Katzengeister - Miriam Taskali - E-Book

Katzengeister E-Book

Miriam Taskali

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Beschreibung

Wenn aus Geisterkatzen Katzengeister werden. Die Niemandskatzen haben Miriam ungeplant zur Tierschützerin gemacht und sie hat sich dieser Aufgabe gestellt. Sie widmet sich speziell den Katzen, die von den Vereinen und Tierheimen abgelehnt werden: wilde, scheue, ängstliche Katzen, die im Tierheim keine Chance haben, die sich niemand zutraut. Es ist jedes Mal wieder spannend zu sehen, wie aus einem verängstigten fauchenden und um sich schlagenden Bündel Fell schlussendlich eine zufriedene, lebenslustige Miez wird, die sich mir in all ihren Charakterzügen offenbart. Jedes Katze ist anders, jede Geschichte ist anders: Spannend, interessant, berührend, fröhlich, abenteuerlich und traurig. Es ist alles dabei.

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Inhaltsverzeichnis

Die Geister die ich rief

Der schwierige Start ins Leben

Dreimal Power für drei

Der richtige Platz für kleine Flitzepiepen

Ende gut – noch nicht alles gut

Wenn das Leben Schicksal spielt…

Unverhofft kommt oft

Der Kater mit den schönsten Ohren

Goodbye mein Schöner

Die Reise des weißen Täubchen Timour

Wenn die Schutzengel Sonderschichten schieben

Wuselpfötchenheimat

Endstation Ponyhof?

Nächster Halt: Kindergarten

Reiseziel: Das richtige Zuhause

Fleckenpunkte Highscore

Loui und Yara

Nummer Fünf lebt – oder auch: Fünf gewinnt

Fleckenzwerge

Juno

Asiatischer Katzenschnellimbiss

Sepino von Grüneberg

Louise von Uelzen

Nikita – armes Winterkind

Anuschka – Je kälter es wird, desto wärmer muss das Herz sein

Jurik – weniger wert als Müll?

Nala – Was nach dem Tode übrigbleibt

Tierschutz ist auch Menschenhilfe

Aller Anfang ist schwer

Der einäugige Pirat und seine Crew

Nicht immer ist ein Happy End für immer

Tigergeist und Geistertiger

Pinot der Tigergeist

Tarin der Geistertiger

Nachwuchs-Rennstallgarage

Rennsemmeln am Start

Wunsch und Wirklichkeit

Cara mia

Zwei und Eins macht Vier

Zugabe

Wahnsinn kennt keine Grenzen

Befreiung

Angst essen Seelen auf

Erwachen

Ein zweites Leben

Himmel und Hölle

Vinjo

Anthejo

Suleika

Mogli wird groß

Tiger Kriss und Mariese

Eisbär Narik

Black Cian

Otto ohne Chance

Knubbel und Piri – Traumpaar mit Schwierigkeiten

Lani und die kleinen Teufel

Arcana und Suko

Kleine Sira

Die Seuche

Das Leben danach

Eine Zukunft für die Überlebenden

Ein Leben lang …

Guck mal wer da spricht …

Basic Instinkt

Komm her – geh weg

Was mein ist, ist mein und was dein ist, ist auch mein – oder nicht?

Wenn Blicke töten können

Katzen sind wie Kartoffelchips …

Die Qual der Wahl

Hau den Lukas oder Leben im Knast?

Das Moderationsteam geht auf Sendung

Katzengruppe gut – alles gut

Die Geister die ich rief

Eine Geisterzeichnung ist bei einfarbigen Katzen eine genetisch vorhandene Zeichnung, die aufgrund der Einfarbigkeit aber nicht sichtbar ist. Unter direktem Sonnenlicht kann sie jedoch durchscheinen und sichtbar werden.

Die scheuen Streunerkatzen leben oft wie Geister: still, leise, heimlich – unsichtbar.

Und genauso ist auch ihr Wesen nicht sichtbar – verborgen hinter der Fassade der Instinkte, die ihr Leben bestimmen, immer weiter getrieben im Überlebenskampf. Wer bei Streunerkatzen an harmonische Bilder von glücklich im Feld stromernden Katzen denkt, hat noch nie einen von Hunger, Krankheit und Revierkämpfen gezeichneten sterbenden Streuner von ebensolchem Feld aufgelesen … und noch nie erlebt, wie glücklich diese Tiere sind, wenn sie endlich zur Ruhe kommen dürfen, einen sicheren Platz und regelmäßige Nahrung bekommen. Da werden selbst alte völlig zerfetzte Haudegen wieder zu kleinen Katzenkindern, die gurrend und übermütig das Bällchen durch die Gegend kicken…

Genauso wie unter Licht eine scheinbar nicht vorhandene Zeichnung sichtbar werden kann, kann eine scheinbar unsichtbare Streunerkatze im Licht plötzlich sichtbar werden – und ebenso ihr eigentliches Wesen, was sie im Überlebenskampf nie ausleben durfte.

Dieses Wesen hervorzuholen, ihnen die Chance zu geben so zu sein, wie sie wären, wenn das Schicksal anders entschieden hätte und sie nicht draußen hätten leben müssen, darum geht es mir. Diese Tiere haben sich ihr Schicksal nicht ausgesucht, sind entweder draußen geboren oder wurden aus irgendwelchen Gründen ausgesetzt. Es hat niemand gefragt, ob sie so leben wollen – ihnen bleibt nichts anderes übrig. Der Mensch hat ihnen den Platz zugewiesen und sie dazu verurteilt ein Geist zu sein, will sie nicht sehen, nicht wahrnehmen. Ich möchte sie ins Licht holen und lasse sie ihren Geist zeichnen

Es sind wunderschöne Bilder … schaut nur mal hin!

Der schwierige Start ins Leben

„Die Kleinen sind geboren! Ich habe gerade das Nest gefunden, sie liegen im Ziegenstall ganz hinten in der Ecke in einem Wandloch, sie sind erst ein paar Stunden alt, es sind fünf.“ Meine in Portugal auf einer Ziegenfarm lebende Schwester war am Telefon völlig aufgeregt.

Wir wussten ja, dass das bevorstehen würde. Letztes Jahr waren ihr zwei wilde Katzenmamis zugelaufen und hatten in ihrem Ziegenstall ihre Babys zur Welt gebracht. Wir hatten im Herbst in einer aufregenden Aktion vier Kitten zu mir nach Deutschland geholt. Eine Mami hatte sie einfangen und kastrieren lassen können, aber die andere hatte sich nach dem Wegfangen der Kleinen nicht mehr in der Nähe ihres Hofes blicken lassen. Somit war klar, dass wir darauf warten mussten, bis sie im Frühling erneut trächtig bei ihr ankam, um sie dann über die Kleinen einfangen zu können. Nun war es also soweit. Es war abgesprochen, dass die Kleinen dann auch zu mir kommen würden zum Vermitteln. Sie selbst hatte schon genug Katzen zu versorgen und in Portugal kleine Kätzchen vermitteln zu wollen, war aussichtslos. Ich hatte eigentlich gerade eine Pflegekatzenpause eingelegt, aber da ich ja wusste, dass die Aktion anstehen würde, war meine Pause dadurch zeitlich begrenzt.

„Drei Kleine sind so Creme-weiß, wie Siamkatzen“, erzählte sie weiter “Eins ist dunkel-grau getigert und eins hellgrau getigert mit weiß.“ „Oh, da hat dann wohl diesmal ein Siam-Papa mitgespielt und nicht der Langhaarkater wie beim letzten Mal. Die Cremefarbenen lassen sich bestimmt gut vermitteln.“, freute ich mich.

Ein paar Tage später rief sie wieder an, sie weinte: „Ein Kleines ist tot, eins der Cremefarbenen, es war ein Mädchen. Sie lag tot im Nest, ihr kleines Cremefarbenes Brüderchen saß schreiend daneben und die Mami kümmert sich nicht mehr. Die anderen hat sie anscheinend weggeschleppt, ich weiß nicht wohin, es regnet in Strömen. Das Kleine, was sie zurückgelassen hat, habe ich jetzt reingeholt und versuche es mit Ziegenmilch zu füttern. Es will nicht richtig trinken, ich bin völlig verzweifelt. Ich habe schon ein paar Mal zurückgelassene Kitten mit Ziegenmilch durchbekommen, aber der Kleine will einfach nicht trinken…“

Ich war auch traurig. Wie gern hätte ich das kleine Creme-Mädchen im Sommer hier gehabt. Ich hoffte so sehr, dass sie wenigstens das kleine Katerchen durchbekommen würde.

Zwei Tage später meldete sie sich wieder: „Der Kleine lebt noch, auch wenn er nicht richtig trinken möchte. Ich hatte zwischendurch das Nest gefunden und nun hat sie sie wieder verschleppt und wieder ein Kleines zurückgelassen. Es saß schreiend im Regen. Ich hab‘s jetzt mit reingeholt und zu dem anderen gesetzt. Es ist das letzte Cremefarbene, auch ein Katerchen. Er ist zwar kleiner als die anderen, aber fit und agil. Vielleicht rappelt sich der andere dann jetzt auch, wenn er nicht mehr alleine ist.“ Ich hoffte so sehr, dass sie Recht hatte.

Ein paar Tage später kam leider ihre traurige Nachricht: „Das Katerchen, was nicht trinken wollte, hat‘s nicht geschafft. Aber dem letzten Cremefarbenen und den anderen beiden Kleinen geht’s gut. Ich habe den Anderen jetzt wieder zur Mama zurückgesetzt und sie hat ihn auch wieder angenommen. Allerdings ist sie mit den Kleinen noch mehrfach umgezogen. Ich muss da echt aufpassen und darf nicht zu oft gucken gehen, sonst verschleppt sie sie wieder. Ich versuch sie jetzt so gut es geht in Ruhe zu lassen, bis die Kleinen selbstständig futtern können.“

Armes kleines Katerchen … geboren um zu sterben … Das war echt eine schwierige Situation. Schaute sie nach, dann schleppte die Mami die Kleinen weg, überließ sie sie sich selbst, dann konnte sie nicht eingreifen, falls sie wieder eins zurückließ. Hoffentlich würden jetzt die Übrigen drei es wenigstens schaffen.

Und tatsächlich kamen die drei trotz aller Widrigkeiten durch. Schließlich meldete sich meine Schwester mit der guten Nachricht, dass sie nun selbstständig fraßen und die Mama mit den Kleinen auch zurück in den Stall gezogen war. Nun wurde es Zeit die Mama einzufangen. Sie gewöhnte die kleine Familie daran in einer großen Hundebox zu futtern und machte die Box einfach eines Abends zu. Am nächsten Morgen holte sie ganz vorsichtig die Kleinen aus der Box und brachte die Mama zur Kastration. Sie überstand die Kastration gut und war schnell wieder fit.

Das Wichtigste war geschafft, nun würde es keinen ungewollten Nachwuchs mehr geben. Die drei Kleinen hatten sich durch das Füttern im Stall gut an die Menschennähe gewöhnt und waren recht zahm, die konnte sie dann beizeiten für ihre Reise nach Deutschland einfach greifen. Doch noch waren sie zu klein um die Reise anzutreten. Meine Schwester berichtete, dass der cremeweiße Kater wahrscheinlich seine blauen Augen behalten würde. Bei den anderen beiden hatten sich die Augen bereits umgefärbt, aber bei ihm nicht. Das Grautigerchen war auch ein Kater und das Hellgraue mit weiß ein Mädchen.

Doch zu glauben, dass nun für alle alles gut werden würde, war leider falsch …

Meine Schwester war am Telefon völlig fertig, ihre Stimme zitterte: „Ich muss dir was erzählen, der Tag heute ... Ich fass es selbst noch nicht … die Kleine, das Mädchen war bei ihren Erkundungsrunden scheinbar zu forsch, sie war in die Ziegentränke gefallen und nicht mehr herausgekommen.“ Mir stockte der Atem. „Als ich sie entdeckte war ich mir sicher, dass sie tot ist. Ich habe sie rausgefischt, sie hatte keine Lebenszeichen mehr und war eiskalt. Ich habe völlig verzweifelt auf dem kleinen kalten Körperchen herumgerubbelt …“ Sie schluchzte und mir schossen die Tränen in die Augen. „Ich habe einfach immer weiter gerubbelt und weiter und weiter und weiter … und plötzlich fing die Kleine ganz vorsichtig an sich wieder zu regen. Voller Hoffnung habe ich weiter gemacht und sie an meinem Körper gewärmt, eine Stunde lang. Und dann war sie wieder richtig wach. Sie läuft jetzt noch etwas taumlig, die Hinterpfoten wollten nicht so ganz - doch sie lebt!“

Ich atmete auf und mir fielen Felsbrocken vom Herzen. „Oh man, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll … Du hast ihr das Leben gerettet! Bitte beobachte sie gut und halt mich bitte auf dem Laufenden, wie es ihr geht. „

„Ja, das mache ich. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich es schaffe, dass sie es schafft. Es ist unglaublich!“

Sie berichtete, dass nach und nach das taumelige Laufen besser wurde, bis man schließlich kaum noch etwas merkte. Die Kleine war nicht nur dem Tod nochmal von der Schippe gesprungen, sondern schien auch keine schlimmen Spätfolgen davongetragen zu haben. Da hatte ein Schutzengel ganze Arbeit geleistet.

Nach allem, was meine Schwester nun mit den Kleinen durchlebt hatte, hing sie doch sehr an ihnen und so grübelte sie, ob sie sie nicht doch bei sich behalten wollte.

Doch gerade die Sache mit der Ziegentränke hatte gezeigt, dass so ein Hof nicht unbedingt der richtige Ort für kleine neugierige und lebhafte Katzenkinder war. Auch war ja nicht sicher, ob nicht doch bei den kleinen Sorgenkindern Schäden zurückgeblieben waren, dann würde ihnen das in der rauen Hofwelt sicher bald zum Verhängnis werden. Von daher entschied sie sich gegen ihr Herz und für den Verstand: die Kleinen sollten zu mir reisen und so die Chance auf ein gut behütetes Leben bekommen.

Die Frage war nur: wie sollten sie zu mir kommen? Meine Schwester hatte schon länger überlegt mal wieder nach Deutschland zu reisen. Der Grund war jedoch nicht unbedingt, dass sie einen Besuch abstatten wollte, für einfach nur aus Spaß zu reisen war nicht das Geld da. Sondern, sie brauchte in ihrer Ziegenzucht frisches Blut in der Linie und es gab in Deutschland eine gute Züchterin ihrer bevorzugten Ziegenrasse, die auch Tiere ins Ausland verkaufte. Als eine Portugiesische Freundin ebenfalls bei dieser Ziegenzüchterin einkaufen wollte, wurde aus der Idee feste Planung. Meine Schwester würde im Sommer mit ihrer Freundin in deren Kleintransporter nach Deutschland fahren und bei der Züchterin Ziegen einkaufen und mit diesen wieder zurückfahren. Da bot es sich an, die drei kleinen Kätzchen auf dem Hinweg mitzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt wären sie auch genau im richtigen Alter, sodass sie vorher noch die notwendige Tollwutimpfung bekommen konnten.

Das Einfangen für Impfung und Chippen war diesmal kein Problem, da die Kleinen recht zahm waren und sich einfach greifen ließen. Es klappte auch alles gut und die Kleinen waren somit rechtzeitig reisefertig. Meine Schwester berichtete, dass die drei recht klein für ihr Alter und etwas verschnupft seien, aber lebhaft und sehr agil. Ich war gespannt, was mich erwartete.

Die Fahrt zu mir dauerte insgesamt fast drei Tage. Die Kleinen lebten in der Zeit in einer Box. In den Fahrtpausen durften sie im Transporter herumlaufen und bekamen Futter und Trinken, doch während der Fahrt mussten sie in der Box bleiben. Es war heiß, das Auto hatte keine Klimaanlage und sie standen zeitweilig im Stau. Für die Kleinen war das Ganze eine immense Tortur. Doch sie waren zäh und hielten tapfer durch.

Ich bereitete das Gäste-WC für ihre Ankunft vor und wusste nicht, worauf ich mich mehr freute: auf die Kleinen oder auf das Wiedersehen mit meiner Schwester.

Spät abends kamen sie dann endlich an. Ich schnappte mir die Box und entließ die Kleinen endlich aus ihrem Gefängnis. Sie tapsten aus der Box und kuschelten sich erschöpft in das Deckenlager auf dem Boden. Ich erschrak beim Anblick dieser kleinen Wesen: das waren keine Kätzchen, das waren lebende Totenköpfe mit Fell. Die kleinen Körperchen waren winzig für die vier Monate, die sie ja gesichert alt waren, sie sahen aus wie zehn Wochen alt. Die Köpfe wirkten gegen die winzigen Körperchen riesig, und die Äuglein, die mich erschöpft anblinzelten, waren zugeklebt vom Schnupfen. Ich war sprachlos.

So sehr ich mich über die Kleinen gefreut hatte, so erschrocken war ich nun. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich kannte kleinwüchsige und schnupfige Kätzchen, aber diese waren mehr als das, sie waren komplett unterernährt und schienen dem Tod näher als dem Leben. Mein Magen wurde ganz flau und ich schloss die Badtür mit dem Gedanken, dass ich nicht wusste, ob diese Geschichte gut ausgehen würde …

Dreimal Power für drei

„Wie konnte es dazu kommen?“, fragte ich meine Schwester. „Sie haben bis zum Schluss bei der Mama getrunken, deshalb habe ich nicht so viel zugefüttert, weil ich nach allem, was war, Angst hatte, dass sie sie wieder mit fortnimmt. Und da sie ja noch bei Mama genuckelt haben, bin ich davon ausgegangen, dass sie genug Nahrung bekommen. Aber anscheinend hatte sie nicht mehr genug Milch. Ich hatte auch wahnsinnig viel um die Ohren gehabt und mir deshalb die Kleinen nie so genau angeschaut. Die sind da immer wie die Wilden rumgeflitzt und waren fit ohne Ende, deshalb wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es ihnen nicht gut geht. Erst jetzt als ich sie für die Fahrt einfing, habe ich gesehen, dass irgendwas nicht stimmt. Ich hatte dann jetzt auch Angst, dass sie die Fahrt nicht überstehen, aber sie da zu lassen wäre genauso falsch gewesen, denn die Zeit zu schauen, was los ist und sie zu päppeln habe ich ja nun mal nicht.“

Ich seufzte. Einerseits verstand ich sie, ich wusste ja durch meine Besuche bei ihr, dass ihr Leben mit Unserem hier nicht zu vergleichen ist und sie wirklich für so etwas keine Zeit hat. Keine Zeit bei ihr heißt nicht, dass sie dann auf ihren gemütlichen Abend vor dem Kamin oder ähnliches verzichten müsste, sondern keine Zeit heißt, dass sie nicht schlafen dürfte. Ihr Leben dort ist sehr ursprünglich, verlangt unglaublich viel ab und hat mit unserem bequemen Leben mit geregelten Arbeitszeiten nichts gemein. Andererseits waren aber auch diese Kätzchen Lebewesen, die genauso ein Recht auf Leben hatten, wie ihre Ziegen, auch wenn sie nutzlos waren und nicht wie die Ziegen ihr Einkommen sicherten. Böse war ich ihr deshalb nicht, aber trotzdem hätte es einfach nicht soweit kommen dürfen.

Aber es war nun, wie es war und ich würde mein Bestes geben, um die Kleinen aufzupäppeln.

Ich wusste, dass ich jetzt mit allem ganz vorsichtig vorgehen musste. Zu oft hatte ich von geretteten Kitten gelesen und gehört, die zwar unterernährt, aber topfit aufgelesen wurden und dann beim Finder mit dem besten Futter und mit Parasitenmitteln versorgt wurden, daraufhin zusammenklappten und starben. Ich hatte mich oft gefragt, wieso sie dann nicht schon vorher starben, sondern erst in Menschenhand. Doch rein logisch betrachtet ist das nicht verwunderlich. Der kleine Körper hat gelernt mit der Mangelernährung umzugehen und alles auf Sparflamme heruntergefahren, um trotz der wenigen Nährstoffe das Überleben gewährleisten zu können. So funktionierte das System eine Zeitlang gut.

Wenn jetzt plötzlich der Körper mit Nährstoffen und mit Chemie zugeschüttet wurde, dann konnte er das gar nicht verstoffwechseln und brach unter dieser Überforderung zusammen.

Also würde ich hier Schritt für Schritt vorgehen müssen, um den Stoffwechsel langsam wieder hochzufahren.

Sie bekamen erstmal keine Parasitenmittel und nichts, sondern nur Futter, davon auch das billige und auch keine Unmengen, sondern mehrere kleinere Mahlzeiten am Tag. Auch wollte ich ihnen kein Antibiotikum gegen den Schnupfen geben lassen, sondern nur Homöopathische Mittel wie Engystol, Mucosa und Lysin. Dann besorgte ich mir von meinem Tierarzt ein Entwurmungsmittel für ganz kleine Kitten. Das war eine Paste, die nach Gewicht dosiert wurde und die man für eine volle Entwurmung dreimal hintereinander geben musste. Davon wollte ich ihnen erstmal nur zweimal geben, um so nur eine Teilentwurmung zu bewirken. Damit würde der Körper entlastet werden, ohne durch die Menge an toten Würmern im Darm und die Menge an Chemie wieder zu sehr belastet zu werden. Eine richtige Entwurmung und auch eine Entflohung konnte später erfolgen, wenn sie fit waren. Für die verklebten Augen bekam ich von meiner Tierärztin Antibiotische Augentropfen.

Nach und nach wollte ich die Futtermenge und die Futterqualität hochsetzen.

Ich hoffte, dass mein Plan aufgehen würde und ich die Kitten so schrittweise wieder auf ein normales Stoffwechsel-Level bringen und päppeln konnte, ohne das System zum Kippen zu bringen.

Nachdem die Kleinen die erste Zeit tief und fest durchgeschlafen und sich so vom Fahrtstress erholt hatten, zeigten sie, dass meine Schwester Recht gehabt hatte: sie turnten munter durchs Bad, probierten sämtliche Spielzeuge aus und waren im Verhalten nicht einen Deut die armen sterbenskranken Kitten, nach denen sie aussahen. Das ließ Hoffnung in mir aufkeimen, auch wenn ich ja wusste, dass die ganze Situation sehr instabil und trügerisch sein konnte.

Der kleine Grautiger war der größte, gesundeste und fitteste der drei. Bei ihm hatte ich ein gutes Gefühl und war mir recht sicher, dass ich ihn durchkriegen würde. Er war super verschmust und rollte sich gurrend vor mir hin und her beim Streicheln. Ich nannte ihn Nadir.

Das Hellgrautiger-Mädchen mit weiß war sehr klein und zart, aber fit. Von ihrer Behinderung aufgrund des Unfalls merkte man nichts mehr. Sie war schmusig, ganz sanft und lieb. Ihre Augen waren verklebt, aber man konnte jetzt schon sehen, dass es wunderschöne, große grüne Augen waren. Ich nannte sie in Anlehnung an ihre Halbschwester Cinza, die ich mit der vorherigen Truppe hier gehabt hatte, Cinia.

Am meisten Sorgen machte mir der cremeweiße Siam. Er war der Kleinste und hatte einen stark geblähten Bauch und seine Augen waren so zugeschwollen, dass er kaum noch was sehen konnte. Er war auch der ruhigste und schüchternste. Ich säuberte ihm ab und an die Augen mit warmem Wasser und da drunter kamen tatsächlich tiefblaue Augen zum Vorschein. Bei ihm hatte ich echt Angst, ob er es schaffen würde. Ich nannte ihn Kitoh.

Für die Wurmkuren wog ich die drei mit meiner Küchenwaage, um die richtige Menge zu nehmen und keine Überdosis zu verabreichen: Nadir hatte 1100 Gramm, Cinia 980 Gramm und Kitoh gerademal 910 Gramm.

Normalerweise wiegen vier Monate alte Kitten um die zwei Kilo … Sie futterten wie verrückt und ließen nicht einen Krümel übrig, waren weiterhin munter und agil. Von daher wuchs meine Hoffnung, dass doch noch schöne große Kätzchen aus ihnen werden konnten.

Da sie auch Matschekot hatten, ließ ich einen Giardien-Schnelltest machen, der aber negativ ausfiel. Später stellte sich dann jedoch noch heraus, dass sie tatsächlich Giardien hatten.

Je besser es ihnen ging, desto lebhafter wurden sie und das Bad wurde bald zu klein. Vor allem Cinia war so flink, dass ich es nicht schaffte ins Bad zu gehen, ohne, dass sie mir rausflutschte. Sie ließ sich zwar immer problemlos wieder einfangen und zurücksetzen, aber es zeigte, dass sie bald mehr Platz bräuchten. Da die Kleinen zahm waren, ließ ich sie öfter mal aus dem Bad in den Flur und darin herumtoben. Dann rannten und flitzten sie fröhlich umher, dass es eine Freude war.

Nadir entwickelte sich immer mehr zu einem richtigen Katerchen, bis auf, dass er etwas klein war, sah man ihm nichts mehr an. Cinias Augen waren noch etwas gerötet am Rand, aber nicht mehr verklebt. So langsam konnte man sehen, was für eine hübsche Maus das mal werden würde. Und Kitoh ging es auch sichtlich besser. Seine Augen waren zwar noch oft verklebt, aber nicht mehr dauerhaft geschlossen. Er wurde auch immer munterer.

Auch die Ausscheidungen wurden sichtlich besser, so dass ich die Futtermenge und die Qualität deutlich erhöhen konnte. Die Nährstoffaufnahme schien wieder gut zu funktionieren und der Stoffwechsel kam auf Touren. Die drei waren über die schwierige Phase hinweg. Nun konnte ich endlich mit richtigen Parasitenmitteln gegen alles, was sie noch so mitgebracht hatten, vorgehen.

Da die drei zahm waren, fragte ich meinen Sohn, ob er Lust hätte die Mäuse in seinem Zimmer zu beherbergen. Er hatte schon öfter Jungkatzen bis zur Vermittlung bei sich im Zimmer gehabt und ihm machte es Spaß mit ihnen zu spielen und zu kuscheln. Da die drei nun fit und parasitenfrei waren, sah ich keinen Grund mehr sie noch im Bad festzuhalten. Sie brauchten dringend mehr Platz zum Toben. Ihm gefiel die Idee und ich setzte sie nach oben in sein Zimmer.

Nun konnten sie endlich zeigen, was in ihnen steckte. Es wurde ohne Ende geflitzt, gespielt, gekugelt, gerauft, versteckt und gelauert - und: gekuschelt! Die Bande war derart lebhaft und flink, das war sagenhaft.

Nadir war in seiner Art recht ausgeglichen und mit sich und seiner Welt zufrieden. Er tobte herum, als wisse er, dass sowieso immer alles gut war. Wenn jemand Zeit für ihn hatte, dann kuschelte er, rollte sich dabei kugelnd auf dem Boden hin und her, hatte man keine Zeit, dann wurden die Spielzeuge oder seine Geschwister malträtiert. Ein absoluter Sonnenschein, der immer gute Laune hatte.

Cinia entpuppte sich als kleine Klettermaus, sie war überall oben drauf zu finden, überall musste sie herum rumbalancieren und gucken, ob man nicht doch hochkam. Sie zeigte sich nun als absolute Pattexkatze, kein Schritt, ohne die Maus bei Fuß zu haben, ständig wuselte sie um einen herum. Besonders faszinierend war auch ihre Schnelligkeit mit der sie Bällchen spielte und vor allem um den kleinen Roundabout tobte. Das war ein kleiner Plastikkreisel, in dem ein Ball steckte und durch die Lücken im Plastik konnte die Katze den Ball in dem Kreisel hin und her schubsen. Während sie damit spielte, hüpfte sie im Kreis um das Spielzeug herum und das mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Ich war fasziniert von dieser zarten Puppe mit ihren großen Augen und den flinksten Pfötchen, die ich je gesehen hatte.

Auch Kitoh zeigte nun, was in ihm steckte: er wurde richtig frech und hüpfte mit Freude auf seine Geschwister oder biss sie von hinten in die Hinterbeine. Seine Augen waren nun fast gut, dass eine tränte noch etwas, aber das andere erstrahlte nun in einem tiefen Stahlblau. Doch er war noch sehr babyhaft und sensibel. Er ließ sich schnell verunsichern, wenn etwas nicht wie gewohnt ablief und wenn er kuschelte, dann versank er komplett in sich und wurde zu einem winzig kleinen Kitten.

Alle drei hatten sich zu lebhaften Tobeflitzekitten entwickelt, die zwar für ihr Alter etwas klein waren, aber das dafür mit umso mehr Power ausglichen.

Ich war sehr froh sie bei mir zu haben, denn nun hatten sie alle Chancen auf ein sorgenfreies, behütetes Leben.

Der richtige Platz für kleine Flitzepiepen

Da sich die Kleinen so toll entwickelt hatten, konnte ich nun über die spätere Vermittlung nachdenken.

Kitoh hatte wegen seiner blauen Augen sofort Anfragen gehabt. Ich hatte alle gestoppt, da ich keine Katze reservieren wollte, von der ich noch nicht mal wusste, ob sie überhaupt überleben würde. Nun war nicht nur das sicher, sondern ich konnte auch etwas über seinen Charakter sagen. Und zu der einen Anfrage passte er von der Beschreibung her sehr gut: dort wurde eine Tobekumpel für einen Siam-Thai-Kater gesucht. Die Frau hatte Kitohs gesamte Entwicklung im Forum von Anfang an verfolgt, wusste also, dass er einen schwierigen Start ins Leben gehabt hatte und war bereits schwer verliebt. Und so sagte ich ihr zu. Der Umzugstermin sollte allerdings erst in ein paar Wochen sein, wenn er wirklich gesund sein würde.

Nadir hatte nicht den Vorteil der besonderen Optik und deshalb nicht gleich Interessenten die Schlange standen, aber ich war mir sicher, dass er schnell etwas finden würde, denn er war wahnsinnig charmant. Als eine gute Bekannte mir einen spontanen Besuch abstattete, zeigte ich ihr die Kleinen und sie kam ins Grübeln. Sie hatte einen älteren Siamkater in Einzelhaltung und ich redete seit längerem schon auf sie ein, ihm Gesellschaft zu besorgen. Beim Anblick der kleinen Mini-Siams bekam nun dieser Gedanke Konturen und am Ende des Tages stand fest, dass wir mit Nadir einen Versuch starten wollten. Sie hatte keine Ahnung wie ihr Kater auf andere Katzen reagieren würde und Nadir war in seiner Art so ein lieb-selbstbewusster Sonnenschein, dass ich mir sicher war, dass er so einen Versuch gut verkraften würde. In zwei Wochen würde ich mit dem Kleinen zu ihr fahren und schauen, wie ihr Kater auf ihn reagierte. Sollte es klappen, dann konnte er bleiben, ansonsten würde ich ihn eben wieder zurücknehmen und wir wüssten dann, dass ihr Kater besser allein bleiben sollte.

Cinia hatte noch keine Interessenten und ich wusste auch noch nicht so ganz, wie das neue Zuhause aussehen sollte. Einerseits war sie lebhaft und agil, aber andererseits hatte ich noch Angst, ob sich nicht doch noch Folgen der Fast-Tod-Erfahrung zeigen würden. Bei ihr wollte ich deshalb noch abwarten. Auch schnupfte sie immer noch etwas. Doch dann meldete sich jemand aus dem Forum, der sie gern als Katzenzuwachs haben würde. Er hatte ihre Geschichte mit verfolgt und wusste somit, dass man noch ein Auge auf sie haben sollte, also sagte ich zu. Da es auf dem Weg in Kitohs neues Zuhause lag, würde ich beide auf einer Tour wegbringen können.

Damit waren alle drei reserviert und ich brauchte sie nur noch auszugsfertig machen. Als erstes standen noch Tests auf FIV und Leukose (FelV) aus und Nadir sollte auch gleich seine Erstimpfung bekommen.

Das Blutabnehmen überstanden alle drei ohne Probleme und die Tests fielen wie erwartet negativ aus. Doch auch Nadir konnte noch nicht geimpft werden, da er doch noch etwas verschleimt war. Also vertagten wir das nochmal um eine Woche und ich gab auch Nadir wieder das Engystol fürs Immunsystem.

Als ich mir die Fotos vom Anfang ansah, fiel mir auf, wieviel die drei schon gewachsen waren. Sie waren immer noch klein, aber wirkten jetzt wie richtige Katzen und nicht mehr wie Zwerge. Ein Wiegen zeigte dann auch, dass meine Sinne mich nicht getrügt hatten: sie hatten ihr Gewicht innerhalb eines Monats verdoppelt.

Während ich die Umzüge plante, meldete sich Cinias Interessent. Er hatte selbst zwei Kitten gefunden und war nun vollends mit dem Päppeln dieser Kleinen beschäftigt. Da war weder Zeit noch Platz für einen geplanten Zuwachs. Er bat mich deshalb die Reservierung für Cinia wieder aufzuheben.

Die kleine Maus wusste davon nichts und flitzte weiter fröhlich durch das Kinderzimmer. Mir war bei ihr aber aufgefallen, dass sie irgendwie anders war. Von der Bewegungskoordination her merkte man ihr von ihrer Vorgeschichte überhaupt nichts an, sie war superflink und ihre Bewegungen waren dabei nicht hektisch, sondern grazil und feingliedrig.

Aber mental war sie, als wenn sie in ihrer eigenen Welt lebte. Sie konnte gut hören, aber wenn sie spielte war sie so in sich versunken, dass sie nichts mehr um sich herum wahrzunehmen schien. Da stellte sich für mich die Frage: war das eine Folge des Unfalls? Oder war es eher umgekehrt: war der Unfall passiert, weil sie so war? Jedenfalls zeigte es mir, dass sie keinen Freigang bekommen sollte, da sonst die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Unfalls zu groß wäre.

Schließlich verschwanden auch die letzten Schnupfensymptome und alle drei konnten geimpft werden. Nach den Impfungen zeigten sich wieder leichte Anzeichen, Nadir nieste ab und an und Kitohs Äuglein wurden an den Rändern wieder rot, aber sie waren weiterhin fit und so konnten die Auszüge zumindest von Nadir und Kitoh wie geplant stattfinden. Cinia sollte nicht allein bleiben und da ich bereits neue junge Katzen aufgenommen hatte, die bei mir im Schlafzimmer lebten, wollte ich sie dann ins Schlafzimmer setzen.

Doch kurz bevor der große Tag für die zwei anderen kommen sollte, meldete sich jemand bei mir aus der Nähe, die eine Zweitkatze suchte und Cinia dafür ins Auge gefasst hatte. Sie wollte morgens am Tag von Kitohs Auszug zu mir kommen und Cinia kennenlernen und sollten wir beide der Meinung sein, dass es das richtige für die kleine Maus war, würde sie auch gleich ausziehen.

Aber zuerst stand der Sozialpartnertest bei dem Siam meiner Bekannten Barbara mit Nadir an. Ich brachte den Kleinen hin und noch bevor ich ihn aus der Box lassen konnte, kam der Siam an und beschnüffelte die Box.

Als ich das Türchen öffnete kam Nadir vorsichtig heraus, der Siam schnüffelte ihn ab und gurrte. Barbara hatte ihren Kater noch nie zuvor gurren gehört und fragte mich, was das für ein Ton sei. Nadir antwortete entsprechend und so liefen die beiden vom ersten Tag an gurrend hintereinander her. Mit dieser Reaktion hatte nun keiner gerechnet und obwohl wir Bedenken hatten, dass der Kleine zu lebhaft für den älteren Siam sein könnte, war damit klar, dass Nadir bleiben würde.

Am nächsten Morgen kam Cinias Interessentin und war von der kleinen Maus völlig verzaubert. Ihre Katze war zwar auch schon älter, aber noch sehr lebhaft und sie hatte eine große Wohnung mit vernetzter Dachterrasse und somit genug ungefährliche Rennfläche zum Austoben, so dass wir entschieden es zu probieren. Und so nahm sie Cinia gleich mit. Danach schnappte ich mir Kitoh und fuhr mit ihm in sein neues Zuhause zu seinem neuen Thai-Kater-Kumpel.

Ende gut – noch nicht alles gut

Damit hätte die Geschichte dieser kleinen Portugiesengruppe eigentlich sehr schnell mit einem Happy End zu Ende sein können, doch dem war leider nicht ganz so wie erhofft.

Kitoh ging es in seinem neuen Zuhause gut. Er brauchte zwar etwas um aufzutauen, hatte dann doch noch ziemlich mit seinen gesundheitlichen Baustellen zu tun und auch bis die beiden Kater sich so richtig grün waren dauerte etwas, doch die Leute kämpften sich durch, bis alles gut lief. Kitoh wurde super anhänglich, war immer da, wo sein Frauchen war, er war ihr Seelenkater und alle super glücklich.

Nadir und sein neuer älterer Kumpel hingen viel zusammen und auch wenn es dem älteren Herrn manchmal zu viel war, was der kleine Knirps so trieb, so war der Gewinn der Gesellschaft doch größer als der Stress.

Barbara war froh auch mal ein paar Stunden Freizeit woanders verbringen zu können, ohne dem Kater gegenüber ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, da er ja nicht mehr allein, sondern beschäftigt war. Sie erzählte, dass Nadir ein herzallerliebstes kleines Kerlchen sei, der für seine Bällchen irrsinnige Sprünge absolvierte und diese dann auch wie ein Hund apportierte. Er sei nie böse und habe immer gute Laune, egal, was man mit ihm machte. Auch wenn er zu jung war, so war er doch das richtige Katerchen zu dieser Zeit dort.

Doch bei Cinia lief es ganz schlecht. Die andere Katze griff Cinias sofort massiv an, so dass die sonst so taffe Tobemaus völlig verängstigt in einer Ecke saß. Wir überlegten noch, ob man es vielleicht mit einer langsamen Zusammenführung mit Gittertür hinbiegen könnte, doch das hätte für die kleine soziale Motte bedeutet, dass sie eine längere Zeit allein in einem Zimmer separiert verbringen müsste und das hätte ihr nicht gutgetan. Und so holte ich die Maus nach nur zwei Tagen wieder ab und setzte sie bei mir ins Schlafzimmer, wo bereits ein kleines Katzenmädchen ihre Unterkunft hatte. Yara war eine ehemalige Hofkatze, etwas jünger als Cinia und super lieb zu anderen Katzen. Cinia brauchte ein paar Tage, bis sie wieder die alte war, doch schon bald rannten die beiden um die Wette. Cinia fühlte sich wieder sichtlich wohl.

Durch diese Kurzvermittlung war aber in Cinia trotzdem etwas passiert.

Sie wirkte nicht mehr so abwesend und „fern ab von dieser Welt“, sondern war nun richtig wach und präsent. Sie war zwar immer noch ein wildes Tobemäuschen, doch im Innern irgendwie mehr angekommen und ein Stück weit erwachsener geworden.

Aber ihre neue Freundin Yara war bereits reserviert und sollte bald ausziehen. Und so bekam Cinia eine neue Aufgabe: im Katzenraum lebten bereits zwei kleine acht Wochen alte Katzenkinderchen. Noch war ihre Mutter bei ihnen, doch die war super scheu und sollte nach ihrer Kastra wieder auf den Pferdehof zurück, wo sie herkam. Dort würde sie in Zukunft weiterhin gut versorgt werden. Durch ihre Scheuheit hatte sie ihren Kleinen bereits die Angst vor den Menschen anerzogen und so musste die kleine Familie vorzeitig getrennt werden, damit die Kleinen noch gut zu zähmen sein würden. Sie sollten aber nicht allein durch diese schwere Zeit gehen müssen, Cinia sollte den Part der „Ersatzmama“ übernehmen. Ich setzte die Kleinen also zu Cinia ins Schlafzimmer und hoffte, dass das eine gute Sache werden würde. Cinia erfüllte ihre Aufgabe mehr als nur gut, sie ging förmlich darin auf. Sie bemutterte und putzte die Kleinen, dass es eine Freude war. Da sie das so gut machte und so glücklich darin wirkte, setzte ich zu der kleinen „Familie“ noch zwei weitere Kitten im gleichen Alter von einem anderen Hof mit demselben Schicksal. Auch diese beiden Kleinen nahm sie unter ihre Fittiche und kümmerte sich um sie.

Irgendwann fiel mir auf, dass Cinia am Bauch wunde Stellen hatte. Bei einem Tierarztbesuch nahm ich sie mit und ließ das anschauen. Das Ergebnis der Untersuchung rührte mich fast zu Tränen: Cinia hatte wunde Brustwarzen, da sie die Kleinen daran nuckeln ließ! So wichtig war ihr also ihre Aufgabe, dass sie sich ganz und gar komplett in die Mutterrolle reingefunden hatte – mit allen Konsequenzen.

Sie war selbst kaum größer als die Kitten - sie war im Gegenzug zu ihren Brüdern kaum gewachsen -, selbst noch ein Jungtier und noch nicht mal Geschlechtsreif, aber nun zog sie mit aller Konsequenz Katzenkinder groß.

Damit sie aber nicht verlernte selbst Katzenkind zu sein, ließ ich sie immer mal wieder zu den anderen Pflegekatzen im Katzenraum. Dort tummelten sich die älteren Jungtiere der zweiten Hofkatzengruppe. Mit ihnen konnte Cinia unter Gleichaltrigen wieder selbst Kind sein und mit ihnen rumtoben. Doch meist hatte sie nach einer Weile genug und wollte wieder aus dem Raum und zu „ihren“ Kleinen.

Sie liebte es, wenn wir Besuch hatten und es trubelig war, selbst Menschenbabys und Kinder fand sie toll. Ich konnte sie mir daher gut als Familienkatze in einer Familie mit kleinen Kindern vorstellen. Das würde ihr sicher gut gefallen. Doch irgendwie tat sich nichts für sie, kein Platz schien richtig zu passen und keine Familie die gerade eine Katze suchte, war weit und breit in Sicht.

Damit Cinia nicht wirklich selbst noch Mama wurde, wurde es nun Zeit für ihre Kastration. Ich hatte es bewusst so weit wie möglich herausgezögert, da sie körperlich nach ihrer Vorgeschichte doch arg hinterherhinkte. Auch hatte ich bei ihr Angst vor der Narkose. Ich wusste nicht, ob durch die Nah-Tod-Geschichte nicht doch Gehirnbereiche bei ihr beschädigt worden waren, die man vielleicht im Alltag nicht merkte, aber dann durch eine Narkose wieder gefährdet wären. Die Angst, dass sie vielleicht aus der Narkose nicht wieder aufwachen würde, steckte fest in mir.

Ich besprach mich deshalb mit meiner Tierärztin. Sie versuchte mich zwar zu beruhigen, da sie nicht glaubte, dass da noch was übrig geblieben sei an Schäden, aber sie riet mir zu einer Überwachung der Lebensfunktionen am Monitor während der Narkose. Dann könnte man zur Not schnell eingreifen.

Ich stimmte dem zu und brachte die kleine Maus mit klopfendem Herzen zum vereinbarten Kastrationstermin. Doch meine Angst war umsonst gewesen. Die Maus war die ganze Zeit über stabil und überstand alles gut. Am Abend hatte sie noch etwas damit zu kämpfen ihre Temperatur zu halten, ihr war sichtlich kalt und ich bettete sie auf ein Wärmekissen, wo sie ihre Narkosenachwehen ausschlief.

Am nächsten Tag war sie schon wieder fast die Alte und malträtierte ihre Kullerbahn.

Und dann endlich entdeckte eine Familie Cinias Annonce. Sie waren nach dem Tod ihres einen Katers auf der Suche nach neuer Gesellschaft für den verwaisten Kater. Da sie gerade ein Baby bekommen hatten, war das nicht einfach, da viele Leute ihnen deshalb ihre Katze nicht geben wollten. Für Cinia perfekt und so sollte die Süße nun endlich ihre eigene Familie bekommen. Ich brachte sie selbst dorthin. Die Familie war eine ganz Liebe und nach einigen Anfangsproblemen mit gesundheitlichen Baustellen und Zusammenführungsschwierigkeiten wurden alle ein tolles Familienteam.

Nun hatten also alle drei nach einem schwierigen Start ins Leben IHR Leben gefunden.

Wenn das Leben Schicksal spielt…

Doch manchmal ist das Leben nicht fair und spielt einem übel mit. So erging es Barbara zwei Jahre nach Nadirs Einzug in ihr Leben. Sie musste privat einen heftigen Schicksalsschlag einstecken und hatte aufgrund dessen kaum noch Zeit und Kraft für die Katzen. Als dann der ältere Siamkater krank wurde und mehr Ruhe brauchte und wollte, musste sie einsehen, dass sie in dieser Situation nicht mehr allen gerecht werden konnte. Schweren Herzens fragte sie mich, ob ich Nadir zurücknehmen könnte. Er litt sehr darunter, dass weder sein Katerkumpel noch seine Menschen ausgiebig mit ihm Spielen konnten. Ich sagte sofort zu. Wenn ich ihr schon nicht bei ihren anderen Problemen helfen konnte, so konnte ich ihr wenigstens diese Sorge abnehmen. Sie weinte als sie mir Nadir brachte und ich versprach ihr ihm ein Traumzuhause zu suchen. Das tat ich dann auch – Nadir hat sein neues tolles Zuhause bekommen.

Aber dazu mehr später, denn das ist Teil einer anderen Geschichte …

Unverhofft kommt oft

Bevor die kleinen Portugiesen zu mir kamen, genoss ich den Sommer ohne Pflegis sehr. Endlich musste ich mal nicht ständig für irgendjemand da sein, sondern konnte mich in den Tag hineintreiben lassen, spontane Verabredungen treffen und auch mal ein langes Wochenende wegfahren, ohne mir Sorgen machen zu müssen, was zu Hause los war.

Einfach normal leben wie andere Menschen auch. Doch immer, wenn ich an dem Katzenraum vorbeiging, war es, als fehlte da etwas. Niemand schaute mich mit großen fragenden Augen an, kein Laut war zu hören, keine Bewegung. Irgendwie war mein Haus ohne Pflegis doch nicht dasselbe. Ich wusste ja, dass die Pflegekatzenpause nur vorübergehend sein würde, da ja die frisch geborenen Portugiesenkitten in einigen Wochen zu mir kommen sollten. Und insgeheim freute ich mich darauf, dass dann wieder Leben im Katzenraum Einzug halten würde.

Ich lag gerade dösend in der Sonne, als mein Handy klingelte. Meine Freundin Rosie rief an.

„Ähm – ich brauch deine Hilfe. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

„Was ist los?“

„Du weißt doch, dass ich im Gemeinschaftsgarten meines Wohnblocks eine wildlebende Katze habe, die seit Jahren von den Nachbarn gefüttert wird und die ich einfangen wollte.“

„Ja – und hast du sie?“

„Nein. Das ist ja das Problem – statt ihrer sitzt eine andere Katze in der Falle! Ich denke es ist ein Kater. Ich weiß nicht wo der herkommt. Meine Nachbarn kennen ihn auch nicht. Die Nachbarin, die füttert, meinte, dass die wilde Katze letztes Jahr Babys großgezogen hatte und davon ein Kater eine Zeitlang auch noch bei ihr immer mit gefuttert hat. Sie vermutet, dass das dieser Sohn ist, sie hatte ihn aber lange nicht mehr gesehen.“

„Hm – und wie kann ich dir da helfen?“

„Naja – ich weiß jetzt einfach nicht, was ich tun soll. Soll ich ihn einfach wieder rauslassen? Ich will ja auch keinen fremden Nachbarskater festhalten. Aber andersherum – wenn es doch der Sohn der Wilden ist, dann wäre es doof ihn jetzt wieder unkastriert rauszulassen. Nochmal fange ich ihn dann bestimmt nicht. Also was soll ich machen?“ „Normalerweise würde ich sagen: ab zum Tierarzt und gucken, ob das Miez irgendwie gekennzeichnet ist und ob kastriert oder nicht – und dann entscheiden. Aber am Sonntag ist das natürlich schwierig.“

„Hm – hier in der Nähe gibt es eine 24 Stunden Tierklinik. Ich komme nur ohne Auto da nicht hin.“

„Okay, pass auf: ich komm zu dir und schau mir das Miez mal an und dann entscheiden wir gemeinsam, was wir machen.“

„Super, danke!“

Rosie hatte die Falle mit dem Kater nach oben in ihr Bad gebracht. Wir gingen ins Bad und zogen die Decke von der Falle. Der Kater sah uns ängstlich, aber auch neugierig an, kein Fauchen, kein Wegducken. Es war ein stattlicher Tiger. Wir setzten ihn in eine Box um und fuhren zusammen in die Tierklinik. Dort schilderten wir unser Anliegen und der Süße wurde kurz angeschaut. Er war unkastriert und nicht gechipt. Somit waren wir uns nun sicher, dass es der vermisste Sohn der wilden Katze war. Da er sich so friedlich verhielt, wäre es schade ihn wieder rauszusetzen und so nahm ich ihn mit zu mir. Er sollte seine Chance auf ein Leben als geliebter und umsorgter Menschenkater bekommen. Die wilde Mama fing Rosie dann ein paar Tage später ein. Sie war hochträchtig und durfte auf einer speziellen Pflegestelle für Mamas und Kitten ihre Kleinen großziehen. Danach kam sie zurück in ihre alte Heimat. Die Nachbarin, die sie immer gefüttert hatte, hatte sie so vermisst, dass sie sie als eigene Katze mit Zugang zur Wohnung behalten wollte.

Der Kater mit den schönsten Ohren

Ich taufte den Kater Vincent. Er war wunderschön, groß und schlank, das Tigermuster eher hell und verwaschen, ein zuckersüßes Gesicht mit großen schönen Augen. Aber am schönsten fand ich seine Ohren. Ich hatte noch nie so hübsche Ohren bei einer Katze gesehen, sie waren ganz spitz zulaufend und etwas sichelartig leicht nach innen gebogen, mit ganz kleinen Haarpinseln oben drauf.

Anfangs tat sich Vincent jedoch mit der Gefangenschaft schwer, kam nicht von seinem Safe-Platz herunter, fraß nicht. Ich probierte alles Mögliche, stellte ihm diverse Futtersorten direkt hin, aber nichts half. Er leckte nicht einmal daran. Schließlich stellte ich ihm ein Töpfchen mit Katzenmilch vor die Nase und wärmte ihm das Futter an, damit es stärker roch. Damit brach der Bann endlich. Nachdem er die Milch getrunken hatte, fraß er endlich auch das Futter.

Es wurde dringend Zeit für die Kastration, der Raum stank wie ein Pumakäfig. Er überstand die Kastra gut und der Test zeigte, dass er FIV und FelV negativ war. Nun konnte ich mich in aller Ruhe der Zähmung widmen.

Er machte sich sehr gut, war zwar ängstlich, aber nicht aggressiv, blinzelte mit mir. Selbst vor der Hand hatte er keine echte Panik, wich nur etwas zurück, wenn ich sie ihm hinhielt,. Er schien ein ganz friedliches Wesen zu haben. Tag für Tag taute er mehr auf, ich durfte ihn vorsichtig streicheln und er fing an nachts zu spielen. Aber er war sichtlich einsam, daher wurde es Zeit für die Gittertür. So konnte er wenigstens durch das Gitter Kontakt zu meinen Katzen aufnehmen.

Dabei zeigte er sich zwar an den Katzen sehr interessiert, aber auch sehr selbstbewusst – halt ein echter Kater.

Schließlich genoss er das Streicheln richtig, mit Köpfchen gegendrücken und schnurren. Er bekam seine erste Impfung und ich inserierte ihn.

Damit Vincent nicht weiter so einsam war, beschloss ich ihm Ausgangszeiten aus dem Katzenraum zu geben, wenn die schwierigen Katzen meiner Gruppe draußen am Stromern waren. Anfangs erkundete er die Räume noch vorsichtig, aber bald schon lief er freudig herum und genoss den vielen Platz zum Rennen. Dabei freundete er sich ein bisschen mit meiner Naruna an und die beiden spielten Fangen. Er zeigte sich bei allem, was er tat, zwar sehr selbstbewusst, aber auch sehr gelehrig.

Bezüglich der Vermittlung platzten immer alle Optionen wie Seifenblasen. Es schien, als wenn dieser wunderschöne Kerl auf ein besonderes Zuhause wartete.

Da ich einen weiteren jungen Kater als Pflegetier aufgenommen hatte, der soweit war, dass ich ihn mit anderen Katzen zusammenbringen konnte, sollte Vincent nun Gesellschaft in seinem Raum bekommen.

Dann wäre er wenigstens beschäftigt und nicht mehr so allein. Die Zusammenführung der beiden gestaltete sich etwas schwieriger, da der kleine Timour ebenso ein selbstbewusstes Katerchen war. Deshalb forcierte ich immer wieder kleine Treffen auf neutralem Boden außerhalb der jeweiligen Räume, bis sie sich soweit gegenseitig abgecheckt hatten, dass ich es wagte, sie gemeinsam im Katzenraum zu lassen.

Vorher bekam Vincent aber noch seine zweite Impfung. Ich dachte, dass er danach etwas Schmollen würde und ein paar Tage brauchen würde, bis ich ihn wieder streicheln durfte, aber dem war nicht so. Er war sofort wieder gut drauf, war sichtlich froh wieder in seinem bekannten Raum zu sein und ich durfte ihn gleich wieder streicheln.

Nachdem nun Timour mit im Raum war, ging die Party richtig los. Sie tobten und sprangen gemeinsam durch die Gegend, jagten sich

gegenseitig den Catwalk hoch und wieder runter. Vincent blühte sichtlich auf.

Endlich meldete sich ein Interessent für Vincent. Jemand suchte für seinen Kater einen Tobekumpel. Der Kater hatte zwar Freigang, aber irgendwie schien ihm doch etwas zu fehlen. Die Leute kamen zu Besuch und der Mann durfte Vincent sogar vorsichtig streicheln. Sie wollten ihn sofort mitnehmen und so fing ich den Süßen ein und wir fuhren zusammen zu ihnen nach Hause. Dort versteckte er sich unter einem Tisch. Sein zukünftiger Tobekumpel war von der Größe und Statur her wie Vincent, das würde gut passen.

Vincent lebte sich schnell gut ein, noch am selben Abend durfte der Mann mit ihm schmusen. Auch die Kater wurden ein Dream-Team, das zusammen tobte, balgte und draußen rumstromerte. Vincent war in seinem persönlichen Glück angekommen.

Goodbye mein Schöner

Vincent entfernte sich nie weit vom Hof. Während sein Kumpel gern mal weiter lief, blieb er lieber in der Nähe. Zu sehr genoss er es nun ein Zuhause zu haben und dazu zu gehören.

Umso alarmierender war es, dass er nach zwei Jahren eines morgens nicht mehr nach Hause kam. Die Besitzer suchten überall, hingen Zettel aus, liefen rufend durch die Gegend, aber sie fanden ihn nicht. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens gab es vor dem Haus eine Baustelle. Es wurden neue Abwasserrohre verlegt. Von Anfang an hatte ich den Verdacht, dass irgendetwas auf der Baustelle passiert sein könnte. Ich vermutete, dass er sich vielleicht durch die Bauarbeiten erschreckt und weiter weg gelaufen sein konnte. Deshalb hoffte ich, dass er irgendwann irgendwo wieder aufgefunden werden würde.

Einige Monate später gab es Probleme in dem Abwassersystem. Es wurde schließlich eine stark verweste Katzenleiche aus dem Rohr gezogen. Die Besitzer machten den schweren Gang und schauten sich die Überreste an. Zu erkennen war nichts mehr, aber die Größe des Gerippes passte …

Zwei Jahre durfte Vincent glücklich sein, zwei wunderschöne Jahre voller Spaß, Freude und Liebe.

Vincent - du schöner Kater mit den schönsten Ohren, du bist unvergessen.

Die Reise des weißen Täubchen Timour

Rosie hatte schon lange meine Tierschutzarbeit gut gefunden und durch die Einfangsaktion von Vincent und seiner Mutter war nun der Bann gebrochen, auch selbst aktiv sein zu wollen. Sie hatte die beiden nicht selbst aufnehmen können, da sie in ein paar Wochen später nach Spanien zu einer Freundin in den Urlaub fliegen wollte. Doch bekanntermaßen gab es in den südlichen Ländern ein ebenso großes Problem mit wildlebenden Katzen. Und so entkam sie dem auch dort nicht.

Ihre spanische Freundin hatte eine Gruppe Jungkatzen entdeckt, die wild auf einem Parkplatz dahinvegetierten – darunter auch zwei schneeweiße Katerchen. Diesen beiden ging es sehr schlecht, sie vermutete, dass sie taub waren und daher draußen nicht zurechtkamen. Nachdem eins der beiden verschwunden war, machte sie sich große Sorgen um das Zweite und fing den Kleinen ein. Er war scheu, taub und das Testergebnis ergab dazu noch FIV positiv. Damit hatte er in Spanien keine Chance - weder draußen zu überleben noch auf eine Vermittlung.

Rosie hatte ihrer Freundin zugesagt, eine der Jungkatzen als Pflegekatze mit nach Deutschland zu nehmen und sie dann hier zu vermitteln, doch einen scheuen tauben Kater traute sie sich nicht zu. Und so fragte sie mich, ob ich ihn vielleicht nehmen könnte. Beim Anblick des Fotos des Kleinen so ganz verloren draußen mitten im Gebüsch konnte ich nicht anders und sagte zu. Und so flog Rosie mit zwei Katzen im Gepäck zurück: ein kleines zahmes Tigermädel für sich selbst als Pflegemiez und den weißen Kater für mich.

Ich hatte das Gäste-WC für ihn zu Anfang vorbereitet, da er noch verschnupft war. Als er aus der Transportbox kam erschrak ich, wie klein er war – und doch wunderschön. Ganz zart und feingliedrig und er hatte zwei verschiedene Augenfarben: ein Auge war grün und eins blau. Das nennt sich odd-eyes und ist sehr selten. Aber leider sind diese Katzen oft taub. Ich nannte ihn Timour.

Und entgegen aller Angaben war Timour überhaupt nicht scheu, sondern lag bereits kurz nach seiner Ankunft schnurrend bei mir im Schoß. Auch seinen Charakter zeigte er praktisch sofort, in dem er noch am selben Abend sämtliches Spielzeug ausprobierte und dabei wie wild durch den kleinen Raum flitzte. Eingewöhnungsprobleme schien er nicht zu kennen.

Wegen seines Schnupfens hatte er in Spanien bereits mehrfach Antibiotikum bekommen. Doch seine Augen waren noch immer leicht entzündet und er schnorchelte etwas beim Atmen. Ich wollte aber erst warten, bis er sich etwas eingewöhnt hatte, bevor ich ihn wieder zum Tierarzt schleppte. Deshalb gab ich ihm homöopathische und pflanzliche Mittel zur Unterstützung. Und tatsächlich schlug es gut an. Seine Augen sahen nach ein paar Tagen etwas besser aus und auch das Schnorcheln wurde weniger.

Durch seine lebhafte Art wurde ihm das Bad schnell zu klein. Ich überlegte, wie ich ihm mehr Platz verschaffen konnte. So lange er noch nicht gesund war, wollte ich ihn nicht mit anderen Katzen zusammenbringen. Tagsüber nutzten meine Katzen mein Schlafzimmer nicht, aber nachts kamen sie zu mir ins Bett und das wollte ich ihnen auch nicht nehmen. Und so sperrte ich tagsüber mein Schlafzimmer für meine Katzen und setzte den Kleinen dorthinein, abends musste er dann zurück ins Bad. So konnte er sich beim Spielen den Tag über austoben und nachts dann im kleinen Bad ausschlafen.

Er nahm dieses Hin- und Hersetzen auch überhaupt nicht krumm und freute sich jedes Mal im Schlafzimmer herumtoben zu dürfen, genauso wie er sich dann nachts friedlich im Bad einkuschelte. Er war komplett mit sich und seiner Welt zufrieden. Auch war er trotz seiner Lebhaftigkeit nicht laut. Taube Katzen neigen oft zu sehr lautem Miauen, da sie ja ihre eigene Stimme nicht hören können. Aber er miaute nicht oft und wenn, dann auch nur in normaler Lautstärke.

An sich hätte er mit dieser Art und Weise eigentlich ein sehr einfaches Kätzchen sein können, doch seine Lebhaftigkeit und Neugier war mehr als nur das, es grenzte an Hyperaktivität. Er kam mir vor wie so ein vorwitziges Kindergartenkind, dass zwar an sich alles richtig und den Erwachsenen recht machen wollte, aber die Regeln noch nicht begriffen hatte und deshalb mit seiner überschießenden Energie gern mal über die Stränge schlug. So lang man ihn einregelte, war er der liebste Kater der Welt, aber wenn man einmal anfing mit ihm richtig rumzutoben kannte er keine Grenzen mehr, wollte immer mehr und gönnte sich keine Pause.

Dabei war er aber in seiner Art so lieb und wie ein Kind voller enthusiastischem Staunen, dass es einfach nur süß war. Er bekam deshalb von mir den Spitznamen Wuselpfötchen. Und mit dieser charmant-frechen Art eroberte er auch sofort ein paar Freundinnen, die zu mir zu Besuch kamen. Doch leider konnte keine von ihnen derzeit eine weitere Katze aufnehmen. Aber sie schwärmten noch lange nach dem Besuch von dem kleinen weißen Irrwisch.

Gesundheitlich ging es ihm auch immer besser, doch noch hatte er immer wieder tageweise kleine Schnupfenschübe mit Niesen, so dass ich mich noch nicht traute ihn mit anderen Katzen zu vergesellschaften. Und das führte zu einem Platzproblem, da ich das Gäste-WC für neue Pflegis als Quarantäne brauchte. Ich grübelte lange hin und her. Im Tierschutz gab es oft das Problem, dass man mehr Neuzugänge als Räume hatte.

Und so kannte ich es von vielen Vereinen, dass in solchen Fällen Kitten und Jungtieren für ein paar Tage in Käfigen untergebracht wurden. Ich hatte mir aus dem Grund als möglichen Notplatz auch schon vor einiger Zeit einen größeren Kaninchenkäfig besorgt, in den ein Katzenklo, ein Schlaf- und ein Futterplatz reinpassten. Da Timour ja nur ein Nachtlager benötigte und jede Art von Einregeln gut akzeptierte, entschied ich ihn nachts einfach in den Käfig zu setzen. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste wo ich den Käfig hinstellen sollte. Im Schlafzimmer war zu wenig Platz und in den anderen Räumen würde er mir tagsüber dann im Weg stehen. Irgendwann fiel mein Blick auf meinen Kleiderschrank. Dort lag das Wuselpfötchen gern mal oben drauf und der Schrank war genauso groß wie der Käfig. Ich probierte es aus und hievte den Käfig auf den Schrank. Es passte perfekt. Mit einem Stuhl konnte ich wunderbar an die Käfigöffnungen kommen, um ihn rein und raus zu holen und den Käfig zu säubern. Und so bekam Timour einen vorübergehenden luftigen Schlafplatz.

Er gewöhnte sich auch daran sofort, schlief bereits in der 2. Nacht seelenruhig durch und wenn er morgens wach wurde, dann weckte er mich mit Miauen und bat so um Auslass aus seinem Nachtlager. Er begeisterte mich sehr mit seiner zwar frechen, aber doch gelehrigen Art.

Sein Schnupfen wurde immer besser, deshalb plante ich nun ihn mit dem einsamen Vincent zu vergesellschaften. Da aber beides freche Kater waren, wollte ich es langsam angehen lassen. Da Timour den Käfig als seinen Platz so problemlos akzeptierte, war der Plan ihn erstmal nur im Käfig in den Raum zu setzen. So konnten die beiden sich am Gitter kennenlernen ohne sich etwas tun zu können.

Das klappte gut und die beiden beäugten sich friedlich. Tagsüber in meiner Anwesenheit ließ ich Timour aus dem Käfig. Und da zeigte sich, dass mein Vorgehen richtig war. Denn Timour hüpfte in seiner Distanzlosigkeit sofort auf Vincent los um mit ihm zu spielen, was der als Angriff wertete und einen wilden Kampfgesang anstimmte. Auf mein Zwischengehen stürmten aber beide sofort auseinander und Timour ging artig in seinen Käfig zurück. Den Käfig hatte er insgesamt als seinen Platz voll akzeptiert. Wenn er im Katzenraum herumlaufen durfte, fand er es nicht toll, dass er mich durch die Gittertür zwar sehen, aber nicht zu mir kommen konnte. Er weinte dann am Gitter und versuchte irgendwie durchzuklettern. Da das nicht klappte, ging er zurück in den Käfig und legte sich dort schlafen. Das tat mir schon sehr leid, da es fast eine Art Resignation war. Doch anders ging es nun mal nicht.

Er war aber auch sonst sehr gelehrig und so übte ich mit ihm eine Zeichensprache ein, um ihn besser lenken zu können. Er lernte zuerst, dass ein auf den Boden klopfen „komm her“ und ein hochgehaltener Zeigefinger „Stopp“ bzw. „Warte“ hieß. Er lernte es recht fix, wollte aber natürlich Katzentypisch nicht immer horchen – vor allem das Warten fand er doof und ignorierte das Zeichen gern mal. Aber er bemühte sich sehr und wenn ich nachdrücklicher wurde, dann folgte er auch.

Mit Vincent freundete er sich Schritt für Schritt an und schließlich rannten sie zusammen um die Wette. Endlich hatte der freche Wutz einen ebenbürtigen Freund.

Wenn die Schutzengel Sonderschichten schieben

Nachdem Vincent vermittelt war, holte ich Timour wieder ins Schlafzimmer. Im Katzenraum wäre er auf Dauer zu allein gewesen. Er hatte mittlerweile den Umgang mit anderen Katzen so gut gelernt, dass ich ihn unter Aufsicht mit meinen Katzen mitlaufen lassen konnte. So wurde das Schlafzimmer sein Hauptzimmer, er konnte nachts mit mir Kuscheln und tagsüber ließ ich ihn aus dem Zimmer, wenn ich dabei war.

Meine Katzen waren zwar nicht unbedingt begeistert, akzeptierten das kleine Wusel aber stillschweigend.

Er genoss die Nähe nachts zu mir sichtlich, schlief auf meiner Brust und beim Kuscheln kroch er förmlich in mich rein. Es fiel ihm aber merklich schwer seine Pfötchen still zu halten. Kaum war er wach, mussten die Pfötchen irgendwo an mir herum wuseln. Besonders liebte er es meine Halskette zu fangen. Das war zwar niedlich, tat aber ziemlich weh, wenn er mir dabei in den Ausschnitt krallte und zwickte.

Da er nun gesundheitlich dauerhaft stabil war, wurde es Zeit für seine Impfung. Beim Tierarzt zeigte sich wieder sein besonderer Charakter. Er wollte unbedingt aus der Box und so holte ich ihn raus und nahm ihn auf den Schoß. Das fand er total toll, lag glücklich auf mir und beobachtete interessiert alles um sich herum. Auch im Untersuchungszimmer war er völlig tiefenentspannt, fand es super spannend sich alles anzugucken und flirtete sofort mit allen Menschen. Er wirkte in dieser Situation entspannter und zufriedener als zu Hause. Die vielen Eindrücke ließen ihn seine Taubheit vergessen und lasteten ihn endlich mal richtig aus.

Dabei ließ ich ihn gleich nochmal nachtesten. Und der Schnelltest zeigte erstaunlicherweise FelV und FIV negativ an. Eventuell war er also gar kein Fivie, sondern der erste Test falsch positiv. Also sollte er mit einem Western-Blot-test nachgetestet werden.

Einige Tage später ging ich morgens wie immer zur Arbeit. Ich fühlte mich zwar etwas kränklich und angeschlagen, aber nicht so schlimm krank, dass ich zu Hause bleiben wollte. Doch als ich im Auto saß und ein Teil der Strecke gefahren war, hatte ich irgendwie ein ungutes Gefühl in mir. Ich konnte nicht sagen was es war, was mich so wirklich dazu bewog, doch ich drehte, fuhr nach Hause zurück und meldete mich krank. Als ich die Tür zum Schlafzimmer öffnete kam mir nicht wie sonst ein weißer Wuselblitz freudig entgegengesprungen. Es war seltsam still im Schlafzimmer. Timour lag im Bett und sah ... seltsam aus ... wirkte irgendwie abwesend. Er sah mich unverwandt an, stand ganz langsam auf, schwankte auf mich zu und auf halber Strecke fing er an zu brechen.

Es kam ein riesiger Strahl vorne und zeitgleich ebenso hinten als Durchfallkot raus. Das ganze kleine Katerchen erbebte und schien sich zeitgleich allem was in ihm war auf einmal zu entledigen. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich stürmte hin, beruhigte den Kleinen, der sichtlich panisch wirkte. Ich nahm ihn und legte ihn auf ein Kissen, wo er sich schlapp zusammenrollte. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Was hatte er nur?

Er wirkte so schlecht, war fast apathisch und atmete nur ganz flach, dass ich mich nicht traute ihm den Stress anzutun und zum Tierarzt zu fahren.

Stattdessen rief ich meine Tierärztin an. Sie wollte sich gerade auf den Weg in die Praxis machen und kam schnell vorher noch bei mir vorbei.

Sie tippte darauf, dass er die Impfung nicht vertragen hatte und doch noch ein Infekt geschwelt hatte, der nun ausgebrochen war durch das Impfen. Er bekam eine Infusion und verschiedene Medikamente. Danach schlief er wieder erschöpft ein.

Den Tag über verbrachte ich mit ihm im Bett. Er schlief viel, ab und an flößte ich ihm mit einer Spritztülle etwas Wasser ein. Anfangs hatte ich es noch mit etwas Päppelnahrung versucht, aber das brach er sofort wieder aus, das Wasser blieb aber drin.

Nachts legte ich ihn mir auf den Bauch, da ich Angst hatte sonst nicht mitzubekommen, wenn es ihm schlechter gehen sollte. Ich schlief nicht richtig, döste immer nur kurz weg um dann aufzuschrecken und zu überprüfen, ob er noch atmete. Die Angst ihn zu verlieren war unglaublich groß. Es durfte einfach nicht sein, er war doch mein kleines Wuselpfötchen, das durfte doch nicht aufhören zu wuseln! Am Morgen weckten mich kleine Pfötchen, die vorsichtig nach meiner Kette tatzelten … Mir schossen die Tränen der Erleichterung in die Augen. Timour hatte die Nacht überstanden und das Schlimmste damit scheinbar auch.

Die kleine Menge Päppelnahrung blieb diesmal auch drin. Nach dem Frühstück war er aber sichtlich erschöpft und rollte sich wieder im Bett ein. Ich war etwas beruhigter, traute mich nun ihn auch mal einen Moment allein zu lassen und setzte mich in die Küche um selbst etwas zu essen.