Kuchen für den guten Zweck - Eva Kummer - E-Book

Kuchen für den guten Zweck E-Book

Eva Kummer

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Beschreibung

Warum der Hund trotz teurem Diätfutter noch immer übergewichtig ist. Ein Bademantel - der beste Freund? Wohin mit unliebsamen Geschenken? Fördert ein Tanzkurs tatsächlich das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Frau und Mann? Warum man mit einem vollen Bücherregal auf der sicheren Seite ist. Zwanzig unterhaltsame Kurzgeschichten humorvoll erzählt.

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Inhalt

Kuchen für den guten Zweck

Tupperparty

Veilchen

Gourmet

Zwei geblümte Suppenteller

Der blaue Bademantel

Ein Runder mit einer 4 davor

Zwei Herzen im Dreivierteltakt

Das Ding

Wald-traut

Crimetime

Der perfekte Tag

Ein ganz besonderer Baum

Unglaublich günstig

Ein stressiger Morgen

Hilfreiche Ratgeber

Nie mehr Schule

Tageshoroskop

Schuh–Rendezvous

Weihnachtsstress das ganze Jahr

Kuchen für den guten Zweck

Es ist Sonntagvormittag. Tam...tata...tam...tata...tam...tata... ta-a….. Das Handy stimmt Renates Lieblingssong an. Unbekannte Nummer. Sie ist unschlüssig. Soll sie überhaupt….? Die Neugier siegt. Frau Strebermayer - eine Bekannte - zwei Gassen weiter, ist am Telefon. Sie redet nicht lange um den heißen Brei herum, kommt sofort zur Sache. „Heute in einer Woche wird es vor der Kirche, gleich nach der heiligen Messe, einen Mehlspeisstand geben“, flötet sie munter ins Telefon. „Egal, ob Kuchen, Torte oder Gugelhupf, jede hausgemachte Süßigkeit ist uns herzlich willkommen“ - tönt es freundlich, aber bestimmend aus dem Hörer, „und der Erlös wird für einen guten Zweck gespendet“, klärt sie Renate weiter auf. „Was? Wie jetzt? Heißt das, ich soll Kuchen backen? ICH, die gänzlich Untalentierte?“ Renate ahnt Schlimmes. Kuchen wird von ihr erwartet! Stille. Klares Denken fällt unter Stress schwer. Leises Schnaufen am anderen Ende. Der Geistesblitz lässt wieder einmal auf sich warten. Frau Strebermayer räuspert sich ungeduldig. Renate gibt auf. Total überrumpelt beteuert sie, dass sie mit Freude dabei sei und selbstverständlich ihren Teil zum Gelingen der Veranstaltung beitragen werde. Frau Strebermayer ist zufrieden, denn genau das wollte sie hören. „Mit dem richtigen Rezept wird eine Biskuitroulade schon machbar sein“, redet sich Renate selber gut zu und irgendwie fühlt sie sich ja auch geschmeichelt, dass ihre vermeintlichen Backkünste so gefragt sind. Außerdem ist es bis dahin noch eine ganze Woche - genug Zeit, um nachzudenken, wie sie ihr Versprechen in die Tat umsetzen könnte.

Die Tage vergehen wie im Flug und schwuppdiwupp, steht das Wochenende vor der Tür. Es ist Samstagvormittag und eines ist klar: Jetzt wird´s eng. Heute gibt es kein Entkommen mehr! Also schleppt Renate die schwere, unhandliche, vom langen Stehen leicht mit Staub überzogene Küchenmaschine aus dem Keller. Internet sei Dank, findet sich mit den richtigen Stichworten rasch ein passendes Rezept - Eier, Zucker, Mehl, Backpulver….. Alles scheint ganz einfach. Schnell stellt sich heraus, dass das Vorhaben an den fehlenden sechs Eiern und dem nicht vorhandenen Backpulver zu scheitern droht. Schade, denn Renate ist gerade so richtig in Fahrt. Eine Einkaufsliste muss her! Aber davor gönnt sie sich noch eine kleine Verschnaufpause. Gegen Mittag ist die Roulade wegen konstantem Eiermangel und dem fehlenden Treibmittel noch immer nicht gebacken. Die nächsten zwei Stunden versucht sie ihre Gedanken an dieses unliebsame Vorhaben zu verdrängen. Aber das Unterbewusstsein lässt sich nicht täuschen. Renate findet keine Ruhe, mobilisiert all ihre Kräfte und geht schließlich doch noch ans Werk. So kurz vor Geschäftsschluss ist Eile angesagt. Im Supermarkt bleiben ihr nur noch zehn Minuten.

Jetzt muss alles schnell gehen, aber sie weiß ja ohnehin, was sie braucht. Flotten Schrittes marschiert sie durch die Reihen, schnappt sich im Vorbeigehen Backpulver und ein 10er Packerl Bio Freilandeier und Minuten später bewegt sie sich auch schon wieder in Richtung Kassa. Der Weg dahin führt durch die Backwarenabteilung. Hier ist alles recht übersichtlich, denn die Brot- und Kuchenregale sind so gut wie leergeräumt. Zum Glück, denn sonst wäre ER ihr womöglich gar nicht aufgefallen. So aber hat sie ihn sofort entdeckt. In seiner vollen Pracht steht er vor ihr - nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu schmal und nicht zu breit – kurzum: alle Kurven und Rundungen sind da, wo sie hingehören. Ein richtiger Augenschmaus! Renate kommt gedanklich ins Schwärmen: „Und erst diese verführerische schokoladenbraune Farbe! Bestimmt schmeckt er auch noch verboten gut“, seufzt sie sehnsuchtsvoll. An ihm gibt es absolut nichts auszusetzen. Er ist einfach perfekt! Ein Prachtexemplar von einem Gugelhupf! Was wäre, wenn.......?

Sofort weiß Renate was zu tun ist. Ja, das kann nur ein Wink des Schicksals sein! Rasch krallt sie sich das gute Stück, hastet zurück zum Kühlregal, legt Eier und Backpulverpäckchen zurück an ihren Platz und schnappt sich stattdessen einen Becher von der edelherben Kuchenglasur.

Erleichtert über diese günstige Schicksalswendung macht sie sich bestens gelaunt und voller Zuversicht auf den Heimweg. Die riesige Küchenmaschine kommt heute doch nicht zum Einsatz und muss wieder zurück in den Keller.

Während Renate den Gugelhupf vorsichtig aus der Cellophan Verpackung schält, schmilzt die zartbittere Schokoladenglasur auf kleinster Stufe in der Mikrowelle. Dass die Schokolade nach vorsichtigem Aufrühren ein klein wenig verbrannt riecht, macht überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil, wird das Backwerk durch solch kleine Feinheiten doch erst glaubhaft zu etwas „Selbstgemachtem“! Das Überziehen mit dem Schokoguss ist schwieriger als gedacht. Von dem dunklen Anstrich bleibt nur wenig an der Mehlspeise haften.

Es gehört schon eine Portion Fingerspitzengefühl dazu, die zähflüssige Masse mit Hilfe von Teigkarte, Löffel, Messer und sonstigen in greifbarer Nähe herumliegenden Küchenutensilien vorsichtig über den Gugelhupf laufen zu lassen.

Endlich ist es vollbracht. Strahlend steht das gute Stück fertig vor Renate. Ihre Hände sind bis zu den Ellbogen hin mit Schoko verschmiert, aber es hat sich gelohnt. Noch bevor die Glasur anzieht und richtig fest wird, fällt ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass in der Lade mit den Keksausstechern noch eine Dose mit den bunten Zuckerstreusel lagert. Mit dieser Deko finalisiert sie jedes Jahr zur Weihnachtszeit ihren „selbst gemachten“ Lebkuchen. „Die bunten Streusel geben jeder Mehlspeise immer so eine persönliche Note“, ist sie überzeugt. Erst nachdem der Schokokuchen aussieht, als hätten ihn die Ausläufer eines Hurrikans aus rotem, blauem, gelbem und grünem Konfetti gestreift, ist er ein echtes Meisterwerk. Jetzt ist der Gugelhupf wahrlich perfekt! „Mit so einem Prachtexemplar kann man sich sehen lassen!“, freut sich Renate. Am Sonntag in der Früh packt sie das gute Stück vorsichtig in eine mit Spitzenpapier ausgelegte Tortenglocke, platziert diese auf dem Beifahrersitz ihres Wagens und - damit der wertvollen Fracht während der Fahrt nicht etwa in allerletzter Sekunde Schlimmes passiert, - legt sie vorsichtig den Sicherheitsgut über das Gesamtkunstwerk.

Gefühlvoll navigiert sie das Fahrzeug durch jede Kurve und macht - so sie rechtzeitig entdeckt werden - um die vielen Kanaldeckel auf der Strecke einen großen Bogen. Schließlich kommen beide heil und unbeschadet ans Ziel. Die Tortenglocke fest umklammert steigt Renate aus dem Auto und schreitet hoch erhobenen Hauptes durch die sperrangelweit offenstehende Eingangstür. Offenbar werden hier die Mehlspeisbäckerinnen schon erwartet. Als Renate das Vorzimmer betritt, traut sie ihren Augen nicht. Zwei riesige Küchentische stehen da und biegen sich unter der Last der vielen Süßigkeiten. Ein Schlaraffenland tut sich vor ihr auf. Auf den Tischen thronen prachtvolle Torten, dekoriert mit filigranen Marzipanrosen, pastellfarbigem Zuckerguss und schneeweißen Sahnehäubchen. Es gibt dunkle Kuchen, helle Kuchen, Kuchen mit und ohne Creme, aber auch Mohnstrudel, Nussstrudel, Rouladen, Erdbeerschnittchen und Apfelkuchen stehen da. Auf einer silberfarbig glänzenden Platte türmen sich sogar dick mit Staubzucker bestreute Schaumrollen! Mit so einem zuckersüßen Anblick muss man erst einmal fertig werden! Trotz der in vielen Jahren mühsam antrainierten Disziplin, kostet es Renate ungeheuerlich viel Kraft, sich nicht auf der Stelle über das Kuchenbuffet herzumachen. „Wie wäre es, wenn ich mit dem Finger kurz einmal…“, überlegt sie. Plötzlich steht die Hausherrin vor ihr und reißt sie abrupt aus diesem herrlich hemmungslosen Tagtraum! „Sehr gut! Auf Sie habe ich schon gewartet!“, begrüßt sie die „Bäckerin“ gut gelaunt. Umständlich befreit Renate ihr Backwerk aus der Tortenglocke und stellt es auf ein freies Platzerl zu den anderen Köstlichkeiten. Rechts von ihrem Süßen steht auch ein Gugelhupf, und links davon…..und davor….. und dahinter ebenso..…..und alle haben die gleiche Form - nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu schmal und nicht zu breit, kurzum: es sind alle Rundungen dort, wo sie hingehören. Wie kann das sein? Der guten Frau Strebermayer ist es scheinbar auch nicht verborgen geblieben.

„Na, sowas! Bis auf die Deko sehen die ja alle gleich aus!“, zwitschert sie hochtönig und zeigt mit spitzem Zeigefinger auf die Gugelhupfe. Und tatsächlich! Die kleinen Kerlchen gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Nur dekoriert sind sie verschieden. Da steht einer mit silbrig glänzenden Zuckerperlen, einer mit kandierten Blütenblättern und einer ist sogar mit Erdbeeren verziert, getunkt in weiße Schokolade.

Etwas verwirrt betrachtet Renate all die liebevoll hergerichteten Köstlichkeiten. „Na, wenn das kein Zufall ist!“, schnattert Frau Strebermayer weiter und wirft dabei einen prüfenden Blick über den Rand ihrer Brille. Renate grinst verlegen - schluckt - grinst - schluckt. Wo der Mund vorher noch wässrig war, ist er jetzt ganz trocken. Sie räuspert sich, atmet schwer….. „Höchste Zeit, jetzt muss ich aber wirklich los!“, krächzt sie und möchte sich sogleich aus dem Staub machen.

Aber so einfach lässt Frau Strebermayer nicht locker. „Also wirklich, IHR Gugelhupf, Frau Re-na-te - sie betont dabei jede Silbe - ist ein wahrer Augenschmaus! Gemacht wie von Konditorhand! Diese gleichmäßige Form, nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu schmal und nicht zu breit, kurzum: alle Rundungen sind dort, wo sie hingehören“, flötet Frau Strebermayer und schaut Renate dabei tief in die Augen. Ein Hitzeschwall durchflutet die Angesprochene, sie dreht sich auf der Ferse um und macht sich sogleich vom Acker. „Und erst diese liebevolle Verzierung“, ruft ihr Frau Strebermayer nach, „ein echtes Meisterstück!“ Jetzt ist sich Renate sicher: der Schwindel ist aufgeflogen. Der Gugelhupf, auf den sie vor kurzem noch so stolz gewesen ist, ist plötzlich gar nicht mehr SO perfekt. Am liebsten würde sie ihn wieder mitnehmen. Renate befürchtet, dass ihn neben all den liebevoll verzierten Köstlichkeiten das gleiche Schicksal wie schon einmal ereilen wird: ER wird als einziger übrigbleiben. Diese Kuchen-Demütigung muss am schnellsten Weg verschwinden!

Und so steht sie am nächsten Tag reumütig und ungeduldig - noch während der Messe - vor dem Verkaufsstand und wartet ungeduldig als erste Kundschaft, bis der „Kuchenverkauf für den guten Zweck“ seine Pforte öffnet. Endlich ist es so weit. Als eine ältere Dame mit silbergrauer Lockenfrisur und blütenweißer Schürze die Holzläden öffnet, ist Renate erleichtert. Zum Glück ist von Frau Strebermayer weit und breit keine Spur. Dafür sticht ER ihr sofort ins Auge. Die freundliche Dame schenkt der Wartenden einen gütigen Blick und fragt nach ihren Wünschen. Am liebsten würde sich Renate über eine von diesen kitschig verzierten Kalorienbomben hermachen, doch sie unterdrückt tapfer das Verlangen. „Diesen herrlichen Gugelhupf mit der zartbitteren Schokoladenglasur und den vielen bunten Zuckerstreuseln, den möchte ich haben!“, ruft sie laut und zeigt sicherheitshalber mit dem Zeigefinger darauf. „Sie müssen wissen meine Liebe, ich bin ein echtes Zuckergoscherl! Bei diesen süßen Köstlichkeiten macht mir keiner etwas vor, da kenn ich mich aus! Ob Obstkuchen, Nusstorte oder Schaumrollen - ich mag sie alle! Aber am aller-aller-liebsten ist mir ein selbstgebackener Gugelhupf!“

Tupperparty

„Na geh, jetzt sei doch nicht so! Komm doch wenigstens vorbei!“ appelliert Dorli an ihre Freundin Gertrude. „Musst ja auch gar nichts kaufen“, versucht sie zu überreden - überzeugen kann sie sie sowieso nicht. Und je eindringlicher die eine auf die andere einredet, umso mehr schwindet die Lust der anderen, die Tupperware-Vorführung zu besuchen.

Heute Abend soll das Ereignis stattfinden und je mehr Gäste Dorli dafür gewinnen kann, umso größer wird das Geschenk ausfallen, das am Ende der Veranstaltung, ihr, der Gastgeberin, überreicht werden wird - ein kleines Dankeschön für die Ermöglichung der Verkaufsvorstellung sozusagen.

Widerwillig und einzig ihrer beider jahrelangen Freundschaft zuliebe, lässt sich Gertrude schließlich doch noch weichklopfen - na gut, zuhören kostet ja schließlich nichts - und verspricht zu kommen. „Ich sage es aber gleich: Kaufen tu ich nichts, das steht fest“, stellt sie sicherheitshalber gleich einmal klar, „denn es ist eh kaum mehr Platz in der kleinen Küche!“, lässt Gertrude die Freundin auch gleich wissen und nimmt ihr damit jede Hoffnung auf das große Geschäft. Früher ist sie eine gute Kundschaft bei solchen Homeparties gewesen und hat keine einzige Einladung ausgeschlagen. Dank der guten Qualität sind die meisten ihrer Errungenschaften noch immer intakt und, obwohl sie schon einige Jährchen am Buckel haben, auch noch recht ansehnlich. Manche Teile kommen regelmäßig zum Einsatz, andere wiederum verstellen nur unnötig Platz. Die Küchenschränke sind auf jeden Fall vollgestopft mit Vorratsdosen, Warmhaltebehältern, Frischeboxen, Servierhilfen und Gefriersets. „Nein, mein Bedarf ist gedeckt“, ist sich Gertrude sicher.

Am Abend tut es ihr auch schon wieder leid, dass sie nachgegeben und zugesagt hat, aber versprochen ist nun einmal versprochen und so macht sie sich, wenn auch nur äußerst ungern, auf den Weg in die Sonnengasse 11. „Na, vielleicht gibt es ja wieder diesen selbstgemachten Apfelkuchen mit dem köstlichen Marzipanstreusel“, motiviert sie sich und steht Minuten später mitten in Dorlis Wohnzimmer. In dem kleinen Raum drängen sich bereits achtzehn Damen - darunter viele bekannte, aber auch einige unbekannte Gesichter.

Die neue Couch ist sichtlich überbevölkert und das höchst zulässige Gesamtgewicht bestimmt schon längst überschritten. Um den kleinen ovalen Couchtisch scharen sich die verschiedenartigsten Stühle. Zwischen den vier schweren Holzsesseln aus dem Esszimmer stehen zwei bunte Drehstühle aus dem Kinderzimmer, ein schon etwas altersschwacher Hocker und ein wackeliger Klappsessel aus dem Keller. Jeder freie Platz und jede noch so notdürftige Sitzgelegenheit wird heute genutzt und von den Damen dankbar angenommen.

Gertrude ergattert den letzten freien Hocker und lässt sich mit Gestöhne auf ihn plumpsen. „Besser schlecht sitzen als gut stehen“, raunt sie ihrer Sitznachbarin zu, lange will sie ja ohnehin nicht bleiben. Auf der schmalen Schleiflackkommode steht ein Tablett mit den unterschiedlichsten Gläsern, die, so wie die Sitzgelegenheiten auch, nicht wirklich zueinanderpassen. Die Gastgeberin verteilt wahllos Sektflöten, Champagnerschalen und Weingläser, allesamt gefüllt mit perlendem Prosecco. „Will man uns damit womöglich locker machen und die Stimmung anheizen?“ vermutet Gertrude - argwöhnisch wie sie nun einmal ist - spricht es aber nicht aus, langt nichtsdestotrotz zu und genehmigt sich einen kräftigen Schluck von der erfrischenden Prickelbrause. Nach dem Begrüßungstrunk geht es weiter mit Kaffee und dreierlei Mehlspeisen - der erhoffte Apfelkuchen mit dem Marzipanstreusel ist auch dabei. Selbstverständlich sind die ganzen Leckereien von der Gastgeberin selbst gebacken und - wie könnte es auch anders sein - der Milchschaum für den Cappuccino im tuppereigenen Milchhäferl von Hand geschlagen.

Nach dem zweiten Kuchenstück ist Gertrude schon sichtlich entspannter und fühlt sich ganz wohl in der illustren Runde.

Die Tupperwareberaterin ist auch schon da. Sie schleppt gerade zwei riesengroße, prallgefüllte Reisetaschen ins Wohnzimmer und es dauert nicht lange, bis die Ware der Größe nach sortiert zwecks Begutachtung auf zwei Tischen, eigentlich sind es aufgeklappte Bügelbretter, bereitliegt. Die Verkaufsberaterin ist jetzt so weit, erhebt ihre Sopranstimme und mahnt zur Ruhe. Von sich und ihrer Ware überzeugt - so soll es auch sein - begrüßt sie die Anwesenden und stellt sich als Sabine vor, wobei sie das „i“ besonders in die Länge zieht.

Weltoffen, wie es sich heutzutage gehört, einigt man sich auf das vertraute „Du“. „Wozu auch diese Förmlichkeiten, wir sind ja schließlich unter uns“, meint Sabine augenzwinkernd und so entsteht im Handumdrehen dieses „Wir sitzen alle im gleichen Boot“-Gefühl. Irgendwie ist es ja auch so, denn alle haben nur ein Ziel: Die eingehende Begutachtung der neuesten Kunststoffware! Emsig teilt Sabine die mitgebrachten bunten Hochglanzkataloge, Bestellscheine und Kugelschreiber aus, dann startet sie ihr privates Soloprogramm. Einige Damen blättern interessiert in den Unterlagen, andere lauschen gespannt dem Vortrag der dauerlächelnden Verkaufsberaterin und lassen die gute Frau dabei keine Sekunde aus den Augen, um nur ja nichts zu verpassen. Sabine erklärt ausführlich die jeweiligen Vorzüge und Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Teile und plötzlich erscheint die gesamte Haushaltsführung mit den richtigen „Helferleins“ soooo einfach. Es werden Erfahrungsberichte ausgetauscht und bereitwillig Tipps und Tricks weitergegeben. Gertrude lauscht gespannt nach allen Seiten, möchte aber nicht allzu viel Interesse zeigen und widmet sich deshalb sicherheitshalber dem Teller mit dem selbstgebackenen Schokoladenkuchen, schließlich will ja alles durchgekostet werden. Ihre letzte Tupperware-Party liegt schon einige Jährchen zurück und so ist sie ganz überrascht, wie viele verschiedenartige Sachen inzwischen feilgeboten werden. Neben den altbewährten Vorratsdosen, Jausenboxen und Gefriersets sind mittlerweile Messerblöcke mit Schneidwerkzeug auf professionellem Niveau und Kochgeschirr für die Mikrowelle käuflich zu erwerben. Es gibt bunte Putztücher aus hochqualitativer Mikrofaser, wobei für jeden Bereich und zwecks Unterscheidung des zu entfernenden „Drecks“, eine andere Farbe vorgesehen ist. Ja, sogar edel glänzende Töpfe und Pfannen mit den dazu passenden Deckeln sind in das ohnehin schon so umfangreiche Sortiment aufgenommen worden! Überraschend hoch sind allerdings auch die Anschaffungskosten all dieser wunderbaren Sachen. Aber echte Qualität hat nun einmal ihren Preis und wenn man bedenkt, dass es auf alle Produkte eine lebenslange Garantie gibt, relativieren sich die Kosten auch schon wieder. Aber wie dem auch sei, Gertrude ist es so und so egal, genießt sie doch den Sonderstatus der „Gekommen-um-nur-zu-Schauenden“. Als die ersten Kunststoffbehälter zwecks Inspizierung herumgereicht werden, kommt Leben in die Runde. Gertrude hätte das eine oder andere Küchenutensil schon interessiert, aber sie mahnt sich, standhaft zu bleiben und blind und unempfänglich für jegliche Verkaufsstrategie zu sein. Stattdessen schenkt sie sich noch ein Tässchen Kaffee nach und gönnt sich ein allerletztes Stück von dem herrlich flaumigen Schokoladenkuchen. Kaufen, so sagt sie sich, wird sie aber trotzdem nichts! Wer braucht schon eine Salatschleuder oder gar diesen kleinen viereckigen Behälter für übrig gebliebene Mahlzeiten? „Völlig unnötiges Zeugs“, murmelt sie, während sie versucht, mithilfe der dreizackigen Kuchengabel der letzten Kuchenkrümel auf ihrem Teller habhaft zu werden. Und es stimmt, nach Resten sucht man in Gertrudes Haushalt vergebens. Im Wohnzimmer geht es inzwischen rund, alle schnattern wild durcheinander, lachen ausgelassen und sind in Volksfeststimmung. Eine halbe Stunde später - der Lärmpegel steigt minütlich, der Chickentalk ist voll im Gang - schmeißt Sabine ihre Arme in die Höhe, winkt dabei mit beiden Händen wie mit zwei Schautafeln und mahnt mit lauter Stimme zur Aufmerksamkeit. Schnell hat sie die wilde Meute unter Kontrolle und der Vortrag geht augenblicklich weiter.

Jetzt sind die Sonderkäufe - unter Kennern sind das die wahren Schätze - an der Reihe und wer bis dato noch keinen Favoriten hat, wird spätestens jetzt fündig. Kunststoffreibe, Kartoffelstampfer, Knoblauchpresse, Gurkenlift und noch so einige andere Dinge wandern von einer Hand in die andere, werden beäugt, geprüft und bestaunt. Gertrude schert sich keinen Deut darum, greift stattdessen noch einmal nach der Tupper-Thermoskanne und schenkt sich ein Tässchen heißen, duftenden Kaffee nach. Und genau in diesem Augenblick passiert es: Die Nachbarin zur Rechten legt den Sparschäler zur Seite, strafft ihre Schultern, greift nach dem Kugelschreiber und beginnt eifrig eine Bestellnummer nach der anderen auf ihre Karte zu kritzeln. Es scheint, als sei das der imaginäre Startschuss gewesen, denn die anderen Damen tun es ihr gleich und man könnte fast meinen, eine will dabei schneller sein und mehr aufschreiben als die andere. Sabine strahlt mit dem zwölfflammigen Kristalllüster um die Wette.

Es lebe die Frauensolidarität! „Hmmmm, diese zusammenrollbare Backunterlage ist vielleicht doch nicht ganz uninteressant. Auf jeden Fall spart sie eine Menge Platz, rutschfest ist sie außerdem auch noch und diese glatte Oberfläche ist bestimmt ganz leicht zu reinigen!“, grübelt Gertrude und notiert sicherheitshalber die Bestellnummer auf ihrer Karte.

Und als die Nachbarin ebenfalls Interesse an diesem Teil bekundet, gibt es keine Zweifel mehr: Die Backunterlage ist so gut wie gekauft. „Vielleicht sollte ich noch….aber nein, ich lass es lieber sein“, überlegt sie und greift dabei im selben Moment nach den drei stapelbaren Servierschüsseln. Die Behälter, so grün wie junge Laubfrösche, würden bestimmt ganz gut mit der lindgrünen Stofftapete in der Küche harmonieren“, fällt ihr sogleich ein - eine Überlegung sind sie auf jeden Fall wert - und notiert sicherheitshalber auch diese Nummer. Sabine erinnert noch einmal lautstark, dass es das neueste Kochgeschirr für die Mikrowelle heute - und NUR heute - zusammen mit dem druckfrischen Rezeptbüchlein zu