinuntergelaufen. Es wäre eine geeignete Aufgabe für einen Statistiker, auszurechnen, wie oft ich nur auf diesen Treppen um die Erde gelaufen bin.
»Davon bist du so geschmeidig und explosiv«, sagte Eva.
Wie war es lustig an dem ersten Abend, als sie kam! Zuerst besichtigten wir die Räumlichkeiten. Das war bald getan, denn die Zweizimmerwohnung ist nicht groß. Sie ist vielmehr klein. Sie ist klein und sie liegt ganz hoch oben und ist altmodisch gemütlich, mit schrägen Wänden und Fensternischen. In dem einen Zimmer ist ein kleiner Alkoven. Und dann ist da eine Küche, mutmaßlich die kleinste Küche von ganz Östermalm.
Es ist klar, dass die Wohnung ein auffallend tantliches Gepräge hatte, ein ziemlich düsteres und steifes tantliches Gepräge, aber das wollten wir so schnell wie möglich ändern.
Wir setzten uns in eine Fensternische und machten Pläne. Aßen und machten Pläne.
Evas Eltern zu Hause in Åmål sind der Überzeugung, dass ihre kleine Tochter in der Großstadt verhungern muss, wenn sie nicht dann und wann ein Fresspaket von daheim bekommt. Sie hatte gerade heute eins bekommen, mit Hausmacherwurst, gebratenen Hühnchen und Kuchen.
Wir saßen da und aßen und mit dem Hühnerbein, das ich in der Hand hielt, veranschaulichte ich die Veränderungen, die ich vornehmen wollte.
»Luft und Licht müssen wir haben«, sagte ich und Eva nickte zustimmend.
Durch das offene Fenster hörten wir das Klappern von Schritten unten auf der Straße. Oh, nichts klingt so sommerlich! Nur im Sommer klappert es so munter auf Stockholms Straßen. Der laue Abendwind strich um unsere Stirnen und die Maiglöckchen, die in einer Vase auf dem Fensterbrett standen, sandten dann und wann betäubende Duftwellen aus. Alles war sehr schön. »Man wird heute Nacht wunderbar schlafen«, sagte Eva, »ohne Palmenrauschen und Wanzenschachtel.«
Jede Frau müsste einmal die Möglichkeit haben, sich ein eigenes Heim einzurichten, ganz unabhängig davon, ob sie heiratet oder nicht. Der ihr innewohnende Trieb, Handtücher zu säumen und kleine irdene, feuerfeste Formen zu kaufen und Spitzenstreifen an den Wandbrettern anzubringen, müsste ohne Rücksicht auf ihren Familienstand befriedigt werden.
Wie die Dinge jetzt liegen, kann ein Mädchen sich von ihrem Verlangen nach all diesen Beschäftigungen leicht zu dem Glauben verleiten lassen, in irgendeinen Unglücksmann verliebt zu sein. In irgendeinen beliebigen Mann, der ihr die Möglichkeit verschafft, ihre Einrichtungsgelüste zu befriedigen, und der ihr zugleich den Titel Frau gibt. Dieser letzte Punkt ist natürlich nicht der unwichtigste.
Ich entwickelte Eva meinen Standpunkt, wenn wir abends Vorhänge säumten.
»Der Einrichtungshang und der Hang nach dem Frauentitel haben manches Mädchen zu Fall gebracht«, sagte ich weise. »Ja, ja, es ist vielleicht gar nicht so sonderbar.«
»Na«, sagte Eva, »so schrecklich wundervoll kann es wohl doch nicht sein, plötzlich zum Beispiel Frau Johansson zu heißen. Und für den armen Johansson mag es auch nur mäßig ergötzlich sein, wenn er dahinter kommt, wie die Rangordnung der Frau ist: Zuerst kommen die Handtücher, dann kommt das Silberbesteck, dann das Kaffeeservice, dann kommt eine Weile gar nichts und schließlich kommt Johansson.«
Uns tat dieser unbekannte Herr Johansson unsagbar Leid und wir waren sehr zufrieden, weil wir so prächtige Ansichten hatten und weil wir keinen Mann zur Ehe zu drängen brauchten mit dem heimlichen Hintergedanken an gepunktete Voilegardinen. Wir hatten auch so die wunderbare Freiheit, Volants zu säumen. Und das taten wir mit Eifer. Meter für Meter.
Und nicht nur das! Wir richteten die Wohnung neu her, sodass Tante das Gesicht in strenge Falten gelegt haben würde, wenn sie es gesehen hätte. Jan half uns, mein netter, wenn auch damals etwas verbitterter Jan. Es konnte nicht so lustig für ihn sein, Abend für Abend Tapeten überzustreichen oder auf allen vieren zu liegen und Fußböden zu firnissen, wenn er die ganze Zeit daran denken musste, dass er ja an Evas Stelle hier hätte einziehen können, wenn ich nicht so störrisch gewesen wäre. Er fand mich ungewöhnlich albern und sagte mir dies auch mehr als einmal, während er mit seinem Malerpinsel energisch Tantes dunkle Wände bearbeitete. Und obwohl er Eva im Grunde gern mochte, konnte er natürlich ihre Anwesenheit in der Wohnung nicht mit besonders freundlichen Augen ansehen.
»In einem Jahr fliegst du hier raus, dass du es nur weißt«, sagte er zu ihr.
»In einem Jahr kann viel passieren«, sagte Eva. Diese Worte hörte ich zum zweiten Mal und ich zuckte in einer geheimen Erwartung zusammen, obwohl ich mir um keinen Preis hätte vorstellen können, was passieren sollte.
Aber ich schob schnell alle Gedanken an die Zukunft beiseite und konzentrierte mich darauf, Tantes altväterliches Sofa so vorteilhaft wie möglich aufzustellen und meine Bücher auf dem neuen Regal zu ordnen, das Jan uns getischlert hatte. Meine lieben, alten Bücher!
»Lies nicht so viel, Kati«, sagte Eva immer wieder. »Lebe lieber!«
Aber ihre Ermahnungen waren nutzlos. Ich war ein Bücherwurm und würde es bleiben. Das Leben in den Büchern war für mich wirklicher als das wirkliche Leben. Ich hatte, solange ich denken konnte, Bücher gesammelt und mit einer stillen inneren Freude brachte ich sie jetzt an ihrem neuen Platz unter.
Die Juniabende waren lang und hell und wir arbeiteten bis spät in die Nacht. Aber wir wurden trotzdem nicht müde – wahrscheinlich weil wir so viel Spaß hatten. Das hielt lange an. Punkt fünf setzten Eva und ich die Hauben auf unsere Schreibmaschinen, warfen den Stenogrammblock in eine Schublade, zogen die Jacken über und stürzten uns in das Gewühl der Kungsgatan.
Und so schnell die Beine uns tragen wollten, liefen wir nach Hause in unsere Wohnung. Wir ließen uns kaum Zeit zum Essen. Wir vernachlässigten auch alles andere.
Es war die Zeit der hellen Nächte. Die Zeit der gesegneten hellen Nächte. Die Absicht des lieben Gottes, als er die Stockholmer hellen Nächte machte, war sicherlich die, dass die jungen Männer und Mädchen der Stadt diese Nächte zu melancholischen Sommernachtsspaziergängen unter den Eichen des Tiergartens benutzen sollten und zu verträumten Streifzügen an den stillen, blauen Seen, Arm in Arm und fest umschlungen. Aber was taten wir? Wir säumten nur Vorhänge. Und gegen acht Uhr abends kam Jan, zunächst etwas mürrisch, etwas widerborstig, allmählich aber gepackt von der Begeisterung des Architekten, zwei kleine, dunkle, enge Mansarden in etwas zu verwandeln, was hell und geräumig wirkte und worin man atmen konnte. Um Mitternacht tranken wir Tee und besichtigten die Erfolge des Tages. Dann ging Jan nach Hause zu der Witwe auf Kungsholm, und wenn ich seine Schritte auf den Treppen verhallen hörte, wurde ich jedes Mal von Gewissensbissen befallen, aber das ging schnell vorbei.
Schließlich war alles fertig und eines schönen Abends luden wir Jan zum Einweihungsessen ein. Ich hatte entdeckt, dass es eigentlich gar nicht so schwer war, Essen zuzubereiten, wenn man sich nur genau nach dem Kochbuch richtete. Und Eva hatte angeborene kulinarische Talente.
»Das Beste an Eva sind ihre Fleischklöße«, sagte Jan und legte sich einen ganzen Haufen auf den Teller. Er sagte nicht, dass das Beste an mir meine gedämpften Morcheln seien, aber ich fand selbst, dass sie fantastisch gut schmeckten. Und auch die Stimmung war gut. Sogar Jan ließ sich mitreißen und lachte so herzhaft, dass die Fensterscheiben klirrten.
Gerade als es am allerlustigsten war, klingelte es. Ich öffnete. Vor mir stand ein wildfremder junger Mann mit fröhlichen blauen Augen und einer Laute in der Hand. Er trat auf uns zu und sagte:
»Ist das hier ein Jubel und Juchhei, liebe Freunde! Warum darf ich nie dabei sein, wenn es lustig hergeht? Und warum bekomme ich nichts zu essen?«
»Wir dachten, Sie hätten schon gegessen«, sagte ich.
»Außerdem vermuteten wir, Morcheln würden Ihnen nicht bekommen«, meinte Eva. »Übrigens: Wer sind Sie eigentlich?«
»Albert natürlich«, sagte der Blauäugige munter.
»Seit ein paar Wochen Ihr nächster Nachbar!«
»Angenehm«, sagte Eva.
»Ich sitze schon eine ganze Weile in meinem Zimmer und höre Ihnen zu«, fuhr Albert fort. »Man hört Sie alle ausgezeichnet, kann ich Ihnen versichern. Aber dann hat irgendein heimtückischer Schuft so leise gesprochen, dass ich nur noch jedes zweite Wort verstehen konnte, und dann kapiert man die Zusammenhänge nicht mehr. Da dachte ich, das Beste ist, ich komme gleich selber.«
»Unbedingt«, sagte Eva.
Nun aber war Jan zum Leben erwacht. Er musterte den Eindringling von oben bis unten, so einladend wie ein offenes Grab.
»Mit welchem Recht …«, begann er.
»Einen Augenblick, Jan«, sagte ich warnend. »Dies ist meine Wohnung und ich möchte Albert gern zu Morcheln einladen.«
»Im Namen der heiligen Nächstenliebe«, sagte Eva und holte einen vierten Teller.
»Ja, wenn Sie mich so nötigen …«, sagte Albert.
Er stellte die Laute hin und ließ sich ohne Ziererei am Tisch nieder. Er war munter, ungezwungen und laut und kümmerte sich keinen Deut darum, dass Jan anfangs etwas mürrisch war.