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Einfühlsam beschreibt Kleo ihre Geschichte. Auch die von Menschen, die ihr begegneten. Sie schildert die Beweggründe, die sie dazu veranlassten, den Jakobsweg zu gehen. Liebevoll, spannend und sinnlich erzählt sie über die Tragik und den Selbstmord ihrer großen Liebe. Die Eindrücke auf diesem berühmten Pilgerweg nach Santiago de Compostela sind ein Weg zu ihrer Heilung und weiteren Persönlichkeitsentwicklung.
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Inhaltsverzeichnis
Kleo unterwegs:
Impressum
Coverfoto
Prolog
Impressum
Eine Biografie
Wortzauber Karin Lehnerts
c/o Probierwerk,
Stauffenbergstraße 14 – 20
51379 Leverkusen
www.wort-zauber.com
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Aktualisierte Neuauflage November 2022
Karin Lehnerts
Bestseller Marketing Sabine Oberpriller
Karin Lehnerts Odenthal, genannt Kleo, wurde 1948 in Leverkusen geboren. Ihre Kindheit erlebte sie als streng und religiös. Mit 16 Jahren musste sie heiraten. Nach Abschluss ihrer kaufmännischen Ausbildung war sie neben ihren mütterlichen und häuslichen Pflichten stets berufstätig. Die Scheidung von ihrer Jugendliebe erfolgte nach 16 Ehejahren. Ihr Sohn machte sie mit 34 Jahren zur Großmutter. Nach einer Erholungsphase traf sie ihren Traummann. Er, ein intelligenter und charismatischer Mann setzte seinem Leben selbst ein Ende. Sie stürzte in ein tiefes schwarzes Loch. Ihre Pilgerreise nach Santiago de Compostela war für sie die Krönung ihrer Genesung.
Es gibt wunderbare Bildbände, viele schöne und gute Erlebnisberichte über den Jakobsweg. Vermisst habe ich allerdings Geschichten über die Pilger selbst, ihre Beweggründe und die vielen kleinen Dinge, die ebenso die Realität dieses berühmten Pilgerweges ausmachen. Teilweise sind es ganz profane oder frauenspezifische Themen, mit denen ich mich auseinandersetze. Über Gott und die Welt, teils lustig und heiter, tiefsinnig und ernsthaft und besonders über die Liebe und das Leid. Seit meiner Pilgerreise bin ich versucht, meine Mitmenschen zu duzen, da ich der Meinung bin, dass wir alle Pilger auf diesem grandiosen Planeten Erde sind. Aus diesem Grund wende ich das "Du" auch bei dir an, liebe Leserin und lieber Leser.
Die Digitalanzeige meiner elektronischen Körperfettwaage lässt mich erstarren! 62,1 Kilogramm zeigt sie an. Ich will es nicht glauben, steige herunter, betätige erneut die entsprechenden Tasten mit dem rechten großen Zeh und stelle mich erneut darauf. Das gleiche Ergebnis. Kopfschüttelnd nehme ich mein Tagebuch und vermerke die Werte. Eine kleine Karteikarte mit den Maßen und Gewichten des vergangenen Jahres zeigt den letzten Eintrag vom 2. Oktober mit 59 Kilogramm. Meine Maße von Brust, Taille und Po haben sich ebenfalls um ein bis zwei Zentimeter erweitert.
Deshalb sitzen meine Jeans jetzt so spack, denke ich laut, wie Alleinlebende das schon mal tun. Naiverweise war ich der Meinung, sie seien durch häufiges Waschen eingelaufen.
Oh Gott, das darf nicht wahr sein!
Meine mir selbst auferlegte Grenze, mein Wohlfühlgewicht liegt bei 60 kg! Nun habe ich fast fünf Pfund mehr.
Jetzt bekomme ich endgültig den Antrieb, mit dem Walken zu beginnen. Es ist Frühlingswetter mit wolkenlosem Himmel. Die Sonne steht im Wettbewerb mit dem noch kühlen Wind.
Am 28. Mai werde ich mit Sonja, einer Freundin aus Düsseldorf, nach Bilbao fliegen und den Jakobsweg in Nordspanien pilgern. Den Brauch des Pilgerns gibt es in fast allen Religionen, so auch in der christlichen Geschichte. Seit dem Mittelalter brechen Menschen ohne Unterschied von Herkunft, Bildungsstand und Alter auf, um an einem bestimmten Ort oder auf einem bestimmten Weg die göttlichen Kräfte in besonderer Weise zu erfahren. Alte und Junge, Reiche und Arme, Gelehrte und Ungebildete, Könige sowie Leute aus dem einfachen Volk ergreifen den Pilgerstab und machen sich auf den Weg, lassen ihren Alltag hinter sich, suchen nach Erfüllung, Trost und Hilfe für ihr weiteres Leben.
Auch ich habe meine speziellen Gründe, diesen Pilgerweg zu gehen. Der Selbstmord von Dietrich, meinem zweiten Ehemann, macht mir immer noch zu schaffen. Ich möchte die Trauer, auch vielleicht tiefsitzende Schuldgefühle bewältigen. Ruhe finden. Auch für meine Angehörigen möchte ich diesen Weg gehen. Die Familien- und Beziehungsdramen, bedingt durch Alkoholismus, Kriminalität sowie durch Suchtverhalten, hoffe ich, dort auf dem Pilgerweg auflösen zu können und Frieden für alle zu finden.
Wir haben geplant, den französischen Hauptweg in Spanien von Roncesvalles nach Santiago de Compostela in Tagesetappen von 25 bis 30 km aufzuteilen. Es stehen uns genau 31 Tage zum Wandern zur Verfügung. Zusätzlich jeweils ein Tag für An- und Abflug und ein Tag Aufenthalt in Santiago.
Mein Entschluss steht nun fest. Mindestens zwei Kilogramm möchte ich abnehmen und meinen untrainierten Körper durchs Walken jetzt schon ans Pilgern gewöhnen. Schnell packe ich die nötigsten Sachen in meinen kleinen Alltags-Rucksack. Handy, Papiertaschentücher, Geldbörse und einen Riegel für zwischendurch. Das Frühstück lasse ich ausfallen.
Zügig und schnell komme ich an die Dhünn und gehe auf dem Damm weiter in Richtung Bürrig.
Ich überquere die Rheindorfer Straße. Bauch einziehend, Po zusammenkneifend (das soll helfen, Bauchspeck zu reduzieren), gehe über die Brücke des Westrings und die Stufen hinunter zu dem Weg, der an der Wupper entlangführt.
Meine Blase fordert, entleert zu werden. Ich nehme mir ein Papiertaschentuch zur Hand, hocke mich hinter einen großen Brombeerbusch und wünsche mir sehnlichst, dass mich niemand beobachtet. Es ist ja ein ganz natürlicher Vorgang, aber es ist mir immer wieder peinlich. Auf dem Jakobsweg, der auch Camino genannt wird, ist es wahrscheinlich normaler, sich hinzuhocken. In die Beschreibungen vorgeschlagener Packlisten gehört deshalb auch unbedingt eine Rolle Toilettenpapier für unterwegs.
Einige Meter weiter fließen Dhünn und Wupper zusammen. Dahinter passiere ich die Wupperschleusenbrücke. Die Wupper fließt hier, eins geworden mit der Dhünn, langsam und ruhig in die starke Strömung des schönen Rheins. Es ist eine herrliche Idylle hier. Angler sitzen geduldig am Ufer und warten auf anbeißende Fische. Eine große Schafherde weidet rechts auf der weiten Grasfläche unterhalb der Autobahn A 59. Zwei emsige Hunde hechten von einem Ende des Gatters zum anderen und wirbeln die Tiere durcheinander. Weiße, schwarze und braune Lämmer blöken aufgeregt und jammervoll. Sie suchen Schutz und Nahrung zwischen den Beinen der Mutterschafe.
Einen Moment lang bleibe ich stehen und genieße dieses selten gewordene Schauspiel in der sattgrünen Natur. Ein großer Jeep steht neben der Abzäunung. Nicht nur der Schäfer, sondern auch eine Schäferin, beide auf einen Stock gestützt, geben den großen, schwarzen Hunden laut und bestimmend Anweisungen.
Hitdorf, das acht Kilometer von meiner Wohnung entfernt ist, erreiche ich nach einer Stunde und zwanzig Minuten.
Eine Arbeiterkolonne säubert mit Schaufeln und Besen das Gelände des angrenzenden Parks. Ich erkenne Udo, einen Bekannten von Anna, der Mutter meiner Enkelin Jessica. Neugierig geworden gehe ich auf ihn zu und begrüße ihn freundlich.
»Hallo, Udo, bist du bei der Stadt beschäftigt?«, frage ich mit einem Blick auf seine Arbeitskleidung.
»Nein, ich arbeite im Gartenbau. Was machst du denn hier?«, entgegnet er überrascht und taxiert meine Joggingklamotten.
»Ich übe schon mal«, erwidere ich.
»Für den Leverkusener Marathon?«
»Nein, ich gehe Ende Mai in Spanien den Jakobsweg«, entgegne ich heiter und kläre ihn über mein Vorhaben auf.
Nach kurzer Unterhaltung blickt er zu dem Mann, der sich einige Meter hinter ihm bemerkbar macht und sagt locker: »Chef, ich komme gleich!«
Zu mir gewandt gibt er mir den Tipp, dass ich in dem Café, das sich dort im Park befindet um diese Zeit schon frühstücken und Kaffee trinken könne.
»Wir haben eben schön da gegessen«, meint er lächelnd. Wir verabschieden uns und ich gehe zunächst weiter am Ufer entlang den Weg bis zu dem kleinen Yachthafen. Dort sitzen Paare auf den Bänken, genießen die Sonne und den Blick auf vorbeiziehende Rheinschiffe, die teilweise hoch mit Containern beladen sind.
Auf der Uferstraße sehe ich ein Restaurant, dessen Tür einladend offen steht. Ich gehe hinein, bestelle einen Orangensaft und suche die Toilette auf. Ein Rentner steht an der Theke. Er hat eine Tageszeitung aufgeschlagen. Der Bericht über die frisch gebackene Millionärin aus Günter Jauchs Sendung Wer wird Millionär? lässt uns ins Gespräch kommen. Am Vorabend hatte ich gespannt verfolgt, wie diese sympathische Ärztin mit viel Wissen und auch Glück eine Million Euro gewann.
Ich bezahle, verabschiede mich und gehe zu dem großen Kinderspielplatz. Er liegt inmitten von Pappeln, Buchen und alten Eichen. Diese romantische Idylle muss ich öfter aufsuchen.
Mir wird es kühl im Sitzen, und ich bin froh, mein elastisches Stirnband eingesteckt zu haben. Es schützt meine empfindlichen Ohren vor dem Wind, der hier am Rheinufer stärker weht. Die Schnellfähre fährt wieder zur gegenüber liegenden Seite. Vollbeladen mit Fahrzeugen, Motor- und Fahrrädern und Personen. Nach fünf Minuten kommt sie wieder leer zurück, und ich genieße den Anblick der sich in der strahlenden Sonne brechenden grauen Wellen, als sie ratternd anlegt.
Mir begegnen viele Menschen, als ich mich wieder auf den Weg mache. Auch sie wurden wohl von den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings ins Freie gelockt. Mich interessieren Menschen sehr. Wie sie aussehen, was ihre Gesichter ausdrücken. Daher schaue ich ihnen direkt in die Augen. Mir fällt jedoch auf, dass nicht eine Person mich ansieht. Ob das auf dem Jakobsweg auch so sein wird? Die Pilger, die diesen Weg gehen sind, so hoffe ich, offener und neugieriger.
Mein Handy zeigt mir die Zeit und ich kehre wieder zurück. An der Wupperschleusenbrücke nehme ich jetzt den Weg an der Autobahn entlang nach Wiesdorf. Er ist einen Kilometer kürzer als an der Dhünn entlang. Dafür aber lauter. Das Panorama der Stadt mit dem Verwaltungshochhaus und dem Bayer-Kreuz liegt vor mir.
Nach vielen Irrungen und mindestens zwanzig Umzügen bin ich im Dezember an den Ort meiner Wurzeln gezogen. In direkter Nähe zum Rhein. Hier fühle ich mich sehr wohl. In der Vergangenheit war ich zwar auch immer der Meinung, mich dort, wo ich lebte, wohl zu fühlen, jedoch hielt ich es nie lange aus. Es gab immer triftige Gründe für räumliche Veränderungen. Wie auch jetzt wieder.
Während meiner Suche fand ich schließlich diese schöne helle Neubauwohnung. Der Eigentümer sagte mir bei der Besichtigung, dass noch andere Interessenten da wären und er mir deshalb noch keine Zusage machen könne. Irgendwie kamen wir auf unsere Familien zu sprechen. Dabei fanden wir ein gemeinsames Hobby, die Ahnenforschung.
»Meine Eltern und ich lebten mit den Eltern und Geschwistern meiner Mutter hier in der Nähe in der Van’t-Hoff-Straße«, begann ich zu erzählen.
»Ich verbrachte dort meine ersten Kindheitsjahre.«
»Wie ist denn der Mädchenname Ihrer Mutter?«, fragte er höchst interessiert.
»Sie ist eine geborene Adolphi.«
Als er diesen Namen hörte, zeigte er sich überrascht.
»Das ist ja interessant! Ein Freund von mir, der im Westerwald lebt, heißt auch Adolphi. Das ist eigentlich ein seltener Name!«
Ich schmunzelte und wollte ihn in seinem weiteren Redefluss nicht unterbrechen. Seine Stimme begann sich zu überschlagen.
»Sie kennen doch sicher den mittlerweile verstorbenen international bekannten Künstler Wolf Vostell? Mein Freund ist verwandt mit ihm. Auch hat mein Freund hier in Leverkusen eine Lieblingskusine wohnen.«
In seiner nächsten Atempause lächelte ich ihn an und reichte ihm die Hand.
»Herr Stahlberg, die Lieblingskusine Ihres Freundes steht vor Ihnen!«
So hatten wir ein weiteres spannendes Thema gefunden, meine Verwandtschaft zu Wolf Vostell. Über ihn hatte mir meine Mutter beim Blättern in alten Fotoalben stolz erzählt, dass sie als junges Mädchen dessen Lieblingskusine war. In der spanischen Extremadura, der Heimat seiner Ehefrau Mercedes, hatte Wolf Vostell seine künstlerische Heimat gefunden. Der Ort Malpartida de Cáceres, drei Zugstunden von Madrid entfernt, beherbergt das Museo Vostell auf einem 14.000 qm großen Gelände. Dieses Museum steht auch noch auf meiner Reiseliste. In Köln ruht auf dem Hohenzollernring seit 1969 sein einbetonierter Opel Kapitän mit der treffenden Bezeichnung Ruhender Verkehr.
Meine Verwandtschaft zu meinem Kusin, Professor an der Uni Köln, Institut für Biologie und Botanik, und zu dem berühmten Kusin meiner Mutter trugen mit dazu bei, dass ich noch am selben Abend den Mietvertrag unterschreiben konnte.
Ich überquere den neu angelegten Kreisel und biege in die Dhünnstraße ein. Bis zu meiner Wohnung ist es nicht mehr weit. Es ist genau 13 Uhr. Das ist eine gute Zeit für meine heutige Wanderung.
Den Weg nach Hitdorf gehe ich noch einmal in dieser Woche. Das Wetter ist sehr schön und es zieht mich mittags hinaus nach dem Reinigen aller Fenster. Um 14.00 Uhr bin ich startklar. Heute kann ich nicht so schnell gehen. An der linken Ferse habe ich eine wunde Stelle, obwohl meine Walkingschuhe eingelaufen sind. Den Weg nehme ich wieder an der Dhünn entlang.
Die Schafherde ist nicht mehr da und ich bin etwas enttäuscht.
Am Rhein ist es windig. Mein Stirnband streife ich über sowie die Kapuze meiner Jacke. In Hitdorf setze ich mich auf die von Uwe angepriesene Caféterrasse. Ich bestelle ein Mineralwasser und einen Kirschsaft. Eine ganze Stunde genieße ich den Ausblick auf den Rhein mit den vorbeiziehenden hochbeladenen Schiffen. Am Nebentisch sitzen zwei ältere Damen und unterhalten sich laut im Leverkusener Dialekt. Eine niest andauernd und gibt lauthals ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass sie nicht weiß, wobei sie sich erkältet hat.
Zurück gehe ich den letzten Teil des Weges nicht an der Autobahn entlang, sondern über den Dhünndamm. Sechzehn Kilometer habe ich zurückgelegt, als ich um 18 Uhr wieder zu Hause ankomme. Mein Fuß und meine Beine schmerzen heute sehr. Jedoch bin ich schnell wieder fit. Die Waage zeigt 62,3 Kilogramm an. Das ist mehr, als vor meiner ersten Wanderung. Liegt es daran, dass ich heute nicht schnell genug war? Wenn ich abnehmen will, sollte ich flotter gehen. Jedoch, die Wunde an meiner Ferse schmerzte heute sehr.
Die nächsten Tage wandere ich nicht. Das Wetter ist wieder regnerisch und kälter. Ohne Sonne fehlt mir die Lust. Das wird auf dem Jakobsweg in Spanien anders, hoffe ich. Dann ist es schließlich Juni und Sommer.
Mittlerweile ist eines der Bücher eingetroffen, die ich ersteigerte. Tipps über die Packlisten möchte ich aus der Lektüre ziehen und es interessiert mich, was andere Menschen auf dem Jakobsweg erfahren haben, besonders bezüglich Blasen. Im Internet sind viele Erfahrungsberichte, besonders nachdenklich stimmen mich die schlimmen Wunden einiger Pilger an ihren Füßen.
Am nächsten Tag liegt das Buch von Shirley MacLaine im Briefkasten. Vor vielen Jahren hatte ich die Erfahrungsberichte ihrer spirituellen Entwicklung verschlungen. Jetzt freue ich mich über ihre spirituelle Reise auf dem Jakobsweg. Beide Bücher lese ich parallel und mache mir einige Notizen auf meiner Vorbereitungsliste. Neugierig bin ich, welches Schuhwerk die Pilger tragen, denn Blasen möchte ich doch vermeiden.
Vor drei Wochen informierte ich mich in einem Trekkinggeschäft. Der Verkäufer riet mir, leichte Wanderschuhe zu tragen. Alle, die ich anprobierte, waren mir jedoch zu schwer, und ich verschob den Kauf auf später. Zunächst erwarb ich nur einen Outdoor-Rucksack.
Die Informationen im Internet reichten mir nicht aus, und ich korrespondierte mit zwei Pilger über ihre Erfahrungen bezüglich des idealen Schuhwerks. Sie empfahlen mir für den französischen Hauptweg leichte Trekkingschuhe, die ich vorher unbedingt einlaufen sollte.
Einige Exemplare probierte ich aus. Dieses Mal bediente mich eine Verkäuferin, die mir unbedingt leichte Damenwanderschuhe empfahl. Die seien stabiler, und ich sollte bedenken, dass die Sohlen das zusätzliche Gewicht des Rucksacks abfedern müssten. Wir diskutierten meine Packliste und meine Unsicherheit bezüglich des Schuhwerks nahm weiter zu. Ich wollte mich noch weiter informieren. Sie erzählte mir von einer Bekannten aus Leverkusen, die eine Etappe des Pilgerweges schon gegangen sei und über Ostern eine weitere gehen wolle. Sie schlug mir vor, der Dame meine Telefonnummer zu geben, dass diese mich anrufen und wir uns austauschen könnten. Darüber war ich sehr erfreut.
Das Telefonat mit Frau Becker war sehr erfreulich. Sie erzählte mir, dass sie in leichten Wanderschuhen gehen würde, oder ob es Trekkingschuhe sind? Das wusste sie nicht genau. „Es kommt hauptsächlich auf die Strümpfe an, die müssen sitzen, nicht unbedingt die mit dem Links- und Rechtsvermerk drauf. Nehmen Sie zwei Paar gute Wandersocken mit. Die Schuhe sollten nicht zu schwer sein. Ich hatte keine Probleme mit Blasen, sondern ein Problem mit einem Zeh. Alle acht bis zehn Kilometer musste ich den Schuh ausziehen und den Zeh, gleich den neben dem dicken, massieren, weil er spreizte und ich einen Krampf hatte. Ich gehe über Ostern die zweite Etappe. Letztes Jahr bin ich zwei Wochen von St. Jean-Pied-de-Port bis Burgos gewandert. Dieses Jahr gehe ich von dort aus weiter und sehe mal, wie weit ich komme, vielleicht bis León. Ich möchte es langsam angehen. Den Rest des Weges wandere ich dann im nächsten Jahr, eventuell auch noch bis Kap Finisterre. Dort muss es fantastisch sein!“
„Gehen Sie den Weg alleine?“, fragte ich sie nachdenklich.
„Ja, auf jeden Fall. Ich möchte den Weg für mich genießen, eine Begleitung würde da nur stören. Man trifft ja täglich Menschen auf dem Weg und in den Refugios. Wenn man einen Menschen braucht, ist immer jemand da. Manchmal möchte ich jedoch nicht allein sein. Ich bin schließlich schon zweiundsechzig. Aber diese Momente gehen schnell wieder vorüber.“
Wir verabschiedeten uns. Ihre Telefonnummer ließ ich mir geben und schrieb sie auf. „Nach Ihrer Rückkehr rufe ich Sie an, um Näheres über Ihren zurückgelegten Pilgerweg zu erfahren“, sagte ich eifrig. Dieses Gespräch stimmte mich nachdenklich. Wollte ich wirklich jeden Tag mit Sonja zusammen sein? Und Sonja, wollte sie jeden Tag mit mir wandern? Auch sie genießt es, alleine zu leben.
Über Karneval war ich mit ihr in Lucca, Florenz und Pisa. Wir hatten uns ein Doppelzimmer geteilt. Gehört hatten wir von anderen, dass es bei Partnerschaften und Freundschaften auf dem Jakobsweg offenbar wird, ob es miteinander geht oder nicht.
Florenz ist meine Lieblingsstadt in Italien. Seit zwanzig Jahren bin ich fasziniert von den Werken des genialen Künstlers Michelangelo Buonarroti. Fast alle seine Kunstwerke habe ich in den verschiedensten Kirchen und Museen in Italien nicht nur betrachtet, sondern hin und wieder auch verbotenerweise angefasst. Neben seinen Werken stand der Hinweis Don´t touch!
Wenn jedoch ein Wärter mal nicht hinsah, ging ich so nah heran wie es die Absperrung zuließ. So lange wie möglich legte ich meine Hand an den kalten weißen Marmor und visualisierte.
Im Dom-Museum befindet sich auf einem Treppenabsatz in einer Nische die unvollendete Pietà mit dem Selbstporträt des Meisters, ein Werk von dramatischer Ausdruckskraft. In hohem Alter hatte er sie für sein eigenes Grabmal geschaffen. Sie steht auf einem Sockel und ist mit einem Metallring umgeben. Als ich mich unbeobachtet wähnte, legte ich meine rechte Hand an die Wade der Figur von Jesus Christus. In diesem Moment vernahm ich ein Summen, das wahrscheinlich durch Elektroden am Metallring ausgelöst worden war. Erschrocken fuhr ich zurück und erwartete, dass ein Wärter kommen und mich maßregeln würde. Jedoch nichts passierte. Nur einige neue Touristen stellten sich dazu und versanken in den Anblick dieser wunderbaren Marmorgruppe. Der von Michelangelo bearbeitete Marmor musste meiner Meinung nach voll kraftvoller, positiver Energie sein. Davon wünschte ich etwas für mich.
Ich liebe Steine in jeder Form und glaube, dass ich mental Energie weiterleiten und ebenso empfangen kann. Durch Reiki-Energie. Reekie gesprochen, ist eine Methode, die auf altem, aber allgegenwärtigem Wissen beruht. Es bedeutet die Erschließung und Übertragung einer Kraft, die alles Leben im Universum hervorbringt und erhält. Die in allen Dingen der Schöpfung wirkt und lebt. Es ist universelle Lebensenergie, die in konzentrierter Form durch meine Hände fließt. Reiki fördert die natürliche Selbstheilung, vitalisiert Körper und Geist, stellt seelische Harmonie und geistiges Wohlbefinden her, gleicht den Energiehaushalt aus, löst Blockaden und fördert die vollkommene Entspannung. Es reinigt von Giften und ist auch bei Kindern, Tieren und Pflanzen einsetzbar. Für mich zeigt Reiki seit der Anwendung viele Wege zu neuen Erkenntnissen auf, letztendlich auch zu der, den Jakobsweg zu gehen.
Die Tickets für die Flüge haben Sonja und ich seit dem 17. Dezember. Wir fliegen am 28. Mai von Düsseldorf mit der Iberia nach Madrid, steigen um nach Bilbao und von dort geht es mit Zug und Bus nach Roncesvalles. Zurück am 30. Juni von Santiago de Compostela aus wieder über Madrid nach Düsseldorf.
Ich erwarte noch ein ersteigertes Buch über den Jakobsweg. Heute ist schon der 06. April. Überwiesen hatte ich bereits online vor acht Tagen. Ich unterbreche meine Arbeit und gehe zum Briefkasten. Ja! Es ist angekommen. Als ich den Umschlag öffne und es herausnehme, kommt mir starker Tabakgeruch entgegen. Es ist ein Reisehandbuch. Gesponsert von einer Tabakmarke, die ich nicht nennen will, die aber aussagt Mit ... unterwegs. Nordspanien mit Jakobsweg. Es riecht eklig und ich lege es zum Auslüften nach draußen auf die Fensterbank. Der starke Wind wird es erfrischen.
Das Wetter ist seit letztem Wochenende nicht mehr frühlingshaft und ich bin nicht mehr gewandert. Draußen ist es kalt, richtiges Aprilwetter mit abwechselnd heftigen Regenschauern und Einblendungen zarten Sonnenscheins. In den Nachrichten hörte ich heute, dass in Nordmexiko ein Nebenarm des Rio Grande innerhalb weniger Minuten ein großes Gebiet überschwemmte und mindestens dreißig Menschen in den Tod riss. Tausende wurden obdachlos. Und den Schwarzwald beutelte ein erneuter Wintereinbruch mit zwanzig Zentimetern Neuschnee.
Viel Zeit habe ich mit der Lektüre über den Jakobsweg verbracht. Parallel lese ich noch das Buch Gelebte Geschichte von Hillary Clinton. Das Leben dieser starken Frau interessiert mich sehr. Sie wurde nicht die erste Präsidentin von Amerika, wie sie sich erhofft hatte.
Meine Pilgervorbereitungsunterlagen checke ich durch und füge noch einige Dinge auf meiner Liste hinzu. Dabei stoße ich auf eine alte Notiz. Am 15. Juli wurde ich das erste Mal auf den Jakobsweg aufmerksam. Frühmorgens um 6:30 Uhr ging mein Flug von Köln-Bonn nach Venedig. Es war einer meiner vielen Kurztrips, die ich bereits Weihnachten in einem Special-Price-Rausch von 29 Euro pro Flug gebucht hatte.
Da ich nun meinte, schon Übung beim Fahrzeugabstellen im Parkhaus zu haben, war ich zu Hause nicht so früh wie bei meinen vorherigen Abflügen losgefahren. Etwas länger benötigte ich, einen freien Parkplatz zu finden. Bis zum obersten Stockwerk musste ich fahren und einen vom Aufzug sehr entfernt liegenden Stellplatz nehmen. Auf den Aufzug musste ich länger warten als sonst. Es war kein Shuttle-Bus zum Terminal 2 da. Als er ankam, war ich die einzige Passagierin und der Fahrer wartete noch auf weitere Fahrgäste, um den Kleinbus voll zu bekommen. Als ich schließlich endlich im Laufschritt am Check-In-Schalter von HapagLloyd eintraf, hatte sich dort eine Warteschlange gebildet. Ich ging daran vorbei zum Desk und entschuldigte mich. Es war bereits 6:15 Uhr. Aufgeregt und nervös legte ich dem jungen Mann meine Reisebestätigung vor.
„Es tut mir leid, aber die Türen sind bereits geschlossen. Sie können nicht mehr mit!“, sagte er in ruhigem Ton mit einem Blick auf den Computer.
„Ja, und was mache ich jetzt? Ich habe für zwei Tage ein Hotel in Venedig gebucht und auch schon bezahlt.“
„Sie können versuchen, ob in der Maschine heute Abend noch ein Platz frei ist“, meinte er freundlich und zeigte auf die Kollegin gegenüber am Informationsschalter.
Mir war leicht übel. Das war der Moment, vor dem ich immer Angst hatte, und jetzt war es passiert. Ich hatte meinen Flug verpasst. Ein schreckliches Gefühl. Stinksauer war ich auf mich. Über mein spätes Wegfahren von zu Hause. Hätte ich nicht eine halbe Stunde früher aufstehen können? Es war um diese Zeit doch völlig egal, ob ich um drei oder um vier Uhr aufstand.
Schnell lief ich auf die andere Seite. Die in Blaugelb gekleidete Angestellte hatte mein aufgeregtes Gespräch mit ihrem Kollegen mitbekommen und versuchte, mich zu trösten. Und ich hatte Glück! Für 29 Euro Umbuchungsgebühren erhielt ich einen Flug für den Abend.
Immer noch erregt, ließ ich mich mit einem Shuttle zum Parkhaus zurückfahren und holte meinen Wagen ab. Vorher bezahlte ich am Kassenautomaten die Parkgebühren für einen vollen Tag. Auf der Fahrt zurück überlegte ich, was ich nun machen wollte. Ich hatte diesen Tag für Venedig geplant und nicht für meine Wohnung in Leverkusen. Am Nachmittag musste ich auf jeden Fall rechtzeitig losfahren, denn ab 16.00 Uhr begann die Rushhour auf der A1.
Ich beschloss, diesen Tag als Urlaubstag zu Hause zu nutzen. In aller Ruhe bereitete ich mir Kaffee und Toast und schaltete den Fernseher ein. Täglich um 7:30 Uhr wurde auf WDR die Sendung „Planet Wissen“ vom Vortag wiederholt. Oft standen Themen auf dem Programm, die mich interessierten. Zum Beispiel: Wie verbringe ich einen Tag am Flughafen, wenn ich das Flugzeug verpasst habe?
Nein, Scherz beiseite! Was hätte ich gemacht, wenn ich nicht so nahe am Flughafen wohnen würde?
Dann wäre ich nach Köln in die City reingefahren und hätte anstatt des Markusdoms in Venedig den Kölner Dom besichtigt. Das wäre doch auch was.
Das Thema der Sendung hieß Pilgern. Eine ganze DIN A4-Seite Notizen machte ich mir. Den Zettel legte ich in eine Klarsichthülle ins Regal zu meinen anderen aktuellen To-Do-Listen und Unterlagen. Ich hatte aber zu dem Zeitpunkt noch nicht ernsthaft vor, diesen Weg zu gehen. Das ergab sich erst, als ich am 13. September mit Sonja in Düsseldorf am Rheinufer spazieren ging und wir durch das Thema Weltkulturerbe auf den Jakobsweg zu sprechen kamen. In der Folgezeit fielen uns ständig weitere Infos zu und nach meinem vierwöchigen Aufenthalt in Italien buchte ich Mitte Dezember die Flüge für uns.
Aus der Bücherei holte ich mir weitere Lektüre über den Jakobsweg. Sonja bestellte beim Jakobusverein entsprechende Unterlagen und die Pilgerausweise, in die wir bei jeder Station einen Stempel eintragen lassen werden. Mit dem Pilgerausweis erhalten wir das Recht auf Gastfreundschaft und Übernachtungen in den Herbergen auf dem Pilgerweg.
Silvester verbrachte ich bei Sonja in Düsseldorf und wir schmiedeten Etappenpläne. Sonja hatte seit dem Herbst einen Freund zu Gast. Richard lebte die letzten Jahre auf Ibiza und hatte jetzt die Zelte dort abgebrochen, um einen Indienaufenthalt vorzubereiten. Er war von unserer Idee ebenso begeistert, wie wir von seiner.
Heute ist der erste warme und sonnige Tag seit einer Woche Kalt- und Regenschauerfront. Es ist ein klarer, blauer Himmel mit leichten Schleierwolken. Die Mittagssonne brennt, es sind um die 24 Grad. Ich bin wieder zu Fuß unterwegs in meinen neuen Wanderschuhen.
In die Innenstadt von Köln war ich gefahren, um dort mehr Auswahl an Fachgeschäften zu haben. Ein super bequemes und sehr leichtes Paar Wanderschuhe fand ich in einer Nummer größer, als ich normalerweise trage. Die angebotenen Trekkingschuhe waren mir alle viel zu klobig und ich fühlte mich in ihnen nicht wohl.
Eine leichte Brise lässt mich meine Arme in die Höhe strecken. Die verschwitzten Achselhöhlen kühlen ab. Ein sanftes Glücksgefühl durchströmt meinen Körper. Melodisches Vogelgezwitscher bricht durch das laute Rauschen der hier zusammenfließenden kleinen Flüsse Dhünn und Wupper. Schäumende Wellen versprühen leichte Gischt.
Für mein gepeinigtes Ohr wünsche ich mir in diesem Augenblick sehnlichst eine positive Veränderung. Ein forschendes Tinnitus-Spezialisten-Team oder einfache Menschen müssten einen Weg finden, diese quälenden Ohrgeräusche auf Dauer entfernen zu können. Oft denke ich daran, wenn ich an vorbei rauschendem Wasser sitze und dieses laute Pfeifen in meinem Kopf dies übertreffen will. Seit 1990 plagt mich Tinnitus, verbunden mit Schwerhörigkeit im rechten Ohr.
Ohrenbetäubendes Rauschen, heulende Sirenen oder hämmerndes Knacken - das ist Tinnitus. Zehn bis fünfzehn Prozent der Deutschen werden Tag und Nacht ohne Unterbrechung von solchen oder ähnlichen Ohrgeräuschen gequält. Einige leiden nur auf einem Ohr, so wie ich, andere beidseitig. Bis zu 600.000 von ihnen treibt Tinnitus schier zum Wahnsinn. Sie können nicht mehr einschlafen, sich auf nichts konzentrieren, bekommen Depressionen. Sie haben die Ohrgeräusche in einer Intensität, die sie nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Die Ursachen sind vielseitig. Hörsturz, anhaltender Lärm, Durchblutungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen, Medikamente (Antibiotika!), Dauerstress, Kieferfehlstellungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ursächlich hilft eine Behandlung nur, wenn sie in der Akutphase, also im ersten halben Jahr nach Auftreten des Leidens durchgeführt wird. Das wusste ich damals nicht, als ich das Pfeifen in meinem Ohr bemerkte. Ich führte es zunächst auf einen grippalen Infekt zurück. Eine Woche wollte ich noch abwarten, bis auch die Erkältung vorüber wäre. Danach schob ich es erneut auf und hoffte, dass es von alleine wieder verschwinden würde. Dann schob ich es noch einen Monat auf, weil ich keine Zeit hatte, zum Arzt zu gehen, und einen weiteren Monat und so fort. Als ich schließlich nach über einem halben Jahr den HNO-Arzt konsultierte, sagte dieser mir nach den durchgeführten Untersuchungen in der Uni-Klinik Düsseldorf, es wäre nicht heilbar.
»Damit müssen Sie leben! Tinnitus ist zur Zeit nicht heilbar.«
Sehr verzweifelt war ich über diese niederschmetternde Diagnose. Manchmal wagte ich mich mit meinen Panikattacken nicht unter Menschen. Einige Jahre später suchte ich eine Heilpraktikerin auf. Durch homöopathische Mittel und die Bach-Blüten-Therapie half sie mir, dieses Leiden akzeptieren zu lernen und seelisch wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Ein halber Becher gefüllt mit Wasser verdünntem Kirschsaft löscht meinen brennenden Durst. Nach zwanzig Minuten gehe ich weiter. Neben dem asphaltierten Fuß- und Fahrradweg ist das Gras an beiden Seiten frisch geschnitten. Es duftet angenehm nach Heu. Erinnerungen an meine Kindheit tauchen auf. In den Sommerferien war ich mit meinen Eltern oft an der Mosel bei Verwandten meines Vaters. Wir Kinder durften auf dem hoch beladenen Wagen, der von einem Traktor gezogen wurde, mitfahren. Der Geruch des gemähten und getrockneten Heus ist für immer einprogrammiert.
Eine Gruppe kräftig in die Pedale tretender, mit Sicherheitshelmen bekleideten Radrennfahrern rasen auf dem engen asphaltierten Gehweg an mir vorbei. Niemand von ihnen hatte vorher die Klingel betätigt. Erschrocken springe ich in die seitlich stehenden Brombeerbüsche. Die grünen, saftig hohen Wiesen dahinter stehen voll mit gelb leuchtendem Löwenzahn, blühenden Brennnesseln, weißen Sumpfdotterblumen und hoch aufragenden, weißen Schafgarbenbüschen, die spinnenartig ihre Blüten zum Himmel emporstrecken. Niedrig fliegende Flugzeuge, laut und silbern glänzend am Himmel, lassen mich blinzelnd nach oben schauen. Sie faszinieren mich seit meiner Kindheit.
Ich bin eine pragmatische Frau. Die elementaren Dinge und Bedürfnisse beschäftigen mich auch in Bezug auf Erleichterungen auf dem Jakobsweg. So denke ich über die Frage nach, ob ich einen BH tragen soll oder nicht. Shirley MacLaine hat diese Frage in ihrem wundervollen Buch für sich erörtert. Ich entscheide mich für das Tragen. Er gibt mir unbedingt Halt und Festigkeit sowie einen aufrechteren Gang.
»Gerade und aufrecht sitzen, Schultern nach hinten, Kopf und Nase nach oben!«, hatte mein Vater mir als Kind, als ich über den Schularbeiten mehr lag als saß, befohlen. Eine Ohrfeige folgte.
Damals fand ich das schrecklich. Heute erkenne ich den Sinn dahinter. Denn die Haltung ist wichtig. Wenn ich nach außen eine gekrümmte Haltung präsentiere und ausdrücke, lasse ich mich auch auf der psychischen Ebene krümmen.
Also, Kleo! Ab jetzt nicht mehr! Gerader Rücken, Brust raus, Schultern nach hinten und die Nase hoch!
Weil ich eine Stretch-Jogginghose trage, habe ich einen String-Tanga gewählt, da sieht man die Abdrücke nicht durch den Stoff. Aber der Tanga beginnt zu kneifen. Bis zum Abflug muss ich entscheiden, ob normale Unterhosen praktischer wären. Da fällt mir der Witz ein, den mir eine Bekannte heute Morgen erzählte. Als sie vor dem Besuch einer Beerdigung kurz bei mir vorbeischaute, trug sie zu ihrem dunklen Hosenanzug einen fast durchsichtigen schwarzen Spitzenbody mit einem hellblauen BH darunter. Das fand ich sehr unpassend. Kurzerhand holte ich aus meiner Box für geplante eBay-Versteigerungen eine ausrangierte schwarze Marken-Garnitur heraus und schenkte sie ihr. Dazu fiel ihr dann dieser Witz ein:
»Was ist der Unterschied zwischen einer Damenunterhose von vor zwanzig Jahren und einem Slip von heute?«
Ich runzelte die Stirn, stöhnte leicht auf und verdrehte die Augen während sie mir triumphierend die Antwort sogleich selbst präsentierte.
»Der Unterschied besteht darin, dass man/frau früher die Unterhose beiseite schieben musste, um die Pobacken zu sehen. Und heute muss man die Pobacken beiseite schieben, um die Unterhose zu sehen.«
Kicher, schluchz!
Ja, so verändert die Zeit die Sichtweisen im wahrsten Sinne des Wortes.
Um 14:10 Uhr erreiche ich Hitdorf. Zunächst lege ich eine Ruhepause ein auf einer im Schatten stehenden Bank unter einer großen Eiche. Meine Blicke ziehen von Schiff zu Schiff. Aus meinem Proviant vertilge ich einige kleine Tomaten und ein Käsesandwich. Richtigen Hunger habe ich nicht. Jedoch, ich möchte weniger tragen.
Sonja schicke ich eine Nachricht und teile ihr in mehreren Sätzen mit, dass ich soeben in Hitdorf angekommen bin. Meine Frage, was sie denn macht, beantwortet sie lapidar mit Ich bin auf der Arbeit. Na, ja! So ist sie halt in ihrer kurzen und knappen Art, sich auszudrücken. Ich wusste ja, dass sie auf der Arbeit ist, aber ich hätte doch gerne mehr gewusst. Zum Beispiel, was sie dort gerade macht. Sie arbeitet in einer gutgehenden Agentur für die Vermittlung von männlichen und weiblichen Haarstylingmodellen. Firmen, die Werbung für ihre Produkte machen, ordern bei ihr Modelle für Fotoshootings. Auch die notwendigen Fotografen vermittelt Sonja. Manchmal hatte sie viel zu tun, manchesmal weniger und dann langweilte sie sich. So konnte ich mit ihrer Aussage überhaupt nichts anfangen.
Was geht’s mir im Gegensatz zu ihr gut. Ich kann mir durch meine selbständige Tätigkeit meine Zeit einteilen nach Lust, Wetter und Laune, ohne Termindruck. Diese Unabhängigkeit gehört für mich auch zum Glücklichsein und zu einem bewussten Leben.
Auf meinem Rückweg ziehen sich die Schleierwolken alle dort zusammen, wo die Sonne am Himmel steht. So ist es angenehm kühl, zum Wandern gerade die richtige Temperatur. Auf verschiedenen Bänken sitzen einzelne Männer und schauen in sich versunken auf den Fluss. Das Fahrrad in Reichweite abgestellt, darunter dreiviertel und halb volle Bierflaschen. Rotwein. Wodka. Sie sind teilweise gut angezogen und sehen gepflegt aus. Einsam wirken sie auf mich und ich bin geneigt, zu spekulieren, wie sie ihr Leben gestalten.
An dem kleinen rauschenden Wasserfall setze ich mich wieder auf die Bank. Ich trinke den Rest des verdünnten Kirschsaftes und ruhe mich aus. Meine Beine sind schwer, die Füße jedoch angenehm leicht. Wieder kommt die Sonne durch und wärmt mich erneut. Auf dem letzten Teil des Weges fallen mir zwei weitere Titel für meinen Roman ein. Ich notiere sie in meinem Schreibheft, das ich bei mir habe. Seit Jahren arbeite ich mit Unterbrechungen daran, er wird sehr vielseitig und umfangreich. Von der Handlung bin ich fasziniert, über den Titel bin ich mir allerdings noch nicht ganz im klaren. Eine Seite mit verschiedenen Titeln habe ich im PC gespeichert. Wenn es soweit ist, werde ich schon den richtigen auswählen.
Übrigens, heute genau in vier Wochen werden Sonja und ich von Düsseldorf nach Bilbao fliegen.
Am Abend zurückgekehrt, entledige ich mich als erstes meiner super bequemen Schuhe. Winzige Schmutzpartikel von den Wegen und kleine Blätter haben sich unter den Füßen an den Strümpfen angesammelt. Aber, als ich die Siebenachtelhose ausziehe, sehe ich das letzte Achtel meiner Waden rotbraun verbrannt. Solche Kleidungsstücke sind nichts für mich, weil ich so schnell Farbe bekomme.
Schnell die Füße eingecremt, umgezogen und mit dem Fahrrad Sojamilch kaufen. Morgen, am Samstag, ist 1.-Mai-Feiertag, da sind die Geschäfte geschlossen.
Sonja ist heute bei mir. Es sind nur noch drei Wochen bis zu unserem großen Abenteuer!
Sie hat mir meinen Schlafsack gebracht, den sie seit meinem letzten Besuch bei sich zu Hause aufbewahrte. Als ich dessen Volumen sehe, stockt mir der Atem.
»Der ist viel zu groß!«, rufe ich entsetzt aus.
Ich hole meinen neuen Trekking-Rucksack aus dem Schrank. Nein! In das für einen Schlafsack vorgesehene Fach passt er nicht. Ich steige mit dem Schlafsack auf meine Waage, danach ohne ihn. Demnach wiegt er 1.800 Gramm. Das ist entschieden zu viel!
Wir beraten, gehen ins Internet, suchen eine entsprechende Homepage und schauen uns die Angebote an. Es gibt Schlafsäcke in vielen Qualitäten, verschiedenen Gewichten und Packmaßen. Wir messen das Fach am Rucksack aus. Es sind 22 x 13 Zentimeter. Mit diesen Maßen und einem Gewicht von 570 Gramm finden wir einen aus weichem Fleece-Material und bestellen davon zwei Stück. Sonja hat auch noch keinen Rucksack. Sie sieht jetzt den Unterschied zwischen einem normalen Alltagsrucksack und einem richtigen Trekking-Rucksack wie meiner ist, mit einem leichten Gestell, das Luft für den Rücken durchlässt.
Weiter durchforsten wir das Internet, auch nach Funktions-Unterhemdchen. Wir werden fündig. Sie sind atmungsaktiv und transportieren Feuchtigkeit nach außen. Wir bestellen jeweils eines für den Tag und eines für die Nacht.
Meine im PC gespeicherte Packliste sehen wir ebenfalls durch. Ich hole alles an Sachen herbei, was ich schon bereitgelegt hatte. Das ist bereits eine fast unüberschaubare Menge.
Die muss unbedingt reduziert werden, zumal ich heute beschloss, mein kleines Diktiergerät einschließlich sechs Mini-Kassetten mitzunehmen. Von meinem alten Anrufbeantworter aufgezeichnete Gespräche und Telefonate zwischen Dietrich und mir. Liebesbeteuerungen und Beleidigungen.
Seltsam wird mir zumute. Den Ballast der Vergangenheit, besonders den mit Dietrich, möchte ich auf dem Jakobsweg zurücklassen. Sein Tod ist für mich immer noch irreal!
Vor vier Wochen traf ich ihn an der Bushaltestelle bei strahlendem Sonnenschein. Als ich dort ankam, stand er schon da. Er grinste mich so sinnlich erotisch an, wie er es immer tat, wenn er Lust auf mich hatte. Seine linke Hand stützte seinen rechten Ellenbogen, der angewinkelt die dazugehörige Hand am Kinn hielt. Der Zeigefinger lag an der rechten Wange, der Daumen war unters Kinn, der Mittelfinger angewinkelt vor dem Kinn mit dem markanten Grübchen gelegt und stützte seinen Kopf. Ich überlegte krampfhaft, was falsch an seiner Pose war, warum er seinen Kopf stützte, wenn er doch weggeschossen war. Jedoch war ich nicht sonderlich überrascht, ihn dort zu treffen, hatte ich doch nicht wirklich an seinen Tod geglaubt, sondern als ein böses Gerücht angesehen.
Freudig begrüßte ich ihn daher, wenn auch mit spitzer Zunge. Da hast du uns mit deinem angeblichen Selbstmord ja mal wieder verarscht! Er wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als ich erwachte und traurig und enttäuscht darüber war, dass ich alles nur geträumt hatte. Immer noch verspüre ich Sehnsucht nach ihm, und er fehlt mir. Nun will ich seine Stimme mit auf den Jakobsweg schleppen. Irgendwie makaber! Kommt auch seine Seele mit auf meinen Pilgerweg? Es würde ihr sicher gut tun!
Ich habe vor, die Bänder um das Cruz de Ferro zu wickeln. Ein mitgebrachter Stein vom Rheinufer werfe ich hinter mich auf die vorhandene Steinhalde. So ist es dort auf der Etappe Brauch. Damit würde ich symbolisch den Ballast und das ganze Leid meiner Vergangenheit zurück lassen. Aber was wird aus den gegenseitigen Schwüren ewiger Liebe? Wie weit und wie lange dauert solch ein Schwur? Wie lange ist immer und ewig?
Meine Digitalkamera kommt auch mit. Die vielen Batterien, die ich benötige, kann ich mir in den jeweiligen Orten kaufen. Sie sind relativ schwer und ich überlege noch, ob ich doch einige schon für den Anfang der Reise mitnehme. Jedoch sollte ich mir ein Maximalgewicht vornehmen und es auf keinen Fall überschreiten.
Sonja reißt mich aus meinen Gedanken und berichtet über unser Weiterkommen ab Bilbao.
»Wir werden um 13:15 Uhr am Flughafen in Bilbao ankommen. Am besten wäre es, mit dem Bus bis Pamplona und von dort ins 50 Kilometer entfernte Roncesvalles zu fahren. Es könnte sein, dass wir den Bus in Pamplona um 16 Uhr bekommen. Der nächste würde erst wieder um 18:30 Uhr fahren. Das ist relativ spät, denn wer weiß, wann wir dann in Roncesvalles ankommen würden! Erhalten wir dann noch eine Schlafstelle im Pilgerhospiz? Es ist ja Pfingstwochenende und obendrein Heiliges Jahr. Ein Pilger aus dem Internet hatte berichtet, dieses Jahr würden die Herbergen restlos überfüllt sein. Also Kleo, ich werde in Pamplona entscheiden, ob ich meine Pilgerreise dort beginne.«
»Ja, Sonja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Es hängt alleine davon ab, um wieviel Uhr wir in Pamplona ankommen. Am besten, wir lassen es auf uns zukommen. Obwohl, ab Roncesvalles unsere Pilgerreise zu beginnen, wäre interessanter wegen der Legende von Kaiser Karl, dem Großen.«
Der Ort Roncesvalles war Schauplatz vieler berühmter Schlachten zwischen den Armeen Karls und den Mauren. Roland, der bedeutendste von seinen Rittern und sein leiblicher Neffe, soll hier in einen Hinterhalt geraten und heroisch gefallen sein. Nachdem Karl den Leichnam gefunden und bestattet hatte, soll ihm dort auf der Passhöhe ein Engel erschienen sein. Dieser wies ihm den Weg der Sterne am Himmel als den einzigen Weg, der nach Santiago de Compostela zum Grab des Heiligen Jakobus und zur Vergebung führen sollte. Aus diesem Grunde wird der Jakobsweg auch der Sternenweg genannt!
»Ich bin total begeistert von unserem Vorhaben, Sonja, und finde es sehr spannend, die Energien, die dort auf dem Weg immer noch zu finden sein sollen, erspüren zu können! Und im Kloster Real Colegiata, einem architektonischen Meisterwerk aus dem 13. Jahrhundert, können wir während der Heiligen Messe den Segen für unser Vorhaben empfangen. Das wäre mir sehr wichtig!«
Obwohl gläubige Christin, trat ich vor vielen Jahren aus der katholischen Kirche aus. Die negative Rede des Pfarrers, der während meiner Schulzeit mein Religionslehrer war, empfand ich als eine Moralpredigt während der Trauung mit meinem ersten Ehemann. Er war persönlich von mir, seiner braven Vorzeigeschülerin enttäuscht, dass ich aufgrund meiner Schwangerschaft mit 16 Jahren heiraten musste. Er wollte mich dazu überreden, dass ich bei der kirchlichen Trauung kein weißes Kleid trage. Die Farbe Weiß würde die Unbeflecktheit der Heiligen Jungfrau Maria symbolisieren.
Hier war es das erste Mal, dass ich, die immer liebe mich durchsetzte und ein weißes mit Spitzen besetztes Kleid zu meiner Hochzeit trug. Das war ihm ein besonderer Dorn im Auge. Und die Benachrichtigung über meinen Kirchenaustritt danach sicherlich auch.
Gut, damals hatte ich mir gesagt, ich bin mit den Regeln der katholischen Kirche nicht einverstanden, aber an Gott als den Schöpfer des Lebens und des genialen Universums und an Jesus Christus als einen Heiler und Wundertäter, der er zu seinen Lebzeiten gewesen sein soll, glaube ich. Die Kirche, respektive die Heilige Messe, brauche ich nicht, um mit Gott verbunden zu sein. Ich bin getauft. Kann überall und jederzeit mit ihm sprechen. Darüber hinaus ist die Kirche unermesslich reich. Nicht nur an Kunstschätzen. Das habe ich in Rom bei meinen Besuchen erkannt. In ihren Ansichten, so denke ich, ist sie nicht immer realitätsnah. Besonders im Gegensatz zu der rasanten Entwicklung der Menschheit und der Entdeckung ihrer Entstehungsgeschichte und ferner Welten.
Mit ihren Regeln wurde ich jedoch erneut konfrontiert, als mein Neffe Jordan am 1. September geboren wurde. Ich wollte auch Taufpatin des zweiten Jungen meiner Schwester werden. Zu ihm hatte ich sofort ein inniges Verhältnis. Er hat ein Wesen, das mir gefällt. Meine Schwester Birgit und Michael, ihr Ehemann, meinten stolz: »Ja, er ist ja vom Sternzeichen her eine Jungfrau! Wie du! Mit denen kommst du am besten aus!«
Womit sie vollkommen recht hatten.
In meinem Leben spielten die im Sternzeichen der Jungfrau geborenen Männer eine große Rolle. Drei meiner bisherigen Chefs, mit denen ich harmonisch zusammenarbeiten konnte, waren unter diesem Sternzeichen geboren. Auch Dietrich.
Im Büro des Pfarramtes, um mich als Taufpatin von Jordan registrieren zu lassen, sagte mir die Sekretärin, nachdem ich meinen Namen und meinen Wunsch vorgetragen hatte: »Ihr Name sagt mir was, da war doch was... Lassen Sie mich mal überlegen!«
Sie nahm einen Ordner aus dem Aktenschrank, öffnete ihn und schlug mit der Hand auf ein Formular, das gleich am Anfang vorne abgeheftet war.
»Jetzt fällt es mir wieder ein«, rief sie triumphierend.
»Es ist ziemlich alt, das ist noch vom verstorbenen Pastor. Es steht allerdings kein Datum drauf. Wie ich sehe, wollten Sie noch die Daten bringen, damit Ihr Kircheneintritt wieder vorgenommen werden konnte!«
Erstaunt sah ich sie an.
»Ja! Sie wollten damals ein Wiederaufnahmeformular ausfüllen und wieder in die Kirche eintreten, damit Sie bei Ihrem Neffen Patrick Taufpatin werden konnten. Sie wollten noch die Daten Ihres Kirchenaustritts und Ihrer Firmung einreichen, was Sie bisher nicht getan haben. Deshalb sind Sie bei Patrick auch nur als Taufzeugin registriert! Sie können nur Taufpatin sein, wenn sie ein Mitglied der katholischen Kirche sind!«
»Ja, jetzt kommt mir langsam die Erinnerung!«, erwiderte ich schluckend und fuhr mit gedämpfter Stimme fort.
»Vielleicht habe ich das verdrängt durch das Chaos der letzten Jahre. Wir dachten die ganze Zeit, ich sei Taufpatin von Patrick!«
Sie schüttelte den Kopf und belehrte mich erneut: »Nein, das ging ja nicht, weil Sie nicht mehr in der Kirche waren, deshalb wollten Sie ja wieder eintreten. Aber das holen wir jetzt nach, damit Sie Taufpatin bei Jordan werden können und nicht als Taufzeugin registriert werden wie bei Patrick.«
Oh mein Gott! Ist das in deinem Sinne? Nein, das sind für mich Machtspiele der katholischen Kirche!
Ein neues Formular wurde ausgefüllt und wir legten den Termin für die Taufe auf den 15. Februar fest.
Sie meinte nun locker und herzlich: »Bis dahin sind auf jeden Fall alle Formalitäten seitens des Erzbistums erledigt. Wenn Sie mir die fehlenden Daten durchgegeben haben, schicke ich den Antrag weg. Sie werden dann vom Pfarrer noch zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Das ist jedoch reine Formsache. Zum Schluss erhalten Sie eine schriftliche Bestätigung. Mit dieser müssen Sie Ihre Steuerkarte beim Einwohnermeldeamt dann ändern lassen!«
»Na gut, dann hat ja alles wieder seine Ordnung«, murmelte ich mit einem Blick auf die Uhr.
»Mit meiner Schwester und meinem Schwager bespreche ich das von Ihnen vorgeschlagene Taufdatum und rufe Sie danach an. Meine noch fehlenden Daten teile ich Ihnen dann auch mit!«
Und so geschah es. Jedoch, gleich nach der Taufe von Jordan trat ich wieder aus der katholischen Kirche aus. Mal sehen, was weiter mit mir geschieht.
Nur Gutes habe ich bei ihmoben bestellt und glaube, dass er über die Regeln und über die Ausführung seines Dienstpersonals hier auf Erden eher schmunzeln, als dass er böse auf mich sein wird.
Samstag, 15. Mai - Probewandern
Das Wetter hält sich einigermaßen. Die Sonne kommt hin und wieder hinter den dicken weißen Wattebauschwolken hervor. Dann ist es relativ warm. Sonst sind es nur um die siebzehn Grad.
Heute will ich die Trekkingsachen, die ich mir vor einigen Tagen kaufte, testen. Eine lange Hose aus atmungsaktivem, Wasser und Schmutz abweisendem Polyamid-Supplex und Teflon-Faserschutz mit abnehmbaren Hosenbeinen, ist auch als Shorts zu tragen. Sie hat einen bequemen Schritt, zwei Eingrifftaschen und am linken Bein eine große Tasche mit Reißverschluss. Das ist der Platz für meine blaue Lesebrille. Die Hosenbeine reichen schön über die Wanderschuhe und es dringen keine Steinchen oder sonstigen pieksenden Dinge vom Gehweg hinein.
Ich hatte mich für die Größe 40-42 entschieden, das ist genau das richtige Maß. In der Taille habe ich bequem Luft, auch wenn ich wieder zugenommen habe. Wahrscheinlich hat mein Unterbewusstsein entschieden, dass ich Reserven für den Weg benötige und somit mehr Bauchspeck entstehen lassen. Wir werden sehen, ob ich nach meiner Pilgerreise wieder in Kleidergröße 38 passe.
Die kurzärmelige Bluse aus demselben Material verfügt über zwei Brusttaschen mit Klettverschluss. Mein Labello landet auf der rechten Seite. Ein schwarzes Sonnentop aus Elasthan trage ich unter der Bluse. Mein normaler Alltags-Rucksack ist gefüllt mit zwei Bananen, zwei Schokoriegeln, der gefüllten Wasserflasche mit einigen Tropfen des Bach-Blüten-Komplexes gegen meine Neurodermitis, einem Knirps, dem Stadtplan, diversem Schreibzeug, einem kleinen Handtuch, meinem Handy und der Kamera.
Um 14:10 Uhr starte ich. Diesesmal nach Osten. Der Weg nach Hitdorf ist mir langweilig geworden. Das wird sich wohl auf dem Jakobsweg ändern, wo jeder Tag auch ein neuer Weg mit neuen Eindrücken, jedoch ohne Rückweg sein wird.
Nach einer Stunde und zehn Minuten stramm Marschieren schmerzen mir Beine und Rücken. Einige Dehnübungen helfen. Müde setze ich mich auf eine Bank und trinke etwas Wasser. Der rechte Unterarm beginnt wieder zu jucken. Mit etwas Spucke reibe ich mir die Stelle ein. Die Haut beruhigt sich sofort.
Ausgeruht führt mich mein Weg zurück, nachdem ich während meiner Gedankengänge noch eine Banane und einen Riegel verspeist habe. Hin und wieder kommt die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen hinter den Wolken hervor und lässt die entsprechenden Glücksgefühle sprießen.
Zu Hause angekommen überschlage ich kurz, dass meine Gehzeit dreieinhalb Stunden betrug. Das werden ungefähr siebzehn Kilometer heute gewesen sein. Meine Schuhe waren superleicht und bequem, die Kleidung ebenso kaum zu spüren. Ich bin zufrieden. So kann es weitergehen. Dreizehn Tage sind es noch bis zum Abflug. Ich freue mich immer mehr!
Heute ist das Wetter relativ angenehm, trocken und mild. Meine Körperfett-Waage zeigt mir ein Rekordgewicht von 63,6 kg. Das berührt mich allerdings nicht mehr so stark. Nur ein klein wenig. Das Polster um die Hüften, das Hüftgold, zum Abstützen des Pilger-Rucksackes ist wahrscheinlich vom Meister des Universums oben so vorgesehen! Haha...
Von meiner Schwester habe ich erfahren, dass unsere Mutter heute bei ihr zu Besuch sein wird. Das wäre ein schönes Wanderziel für heute. Ich bat Birgit, ihr nichts davon zu sagen, dass ich eventuell auch kommen würde.
Um 15:10 Uhr starte ich. Eine junge Malerin sitzt am Rheinufer und hat einige kleine Werke im Gras liegen. Sie probiere einige Farbmischungen aus, sagt sie, ist jedoch nicht an einem weiteren Gespräch interessiert wie ich merke. So gehe ich weiter bis zu einer Gabelung. Beide Wege könnte ich gehen, ich bin mir jedoch nicht sicher, welcher mir besser gefällt. Einen Moment bleibe ich stehen und versuche, auf meine innere Stimme zu hören. Sie hilft mir jetzt jedoch nicht, so zähle ich mit dem Reim aus, wie es Jessica mir immer vormacht.
»Ene mene miste, es rappelt in der Kiste, ene mene Maus und du bist raus!«
Der linke Weg ist demnach angesagt!
Aber den will ich dann doch nicht und entscheide mich für den anderen. Na ja, so umständlich und kindisch geht’s auch. Gut so! Denn die Schrebergärten auf diesem Weg sind schön anzusehen. Eines der Grundstücke ist mit einem großen Taubenschlag ausgestattet. Ein großes Weizen- oder Maisfeld folgt. Die Frucht steht noch sehr niedrig. Daher kann ich die Art nicht erkennen.
Ein Mann auf einem Fahrrad ruft laut.
»Da, der Sperber dort oben beobachtet Mäuse, gleich stürzt er sich auf sie!«
Natürlich meint er mit sie nicht mich, sondern die Mäuse. Sein Fahrrad rudert verdächtig hin und her, weil er mit einer Hand auf den Vogel zeigt, der scheinbar in der Luft steht. Ich lächele den Mann an, als er bei mir stehen bleibt und erwidere: »Tatsächlich!«
Wir halten einen kleinen Plausch. Es ist wirklich schön, diesen Weg hier gewählt zu haben nach meiner Intuition.
Ich passiere eine alte Mühle und gehe weiter bis zu einer Pferdekoppel. Der vorgegebene Weg führt mich weiter in Richtung Wildpark mit dem angrenzenden Friedhof, auf dem sich das Grab von Dietrich befindet. Sollte ich ihm einen Besuch abstatten? Es wäre nur ein kleiner Schlenker.
Ach, nein!
Beschlossen hatte ich vor kurzem, das Grab nicht mehr so oft zu besuchen und heute passt es irgendwie auch nicht.
Ich befinde mich vor einer Schnellstraße, die ich überqueren müsste. Es ist aber zu starker Verkehr, zu gefährlich. So gehe ich die Böschung hinunter, kraxle unter der Brücke durch und auf der anderen Seite wieder hoch. Folge ihr bis zur großen Kreuzung und bin nach einer weiteren Stunde am Ziel bei meiner Schwester angekommen.
Unsere Mutter sitzt schon am gedeckten Esstisch im Wohnzimmer. Jordan sitzt auf seinem Hochstuhl neben ihr. Er lacht mich immer strahlend an, wenn er mich sieht, flattert mit den Händchen und zappelt mit dem ganzen Körper. Wir beide haben schon eine enge Beziehung zueinander entwickelt. Nach einem Begrüßungskuss, bei dem er innig mit offenem Mund stillhält, zeigt er mir stolz, was er soeben gelernt hat. Birgit singt einen Kinderreim, zu dem er sein Händchen dreht.
»Wie ein Fähnchen auf dem Turme, sich kann dreh'n bei Wind und Sturme, so soll sich dein Händchen dreh’n, dass es eine Lust ist anzuseh'n!«
Das ist sooo süß!
Meine Mutter ist erstaunt, dass ich erschöpft ankomme und so seltsam angezogen bin.
»Bist du mit dem Fahrrad, Liebchen?«, fragt sie neugierig.
Als ich ihr erzähle, dass ich den Weg zu Fuß gekommen bin, glaubt sie es nicht. Birgit dagegen lacht.
»Wenn du schon bei zehn Kilometern kaputt bist, wie willst du denn dann 800 Kilometer schaffen?«
»Ach Schwesterherz, das ist doch etwas anderes! Für den Jakobsweg finde ich schon meinen Rhythmus!«
Es ist nun Zeit, meiner Mutter und meiner Schwester die Geschichte des Jakobsweges näher zu beschreiben.
»Jakobus war einer der zwölf Apostel Jesus. Der Überlieferung nach soll er in einem Ort in der Nähe von Nazareth geboren sein. Jakobus übte zusammen mit seinem Vater Zebedäus und seinem Bruder Johannes den Beruf des Fischers aus. In jenen Tagen erschien Jesus und predigte das Reich Gottes. Er forderte einige Personen auf, ihm zu folgen. So auch die beiden Brüder. Diese ließen ihren Vater im Schiff und folgten ihm nach. Während der drei Jahre seines öffentlichen Lebens begleiteten sie ihn. Vom Tode bis zum Zeitpunkt des Martyriums des Jakobus durch Enthauptung auf Befehl von Herodes vergingen viele Jahre. In dieser Zeit verkündete Jakobus das Evangelium in Spanien. Er war der einzige der Apostel, der je europäischen Boden betreten hat. Aufgrund all dieser Überlieferungen bedeutet der Besuch des Apostelgrabes, das sich in der Kathedrale in Santiago de Compostela unter dem Hauptaltar befinden soll, die Zusammenkunft mit einem Augenzeugen der Heilsgeschichte Christi.
Der Ursprung von Santiago de Compostela geht auf eine Legende zurück. Nachdem Jakobus in Palästina enthauptet worden war, wurde sein Leichnam in ein Schiff gelegt, mit dem sich seine Jünger auf den Weg machten und das von selbst die Küste Galiziens in Spanien erreichte, den Fluss hinauffahrend, schließlich in dem Ort Padrón landete. Nach der Ankunft wurde der Leichnam am 25. Juli an einem Hügel schließlich bestattet. Nach und nach wurde er vergessen, bis ein Einsiedler ihn im Jahre 813 fand. Der damalige König besuchte den Ort und befahl den Bau einer bescheidenen Kirche, um die herum die Stadt zu wachsen begann. Vor zirka eintausend Jahren begann ein Bischof mit dem Bau der Kathedrale, um dem Apostelgrab und dem Pilgerstrom der Christen einen würdigeren Rahmen zu bieten. Karl der Große wurde durch volkstümliche Überlieferung zum Begründer des Jakobsweges.«
Mein Schwager kommt während meiner Erzählung von seiner Arbeitsstelle. Wir begrüßen uns, und er meint, ich solle fortfahren, er mache in der Zwischenzeit Kaffee.
»Wollt ihr denn noch mehr hören oder ...?«
Mutti lässt mich nicht ausreden. «Ja, ja, Schätzchen, erzähl weiter! Das ist spannend!«
»Gut, wenn es euch jedoch langweilig werden sollte, sagt Bescheid!«
Ich hole noch einmal tief Luft und fahre mit meiner Erzählung fort.
»Also, der meistbenutzte Weg nach Santiago ist der französische Hauptweg, den ich mit Sonja gehen werde. Es gibt jedoch Pilger, die direkt vor ihrer eigenen Haustüre starten. Sei es aus Holland, Belgien, Frankreich und auch aus Deutschland. Der Strom der Pilger ist in einem Heiligen Jahr stärker. Jedes Jahr, in dem der Tag des Martyriums des Jakobus, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt, ist ein Heiliges Jahr. Die Heilige Pforte an der Apsis der Kathedrale in Santiago de Compostela ist dann das ganze Jahr über geöffnet. Und die katholische Kirche gewährt den Pilgern besonders geistige Gnaden. Es stellt eine Einladung für diejenigen dar, die sich in ihrem Glauben von der katholischen Kirche entfernt haben. Sie sind aufgefordert, wieder zum christlichen Leben, wie die Kirche es sieht, zurückzufinden. Da bin ich doch mit meinem Wiedereintritt in die Gemeinschaft der katholischen Kirche auch mit gemeint!«
Lächelnd beende ich meinen kleinen Vortrag. Gemütlich sitzen wir weiter zusammen und palavern über neueste Familienangelegenheiten, während wir den frisch aufgebrühten Kaffee und den von Michael herbeigezauberten Erdbeerkuchen genießen.
Endlich!
Es ist so weit!
Frühmorgens um viertel vor 6 Uhr treffe ich bei Birgit und Michael ein. Meine Schwester nimmt mich schlaftrunken in die Arme. Sie drückt mich feste an sich und einen Briefumschlag in meine Hand.
Die Augen noch halb geschlossen und laut gähnend nuschelnd.
»Den kannst du ja im Flugzeug lesen!«
Auch ich umarme sie jetzt und bitte, sie möge auf sich und ihre Familie aufpassen. Sie wünscht mir viel Glück für den Pilgerweg.
Michael ist startklar. Ich übergebe ihm meine Autoschlüssel. Jetzt möchte ich nicht mehr selbst fahren. Mein Pilgerweg beginnt für mich schon hier, jedoch nicht zu Fuß.
Die Unterhaltung mit meinem Schwager lässt die Fahrzeit schnell vergehen. Um 6:30 Uhr kommen wir am Flughafen in Düsseldorf an.
Meinen Rucksack will ich anziehen, aber Michael will ihn für mich zum Check-In tragen. Er wiegt nur 5,8 Kilo und ist super gepackt nach meiner Packliste. Die beiden Teleskop-Wanderstöcke sind außen angebracht.
Sonja erwartet uns bereits. Auch sie freut sich und ist ebenso aufgeregt wie ich.
Am Schalter bittet mich die Flugbegleiterin, den Rucksack wegen der Wanderstöcke am Sperrgutschalter, der sich zirka einhundert Meter weiter befindet, abzugeben.
Herzlich verabschiede ich mich von Michael.
Bis zum Bording ist noch Zeit. Sonja und ich trinken Kaffee an der Bar und unterhalten uns euphorisch über unser beginnendes Abenteuer.
Im Flugzeug haben wir getrennte Sitzplätze. Das gibt mir leicht zu denken. Sollte das ein Hinweis sein auf unsere geplante gemeinsame Pilgerschaft?
Nach dem Start, den ich wie bei jedem Flug in vollen Zügen genieße, nehme ich Birgits Brief und lese ihn.
Liebe Schwester!
Erst mal wünsche ich dir einen schönen Flug! Ich hoffe, du triffst alles so an, wie du es dir vorgestellt hast. Du weißt, dass es menschenmöglich ist, das durchzuführen, was du dir vorgenommen hast. Ich weiß, dass du es schaffst, und bin stolz auf dich. Doch wenn du nicht mehr kannst, dann ist es keine Schande aufzugeben.
Liebe Kleo, versprich mir (uns), nicht über deine Grenzen zu gehen. Wenn du nicht mehr kannst, dann höre auf! Aber ich weiß, du hast Stolz und Ehrgeiz und dieses Erlebnis bleibt dir für immer. Deshalb wünsche ich dir im Namen von allen ganz viel Kraft, gute Füße, Selbstbewusstsein und Aufnahmefähigkeit, um uns zu erzählen, wie es in einem anderen Teil unserer Welt aussieht. Wir lieben und brauchen dich. Deine Schwester, Jessica, Jordan, Patrick, Mutti, Michael und viele, viele mehr!
Auch Birgit kann besser schriftlich als mündlich ihre Gefühle ausdrücken. Ihre Zeilen berühren mich sehr und Tränen schießen mir vor Rührung in die Augen.
Die meiste Zeit besteht gute Sicht auf die Landschaften unter uns. Als wir die Pyrenäen überfliegen, sauge ich die Bilder in mich auf. Dort unten werden wir Richtung Westen wandern.
Um 10:30 Uhr landen wir pünktlich in Madrid. Wir suchen uns ein Café, um in aller Ruhe zu frühstücken.
Bordingtime für unseren Weiterflug nach Bilbao ist um 11:55 Uhr von Gate E79.
Die Tische in der Café-Bar sind alle besetzt. Wir fragen eine kleine Gruppe Spanier, ob wir uns noch auf die zwei freien Stühle an ihrem Tisch setzen können. Sie nicken freundlich und kauderwelschen laut weiter.
Vor dem Bording gehen wir noch zur Toilette und dann langsam zu Gate E79. Dort ist jedoch nicht unser Flug Bilbao angezeigt, sondern Valencia. Seltsam, denke ich, ob unser Flug Verspätung hat? Wir beraten uns, warten auf eine Änderung auf der Anzeigentafel. Die kommt jedoch nicht. Um 12:25 Uhr ist unsere Abflugzeit, jetzt ist es 12 Uhr und nichts tut sich.
Da stimmt etwas nicht! Vielleicht ist unsere Bordkarte mit einer falschen Gate-Angabe ausgestellt, denke ich und spreche es aus. Ich gehe zu der großen Abfluganzeigentafel und lese dort Gate E 52. Schnell erkläre ich Sonja die Änderung. Wir beeilen uns. Dort angekommen, sind schon fast alle Passagiere eingestiegen.
»Sonja, was sagt uns das?«, frage ich sie atemlos. Die Antwort gebe ich uns selbst.
»Na, dass wir auf die Details achten müssen! Am Gate E 79 war der Flug Valencia annonciert und nicht unser Flug Bilbao. Da hätten wir direkt reagieren und uns informieren müssen, anstatt erst einmal hin und her zu gehen und abzuwarten, ob sich die Anzeige Valencia in Bilbao ändert. Und vielleicht sollte uns das noch sagen, dass wir den Angaben auf den Bordkarten nicht trauen dürfen.«
Erleichtert lasse ich mich auf meinem Fensterplatz in der zwanzigsten Reihe nieder. Sonja sitzt wieder nicht neben mir.
Nach der Landung um 13:15 Uhr in Bilbao erhalten wir schnell unsere Rucksäcke. Vor dem Flughafengebäude fragen wir einen Taxifahrer nach dem Preis für die Fahrt in die Stadt zum Busbahnhof. Ja, fünfundzwanzig Euro für uns beide sind in Ordnung.
Es beginnt eine kleine Sightseeing-Tour. Wir kommen am imposanten Guggenheim-Museum vorbei und durchqueren die Altstadt. Leider haben wir keine Zeit für einen kleinen Bummel.
Der Bus fährt pünktlich um 16 Uhr. Pamplona erreichen wir nach einer zügigen Fahrt über die Autobahn um 17:45 Uhr. Jetzt müssen wir nur noch die Pilgerherberge finden. Mein Reiseführer beschreibt uns den Weg. Zunächst verlaufen wir uns. In der Altstadt letztendlich angekommen, steht dort ein Hinweis, dass diese Herberge geschlossen ist.
Ach! Habe ich etwa einen Reiseführer gekauft, der nicht auf dem neuesten Stand ist?
Das fängt ja gut an! Ratlos schauen wir uns an. Sonja geht in die daneben stehende Kirche, will sich dort die Leute anschauen.
Sie kommt nach kurzer Zeit zurück und will auf eine Deutsch aussehende Frau warten, die sich in einer Pilgergruppe im Inneren aufhält. Sie erhofft sich von ihr, dass sie uns eine Herberge nennen kann.
Und so ist es.