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Vollständige Ausgabe nachder 2. Auflage 1787 Wenn es stimmt, dass die Geschichte der abendländischen Philosophie einen einzigen großen Fußnotenapparat zu Platon bildet, ist Immanuel Kant der wohl bedeutendste und kritischste Eintrag gelungen. Er stellte fest, dass der Ausweg aus der Platonischen Höhle, der Weg zur Wahrheit, zwar als Leitidee taugt, approximiert werden kann, vielleicht sogar eine schöne, aber in ihrer absoluten Lesart, unerreichbare Phantasie darstellt. Seine Einsicht war, dass wir die Dinge nur so wahrnehmen können wie sie uns durch die Bedingungen unseres Erkenntnisvermögens vorgegeben werden und wir für immer in der Höhle unseres Verstandesvermögens feststecken. Damit erledigt sich auch jegliche ernsthafte Diskussion über Gott oder die Welt hinter den Erscheinungen. Für Kant war Metaphysik ein Teil des Menschseins, doch zog er eine plausible Grenze zwischen dem Bereich des Erkennbaren und dem der Spekulation. Denn Kants Lehre bringt in jedem Kopf, der sie gefasst hat, eine fundamentale Veränderung hervor, die so groß ist, dass sie für die geistige Widergeburt gelten kann. Arthur Schopenhauer Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft erscheint spät, im 56. Lebensjahr des Autors. In Anbetracht des monumentalen Inhalts ist dies nicht verwunderlich: Kants Hauptwerk stellt nichts weniger als den Versuch dar, den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis nachzugehen. Kant stellt sich die Frage wie der Apparat, der unsere Urteile über die Welt hervorbringt, beschaffen ist, welche Mittel ihm zur Verfügung stehen und welchen Limitationen er unterliegt. Heute gilt die erste Kritik als eines der rigidesten, einflussreichsten, aber auch komplexesten Werke der abendländischen Philosophie
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Über den Autor
IMMANUEL KANT
wurde 1724 in Königsberg geboren und starb 1804 ebenda. Er kam aus einem einfachen pietistischen Elternhaus. Sein Studium der Naturwissenschaften, Mathematik und Philosophie finanzierte er sich unter anderem mit Billardspielen. Er war als Hauslehrer und Bibliothekar tätig, bevor er 1770 im Alter von 46 Jahren in Königsberg eine Professur für Metaphysik und Logik erhielt.
Kants Hauptwerke die Kritik der reinen Vernunft, die Kritik der praktischen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft gelten heute als Höhepunkte der abendländischen Philosophie. Die in ihnen aufgeworfenen Fragen beeinflussen die moderne Philosophie des Geistes, die praktische Philosophie und Ethik und die Wissenschaftstheorie bis heute.
Zum Buch
Wenn es stimmt, dass die Geschichte der abendländischen Philosophie einen einzigen großen Fußnotenapparat zu Platon bildet, ist Immanuel Kant der wohl bedeutendste und kritischste Eintrag gelungen. Er stellte fest, dass der Ausweg aus der Platonischen Höhle, der Weg zur Wahrheit, zwar als Leitidee taugt, approximiert werden kann, vielleicht sogar eine schöne, aber in ihrer absoluten Lesart, unerreichbare Phantasie darstellt. Seine Einsicht war, dass wir die Dinge nur so wahrnehmen können wie sie uns durch die Bedingungen unseres Erkenntnisvermögens vorgegeben werden und wir für immer in der Höhle unseres Verstandesvermögens feststecken. Damit erledigt sich auch jegliche ernsthafte Diskussion über Gott oder die Welt hinter den Erscheinungen. Für Kant war Metaphysik ein Teil des Menschseins, doch zog er eine plausible Grenze zwischen dem Bereich des Erkennbaren und dem der Spekulation.
Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft erscheint spät, im 56. Lebensjahr des Autors. In Anbetracht des monumentalen Inhalts ist dies nicht verwunderlich: Kants Hauptwerk stellt nichts weniger als den Versuch dar, den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis nachzugehen. Kant stellt sich die Frage wie der Apparat, der unsere Urteile über die Welt hervorbringt, beschaffen ist, welche Mittel ihm zur Verfügung stehen und welchen Limitationen er unterliegt. Heute gilt die erste Kritik als eines der rigidesten, einflussreichsten, aber auch komplexesten Werke der abendländischen Philosophie.
Vollständige Ausgabe nachder 2. Auflage 1787
„Denn Kants Lehre bringt in jedem Kopf, der sie gefasst hat, eine fundamentale Veränderung hervor, die so groß ist, dass sie für die geistige Widergeburt gelten kann.“
Arthur Schopenhauer
Immanuel Kant
Kritik der reinen Vernunft
Immanuel Kant
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttps://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2013Der Text wurde behutsam revidiertnach der Ausgabe Berlin, 1911Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbHBildnachweis: Immanuel Kants Erkenntnistheorie,schematische DarstellungeBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0384-7
www.marixverlag.de
K R I T I KD E RR E I N E NV E R N U N F T
Vorrede
Vorrede zur zweiten Auflage
Einleitung
I.
Von dem Unterschiede der reinen und empirischen Erkenntnis
II.
Wir sind im Besitze gewisser Erkenntnisse a priori, und selbst der gemeine Verstand ist niemals ohne solche
III.
Die Philosophie bedarf einer Wissenschaft, welche die Möglichkeit, die Prinzipien und den Umfang aller Erkenntnisse a priori bestimme
IV.
Von dem Unterschiede analytischer und synthetischer Urteile
V.
In allen theoretischen Wissenschaften der Vernunft sind synthetische Urteile a priori als Prinzipien enthalten
VI.
Allgemeine Aufgabe der reinen Vernunft
VII.
Idee und Einteilung einer besonderen Wissenschaft unter dem Namen einer Kritik der reinen Vernunft
I.T R A N S Z E N D E N T A L EE L E M E N T A R L E H R E
Erster TeilDie transszendentale Ästhetik
§ 1
1.Abschn. Von dem Raume. § 2, 3
2.Abschn. Von der Zeit. § 4–7
Allgemeine Anmerkungen zur transzendentalen Ästhetik. § 8
Zweiter TeilDie transzendentale Logik
Einleitung. Idee einer transzendentalen Logik
I. Von der Logik überhaupt
II. Von der transzendentalen Logik
III.Von der Einteilung der allgemeinen Logik in Analytik und Dialektik
IV. Von der Einteilung der transzendentalen Logik in dietranszendentale Analytik und Dialektik
Erste Abteilung. Die transzendentale Analytik
Erstes Buch. Die Analytik der Begriffe
1.Hauptst. Von dem Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe
1.Abschn. Von dem logischen Verstandesgebrauche überhaupt
2.Abschn. Von der logischen Funktion des Verstandes in Urteilen. § 9
3.Abschn. Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien. § 10–12
2.Hauptst. Von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe
1.Abschn. Von den Prinzipien einer transzendentalen Deduktion überhaupt. § 13
Übergang zur transzendentalen Deduktionder Kategorien. § 14
2.Abschn. Transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe. § 15–27
Zweites Buch. Die Analytik der Grundsätze
Einleitung. Von der transzendentalen Urteilskraft überhaupt
1.Hauptst. Von dem Schematismus der reinenVerstandesbegriffe
2.Hauptst. System aller Grundsätze des reinen Verstandes
1.Abschn. Von dem obersten Grundsatze alleranalytischen Urteile
2.Abschn. Von dem obersten Grundsatze aller synthetischen Urteile
3.Abschn. Systematische Vorstellung allersynthetischen Grundsätze des reinen Verstandes
1)Axiome der Anschauung
2)Antizipationen der Wahrnehmung
3)Analogien der Erfahrung
Erste Analogie. Grundsatz der Beharrlichkeit derSubstanz
Zweite Analogie. Grundsatz der Zeitfolge nach dem Gesetze der Kausalität
Dritte Analogie. Grundsatz des Zugleichseins nach dem Gesetze der Wechselwirkung oder Gemeinschaft
4)Die Postulate des empirischen Denkens überhaupt
Widerlegung des Idealismus
Allgemeine Anmerkung zum System derGrundsätze
3.Hauptst. Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena
Anhang. Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe
Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe
Zweite Abteilung. Die transzendentale Dialektik
Einleitung
I.
Vom transzendentalen Schein
II.
Von der reinen Vernunft als dem Sitze des transzendentalen Scheins
A. Von der Vernunft überhaupt
B. Vom logischen Gebrauche der Vernunft
C. Von dem reinen Gebrauche der Vernunft
Erstes Buch. Von den Begriffen der reinen Vernunft
1. Abschn. Von den Ideen überhaupt
2. Abschn. Von den transzendentalen Ideen
3. Abschn. System der transzendentalen Ideen
Zweites Buch. Von den dialektischen Schlüssen der reinen Vernunft
1.Hauptst. Von den Paralogismen der reinen Vernunft
Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises der Beharrlichkeit der Seele
Beschluss der Auflösung des psychologischen Paralogismus
Allgemeine Anmerkung, den Übergang von der rationalen Psychologie zur Kosmologie betreffend
2.Hauptst. Die Antinomie der reinen Vernunft
1.Abschn. System der kosmologischen Ideen
2.Abschn. Antithetik der reinen Vernunft
Erste Antinomie
Zweite Antinomie
Dritte Antinomie
Vierte Antinomie
3.Abschn. Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite
4.Abschn. Von den transzendentalen Aufgaben der reinen Vernunft, in so fern sie schlechterdings müssen aufgelöst werden können
5.Abschn. Skeptische Vorstellung der kosmologischen Fragen durch alle vier transzendentalen Ideen
6.Abschn. Der transzendentale Idealismus, als der Schlüssel zu Auflösung der kosmologischen Dialektik
7.Abschn. Kritische Entscheidung des kosmologischen Streits der Vernunft mit sich selbst
8.Abschn. Regulatives Prinzip der reinen Vernunft in Ansehung der kosmologischen Ideen
9.Abschn. Von dem empirischen Gebrauche des regulativen Prinzips der Vernunft in Ansehung aller kosmologischen Ideen
I.
Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Zusammensetzung der Erscheinungen zu einem Weltganzen
II.
Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Anschauung
Schlussanmerkung und Vorerinnerung
III.
Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen
Möglichkeit der Kausalität durch Freiheit
Erläuterung der kosmologischen Idee einer Freiheit
IV.
Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Abhängigkeit der Erscheinungen, ihrem Dasein nach überhaupt
Schlussanmerkung zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft
3.Hauptst. Das Ideal der reinen Vernunft
1.Abschn. Von dem Ideal überhaupt
2.Abschn. Von dem transzendentalen Ideal (Prototypon transcendentale)
3.Abschn. Von den Beweisgründen der spekulativen Vernunft, auf das Dasein eines höchsten Wesens zu schließen
4.Abschn. Von der Unmöglichkeit eines ontologischen Beweises vom Dasein Gottes
5.Abschn. Von der Unmöglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Dasein Gottes
Entdeckung und Erklärung des dialektischen Scheins in allen transzendentalen Beweisen vom Dasein eines notwendigen Wesens
6.Abschn. Von der Unmöglichkeit des physikotheologischen Beweises
7.Abschn. Kritik aller Theologie aus spekulativen Prinzipien der Vernunft
Anhang zur transzendentalen Dialektik
Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft
Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft
II.TRANSZENDENTALE METHODENLEHRE
Einleitung
1.Hauptst. Die Disziplin der reinen Vernunft
1.Abschn. Die Disziplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauche
2.Abschn. Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs
Von der Unmöglichkeit einer skeptischen Befriedigung der mit sich selbst veruneinigten reinen Vernunft
3.Abschn. Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen
4.Abschn. Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihrer Beweise
2.Hauptst. Der Kanon der reinen Vernunft
1.Abschn. Von dem letzten Zwecke des reinen Gebrauchs unserer Vernunft
2.Abschn. Von dem Ideal des höchsten Guts
3.Abschn. Vom Meinen, Wissen und Glauben
3.Hauptst. Die Architektonik der reinen Vernunft
4.Hauptst. Die Geschichte der reinen Vernunft
Anmerkungen
Sr. ExzellenzdemKönigl. Staatsminister
F R E I H E R R NV O NZ E D L I T Z
Gnädiger Herr!
Den Wachstum der Wissenschaften an seinem Teile befördern, heißt an Ew.E x z e l l e n zeigenem Interesse arbeiten; denn dieses ist mit jenen nicht bloß durch den erhabenen Posten eines Beschützers, sondern durch das viel vertrautere eines Liebhabers und erleuchteten Kenners, innigst verbunden. Deswegen bediene ich mich auch des einigen Mittels, das gewissermaßen in meinem Vermögen ist, meine Dankbarkeit für das gnädige Zutrauen zu bezeigen, womit Ew. Exzellenz mich beehren, als könne ich zu dieser Absicht etwas beitragen.
Demselben gnädigen Augenmerke, dessen Ew.E x z e l l e n zdie erste Auflage dieses Werks gewürdigt haben, widme ich nun auch diese zweite und hiermit zugleich alle übrige Angelegenheit meiner literarischen Bestimmung und bin mit der tiefsten Verehrung
Ew. Exzellenz
untertänig gehorsamsterDiener
Königsbergden 23sten April 1787
Immanuel Kant
Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.
In diese Verlegenheit gerät sie ohne ihre Schuld. Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch im Laufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durch diese hinreichend bewährt ist. Mit diesen steigt sie (wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer höher, zu entfernteren Bedingungen. Da sie aber gewahr wird, dass auf diese Art ihr Geschäft jederzeit unvollendet bleiben müsse, weil die Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genötigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen, die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwohl so unverdächtig scheinen, dass auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse steht. Dadurch aber stürzt sie sich in Dunkelheit und Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kann, dass irgendwo verborgene Irrtümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kann, weil die Grundsätze, deren sie sich bedient, da sie über die Grenze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Probierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten heißt nunM e t a p h y s i k.
Es war eine Zeit, in welcher sie dieK ö n i g i naller Wissenschaften genannt wurde, und wenn man den Willen für die Tat nimmt, so verdiente sie, wegen der vorzüglichen Wichtigkeit ihres Gegenstandes, allerdings diesen Ehrennamen. Jetzt bringt es der Modeton des Zeitalters so mit sich, ihr alle Verachtung zu beweisen und die Matrone klagt, verstoßen und verlassen, wie Hecuba: modo maxima rerum, tot generis, natisque potens – nunc trahor exul, inops – Ovid. Metam.
Anfänglich war ihre Herrschaft unter der Verwaltung derD o g m a t i k e r,d e s p o t i s c h.Allein, weil die Gesetzgebung noch die Spur der alten Barbarei an sich hatte, so artete sie durch innere Kriege nach und nach in völligeA n a r c h i eaus, und die Skeptiker, eine Art Nomaden, die allen beständigen Anbau des Bodens verabscheuen, zertrennten von Zeit zu Zeit die bürgerliche Vereinigung. Da ihrer aber zum Glück nur wenige waren, so konnten sie nicht hindern, dass jene sie nicht immer aufs Neue, obgleich nach keinem unter sich einstimmigen Plane, wieder anzubauen vorsuchten. In neueren Zeiten schien es zwar einmal, als sollte allen diesen Streitigkeiten durch eine gewisseP h y s i o l o g i edes menschlichen Verstandes (von dem berühmtenL o c k e) ein Ende gemacht und die Rechtmäßigkeit jener Ansprüche völlig entschieden werden; es fand sich aber, dass, obgleich die Geburt jener vorgegebenen Königin aus dem Pöbel der gemeinen Erfahrung abgeleitet wurde und dadurch ihre Anmaßung mit Recht hätte verdächtig werden müssen, dennoch, weil dieseG e n e a l o g i eihr in der Tat fälschlich angedichtet war, sie ihre Ansprüche noch immer behauptete, wodurch alles wiederum in den veralteten wurmstichigenD o g m a t i s m u sund daraus in die Geringschätzung verfiel, daraus man die Wissenschaft hatte ziehen wollen. Jetzt, nachdem alle Wege (wie man sich überredet) vergeblich versucht sind, herrscht Überdruss und gänzlicherI n d i f f e r e n t i s m u s,die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften, aber doch zugleich der Ursprung, wenigstens das Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklärung derselben, wenn sie durch Übel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.
Es ist nämlich umsonst,G l e i c h g ü l t i g k e i tin Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu wollen, deren Gegenstand der menschlichen Naturn i c h tg l e i c h g ü l t i gsein kann. Auch fallen jene vorgeblichenI n d i f f e r e n t i s t e n,so sehr sie sich auch durch die Veränderung der Schulsprache in einem populären Tone unkenntlich zu machen gedenken, wofern sie nur überall etwas denken, in metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben. Indessen ist diese Gleichgültigkeit, die sich mitten in dem Flor aller Wissenschaften ereignet und gerade diejenigen trifft, auf deren Kenntnisse, wenn dergleichen zu haben wären, man unter allen am wenigsten Verzicht tun würde, doch ein Phänomen, das Aufmerksamkeit und Nachsinnen verdient. Sie ist offenbar die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der gereiftenU r t e i l s k r a f t1des Zeitalters, welches sich nicht länger durch Scheinwissen hinhalten lässt und eine Aufforderung an die Vernunft, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, nämlich das der Selbsterkenntnis aufs Neue zu übernehmen und einen Gerichtshof einzusetzen, der sie bei ihren gerechten Ansprüchen sichere, dagegen aber alle grundlosen Anmaßungen nicht durch Machtsprüche, sondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Gesetzen, abfertigen könne, und dieser ist kein anderer als dieK r i t i kd e rr e i n e nV e r n u n f tselbst.
Ich verstehe aber hierunter nicht eine Kritik der Bücher und Systeme, sondern die des Vernunftvermögens überhaupt, in Ansehung aller Erkenntnisse, zu denen sie,u n a b h ä n g i gv o na l l e rE r f a h r u n g, streben mag, mithin die Entscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt und die Bestimmung sowohl der Quellen, als des Umfanges und der Grenzen derselben, alles aber aus Prinzipien.
Diesen Weg, den einzigen, der übrig gelassen war, bin ich nun eingeschlagen und schmeichle mir, auf demselben die Abstellung aller Irrungen angetroffen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungsfreien Gebrauche mit sich selbst entzweit hatten. Ich bin ihren Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, dass ich mich mit dem Unvermögen der menschlichen Vernunft entschuldigte; sondern ich habe sie nach Prinzipien vollständig spezifiziert und, nachdem ich den Punkt des Missverstandes der Vernunft mit ihr selbst entdeckt hatte, sie zu ihrer völligen Befriedigung aufgelöst. Zwar ist die Beantwortung jener Fragen gar nicht so ausgefallen, als dogmatisch schwärmende Wissbegierde erwarten mochte; denn die könnte nicht anders als durch Zauberkräfte, darauf ich mich nicht verstehe, befriedigt werden. Allein, das war auch wohl nicht die Absicht der Naturbestimmung unserer Vernunft; und die Pflicht der Philosophie war: das Blendwerk, das aus Missdeutung entsprang, aufzuheben, sollte auch noch soviel gepriesener und beliebter Wahn dabei zunichte gehen. In dieser Beschäftigung habe ich Ausführlichkeit mein großes Augenmerk sein lassen, und ich erkühne mich zu sagen, dass nicht eine einzige metaphysische Aufgabe sein müsse, die hier nicht aufgelöst oder zu deren Auflösung nicht wenigstens der Schlüssel dargereicht worden. In der Tat ist auch reine Vernunft eine so vollkommene Einheit: dass, wenn das Prinzip derselben auch nur zu einer einzigen aller der Fragen, die ihr durch ihre eigene Natur aufgegeben sind, unzureichend wäre, man dieses immerhin nur wegwerfen könnte, weil es alsdann auch keiner der übrigen mit völliger Zuverlässigkeit gewachsen sein würde.
Ich glaube, indem ich dieses sage, in dem Gesichte des Lesers einen mit Verachtung vermischten Unwillen über, dem Anscheine nach, so ruhmredige und unbescheidene Ansprüche wahrzunehmen, und gleichwohl sind sie ohne Vergleichung gemäßigter als die eines jeden Verfassers des gemeinsten Programms, der darin etwa die einfache Natur derS e e l e,oder die Notwendigkeit eines ersten Weltanfanges zu beweisen vorgibt. Denn dieser macht sich anheischig, die menschliche Erkenntnis über alle Grenzen möglicher Erfahrung hinaus zu erweitern, wovon ich demütig gestehe: dass dieses mein Vermögen gänzlich übersteige, an dessen statt ich es lediglich mit der Vernunft selbst und ihrem reinen Denken zu tun habe, nach deren ausführlicher Kenntnis ich nicht weit um mich suchen darf, weil ich sie in mir selbst antreffe und wovon mir auch schon die gemeine Logik ein Beispiel gibt, dass sich alle ihre einfachen Handlungen völlig und systematisch aufzählen lassen; nur dass hier die Frage aufgeworfen wird, wie viel ich mit derselben, wenn mir aller Stoff und Beistand der Erfahrung genommen wird, etwa auszurichten hoffen dürfe.
So viel von derV o l l s t ä n d i g k e i tin Erreichung einesj e d e n,und derA u s f ü h r l i c h k e i tin Erreichung allerZ w e c k ezusammen, die nicht ein beliebiger Vorsatz, sondern die Natur der Erkenntnis selbst uns aufgibt, als der Materie unserer kritischen Untersuchung.
Noch sindG e w i s s h e i tundD e u t l i c h k e i tzwei Stücke, die die Form derselben betroffen, als wesentliche Forderungen anzusehen, die man an den Verfasser, der sich an eine so schlüpfrige Unternehmung wagt, mit Recht tun kann.
Was nun dieG e w i s s h e i tbetrifft, so habe ich mir selbst das Urteil gesprochen: dass es in dieser Art von Betrachtungen auf keine Weise erlaubt sei, zu meinen und dass alles, was darin einer Hypothese nur ähnlich sieht, verbotene Ware sei, die auch nicht für den geringsten Preis feil stehen darf, sondern sobald sie entdeckt wird, beschlagen werden muss. Denn das kündigt eine jede Erkenntnis, die a priori feststehen soll, selbst an: dass sie für schlechthin notwendig gehalten werden will, und eine Bestimmung aller reinen Erkenntnisse a priori noch viel mehr, die das Richtmaß, mithin selbst das Beispiel aller apodiktischen (philosophischen) Gewissheit sein soll. Ob ich nun das, wozu ich mich anheischig mache, in diesem Stücke geleistet habe, das bleibt gänzlich dem Urteile des Lesers anheim gestellt, weil es dem Verfasser nur geziemt, Gründe vorzulegen, nicht aber über die Wirkung derselben bei seinen Richtern zu urteilen. Damit aber nicht etwas unschuldigerweise an der Schwächung derselben Ursache sei, so mag es ihm wohl erlaubt sein, diejenigen Stellen, die zu einigem Misstrauen Anlass geben könnten, ob sie gleich nur den Nebenzweck angehen, selbst anzumerken, um den Einfluss, den auch nur die mindeste Bedenklichkeit des Lesers in diesem Punkte auf sein Urteil, in Ansehung des Hauptzwecks, haben möchte, bei Zeiten abzuhalten.
Ich kenne keine Untersuchungen, die zur Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zur Bestimmung der Regeln und Grenzen seines Gebrauchs, wichtiger wären als die, welche ich in dem zweiten Hauptstücke der transzendentalen Analytik, unter dem Titel derD e d u k t i o nd e rr e i n e nV e r s t a n d e s b e g r i f f e,angestellt habe; auch haben sie mich die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe gekostet. Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwei Seiten. Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes und soll die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken gehörig. Die andere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst, nach seiner Möglichkeit und den Erkenntniskräften, auf denen er selbst beruht, mithin ihn in subjektiver Beziehung zu betrachten und, obgleich diese Erörterung in Ansehung meines Hauptzwecks von großer Wichtigkeit ist, so gehört sie doch nicht wesentlich zu demselben; weil die Hauptfrage immer bleibt, was und wie viel kann Verstand und Vernunft, frei von aller Erfahrung, erkennen und nicht, wie ist das Vermögen zu denken selbst möglich? Da das letztere gleichsam eine Aufsuchung der Ursache zu einer gegebenen Wirkung ist, und insofern etwas einer Hypothese Ähnliches an sich hat (ob es gleich, wie ich bei anderer Gelegenheit zeigen werde, sich in der Tat nicht so verhält), so scheint es, als sei hier der Fall, da ich mir die Erlaubnis nehme, zum e i n e n,und dem Leser also auch freistehen müsse, anders zum e i n e n.In Betracht dessen muss ich dem Leser mit der Erinnerung zuvorkommen: dass, im Fall meine subjektive Deduktion nicht die ganze Überzeugung, die ich erwarte, bei ihm gewirkt hätte, doch die objektive, um die es mir hier vornehmlich zu tun ist, ihre ganze Stärke bekomme, wozu allenfalls dasjenige, was Seite 78 bis 79 gesagt wird, allein hinreichend sein kann.
Was endlich dieD e u t l i c h k e i tbetrifft, so hat der Leser ein Recht, zuerst died i s k u r s i v e(logische)D e u t l i c h k e i t,durch Begriffe, dann aber auch einei n t u i t i v e(ästhetische)D e u t l i c h k e i t,durch Anschauungen, d. i. Beispiele oder andere Erläuterungen in concreto zu fordern. Für die erste habe ich hinreichend gesorgt. Das betraf das Wesen meines Vorhabens, war aber auch die zufällige Ursache, dass ich der zweiten, obzwar nicht so strengen, aber doch billigen Forderung nicht habe Genüge leisten können. Ich bin fast beständig im Fortgange meiner Arbeit unschlüssig gewesen, wie ich es hiermit halten sollte. Beispiele und Erläuterungen schienen mir immer nötig und flossen daher auch wirklich im ersten Entwurfe an ihren Stellen gehörig ein. Ich sah aber die Größe meiner Aufgabe und die Menge der Gegenstände, womit ich es zu tun haben würde, gar bald ein und da ich gewahr ward, dass diese ganz allein, im trockenen, bloßs c h o l a s t i s c h e nVortrage das Werk schon genug ausdehnen würden, so fand ich es unratsam, es durch Beispiele und Erläuterungen, die nur inp o p u l ä r e rAbsicht notwendig sind, noch mehr anzuschwellen, zumal diese Arbeit keineswegs dem populären Gebrauche angemessen werden könnte und die eigentlichen Kenner der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nötig haben, ob sie zwar jederzeit angenehm ist, hier aber sogar etwas Zweckwidriges nach sich ziehen konnte. AbtT e r r a s s o nsagt zwar: Wenn man die Größe eines Buchs nicht nach der Zahl der Blätter, sondern nach der Zeit misst, die man nötig hat, es zu verstehen, so könne man von manchem Buche sagen:d a s se sv i e lk ü r z e rs e i nw ü r d e,w e n ne sn i c h ts ok u r zw ä r e.Andererseits aber, wenn man auf die Fasslichkeit eines weitläufigen, dennoch aber in einem Prinzip zusammenhängenden Ganzen spekulativer Erkenntnis seine Absicht richtet, könnte man mit eben so gutem Rechte sagen:m a n c h e sB u c hw ä r ev i e ld e u t l i c h e rg e w o r d e n,w e n ne sn i c h ts og a rd e u t l i c hh ä t t ew e r d e ns o l l e n.Denn die Hilfsmittel der Deutlichkeit helfen zwar inT e i l e n,zerstreuen aber öfters im Ganzen, indem sie den Leser nicht schnell genug zur Überschauung des Ganzen gelangen lassen und durch alle ihre hellen Farben gleichwohl die Artikulation oder den Gliederbau des Systems verkleben und unkenntlich machen, auf den es doch um über die Einheit und Tüchtigkeit desselben urteilen zu können, am meisten ankommt.
Es kann, wie mich dünkt, dem Leser zu nicht geringer Anlockung dienen, seine Bemühung mit der des Verfassers zu vereinigen, wenn er die Aussicht hat, ein großes und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten Entwurfe, ganz und doch dauerhaft zu vollführen. Nun ist Metaphysik, nach den Begriffen, die wir hier davon geben werden, die einzige aller Wissenschaften, die sich eine solche Vollendung, und zwar in kurzer Zeit und mit nur weniger, aber vereinigter Bemühung, versprechen darf, so dass nichts für die Nachkommenschaft übrig bleibt, als in derd i d a k t i s c h e nManier alles nach ihren Absichten einzurichten, ohne darum den Inhalt im Mindesten vermehren zu können. Denn es ist nichts als dasI n v e n t a r i u maller unserer Besitze durch reine Vernunft, systematisch geordnet. Es kann uns hier nichts entgehen, weil, was Vernunft gänzlich aus sich selbst hervorbringt, sich nicht verstecken kann, sondern selbst durch Vernunft ans Licht gebracht wird, sobald man nur das gemeinschaftliche Prinzip desselben entdeckt hat. Die vollkommene Einheit dieser Art Erkenntnisse, und zwar aus lauter reinen Begriffen, ohne dass irgendetwas von Erfahrung, oder auch nur besondere Anschauung, die zur bestimmten Erfahrung leiten sollte, auf sie einigen Einfluss haben kann, sie zu erweitern und zu vermehren, macht diese unbedingte Vollständigkeit nicht allein tunlich, sondern auch notwendig, Tecum habita et noris, quam sit tibi curta supellex. Persius.
Ein solches System der reinen (spekulativen) Vernunft hoffe ich unter dem Titel:M e t a p h y s i kd e rN a t u r,selbst zu liefern, welches, bei noch nicht der Hälfte der Weitläufigkeit, dennoch ungleich reicheren Inhalt haben soll, als hier die Kritik, die zuvörderst die Quellen und Bedingungen ihrer Möglichkeit darlegen musste, und einen ganz verwachsenen Boden zu reinigen und zu ebnen nötig hatte. Hier erwarte ich an meinem Leser die Geduld und Unparteilichkeit einesR i c h t e r s,dort aber die Willfährigkeit und den Beistand einesM i t h e l f e r s;denn, so vollständig auch alleP r i n z i p i e nzu dem System in der Kritik vorgetragen sind, so gehört zur Ausführlichkeit des Systems selbst doch noch, dass es auch an keinena b g e l e i t e t e nBegriffen mangle, die man a priori nicht in Überschlag bringen kann, sondern die nach und nach aufgesucht werden müssen, imgleichen, da dort die ganzeS y n t h e s i sder Begriffe erschöpft wurde, so wird überdem hier gefordert, dass eben dasselbe auch in Ansehung derA n a l y s i sgeschehe, welches alles leicht und mehr Unterhaltung als Arbeit ist.
Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das lässt sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie nach viel gemachten Anstalten und Zurüstungen, sobald es zum Zweck kommt, in Stecken gerät, oder, um diesen zu erreichen, öfters wieder zurückgehen und einen andern Weg einschlagen muss; imgleichen wenn es nicht möglich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht verfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer überzeugt sein, dass ein solches Studium bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein bloßes Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg wo möglich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden müssen, was in dem ohne Überlegung vorher genommenen Zwecke enthalten war.
Dass dieL o g i kdiesen sicheren Gang schon von den ältesten Zeiten her gegangen sei, lässt sich daraus ersehen, dass sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitäten oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft gehört. Merkwürdig ist noch an ihr, dass sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint. Denn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweitern dachten, dass sie teilsp s y c h o l o g i s c h eKapitel von den verschiedenen Erkenntniskräften (der Einbildungskraft, dem Witze), teilsm e t a p h y s i s c h eüber den Ursprung der Erkenntnis oder der verschiedenen Art der Gewissheit nach Verschiedenheit der Objekte (dem Idealismus, Skeptizismus u. s. w.) teilsa n t h r o p o l o g i s c h evon Vorurteilen (den Ursachen derselben und Gegenmitteln) hineinschoben, so rührt dieses von ihrer Unkunde der eigentümlichen Natur dieser Wissenschaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinander laufen lässt; die Grenze der Logik aber ist dadurch ganz genau bestimmt, dass sie eine Wissenschaft ist, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens (es mag a priori oder empirisch sein, einen Ursprung oder Objekt haben, welches es wolle, in unserem Gemüte zufällige oder natürliche Hindernisse antreffen) ausführlich darlegt und strenge beweist.
Dass es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie bloß ihrer Eingeschränktheit zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sich selbst und seiner Form zu tun hat. Weit schwerer musste es natürlicher Weise für die Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht bloß mit sich selbst, sondern auch mit Objekten zu schaffen hat; daher jene auch als Propädeutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zur Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen muss.
Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so muss darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden muss) bloß zub e s t i m m e n,oder ihn auchw i r k l i c hz um a c h e n.Die erste istt h e o r e t i s c h e,die anderep r a k t i s c h eE r k e n n t n i sder Vernunft. Von beiden muss der reine Teil, so viel oder so wenig er auch enthalten mag, nämlich derjenige, darin Vernunft gänzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden; denn es gibt üble Wirtschaft, wenn man blindlings ausgibt, was einkommt, ohne nachher, wenn jene in Stecken gerät, unterscheiden zu können, welcher Teil der Einnahme den Aufwand tragen könne und von welchem man denselben beschneiden muss.
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