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Ihre Suche nach dem Sinn des Lebens und ihre Persönlichkeitsentwicklung während ihrer Reise nach Florenz ziehen sich als roter Faden nach dem Selbstmord ihres Traummannes durch diese spannende Geschichte. Die geschilderten Erlebnisse führen sie in die Welt des großen Universalkünstlers Michelangelo Buonarroti. Mit ihrer Verehrung zu Michelangelo möchte Kleo eine Brücke bauen zwischen der Kunst, dem Raum, der Zeit und den Menschen dieser wundervollen Welt. Gleichzeitig möchte sie in Florenz einen bestimmten geheimnisvollen Platz finden, den sie während der Rückführung innerhalb eines Seminares sah. Ein unerwartetes Liebesabenteuer stellt ihr Leben auf den Kopf. Sie wird vor eine wichtige Entscheidung gestellt. Wird sie das richtige tun?
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Inhaltsverzeichnis
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Karin Lehnerts Odenthal
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Wortzauber K. Lehnerts
c/o Probierwerk
Stauffenbergstraße 14 – 20
51379 Leverkusen
Aktualisierte Neuauflage Februar 2021
ISBN- 978-3-9810958-3-8
Karin Lehnerts
In der Reihe
ist bereits erschienen:
Aktualisierte Neuauflage Februar 2021
ISBN- 978-3-9810958-2-1
Karin Lehnerts Odenthal, genannt Kleo, wurde 1948 in Leverkusen geboren. Ihre Kindheit erlebte sie als streng und religiös. Mit 16 Jahren musste sie heiraten. Nach Abschluss ihrer kaufmännischen Ausbildung war sie neben ihren mütterlichen und häuslichen Pflichten stets berufstätig. Die Scheidung von ihrer Jugendliebe erfolgte nach 16 Ehejahren. Ihr Sohn machte sie mit 34 Jahren zur Großmutter. Nach einer Erholungsphase traf sie ihren Traummann. Er, ein intelligenter und charismatischer Mann setzte seinem Leben selbst ein Ende. Sie stürzte in ein tiefes schwarzes Loch. Ihre Pilgerreise nach Santiago de Compostela war für sie die Krönung ihrer Genesung. Seitdem ist ihre große Leidenschaft das Reisen. Ihre Lieblingsländer sind Italien und Mexiko.
Florenz ist meine Lieblingsstadt in Italien. Die Stadt liegt an den Ufern des Arno zwischen dem Mittelmeer und dem Adriatischen Meer, fast im Zentrum der italienischen Halbinsel. Der Name Florenz, auf Italienisch ‚Firenze’ wird hergeleitet aus ‚Fiori’, was Blühen und Gedeihen bedeutet. Florenz war während der Renaissance die künstlerisch schöpferischste Stadt der Welt.
Seit meiner ersten Italienreise im Jahre 1982 verweile ich sehr gerne in Florenz und bin fasziniert vom Leben und von den Werken des genialen Künstlers Michelangelo Buonarroti, geboren am 6. März 1475 in Caprese, im rauen Apennin-Gebirge. Dort wuchs er auf in der lieblich hügeligen Landschaft in Settignano nahe bei Florenz. Im hohen Alter von 89 Jahren starb er am 18. Februar 1564 in Rom.
Er wurde nach dem Willen seiner Familie in der Basilika Santa Croce in Florenz bestattet, nachdem sein Leichnam heimlich aus Rom überführt worden war. Lange hatten sich Michelangelos Erben mit Papst Pius IV. gestritten, der ihn in Rom beisetzen lassen wollte.
Aus Anlass des 500. Geburtstages seines ‚David’, möchte ich mit dieser Geschichte meine Bewunderung ausdrücken darüber, dass ein Mensch in der Lage war, solch genialen Kunstwerke, teilweise unter schwierigsten, fast unmenschlich erscheinenden Bedingungen zu schaffen. Seine zahlreichen Skulpturen möchte ich besichtigen, mich daran erfreuen und daraus Kraft schöpfen.
Gleichzeitig werde ich in und um Florenz Recherchen durchführen für meinen biografisch, historischen Roman, an dem ich arbeite.
Dich, liebe Leserin, lieber Leser, möchte ich an dieser spannenden Suche teilhaben lassen.
Pisa empfängt mich um 9:15 Uhr mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Es ist angenehm warm, und ich ziehe meine Winterjacke aus. Draußen, an der Bushaltestelle für den Transfer zur Innenstadt steht ein Fahrschein-Automat, den ich nicht bedienen kann, weil er mir zu kompliziert ist. Der Busfahrer ist jedoch so freundlich, einem italienischen Ehepaar und mir die Funktion zu erklären. Nach dem Einwurf von 80 Cent und entsprechendem Fingertippen spuckt der Automat ein Bus-Ticket aus. Die Fahrt in die City kann beginnen.
Sie ist relativ kurz. An der Stazione gehe ich in den Bahnhof und löse eine Fahrkarte für den Zug nach Lucca. Mein Koffer ist relativ schwer, habe ich schließlich für vier Wochen gepackt und für jedes mögliche Wetter. Der Zug-Schaffner hilft mir mit einem Schubs, ihn die hohen Stufen hochzuhieven. Die Fahrt geht langsam. Mehrmals bleibt der Zug stehen, einfach so!
Eine Besichtigung des Domes mit dem schiefen Turm habe ich natürlich auch eingeplant. Aber das mache ich an einem anderen Tag, in aller Ruhe und ohne Gepäck.
Nach der Ankunft in Lucca um elf Uhr, nehme ich ein Taxi zur Pension in der Via Elisa. Sarah empfängt mich freundlich in englischer Sprache. Sie ist Studentin und zeigt mir die Räumlichkeiten, die ich noch zusätzlich zu meinem großen Zimmer mitbenutzen kann. Es stehen den Gästen drei Bäder zur Verfügung.
In der großen Gemeinschaftsküche, die sich im hinteren Teil mit zwei Fenstern zu einem Innenhof befindet, lerne ich sogleich Wolfgang aus Eberswalde kennen. Er ist groß, schlank, hat braune Augen und dichtes schwarzes Haar. Ich schätze ihn jünger ein. Er ist ebenso alleinreisend und will noch bis nächsten Sonntag bleiben. Sogleich überfällt er mich mit Informationen. Er klärt mich über die Gegebenheiten in der Pension auf, insbesondere über den Gebrauch der typisch italienischen Kochutensilien.
Ein dänisches Paar ist ebenfalls zugegen. Wir unterhalten uns in Englisch. Der Mann erklärt mir die Zubereitung in dem Espressogerät. Eine Flamme des Gasherdes kocht in kurzer Zeit eine Portion dieses köstlichen Getränks. Na ja, es ist für mich ein kleiner Schluck zu meinem großen Glück, bin ich doch eine große Tasse Kaffee mit heißem Milchschaum morgens früh gewöhnt.
Es kommt mir vor, als würde ich Wolfgang schon lange kennen, als hätten wir uns hier verabredet.
Wir planen, bis zu seiner Abreise gemeinsam Touren und Besichtigungen zu unternehmen.
Mein Zimmer ist adrett und mit einem hohen französischen alten Eisenbett ausgestattet. Die Matratze ist schön hart und ich kann im Sitzen meinen Laptop benutzen. Der Boden ist allerdings nicht sauber, wie ich beim Umkleiden bemerke. Meine schwarze Hose ist mir hingefallen und nun voller Staub. Am Fenster zur Seitenstraße schlage ich sie kräftig aus.
Sarah hat die Pension bereits verlassen. Wie sie mir erklärte, ist sie immer nur kurz zum Empfang der Pensionsgäste hier, wenn Andrea, der Inhaber, verhindert ist.
Ich muss mich daran gewöhnen, dass Andrea hier in Italien ein Männername ist und nicht wie bei uns in Deutschland der des weiblichen Geschlechts.
Einen großen Zettel mit dem Hinweis auf den nicht gereinigten Fußboden schreibe ich in Englisch und lege ihn auf den Tresen im Empfangsraum. Nachdem ich meinen Koffer vollständig ausgepackt habe, gehe ich die Umgebung erkunden.
Lucca, am linken Ufer des unteren Serchioflusses gelegen, ist eine Stadt von architektonischer und künstlerischer Bedeutung. Die hohe Stadtmauer gefällt mir besonders und ist einer der Gründe, warum ich Lucca ausgewählt habe. Sie umfasst den gesamten Altstadtbereich. Man kann wunderbar auf ihr flanieren. Von dem mit Bäumen bepflanzten Wall blicke ich hinunter auf hübsche kleine Plätze, Gärten, Winkel, Gassen und auf nicht wenige der bedeutendsten Bauwerke der weitgehendst autofreien Altstadt. Unter den Gebäuden sticht der mächtige Dom San Martino mit seinem erhabenen Glockenturm hervor.
Mein Weg führt mich über die Piazza Napoleon zum Gebäude des Informations-Büros. Dort in der integrierten Bar genehmige ich mir einen Salat Caprese, Latte Macchiato, Espresso und zum Nachtisch ein Schokohörnchen.
Die Pension in der Via Elisa bedeutet jetzt vorübergehend mein zu Hause. Obwohl durch die alten undichten Fenster starker Verkehrslärm zu hören ist, schlafe ich schnell vollkommen entspannt und selig in dem breiten alten Bett ein.
Bei herrlichem Sonnenschein frühstücke ich gemütlich mit Wolfgang in der urigen Gemeinschaftsküche. Er hat frische Brötchen, Schinken, Käse und Oliven eingekauft. Zwei Fenster eröffnen mir einen Blick auf einen Innenhof, von alten Häusern umschlossen. Vor deren Fenster sind Leinen für Wäsche gespannt. Der Ausblick auf verschiedene Jalousien, Klappläden, Vorhänge, eine Waschgelegenheit aus grauem Granit, Pflanzen, Steine, altes Gemäuer, von dem der Putz bröckelt und in deren Löcher gurrend graue Tauben jeden freien Zentimeter ausfüllen fasziniert mich. Vogelgezwitscher dringt durch eines der hohen Fenster, das ich in der kühlen Morgenluft weit geöffnet habe.
Heute wollen wir zusammen nach Viareggio ans Mittelmeer fahren. Wir sind mit äußerst wundervollem Sonnenschein bedacht. Durch die Via Elisa gehen wir links am Brunnen vorbei, biegen in die Via del Fosso, in der ein schmaler Bach entlang rauscht und laufen durch die Passeggiata delle Mura bis zum Baluardo San Colombano.
Lucca gehört zu den wenigen Städten Italiens, die noch eine völlig intakte Stadtmauer besitzen. Im 19. Jahrhundert, als sie bereits jede militärische Bedeutung verloren hatte, wurde sie in eine von Bäumen gesäumte Promenade umgewandelt und durch dichtwachsende hohe Sträucher verschönert. Seit sie für den Autoverkehr gesperrt wurde, ist auf der Mauer heute ein weit angelegter öffentlicher Park, der mir einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt und umliegende Landschaft bietet. Der Autoverkehr wird durch fünf Portas in die Altstadt geführt. Fußgänger finden in den Baluardos zusätzliche Durchgänge. Ich habe vor, hier oft spazieren zu gehen und so die Altstadt zu umrunden.
Der Bahnhof befindet sich gleich gegenüber des Baluardo San Colombano, den wir nun zügig durchschreiten. Wir zahlen für die Hin- und Rückfahrt 4,10 Euro, und ich freue mich wieder einmal über den Euro, der die komplizierte Umrechnung in Lire vergessen lässt.
Zu Beginn der Fahrt keimt Neugier bei Wolfgang auf, und er bittet mich, ihm zu sagen, warum ich zu dieser Zeit in Lucca bin. Locker, den Kopf zurückwerfend, beginne ich zu erzählen.
»Vor einigen Jahren saß ich im Wartezimmer einer Heilpraktikerin. Es lagen dort verschiedene Prospekte und Flyer verschiedener Seminare aus. Unter anderem auch über Rückführungen. Das interessierte mich sehr, und ich meldete mich an.
Mein ursprünglicher Grund für die Rückführung war, dass ich wissen wollte, warum ich seit vielen Jahren auf dem rechten Ohr diese Schwerhörigkeit und den Tinnitus habe.
Neben dem Seminarleiter waren fünf Teilnehmer und Teilnehmerinnen zugegen und Heidi, eine von ihnen, die meine Freundin wurde, schrieb mit, was aus meinem Munde sprudelte. So konnte ich später zusätzlich nachlesen, was ich in der Rückführung gesehen und erlebt hatte. Die Bilder, die ich sah und meinen eigenen Tod, den ich noch einmal durchlebte, brachten mir eine absolut schockierende Offenbarung.«
Wolfgang beugt sich vor und fragt nach: »Du hast deinen eigenen Tod erlebt?«
»Ja, den aus einem anderen Leben! Er war so real, als wäre es in dem Moment des Seminars geschehen und es war ganz, ganz schrecklich! Es ging um ein Duell. Es zeigte mir, dass ich mit meinem zweiten Ehemann Dietrich, meinem Traummann und große Liebe, aus dem früheren Leben noch etwas sehr Wichtiges und Dramatisches aufzuarbeiten hatte. Alles spielte sich in Florenz ab mit seinen engen Straßen und Gassen, den dicht aneinander liegenden Häusern, Türmen und Plätzen.
Aus diesem Grunde bin ich jetzt hier, um die Örtlichkeiten zu finden. Ich möchte sie authentisch in meinem Roman wiedergeben. Ich habe aufgrund der Bilder in meinem Kopf eine Idee, wo die Schauplätze sein könnten.«
»Das kann ich gut nachvollziehen und verstehen«, entgegnet Wolfgang mit großen Augen.
Nach einer nachdenklichen Pause, während wir aus dem Fenster blickten, sieht Wolfgang mich erwartungsvoll an. Er beugt sich vor und seufzend flüstert er: »Schade, dass ich nicht mit dir nach Florenz kommen kann. Deine Suche dort wird sicher spannend werden.«
»Ja, Wolfgang! Und …« will ich fortfahren, aber er fällt mir enthusiastisch ins Wort.
«Und wie bist du in die Pension von Andrea gekommen?«
»Die Pension fand ich im Internet und erhielt von ihm ein günstiges Übernachtungsangebot für vier Wochen«, entgegne ich munter und nenne ihm triumphierend den günstigen Preis, den Andrea mir einräumte.
»Da kannst du froh sein, er nimmt mir nämlich das Doppelte ab. Komm, Kleo, wir gehen schon zur Tür, an der nächsten Station steigen wir aus!«
Viareggio ist ein alter Kurort mit langem weißen Sandstrand, an dem sich nur wenige Menschen aufhalten. Im Sommer ist er wegen seines berühmten feinen, weißen Sandes überfüllt. Wir gehen am Ufer entlang und sammeln Muscheln, eine meiner Lieblingsbeschäftigungen am Meer. Zum Genießen der rauschenden Brandung und der warmen Sonnenstrahlen setzen wir uns auf einen großen Stein. Es riecht nach Tang und Salz. Die zahlreichen Möwen schreien aufs Wasser hinaus oder hüpfen pickend in den seicht auslaufenden Wellen neben uns im Sand umher.
Der Ort wurde im Mittelalter als Hafen von Lucca gegründet. Weil in diesem sumpfigen Küstenstreifen die Malaria wütete, wurde die Ebene erst sehr viel später besiedelt. Erst im 18. Jahrhundert gelang es, sie trocken zu legen.
Gegen Mittag stellt sich ein wenig Hunger ein. In einem Fitnessclub finden wir auf der Terrasse mit wundervollem Ausblick eine angenehme Atmosphäre. Nach einem Blick in die Speisekarte bestellen wir Mozzarella mit Tomaten, dazu Brot und Rotwein. Die Zeit vergeht während unseres Mahls wie im Fluge.
Wohlig halte ich mein Gesicht der Sonne entgegen, die es äußerst gut mit uns meint und Wolfgang streckt seine Glieder stöhnend aus.
»Was ist los, geht’s dir nicht gut?«, frage ich besorgt.
»Ach, ich habe ständig Rückenschmerzen. Meine Wirbelsäule ist verschlissen. Da kann man nichts mehr machen!« Er beißt sich achselzuckend auf die Lippen und sieht mich nachdenklich an.
Mit einem Lächeln und einer ausholenden Geste meiner Hände biete ich ihm an. »Ich kann dir Reiki geben. Damit könnten die Schmerzen möglicherweise gelindert werden!«
Er zieht seine Brauen hoch
»Was ist denn das?«
Enthusiastisch fühle ich mich in meinem Element und Augen sprühend beginne ich mit meiner Erklärung: »Reiki, Reekie gesprochen, ist eine Methode, die auf altem, aber allgegenwärtigem Wissen beruht, der Erschließung und Übertragung einer Kraft, die alles Leben im Universum hervorbringt und erhält. Reiki kann die natürliche Selbstheilung fördern, Körper und Geist vitalisieren, seelische Harmonie und geistiges Wohlbefinden wiederherstellen, den Energie-Haushalt ausgleichen, Blockaden beseitigen und vollkommene Entspannung fördern. Ich bin als Reiki-Gebende nicht die Quelle der Energie, sondern Kanal. So, wie die Energie durch mich und meine Hände hindurchfließt und so auf andere übertragen werden kann, entfaltet sie auch Wirkung und Kraft gleichzeitig für mich. Wolfgang, zu einer anderen Energieform, an die ich auch glaube, möchte ich dir auch noch etwas sagen. Möchtest du es hören?«
»Na, klar! Da bin ich sehr gespannt drauf, denn das ist alles neu für mich, was du mir erzählst, Kleo!«
»Also, lieber Wolfgang! Ich liebe Steine in jeder Form, und ich glaube, dass ich mental Energie weiterleiten und ebenso empfangen kann. Der von Michelangelo bearbeitete Marmor zum Beispiel, muss voll positiver Energie sein. Davon wünsche ich etwas für mich. Ich möchte daher so viele Skulpturen von Michelangelo bei meinen Besichtigungen anfassen und somit diese Energie aufnehmen!«
»Ach, ja? Das hört sich ja interessant an! Und ...«
»Aber doch ein bisschen spinnert oder verrückt, nicht wahr?«, falle ich ihm diesesmal ins Wort, »aber ... so bin ich eben!«
»Ach, wirklich?« Wolfgang grinst und knufft mich sanft in die Seite. »Nun gut, jeder hat doch eine kleine Macke! Und deine scheint doch niemanden zu schaden, oder?« Lachend fährt er fort.
»Nun, sag mal, wie bist du denn zu diesem ‚Reekie‘ gekommen?«
»Durch Heidi. Sie war ja auch Teilnehmerin des Seminars und zugegen bei meiner Rückführung. Sie praktizierte es selbst schon einige Jahre und empfahl mir Reiki für mein rechtes Ohr. Sie meinte, der Tinnitus könnte dadurch seine starke Präsenz verlieren und ich würde ihn akzeptieren lernen. Somit mehr Ruhe finden. Ich hörte mich in meiner Gegend um und fand Beate mit ihrem Horizont-Zentrum. Die Einweihung in den ersten Grad erhielt ich im Mai 1995. Ein Jahr später, im April 1996, die Einweihung in den zweiten Grad. Den Tinnitus und die Schwerhörigkeit habe ich immer noch. Jedoch durch die jahrelange Selbstbehandlung mit Reiki habe ich tatsächlich gelernt, damit zu leben und das ständige Pfeifen im Ohr zu akzeptieren. Die meiste Zeit höre ich es nicht mehr!«
Wolfgang wirkt sehr ernst und blickt von der Sonne leicht geblendet aufs Meer hinaus. Nach einer langen Pause sagt er leise:
»Ich würde ‚Reekie‘ gerne ausprobieren. Wäre es möglich, dass du es mir zeigst?«
»Ja, natürlich, gerne! Wenn wir wieder in der Pension sind, werde ich dir Reiki geben. Versprochen, Wolfgang!«
Die Rückfahrt treten wir um 14:35 Uhr an. Nach der Ankunft in Lucca zeigt Wolfgang mir den großen Supermarkt, der sich auf dem Weg zur Pension befindet.
Wir kaufen Lebensmittel für die nächsten Tage ein. Für den Nachmittag verabreden wir uns zum Reiki und für den Abend zum gemeinsamen Essen, das wir in einem edlen Restaurant einnehmen wollen.
Zurückgekehrt in meinem Zimmer liegt auf dem kleinen Schreibtisch ein Zettel von Andrea.
“Miss Kleo, I have cleaned your room. Excuse me for the disservice.”
Er hat den Fußboden meines Zimmers gereinigt.
Zur verabredeten Zeit klopfe ich zaghaft bei Wolfgang an die Türe. Er hat auch ein schönes Zimmer, jedoch mit einem sehr großen klassischen Doppelbett. Nach der 30-minütigen Reiki-Anwendung fühlt er sich sehr gut, und ich lasse ihn schlafen.
Zum Abendessen treffen wir uns in der Eingangshalle. Er bedankt sich für die Behandlung und meint , er hätte es genossen. Er entschuldigte sich, dass er eingeschlafen war. Ich grinste ihn an. »Das ist vollkommen normal, Wolfgang. Reiki wirkt auch bei Schlafenden!«
Gut gelaunt und fröhlich verlassen wir die Pension. Ich hake mich freundschaftlich bei ihm unter. An der Porta Santa Maria ankommend, zeigt Wolfgang auf ein kleines Restaurant, das familiär geführt wird. Dort werden wir nach unserem Eintreten sofort freundlich vom Chef und seinem Sohn begrüßt. Ich wähle Spaghetti Bolognese als Vorspeise und Kalbsschnitzel in Weißweinsauce als Hauptgericht, dazu einen leichten Tischwein. Es ist sehr gemütlich hier und das von der italienischen Mamma zubereitete Mahl ist sehr schmackhaft und üppig.
Der Rückweg durch die frische Luft über den Stadtwall zur Via da Elisa tut uns gut. Es ist 22:40 Uhr, als ich müde, aber recht zufrieden mit dem vergangenen Tag in dem alten, jedoch höchst komfortablen Bett versinke.
Ausgezeichnet habe ich geschlafen. Den obligatorischen Kaffee bereite ich zu und decke den Frühstückstisch, während Wolfgang frische Brötchen vom Bäcker il Forno besorgt. Heute Morgen sind wir die einzigen Gäste in der großen Küche.
Wir haben vor, auf den Torre, den Turm der Familie Guinigi zu gehen. Er wurde am Ende des 15. Jahrhunderts erbaut und kann als letzter erhabener Vertreter des typisch gotischen Wohngebäudes in Lucca gelten. Nach dem Tode des letzten Mitgliedes der Familie ging der Palazzo in den Besitz der Stadt über.
Es sind 244 Stufen bis auf die Aussichtsterrasse. Oben angekommen, bin ich total erschöpft und außer Atem.
Ein wundervoller Blick über die Stadt entschädigt mich jedoch und ich kann mich nicht satt sehen an den verwinkelten alten Gassen und Gebäuden. Wir versuchen, einige Bauwerke zu erkennen und palavern über die Himmelsrichtungen, nachdem wir lachend und hin und her laufend, mehrmals die Seiten wechselten.
Der Himmel ist bewölkt. Es scheint, als könne man mit den Händen die Berge der entfernten Garfagna berühren. Das Meer bei Viareggio, wo wir gestern waren, können wir durch den von dort kommenden Wind riechen.
Ganz plötzlich beginnt es, ohne Vorwarnung stark an zu regnen. Wir versuchen, unter den hochgewachsenen, alten Steineichen, die hier oben stehen, Schutz zu finden. Es ist zwecklos, wir werden ziemlich nass.
Wir beschließen, bei diesem Regen nicht nach Bagni di Lucca zu fahren, wie wir es beim Frühstück ursprünglich geplant hatten. Dafür gehen wir zum Dom San Martino, den wir nun besichtigen wollen.
Die engen Gassen der Altstadt bilden meist Einbahnstraßen. Es gibt hier keine Bürgersteige. Auf die zahlreichen Fahrräder, die in beide Richtungen unterwegs sind, haben wir Fußgänger zu achten, besonders beim Passieren von schlecht einsehbaren Hausecken. Hunde, Katzen, sogar Perser- oder Edelkatzen sowie wilde Tauben schauen neugierig aus ihren Revieren aus den Höfen zu dem Treiben der zahlreichen Menschen. Plastiktüten voller Abfälle stehen vor den Haustüren aus edlem Holz. Jeden Tag in der Frühe knattert eine Bedienstete der Stadtverwaltung in einem kleinen dreirädrigen Wagen durch die Gassen und sammelt alles ein.
Der Regen hat aufgehört. Vor dem Eingang des Domes steht eine Bettlerin. Sie ist alt, klein und hutzelig. Ihre runzelige Hand hält sie uns mit murmelnder Stimme entgegen. Sie tut mir leid. Ich nehme mir vor, bei weiteren Besuchen im Dom Essen für sie mitzubringen, anstatt ihr Münzen zu geben, die sie sehr wahrscheinlich in Alkohol umsetzen würde.
Hallo? Kleo, wieso maßt du dir an, dich für sie verantwortlich zu fühlen, bestimmen zu wollen, was sie mit ihrem erbettelten Geld macht? Wenn sie der Genuss von Alkohol glücklich macht, ist es doch ihre eigene Sache! Jeder ist doch, auch durch die Kraft seiner Gedanken, selbst seines Glückes Schmied, meldet sich die Stimme meiner mich stets kontrollierenden und korrigierenden Logik.
Mein Ego kontert! Glückspilze sollen meist optimistische und auch risikofreudige Menschen sein, Unglücksraben sich hingegen selbst als Versager betrachten.
Diese Menschen glauben, dass sie keinen Einfluss auf ihr Schicksal haben und das Leben ihnen einfach nur übel mitspielt. Glückspilze und Pechvögel sollen auch nicht als solche geboren sein, sie machen sich selbst dazu. Optimismus soll ein idealer Schutz gegen Krankheit sein, denn Lachen sei die beste Medizin. Unsere Abwehrkräfte steigen, wenn es uns gut geht, sei es bei Erkältung, Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Die Einstellung zu Krankheiten soll entscheidend mitbestimmen, ob wir gesund bleiben. Jeder Gedanke wirkt sich auf den Körper aus. Wenn wir negative Gedanken haben, wird das Nervensystem dementsprechend beeinflusst. Alarm-Hormone werden ausgeschüttet, Stoffwechsel, Blutdruck, Körpertemperatur, Verdauung und Immunsystem sollen sich verändern.
Umgekehrt soll sich positives Denken auch positiv auf den Körper auswirken, unter anderem die Bildung von Abwehrzellen stimulieren. Die Psyche beeinflusst daher unsere Widerstandskraft. Wir können unsere Psyche tatsächlich selbst beeinflussen. Bei mir funktioniert es heute auf jeden Fall, wenn ich mir durch eine Affirmation sage, ich bin gesund, dann bleibe ich es auch. An den Grippewellen komme ich so vorbei, wenn alles um mich herum kränkelt. Vor Jahren war es noch anders, als Dietrich noch lebte. Da wusste ich allerdings noch nicht viel über ‚The Power of your mind‘. Aber leider bekomme ich meine Schwerhörigkeit und den Tinnitus so nicht wegsuggeriert. Vielleicht ist die Zeit dazu noch nicht reif?
Bei meinen Reisen hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, einige Kleidungsstücke und Kosmetika bei den Reinemachefrauen oder Bettlerinnen zu lassen. Wenn ich Lucca verlasse, werde ich auch der Bettlerin von San Martino einiges abgeben.
Im Apsidalbereich des Domes San Martino wird emsig restauriert, daher können wir ihn durch die aufgebauten Gerüste und den daran befestigten Planen nicht einsehen. Zahlreiche Kunstwerke aller Art schmücken das Innere des Domes.
Mir gefällt besonders im rechten Seitenschiff ‚Das Letzte Abendmahl’ von Tintoretto, entstanden um 1590. Es fesselt mich total durch seine dramatische Perspektive und Lichtführung.
Vor der Gruppe des ‚Heiligen Martin und der Bettler’ aus dem 13. Jahrhundert stehe ich lange. Der ‚Betende Engel’, eine wunderbare Skulptur von Matteo Civitali, ist für mich Ausdruck unbeschwerter Schönheit.
Im linken Seitenschiff hängt in einem Tempelchen das ‚Volto Santo‘ - das Geheiligte Antlitz. Es ist ein dunkles Holzkruzifix, dem zahlreiche Wunder nachgesagt werden.
»Wolfgang, schau mal hier! Die Familie der Guinigi waren die Erbauer des Palazzo mit dem Torre, dem Turm, auf dem wir vorhin waren.« Er nickt andächtig und sieht vollkommen verklärt aus.
Das Bild des Altars des San Agnello ‚Thronende Madonna mit Kind zwischen vier Heiligen’ wurde geschaffen von Domenico Ghirlandaio. Es fasziniert mich durch die strahlende Leuchtkraft der roten Farbkompositionen.
»In Domenico Ghirlandaios Werkstatt, die sich im 15. Jahrhundert in Florenz befand, begann Michelangelo Buonarroti als Dreizehnjähriger eine Lehre und seine künstlerische Laufbahn«, sage ich mit leiser gedämpfter Stimme zu Wolfgang, der ebenso in das großartige Werk vertieft ist, wie ich.
»Zwei jüngere Brüder Domenicos hatten in der Goldschmiede ihres Vaters gelernt. Dieser erfand ein modisches Kreuzgewinde, das die Florentinerinnen im Haar trugen. Sie wurden ‚Ghirlanda’, zu Deutsch ‚Girlanden’ genannt.«
»Ach ja? Die Girlanden kommen also aus Florenz? ... sehr interessant!« bemerkt Wolfgang nachdenklich und zieht die Stirn kraus.
»Willst du die Geschichte von meinem Lieblingskünstler Michelangelo Buonarroti erfahren? Wie sie angefangen hat?«, frage ich Wolfgang, als wir den Dom verlassen und langsam zur Pension zurückgehen.
»Ja, natürlich, gerne! Bei deinem Wissen über ihn wäre es doch eine Sünde, es nicht hören zu wollen!« Ich muss lachen. Wolfgang ist ein interessierter und aufmerksamer Zuhörer, dabei noch sehr sympathisch.
»Also! ...« beginne ich und hake mich wieder freundschaftlich bei ihm unter.
»Zunächst möchte ich etwas zu seinem Namen bemerken. Die Deutschen sagen ‚Mischelandschello’, aber im Italienischen wird es ‚Miekälandschelloooh‘ ausgesprochen. Das klingt doch wie Minnegesang, oder nicht?«
»Ja, das muss ich gestehen, das wusste ich nicht, es klingt aus deinem Mund wie Engelgesang!«, bemerkt Wolfgang und schaut mich irgendwie seltsam dabei an.
»Also! Wolfgang, … Miekälandschelloooh wuchs auf mit vier Brüdern in Settignano, einem Weiler aus einem Dutzend Häusern und einer Kirche in der Mitte, östlich von Florenz, oberhalb des Arno. Es wurde behauptet, hier läge das Herz des Steinmetzlandes und die größten Steinmetze der Welt seien hier hervorgegangen. Sie achteten den Stein. Ihnen bedeutete er das dauerhafteste Material der Welt. Aus ihm waren nicht nur ihre Häuser, Höfe, Kirchen und Städte gebaut, sondern seit tausend Jahren hatte er ihnen Arbeit, Kunstfertigkeit und den Stolz auf ihr Handwerk gegeben. Der Stein war nicht nur königlich, er war göttlich. Sie beteten ihn an, wie es ihre heidnischen etruskischen Vorfahren getan haben. Sie behandelten ihn mit Ehrfurcht. Settignano möchte ich auch aufsuchen, Wolfgang. Dort einfach nur herumlaufen und die Atmosphäre und Energien in mich aufnehmen.«
Wolfgang bedauert, dass er auch Settignano nicht mit mir besuchen kann.
»Ich hätte große Lust, meinen Urlaub zu verlängern, Kleo. Aber ich habe zu Hause schon etliche feste Termine! Komm, erzähl bitte weiter!«, fordert er mich lächelnd auf.
Es regnet nicht mehr und wir schlendern weiter gemütlich durch die Altstadt, während ich ihm noch das eine oder andere Gebäude oder einen Brunnen auf dem Weg erkläre.
»Aber jetzt zurück zu meinem Lieblingskünstler, Wolfgang! Michelangelos Mutter, Francesca, war nach seiner Geburt von ihrem Pferd gestürzt und davon nicht mehr genesen. Es war früher in Adelsfamilien üblich, Neugeborene einer Amme zu geben. So wurde das Baby von der Frau eines Steinmetzes aus der nahen Gegend der Pietra Serena, aus welcher der graue Stein kommt, genährt.
Lodovico, Michelangelos Vater, sagte Jahre später, als der Jugendliche den Wunsch äußerte, mit seinen Händen zu arbeiten „ein Kind, das einer Amme gegeben wird, nimmt mit deren Muttermilch ihre Art an!“
Vier Jahre fühlte sich Michelangelo einsam und im Wege, besonders nach der Geburt von drei weiteren Jungen. Trost fand er nur bei der Mutter seines Vaters, die bei ihnen wohnte sowie bei der Steinmetzfamilie.
Die Familie seiner Mutter hatte ihre Heirat mit dem Bürgermeister Lodovico di Lionardo Buonarroti Simoni nicht befürwortet. Nach der Geburt ihres fünften Sohnes und ihrem frühen Tod wurde sie von der Familie vergessen und nicht mehr erwähnt. Francesca, aus einem wohlhabenden Adelsgeschlecht, war gestorben, als Michelangelo sechs Jahre war.
„Meine Mutter war entweder auf einem Pferd oder auf den Knien in irgendeiner Kirche“, äußerte sich Michelangelo viele Jahre später über sie.
»Ich finde, Wolfgang, das ist eine sehr traurige Geschichte, oder?«
Er nickt zustimmend und zieht schweigend die Stirn kraus. So fahre ich fort:
»Sein Vater heiratete vier Jahre nach dem Tode der Mutter erneut. Die junge Stiefmutter bestand darauf, nach Florenz zu ziehen. Dort wurde Michelangelo in ‚Francesco da Urbinos’ Sprachenschule geschickt und studierte Latein und Griechisch, was Michelangelo als große Verschwendung ansah.
In Settignano hatte er in seinem Elternhaus Zeichnungen auf die kahlen Wände aufgetragen und den Steinmetzen bei ihrer Arbeit geholfen. Das vermisste er in Florenz. Besonders jedoch seine geliebte Mutter, die ihm sanft und ruhig über sein kräftiges Haar gestrichen, ihn in die Arme genommen und seine Zeichnungen gelobt hatte.
Jede Gelegenheit und freie Minute nutzte er, um seine Steinmetzfamilie zu besuchen. Auf dem Werkplatz setzte er sich schweigend zu ihnen an die Arbeit, spaltete den Marmor der Pietra Serena in Quader, wie sie für dieFlorentinerPrachtbauten benötigt wurden. Er lernte schon früh, mit gut gezielten Schlägen zu arbeiten. So schlug er sich auch seinen Kummer vom Herzen.«
»Das ist ja eine sehr traurige Geschichte, Kleo! Komm, mach mal eine Pause und trinke einen Schluck Wasser!«
Wolfgang reicht mir seine geöffnete Flasche, und ich nehme einige wohltuende Schlucke. Einen Moment verschnaufe ich und frage ihn, ob ich weitererzählen soll.
»Ja, sicher. Das ist total spannend, Kleo. Die Geschichte gefällt mir immer besser!«
»Also gut! In Florenz hatte Michelangelo einen Nachbarn, Granacci, der sechs Jahre älter war als er. Er wurde sein Freund. Granacci war schon als Zehnjähriger Lehrling bei Filippo Lippi geworden, aus dessen Werkstatt das Bild ‚Der tote Christus‘ stammt, das wir eben im Dom bewunderten. Erinnerst du dich noch daran?« Wolfgang nickt und blickt mich erwartungsvoll an.
»Granacci war von Filippo Lippi zu Domenico Ghirlandaio gewechselt. Er wollte seinem Freund nun helfen, als er bei ihm das Talent zum Zeichnen entdeckte. Bei passender Gelegenheit sprach er mit seinem Meister und warb für Michelangelo. Genau an seinem 13. Geburtstag, am 6. März 1488, erhielt er Gelegenheit, sich vorzustellen. Auf Verlangen des Meisters schuf er begierig in kurzer Zeit eine eindrucksvolle Skizze der Werkstatt, einschließlich der sechs jungen Lehrlinge, die schläfrig auf Schemeln, aus Farbtöpfen und mit Holzkohle malend, an roh gezimmerten Holztischen herumsaßen.
Ghirlandaio streckte Michelangelo seine Hand entgegen mit den Worten „du hast eine gute Hand, Junge! Ich will dich als Lehrling aufnehmen, doch zu den selben Bedingungen, als wenn du zehn Jahre wärest. Du hast mir für das erste Jahr sechs Gulden zu zahlen!“
« Wolfgang zieht seine Brauen hoch und sieht mich skeptisch fragend an.
»Ja, Wolfgang, es war damals üblich, dem Lehrherrn die Ausbildung zu bezahlen. Und nicht wie heute, wo der Lehrling vom Ausbilder bezahlt wird.
Michelangelos Antwort lautete erschrocken: „ich kann Ihnen nichts zahlen, Meister! Wenn ich meinem Vater keine Münzen bringe, muss ich in die Lehre der Gilde der Geldverleiher eintreten, um nach seinem Wunsch Kaufmann zu werden.