Kotpilot - Paul Peichel - E-Book

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Paul Peichel

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Beschreibung

Drei Tage im Leben eines Menschen. Drei einsame Tage voller Angst, Depression, Ekstase und Suff. Ziellos stolpert ein Mann über die Trümmer seines Lebens, stets auf der Suche nach Sinn und der Chance auf eine lebenswerte Zukunft. Seine Mitmenschen ziehen ihn an und stoßen ihn ab Und obwohl er sich schon meilenweit von ihnen entfernt hat, blitzt seine Sehnsucht nach Liebe und Dazugehörigkeit immer wieder auf. So bleiben ihm nur sein Körper und seine Triebe - als Zuflucht und Untergang. Drei Tage, in denen sich alles für ihn entscheiden wird.

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Seitenzahl: 194

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Vielen Dank, dass es mich gibt.

Kapitel:

Prolog

Licht ins Dunkel

Ich saufe!

Fremde Welt Supermarkt

Die Realität des Biertrinkens

Im Wald

Jeder Morgen ist ein Anfang

Abgewiesen

Pissen mit Pils

Ideen und Pläne

Nacktschichtzulage

Sesselpisser

Am Beginn einer neuen Zeit

Am Ende eines Lebens

Freier Fall

Epilog

Prolog

Rückenwind von vorn. Nichts mehr funktioniert, auf nichts mehr ist Verlass. Vielleicht nur darauf, dass alles zugrunde geht. Verlässlich funktionieren nur der Untergang, die Zerstörung oder der Zerfall. Alles andere ist Glückssache oder Schicksal, in jedem Falle aber äußerst selten. Man muss nicht einmal sehr genau hinsehen, um festzustellen, dass es mit unserem Planeten bergab geht - und das stetig. Aber zeigt sich darin nichts weiter, als die Summe aller kaputten menschlichen Seelen? Als das Produkt einer in die Irre gefahrenen Spezies, die keine Aussicht mehr darauf hat, aus der Sackgasse herauszufinden?

Manchmal liegt ein so tiefer Frieden über dieser Stadt, dass man sich nur wundern kann. Das ist morgens, wenn die aufgehende Sonne die letzten Nebelschwaden vertrieben hat und den Blick auf die unzähligen Fenster der vielen Häuser freigibt. Hinter jedem dieser Fenster lebt mit einem Menschen ein einmaliges Schicksal, eine ganz individuelle Art und Weise, mit der inneren und äußeren Realität zurecht zu kommen. Aber genauso findet man hinter diesen vielen Fenstern all die mannigfaltigen Formen des Leides, zu der die Menschheit zu leiden fähig ist. Mal ist das Leid laut, auffällig, gewaltvoll und kräftig. Mal ist es ganz leise, unauffällig und versteckt sich fast schüchtern in der nächsten dunklen Ecke. Was jedoch nichts daran ändert, dass es genauso tief, schrecklich und vernichtend sein kann.

Und so kann das Leid auf ewig mitten unter uns leben, ohne dass wir sein Ausmaß je in seiner vollen Grösse erfassen. Vielleicht erhaschen wir den Hauch einer Ahnung davon beim flüchtigen Blick in die Augen eines unbekannten Mitmenschen, der uns im Supermarkt, im Verkaufsraum einer Tankstelle oder im Treppenhaus begegnet. Auch diese Augen können Fenster sein, aus denen die Verfassung seiner Seele zu uns hinaus scheint. Für einen Sekundenbruchteil mögen diese Fenster nicht von den Vorhängen oder Jalousien der täglich praktizierten Verdrängung und Vertuschung verhüllt sein und uns Zeugen eines grausamen inneren Kampfes werden lassen. Es sind solche seltenen Augenblicke, die uns zeigen, dass es in unserer Welt und für die Menschen, die in ihr leben, keinen tiefen Frieden gibt. Nicht einmal ein sehr oberflächlicher Friede scheint möglich zu sein angesichts der Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Angst, die mitten unter uns grassieren.

Für den Moment mögen wir uns in Sicherheit wiegen und der Überzeugung sein, nichts damit zu tun oder einfach nur Glück zu haben. Aber der Keim des Leides scheint in uns allen zu stecken, so dass wir akzeptieren müssen, dass jede Träne der Verzweiflung auch stellvertretend für uns eine warme, zitternde Wange hinabrollt.

Licht ins Dunkel

Die Verwirrung hat bierbedingt ziemlich lange gedauert. Nun scheine ich langsam dem Zustand der Umnachtung zu entkommen. Wie ein in Zeitlupe hochgezogener Rolladen, der das fast schon in Vergessenheit geratene Tageslicht in das neblige Dunkel eines Zimmers eindringen lässt, dringt die wirkliche Welt in mein Bewusstsein vor. „Wo bin ich gewesen? Was ist geschehen?“ lauten die Fragen, die ich mir stelle, während ich zittrig aus dem Bett steige und durchs Zimmer taumele. Die Dinge, die meine Augen sehen, sind bei Weitem nicht die Dinge, die ich mir zu sehen wünsche. Und so betrachte ich bei einer bitteren Tasse Kaffee die traurigen Fragmente übler Erinnerungen.

Der gestrige Abend war ein besonderer Abend gewesen. Mein Blick fällt dabei auf einen größeren Haufen leerer Bierdosen, der von einer beachtlichen Trinkleistung zeugt. Ich darf stolz sein - bis weit in die frühen Morgenstunden hinein habe ich eine Bierdose nach der anderen geleert. Dabei habe ich Radio gehört und darüber nachgedacht, wie ich es schaffen kann, endlich eine Frau aufzugabeln. Zum Schluss war ich schließlich fest davon überzeugt, dass ich einfach nur rausgehen müsse und sich alles von alleine ergebe. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich dann noch versucht, ausgiebig auf meine rüden Fantasien zu masturbieren. Das bestätigt auch dieses achtlos zusammengeknüllte Knäuel Klopapier auf dem Boden. Jetzt dröhnt mein Schädel.

Es mir nicht mehr möglich, den gesamten Abend in Gänze zu rekonstruieren. Die konsumierte Biermenge hat außer diesem dumpfen Kopfschmerz auch dieses Gefühl der Umnachtung hinterlassen, und damit auch die Unsicherheit über das, was ich alles getan haben könnte. Schlagartig reißt mich die Gegenwart aus dem Grübeln. Mein Körper meldet sich zu Wort. Ich spüre das heftige Verlangen nach dringender fäkaler Entleerung. Es sind quälende Blähungen, die ihre Entlassung aus dem Gedärm fordern, woran sie offensichtlich ein großer Pfropfen aus Kot hindert (die sogenannte Inverslage). Ein immenser Furzdruck presst den Stuhl an die Pforte zur Welt und zwingt mich zum Marsch auf den Pott. Nur mit Mühe gelingt es mir, die Gewalten meiner Innereien zu zähmen.

Das Klo ist einer der wenigen Orte auf der Welt, der eine tiefe Kontemplation ermöglicht. Die vollendete Form, die perfekte Symmetrie der glänzenden Schüssel sowie ihre zentrale Position an einer prädestinierten Stelle erhebt sie zu einem Altar. Sie dient der liebevollen und bedingungslosen Aufnahme intimster menschlicher Ausscheidungen, die sie in die Kanalisation schickt und damit der Allgemeinheit - gewissermaßen als Opfergabe - spendet. In einem Akt der heiligen Hingabe gebäre ich das Produkt meines Inneren und schenke es huldigend den Mitmenschen. Eingeschlossen und abgeschottet in der Hütte gebe ich also mein Innerstes der Gemeinschaft preis. Es erscheint mir beinahe so, als ob dieser von allen Mitgliedern dieses Kulturkreises praktizierte Akt ihre einzige Gemeinsamkeit bildet, ihren Zusammenhalt prägt und als geheime, fast schon übernatürliche Form der Kommunikation Grundlage ihrer Sozialität ist.

Kaum habe ich die Hose heruntergelassen und mich würdevoll auf die Schüssel gehockt, quillt auch schon ein gigantischer Haufen aus meinem Hintern. Angetrieben durch den riesigen Druck aufgestauter Darmgase, presst sich ein nicht enden wollender Haufen brauner Masse in die Schüssel. Schnell verbreitet sich ein würziger Geruch, der aus meiner Furzluft und den direkten Ausdünstungen des Haufens besteht. Natürlich sitze ich auf einem Flachspüler. Ein Tiefspüler käme mir nie ins Haus, weil er es mir nicht erlauben würde, meine kostbaren Exkremente ausgiebig zu begutachten und sinnlich zu erleben. Ein Tiefspüler würde nämlich bedeuten, gewissermaßen Perlen vor die Säue zu scheißen. In tiefen Zügen goutiere ich den Gestank und verweile entspannt auf der Schüssel. Mit dem Eintrocknen letzter dünnflüssiger Nachgeburten zwischen meinen Pobacken kündigt sich das Ende meiner Meditation an. Bevor ich die Spülung betätige, erweise ich meinem Haufen noch die letzte Ehre, salutiere im Geiste und drücke den Hebel der Rohrpost. Mit dem Abwischen danach ist es immer dasselbe: Wieviel Klopapier ich auch jedesmal benutze, der Hintern wird niemals sauber. Immer wieder ist es tiefbraun wegen der beträchtlichen Kackreste, die daran hängen bleiben. Ich putze und spüle, putze und spüle, putze und spüle. Wenn es ganz schlimm ist, kleben die braunen Reste auch an den Händen. Was für eine Arbeit das ist. Irgendwann gebe ich auf. Soll der blöde Mist doch antrocknen.

Wie das meditative Scheißen am Morgen einen Gruß, eine Bekenntnis oder gar ein Gebet darstellen kann, so zolle ich nicht nur meinen Ausscheidungen Respekt, sondern auch meinem Schwanz. Sein Stellenwert übersteigt jenen meiner Kacke zuweilen um Längen. Nach dem Toilettengang versinke ich, nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidet, in meinem gemütlichen Polstersessel und halte den Schwengel in meiner Linken. Die feuchte Unterhose habe ich bis zu den Füßen heruntergezogen, ich brauche Freiheit im Schritt. Behutsam streife ich die Vorhaut zurück. Sie klebt, von ranzigen Sekreten gehalten, leicht an der Eichel fest. Ein orientalisch anmutender Geruch steigt auf. Goutierend halte ich inne und widme mich meinen sexuellen Fantasien. Weißes Smegma bildet Placken auf Eichel und Schaft. Gelbgetönte Partikel kommen von der Pisse, die weißlichen von Sperma, das vom letzten Wichsen noch übrig ist. Stimuliert von meinen Berührungen bildet sich eine Erektion. Meine Gedanken sind bei dieser attraktiven blonden Frau aus dem Kiosk hier in der Nähe. Schon oft bin ich an ihr vorbeigegangen, habe sie verstohlen aus den Augenwinkeln angeglotzt und ihren Anblick als Vorlage für das spätere Wichsen abgespeichert. Wie von Geisterhand bewegt, steigt mein Schwanz empor, reckt die Eichel gen Zimmerdecke und verlangt eine intensivere Zuwendung. Mit Daumen und Zeigefinger massiere ich die klebrige Eichel. Ein wenig Spucke dient mir als Gleitmittel. Dabei bildet sich ein grünlicher Schleim, der zusammen mit Smegma und Resten von Pisse bald meine ganze Hand überzieht. Wehmütig denke ich an die Zeiten zurück, zu denen andere mit der Bearbeitung meines Schwanzes betraut gewesen waren. Doch diese lieben Menschen haben sich schon lange meinem Zugriff entzogen. So bin ich leider gezwungen, mich per Handentspannung selbst zu entladen. Fünf gegen Einen, mehrmals täglich, bis es in den Eiern brennt. So etwas wie Schuld verspüre ich dabei nicht. Was danach bleibt, ist in aller Regel nur das quälende Gefühl der Würdelosigkeit und Leere.

In aller Regel wichse ich weder verkatert noch morgens. Oft kriege ich nicht einmal einen hoch, wenn ich in der Nacht davor viel getrunken habe. Doch was einmal in Gang gebracht ist, darf auch nicht mehr abgebrochen werden, denn heute scheine ich Glück zu haben. Und da gerade beim Masturbieren keine halben Sachen gemacht werden dürfen, gehe ich ins Schlafzimmer und lege mich aufs Bett. Dort kann ich mich viel besser meiner unerwarteten Erregung hingeben. Ich krame ein fleckiges Pornoheft hervor und schubbere los. Mein Blick fixiert die Fotos, während ich die Vorhaut auf und nieder schiebe. Erst langsam, dann immer schneller bewegt meine Hand die lange Hauthülle über die blutrote Spitze. Sie entfacht ein prickelndes Gefühl, das langsam aber sicher auf die Entsaftung zusteuert. Meine Linke schuftet im Akkord, und mit einem Male kriecht ein stechendes Jucken durch mein Rückenmark. Ich kann meine Hand nicht mehr stoppen und steuere im Verlust sämtlicher Kontrolle auf das orgasmische Finale zu. Der rotgeriebene Schwanz zieht sich kurz zusammen und sondert in pulsierenden Zuckungen klebriges Sperma ab. Wieder so ein würdeloser Erguss, von dem eine gute Portion auf meinem Heftchen gelandet ist. Bald muss ich mir ein neues bestellen. Ich presse letzte Spermareste aus dem Schwanz und wische sie mit der Bettdecke ab. Mein eben noch so stolzer Penis schlafft dabei immer weiter ab, bis er als faltige Wurst zwischen meinen Beinen liegt. Was neben den neuen Spermaflecken auch bleibt, ist ein Gefühl von trauriger Melancholie.

Vorbei sind die Zeiten, in denen sich mein Penis in die feuchtwarmen Lustgrotten heißer Frauen ergießen durfte. Vorbei ist die unbändige Freude beim Anblick lustentstellter Gesichter, aus deren aufgerissenen Mündern ich mit jedem Hüftstoß spitze Schreie der Lust heraus zu prügeln wusste. Nun liegt der einst so stolze Schwengel stinkend in meiner Hand; eine blasse Wurst mit strengem Geruch, gedemütigt durch einen deprimierenden Wichsorgasmus nach dem anderen. Ich raffe mich auf, ziehe die Unterhose hoch und frage mich beim Wegräumen der Wichsutensilien, wie es so weit kommen konnte.

Das fahle Licht des frühen Nachmittags taucht das Zimmer in ein kaltes Grau. Das Letzte, was ich jetzt tun möchte, ist das Haus zu verlassen und mich unter Menschen zu begeben. Sie würden es mir ansehen und erkennen, dass ich keiner von ihnen bin. Dass ich schon längst den Anschluss an ihre geordneten Lebenswelten verloren habe, dass ich anders bin als sie. Vielleicht würden sie meinen Augen ablesen, wie absonderlich mein Leben ist und wie wenig ich ihren bürgerlichen Idealen von Erfolg, Besitztum und Zielstrebigkeit entspreche. In ihrem Blick bin ich nichts als ein elender Versager, ein grotesker Verlierer, ein nutzloser Hilfsclown, ein unwürdiger Crétin. Wie angeschossenes Freiwild würde ich sabbernd durch ihre Hochglanzwelt stolpern, immer in der Gefahr, an ihren unsichtbaren Pranger gestellt zu werden. Selbst Kinder sind heute schon in der Lage, mit nur einem Blick mein gescheitertes Lebens zu erkennen und mich mit Spott zu übergießen.

Am schlimmsten aber ist es mit Frauen. Schon lange bin ich nicht mehr dazu in der Lage, die ein oder andere anzusprechen. Und je geringer der Kontakt in der echten Welt ausfällt, desto mächtiger werden meine Fantasien. Und je mächtiger meine Fantasien sind, je stärker ihr Eigenleben wird, desto schwieriger wird jeder Kontakt im echten Leben. Ein Teufelskreis hinab in die Isolation. So bleibt mir nur, jeden noch so flüchtigen Kontakt, jedes spontan im Vorbeigehen aufgesogene Bild, tief in meinem Gedächtnis abzuspeichern und für den späteren Gebrauch beim Masturbieren aufzubewahren. Am besten klappt das mit Frauen, die mich von Berufs wegen nicht abweisen dürfen. Kassiererinnen etwa, oder Kundenberaterinnen. Deshalb wird jeder Gang in einen Supermarkt oder Kiosk zu einer Jagd nach Eindrücken, nach Fantasien. Auch Passantinnen auf der Straße können gute Gedankenobjekte sein. Wichtig ist nur, die aufregendsten Körperteile wie Klamotten, Beine, Po, Busen und Gesicht mit einem Blick in Sekundenschnelle zu erfassen und das Bild tief in meinem Gehirn einzubrennen. Ganze Stunden habe ich so schon zugebracht, immer auf der Jagd nach geilen Eindrücken zum Mitnehmen - mit einem schützenden Pullover oder Anorak bekleidet, der den Schritt gut bedeckt.

Es ist gar nicht so lange her, dass ich zumindest versucht habe, Frauen anzusprechen. Meistens endete ein solches Gespräch so abrupt, wie es angefangen hat. Oft wenn ich durch die Straßen schlenderte, übte ich eine seltsame Mischung aus dem beschämten Vermeiden von Blickkontakten einerseits und dem gezielten, fast hilflosen Anstarren ausgewählter Frauen aus. Stets aus sicherer Entfernung glotzend, verfehlten meine Blicke meist die hoffnungsvoll anvisierten Augen jener Schönheiten, die ich in meiner Fantasie gerade heftig mit meinem Schwengel penetrierte. Es geschah dann nicht selten, dass ich mir schlagartig über die Tragik meines Tuns bewusst wurde und mehr oder weniger unbewusst einen Weg einschlug, der mich geradewegs zur nächsten Tanke führte. Dort versorgte ich mich stets mit Unmengen an Bier, die ich sofort an Ort und Stelle zu trinken begann. Mit jedem hastigen Schluck versuchte ich, diese deprimierende Melancholie zu betäuben und soff mich behände jenem magischen Punkt entgegen, an dem sich die Umkehr vom Versagertum zum Heldentum vollzieht. Damit setzte dann auch regelmäßig diese rettende Art von Gleichgültigkeit gegenüber allen vorher gespürten Bedenken ein, die mich regelmäßig nach meiner Heimkehr die versifften Wichsutensilien aus der Schublade hervorkramen und einem weiteren, noch härter erarbeiteten, noch würdeloseren Orgasmus entgegenwichsen ließ.

Aber auch diese Zeiten sind vorbei. Längst habe ich es aufgegeben, auf meinen Ausflügen in die böse Außenwelt auch nur einen Funken von Hoffnung auf Erfolg zu hegen. Überhaupt suche ich nicht mehr nach möglichen Kontakten, denn unbewusst spüre ich, dass die Tür zur Welt der anderen für immer ins Schloss gefallen zu sein scheint. Trotzdem nehme ich mir vor, dass sich mein Schwanz in Zukunft seltener in Handtücher und Pornohefte ergießen soll. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich jeder weitere würdelose Orgasmus immer tiefer in dieses schwarze Loch von sexueller Depression und Isolation zieht.

Mit dem Abklingen der Erektion verspüre ich einen leichten Drang zu pissen. Unerwartet schnell steigt er ins Unermessliche an. Kein Zweifel, beim Wichsen hat die Prostata beste Arbeit geleistet und den Pissdruck aus dem Bewusstsein gehievt. Jetzt aber, nach getaner Verrichtung, meldet sich die wieder prall gefüllte Blase mit aller Gewalt zurück. Unentschlossen schlage ich meine schlaffe Wurst hin und her, halte mühevoll den Urin zurück, indem ich meine Faust auf die Eichel presse. Ich habe einfach keine Lust auf einen öden Toilettengang und fummele mir an den Eiern herum. Dann geht es nicht mehr, die Blase duldet keinen Aufschub mehr. Hastig springe ich aus dem Bett und torkele in Richtung Klo. Zu hastig für meinen angeschlagenen Kreislauf, der schwerpunktmäßig noch auf die Lendenzone konzentriert ist. Mir wird schwarz vor Augen, ich verliere die Kontrolle über meine Beine, sacke in die Knie und gehe zu Boden. Machtlos muss ich zusehen, wie ein Strom warmer Pisse durch die Unterhose auf das Parkett läuft. In einer Lache liegend betrachte ich vom Boden aus die Zimmerdecke und bestaune die unnatürliche Kälte des hereinfallenden Tageslichts.

Ich saufe!

Mit dem Einsatz all meiner Kräfte stütze ich mich auf die Arme, um leicht wankend auf zittrigen Beinen mein Gleichgewicht wieder zu finden. Ein würziger Pissduft mischt sich mit der abgestandenen Raumluft. Unentschlossen starre ich auf die Lache unter mir und spüre plötzlich das Verlangen nach dem berauschenden Genuss leckeren Weins. Für die meisten Leute wäre es jetzt noch zu früh zum Saufen, auch dröhnt mir der Schädel noch ein wenig vom Vorabend. Egal, man lebt nur einmal - und ganz besonders dann, wenn kein langes Leben zu erwarten ist. Und was soll man mit einem trüben Nachmittag wie diesem sonst auch anfangen? Da darf man sich gerne ein Gläschen genehmigen, wenn man schon lange keine Termine mehr hat.

Ich trotte in Küche und greife eine wohlgeformte Flasche, deren Etikett viele frohe Stunden der Zufriedenheit verspricht. In einem Akt der heiligen Zeremonie entkorke ich sie und rieche an ihr. Der wohlige Geruch schweren Rotweins kitzelt meine Nase, während meine feuchten Hände den kostbaren Inhalt in eine Kaffeetasse dekantieren. Eilig hieve ich das Gefäß an meine Lippen und sauge die rote Flüssigkeit in wenigen Zügen hinunter in meinen Magen, wo sie sofort ein ganzes Feuerwerk an guter Laune entfacht. Es prickelt tief in mir drin, wohlige Wärme strahlt in alle Organe und Körperteile aus. Wie ein Nebelschleier an einem Sommermorgen lichtet sich das Gefühl von Würdelosigkeit und Depression und macht Platz für die pure Lebensfreude. Der schmeichelnde Abgang des schweren Roten hilft, diese quälende Melancholie gegen ein Glücksgefühl auszutauschen. Erst ganz schwach, dann schnell immer stärker werdend, kommt so etwas wie pure Lebensfreude auf. Mit weit aufgerissenem Mund rülpse ich schreiend in den Raum und fülle die Tasse erneut.

Ohne zu zögern greift meine rechte Hand wieder nach dem Henkel und hebt den Kelch an den Mund. Meine warmen Lippen umschmiegen seinen kühlen Rand, meine Augen bewundern die Schönheit der tiefroten Flüssigkeit, mein freudiger Geist erwartet voller Sehnsucht ihre magische Wirkung. Mit wenigen Zügen sauge ich die Tasse leer und schlage sie begeistert auf den Tisch. Ich verweile einige Sekunden und spüre in meinen Körper hinein. Die wohlige Wärme, die zunächst nur im Magen zu erleben war, arbeitet sich durch meinen gesamten Leib, bis sie schließlich meinen Kopf erreicht, wo sich das lang ersehnte Gefühl von Glück, Ruhe und Behaglichkeit ausbreitet. Das ist sie, die Reinform des Glücks, seine purste und unverfälschteste Gestalt! Mein Bewusstsein wird erhellt, meine Gedanken sind von erhabenster Güte und glasklar, mein messerscharfer Blick fixiert die Hände, die den letzten Rest der Flasche in den Kelch der Erkenntnis gießen. Von meinen starken Armen theatralisch emporgehoben, schlürfe ich ihn bis auf den letzten Tropfen aus, lasse ihn kühn auf den Tisch fallen und wische mir mit einer theatralisch ausladenden Geste über den Mund. Sofort verlangt ein enormer Gasdruck im Magen seine Befreiung. Behutsam klopfe ich mir auf den Bauchspeck und rülpse mehrere Male laut brüllend die stinkenden Magengase in den Raum.

Bestürzt fällt mein Blick auf die leere Flasche. Wie wenig Wein doch in so einer Rotweinflasche ist, fällt mir auf. Nur ein mickriger Dreiviertelliter, das ist so gut wie nichts. Wer ist bloß auf die Idee gekommen, so lächerliche Gebindegrößen zu entwickeln? Ich muss unbedingt weiter trinken, ich giere nach neuem Rotwein, der mich schnell in ungeahnte Höhen menschlichen Bewusstseins katapultieren soll. Leicht taumelnd bewege ich mich auf den Vorratsschrank zu. Ich wühle ungestüm zwischen ausgesoffenen Dosen, zerfledderten Dessouskatalogen, alten Socken und Käseresten herum. Immer hektischer wühlen sich meine Hände durch den gesammelten Müll, während die schmerzliche Sorge, keinen Wein mehr finden zu können, mein Glücksgefühl in Angst umzuwandeln beginnt. Doch da, ich fühle mich gesegnet! Kurz vor dem Beginn der finalen Verzweiflung ertasten meine Finger das kühle Glas einer gefüllten Flasche. Nur wenige Handgriffe genügen, dann ist sie entkorkt und der erste Teil ihres kostbaren Inhalts schwappt wieder munter in der Tasse. Nur einen Augenblick später fiebert sie ihrer erneuten Füllung entgegen.

Beruhigung kehrt ein, ich bin gerettet. Ich schließe meine Augen und höre ein pulsierendes Rauschen, das sich nach und nach zu Worten verdichtet. Worte, die schließlich einen Satz, eine Parole, ein Mantra bilden: Ich saufe! Ich halte inne und kontempliere über diese zwei Worte. Ja, ich saufe! Immer wieder spreche ich es aus, wie ein Gebet, ein Bekenntnis. Ich saufe! Nicht anders soll es sein, nur berauscht ist es schön auf dieser Welt. Her mit den Flaschen und Dosen, ich saufe sie alle aus, denn ich bin der König der Gerechten, der Gerechte unter den Verlierern und der Verlierer unter Glücklosen.

In nur einer kurzen Stunde ist es mir mühelos gelungen, zwei Flaschen des billigen Roten zu leeren. Die mittlerweile stark gestiegene Erkenntnis meiner Erhabenheit beflügelt mich zur Suche nach weiteren leckeren Getränken. Aber jetzt hat mich mein Glück verlassen. In sämtlichen Schränken, Schubladen und Verschlägen ist keine noch so kleine Flasche oder vergessene Dose zu finden. Nichts mehr da, alles leer. Wie frustrierend es doch sein kann, so vom Schicksal im Stich gelassen zu werden.

Kein Zweifel, ich befinde mich in einer misslichen Notlage. Sie zwingt mich zum Handeln, denn der Alkohol kann seine Wirkung nur entfalten, solange sein Pegel im Blut ansteigt. Irgendwann hat er seinen Höhepunkt erreicht und beginnt wieder abzufallen. Und damit kehren wieder all diese quälenden Gefühle von Verlassenheit, Unfähigkeit, Angst bis hin zu Niedergeschlagenheit und Trauer zurück. Meine Leber arbeitet gegen mich, denn sie zersetzt den kostbaren Stoff schneller in seine Bestandteile, als ich im Moment nachtrinken kann. Es hilft nichts, ich muss das Haus verlassen. Ganz in der Nähe befindet sich ein Supermarkt, der ein gut gefülltes Sortiment an alkoholischen Getränken führt. Ich muss nur einen knappen Kilometer zu Fuß gehen, einkaufen und alles nach Hause tragen - dann kann ich mich wieder in vollen Zügen dem Genuss hingeben. Die ganze Aktion dürfte nicht mehr als eine habe Stunde dauern - kein Problem also für einen Macher wie mich. Trotzdem, ich muss die schützende Wohnung verlassen und mich hinaus in die kalte Welt begeben, mich unter die feindlichen Menschen wagen.

Fremde Welt Supermarkt

Kälte über Kälte! Wie weh sie doch tun kann! Kaum habe ich meine behagliche Stube verlassen, verfängt sich auch schon ein kalter Wind in meinem Anorak und treibt Schwaden feinsten Nieselregens durch die Gassen. Das Grau der feuchten Häuserfassaden deckt sich mit dem Grau des Himmels; bereits nach wenigen Schritten haben die winzigen Tropfen des Regens in meinen fettigen Haaren ihr neues Heim gefunden. Schwer atmend orientiere ich mich am Bordstein des Trottoirs. Ich will nicht allzu sehr durch meinen unsicheren Gang auffallen. Passanten kommen mir entgegen. Mir ist, als beobachteten sie mich alle argwöhnisch. Ganz so, als hätte ich ein nur für sie sichtbares Schild umgehängt, auf dem in großen roten Lettern das Wort „Trinker“ geschrieben steht.