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Gerhard Rohlfs wurde durch seine Reisen und Expeditionen in Afrika bekannt. Kurz vor der Jahrhundertwende zum Jahr 1900 konnte er sich in Afrika frei bewegen, wenn es um die Obrigkeit ging. Bei seiner Reise im Jahr 1878 nach Kufra, erreicht er zwar den Ort. Jedoch wurde seine Karawane überfallen und ausgeraubt. Enttäuscht musste er die Rückreise antreten.
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Seitenzahl: 253
Herausgeber
Erik Schreiber
Windrose 8
Reiseerzählungen
Gerhard Rohlfs
Land und Volk in Afrika
Saphir im Stahl
Reiserzählungen 8
e-book 200
Gerhard Rohlfs - Land und Volk in Afrika
Erstveröffentlichung: 1870 Verlag J. Kühtmann’s Buchhandlung
Erscheinungstermin 01.11.2023
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Archiv Andromeda / John Glover - The River Nile
Bearbeitung: Simon Faulhaber
Lektorat Peter Heller
Vertrieb neobook
Herausgeber
Erik Schreiber
Windrose 8
Reiseerzählungen
Gerhard Rohlfs
Land und Volk in Afrika
Saphir im Stahl
INHALT.
Bemerkungen über die Zukunft Algeriens
Beobachtung über die Wirkungen des Haschisch
Von Lagos nach Liverpool
Die Stadt Kuka in Bornu
Am Bénuē
Titulaturen und Würden in einigen Centralnegerländern
Die Art der Begrüssungen bei verschiedenen Neger-Stämmen
Von Magdala nach Lalibala, Sokota und Antalo, April/Mai 1868
Der Aschangi-See in Abessinien
Nach Axum über Hausen und Adua
Damiette
Malta
Die grosse Bodeneinsenkung in Nordafrika
Bemerkungen über die Zukunft Algeriens.
Mursuk in Fessan im Januar 1866.
Der Kaiser der Franzosen hat sich bitter getäuscht, wenn er geglaubt hat, durch eigene Anschauung vermittelst einer blossen Triumphreise den Zustand einer Colonie kennen lernen zu können. Schon um civilisirte Völker zu studiren und dann ihren moralischen und materiellen Zustand würdigen und beurtheilen zu können, darf man nicht als grosser Herr, viel weniger als Kaiser reisen. Ich erinnere nur an die bekannte Reise der Kaiserin Katharine in Süd-Russland, der man alle Tage dieselben Leute, dasselbe Vieh entgegen trieb, um sie glauben zu machen, dass die Provinzen gut bevölkert seien. Und sehen wir nicht in Algerien bei der Reise des Kaisers sich etwas Aehnliches wiederholen? Die Duar in der Provinz Oran waren bei der Durchreise des Herrschers nach Sidi Bel-Abbès an die Landstrasse gerückt; so erzählen uns die Lokalblätter.
Die Araber gründlich kennen zu lernen ist gar noch schwieriger; das gelingt nur bei langjährigem Aufenthalt unter ihnen, oder wenn man in ihrer Mitte gereist ist und zwar unter der Maske eines Mohammedaners, nicht eines Vornehmen, sondern eines Bedürftigen; denn selbst einem vornehmen Religionsgenossen gegenüber sind die Araber Lügner, Heuchler und Prahler. Unter allen anderen Umständen ist man nur zu geneigt, über den Grundcharakter dieses Volkes in grosse Irrthümer zu verfallen, wie eben erst der Kaiser und früher der bekannte General Daumas, der so anziehende Bücher über die Araber geschrieben hat, die man jedoch als nichts weiter als Romane betrachten darf. Denn obgleich General Daumas jahrelang die Bureaux arabes dirigirte, so hatte er doch wohl nie Gelegenheit, mit _den Leuten vom kleinen Zelte_ zu verkehren, sondern frequentirte nur die _Leute der cheima kebira_; will man aber ein Volk kennen lernen, so muss man sich nicht blos in den höchsten Kreisen desselben bewegen, sondern alle Klassen durchmustern.
Ich nun würde nicht gewagt haben, über einen so delicaten Gegenstand meine Meinung abzugeben, wenn nicht ein langjähriger Aufenthalt in Algerien selbst, dann eine dreijährige Reise durch Marokko und seine Wüste, bei welcher unter anderen ganz Tuat durchforscht wurde (in welche Oase die Franzosen bis jetzt vergebens weder mit Güte noch mit Gewalt haben dringen können), mich derart mit allen Klassen dieses Volkes in Berührung brachte, dass ich glaube, im Interesse Frankreichs, im Interesse Algeriens, meine Meinung nicht verschweigen zu dürfen.
Meine Ansicht über die eingebornen Bewohner der Algerie habe ich vor zwei Jahren in mein Tagebuch niedergelegt und dies im Jahre 1865 in den Dr. Petermann'schen Mittheilungen, Th. XI, publicirt; dasselbe enthält folgenden Passus, der sich nun schon wieder durch den frischen Aufstand Si Lalla's bewährt hat:
„Ich glaube die Franzosen können sich nicht genug in Acht nehmen, wollen sie nicht einen Tag erleben, wie ihn die Engländer in Indien gehabt haben. Bei einer Nation wie die Araber, deren ganzes Wesen, Leben und Treiben sich auf die intoleranteste Religion gründet, die existirt, sind _Civilisationsversuche vergeblich_. Wie sind die Araber heutzutage nach mehr als 30-jährigem Besitze der Franzosen von Algerien? Die in den Städten haben alle schlechten Sitten der Franzosen angenommen und helfen dem französischen Pöbel im Absinthtrinken, dass sie aber dafür auch nur im Geringsten christlich religiöse Grundsätze angenommen hätten, daran ist nicht zu denken. Forscht man tiefer nach, so findet man, so geschmeidig und umgänglich sie äusserlich geworden sind, dass sie innerlich allen Hass und alle Verachtung gegen die Bekenner eines andern Glaubens bewahrt haben. Entfernt man sich nun gar einige Stunden weit von der Stadt, so findet man, dass die Civilisation dahin noch ganz und gar nicht gedrungen ist. Der Araber unter seinem Zelte lebt nach wie vor und hasst die Christen ebenso wie früher, und wenn er sich enthält einen Ungläubigen zu tödten, um dafür das Paradies zu erlangen, so geschieht es nur aus Furcht vor dem strengen Gesetze. Die Franzosen hätten längst wie die Engländer in Nordamerika mit den Eingebornen verfahren sollen, nämlich dieselben zurückdrängen, dann wäre Algerien heutzutage ein ruhiges, nur von Europäern bewohntes und cultivirtes Land. Man wird dies vielleicht hart finden und barbarisch und mit den civilisirten Grundsätzen unserer Epoche nicht übereinstimmend. Vom Zimmer aus und von Weitem sind die Dinge jedoch ganz anders anzuschauen, als in der Nähe, und notwendiger Weise wird es bis zum letzten Tage immer Völker geben, die zum Besten der allgemeinen Menschheit den andern Platz machen müssen etc.“
Diese vor zwei Jahren ausgesprochenen Grundsätze sind auch noch heute meine feste innige Ueberzeugung. Wenn dem nothwendigen Gange der Natur nach früher oder später jede Colonie sich vom Mutterlande trennt, sobald sie sich stark genug fühlt, um auf eigenen Füssen stehen zu können, und notwendiger Weise der Tag heran kommt, wo z. B. Grossbritannien auf seine beiden einzigen Inseln wird beschränkt sein--hat Frankreich das Glück gehabt, eine Colonie zu finden, die vor den Thoren des Mutterlandes liegt, ja jetzt durch Dampf und Telegraph Eins mit ihm ist. Diese aussergewöhnliche Lage würde es gestatten, die Colonie so mit der Metropole zu verschmelzen, dass für Frankreich an eine spätere gewaltsame Lostrennnung wie das von Alters her immer bei allen Colonien der Fall gewesen ist und sein wird, nicht zu denken wäre.
Dazu gehört aber vor allen Dingen, dass die Bevölkerung Eine sei. Ich will damit nicht gesagt haben, dass die Franzosen desshalb anderen Europäern die Colonie verschliessen sollen; im Gegentheil, selbst jetzt nach blos 30 Jahren sehen wir, dass die aus anderen Ländern Eingewanderten[1] und namentlich ihre Abkömmlinge fast gänzlich französische Sitten und Gebräuche angenommen haben und meistens, namentlich die jüngere Generation, auch die französische Sprache. Aber zwei in jeder Beziehung so gänzlich von einander verschiedene Völker, wie Franzosen und Araber es sind, neben einander bestehen lassen oder gar versuchen wollen, sie zu vermischen, ist der höchste Unsinn. Seit undenklichen Zeiten hat das Arabervolk sich nie mit anderen vermischt, weil es mehr noch als die Juden von seiner eigenen Vortrefflichkeit, als ein von Gott auserwähltes Volk überzeugt ist. Seit tausend Jahren in Besitz der Nordküste Afrika's, sehen wir Berber und Araber _neben_ einander bestehen, jedes Volk genau seine Sprache und Sitte beibehaltend. Im äussersten Osten, in der Jupiter-Ammons Oase, am Atlantischen Ocean im Sus-Lande haben die Araber die Berber zu unterwerfen, jedoch _nicht sich mit ihnen zu amalganieren gewusst_. Die sogenannten _Kulughli_, Progenitur der Türker mit Araberweibern, bezeugen keineswegs ein Aufgehen der Araber in Türken oder umgekehrt; überall, wo die Türken die Araber beherrschen, bestehen beide Völker unvermischt _neben einander_. Und doch verbindet Berber, Araber und Türken Eine Religion.
Wird man je dem Araber seine Wanderlust, seinen Hang zu plündern und sich raubend umherzutreiben nehmen können? Versuche man doch eine Hyäne zu zähmen! Der Araber ist moralisch überzeugt, dass er den französischen Bajonetten nicht widerstehen kann, dennoch wird er bei der geringsten Gelegenheit sich wider Ordnung und Gesetz erheben, und so lange wird Revolution in der Algerie sein, wie noch ein Zelt oder Duar vorhanden ist. Mögen die Gefühlsmenschen sagen, was sie wollen, vom Verdrängen der Indianer durch die Engländer, jeder vernünftige Mensch findet es bewundernswerth, Nordamerika der Civilisation gewonnen zu sehen. So verabscheuungswerth die modernen französischen Araberlobhudler die Vertreibung der Mauren aus Spanien hinstellen mögen, so ist nicht zu verneinen, dass Spanien dadurch der Civilisation erschlossen wurde; denn wären die Mohammedaner heute noch im Besitze der Halbinsel, so wären sie sicher in keiner Weise weiter in der Civilisation, als es die in den anderen Ländern Wohnenden sind; und wenn die Spanier selbst sich nicht schneller civilisirten und Schritt hielten mit den anderen Völkern, so ist die Verarmung des Landes, die Entvölkerung Spaniens nicht im Vertreibungsedikt Ferdinand des Katholischen zu suchen, sondern eher in der enormen Auswanderung nach Amerika, die zu der Periode statt fand, und in der Priesterschaft.
In der That sehen wir, dass in den Ländern, die sich abgeschlossen von aller christlichen Civilisation halten, die Mohammedaner seit der Periode, wo Mohammed sie zum Islam bekehrte, gar keinen Fortschritt gemacht haben. Und die sogenannten arabischen Glanzperioden unter den Abassiden im Orient, unter den Ommiaden im Occident, sind nur dem christlichen Einflusse zuzuschreiben, weil dort unter beiden Regierungen Christen die Hauptbevölkerung bildeten; aber in den Ländern, wie z. B. Marokko und Arabien, wo die Araber nie mit Christen in Berührung kamen, haben die Araber es nie weiter zu bringen gewusst, als wie ihr Standpunkt war zur Zeit Abrahams.
Möge daher der Kaiser der Franzosen nicht zaudern, und ein Volk, das für die Wüste geboren ist, dahin zurückdrängen, woher es gekommen ist; diejenigen, welche den ernsten Willen haben, sich mit den Europäern zu vereinigen, werden von selbst zurückkommen und müssen die christliche Religion annehmen, die einzige, unter welcher Civilisation möglich ist. Durch das Verdrängen der Araber in Masse in die Wüste hinein wird der Kaiser sich nicht nur den Dank aller Franzosen, sondern auch die Bewunderung der ganzen christlichen Welt erwerben, und möge die Geschichte unsere Nachkommen einst lehren: Die Bourbonen wussten die Algerie zu erobern, die Napoleoniden indess verstanden es, sie in christlich civilisirtes Land umzuwandeln.--
Beobachtungen über die Wirkungen des Haschisch.
#Mursuk in Fessan, Ende Januar 1866.#
Unter _Haschisch_ verstehen die Araber im weitern Sinne jedes _Kraut_, näher jedoch bezeichnen sie damit den indischen Hanf, cannabis indica (nach Linné in die Klasse Dioccia pentandria gehörend), weil an Vorzüglichkeit jedes andere Kraut gegen dieses in den Hintergrund tritt. Von Tripolitanien an nennen die Eingebornen diese Pflanze _Tekruri_, und diesen Namen führt sie auch in der Türkei, Aegypten, Syrien, Arabien und Persien vorzugsweise.
Graf d'Escayrac de Lauture sagt über die Pflanze Folgendes:
„Die Haschischa ist die Cannabis indica; man findet sie in Afrika, und wahrscheinlich ist dieser Hanf aus dem Sudan nach Tunis und Tripoli eingeführt worden. In letzteren nennt man ihn Tekruri, also mit demselben Namen, den man in Mekka den von Sudan kommenden Pilgern giebt, um damit ihre Herkunft anzudeuten. Vielleicht bedeutet Tekruri auch, wie einige Geographen meinen, irgend eine Provinz in Sudan, vielleicht auch ist es nichts weiter, als die Ableitung von irgend einer arabischen Sprachwurzel, welche die Wirkung „verbessern, vollkommener machen“ bezeichnet. Die Haschisch verdankt ihre Wirkung einem eigenthümlichen Stoffe, den Herr Gastinel, Pharmaceut in Aegypten, ausgezogen und bestimmt, und dem er den Namen _Haschischin_ gegeben hat. Dieser Stoff, Harz, ist von einer schönen grünen Farbe, die jedoch _nicht_ vom Chlorophyll herrührt, kleberig-zäh und von einem eigenthümlich unangenehmen Geschmack.“
Ich füge hier hinzu, dass die Cannabis indica wohl weiter nichts ist als die verwilderte oder wilde Cannabis sativa, und eher eine Pflanze der gemässigten Zone als der heissen ist, denn je weiter man nach Süden vordringt, je seltener und krüppelhafter gedeiht dieselbe. Während man z.B. äusserst schöne Exemplare in den gemässigten Bergregionen des Kleinen Atlas der Algerie und Marokko's findet, und die eine Höhe von manchmal 1-1/2 Meter erreichen, gedeiht in den heissen Oasen Tafilet, Tuat und Fessan die Pflanze nur kümmerlich, obgleich die Bewohner alle Sorgfalt auf ihren Anbau anwenden, und von Norden wird dieselbe nach Süden exportirt.
Die Eingebornen bedienen sich derselben auf verschiedene Weise: Entweder sie zerschneiden die getrockneten Blätter und Blüthen sehr klein und rauchen sie rein oder mit Taback vermischt aus kleinen Pfeifen oder Cigaretten, oder sie vermischen dieselben mit Tumbak (Tabak) und rauchen so dies Kraut aus der Nargile. In Syrien bereiten sie wie Thee eine Art Infusion und trinken den Aufguss mit Zucker versüsst, oder endlich man pulverisirt Blätter und Blüthen, und schluckt dies Pulver rein oder mit Zuckerstaub vermischt herunter. Auch mit Honig und Gewürzen zu einer Art Backwerk verarbeitet, bereiten sie aus denselben kleine Kuchen, die unter dem Namen _Majoun_ verkauft werden.
Mag man nun Haschisch nehmen unter welcher Form man wolle, immer übt dasselbe einen _starken Rausch_ aus. Europäer jedoch, welche Beobachtungen darüber anstellen wollen, können dies nur, entweder indem sie eine Infusion trinken, oder das Haschisch-Pulver essen, denn um eine Wirkung vom Rausche zu haben, muss man den Rauch so tief einziehen, was Araber, Perser und Türken zwar auch beim Taback- und Opiumrauchen thun, dass der Dampf in die Lungen eingesogen, unmittelbar mit dem Blute in Berührung kommt. Zwei Theelöffel voll Haschisch genügen, um einen kräftigen Rausch bei einem Neuling hervorzubringen.
Eindruck, den aus mich die Cannabis machte.
#In Mursuk, 25. Januar 1866, Abends 6 Uhr.#
Ich trinke Thee in Gesellschaft Mohammed Besserkis, Enkel des Sultans Mohammed el Hakem von Fessan. Mein Bewusstsein ist vollkommen klar. Ich nehme zwei Theelöffel voll Haschischkraut, welches in einer Kaffeeröste etwas gedörrt, dann pulverisirt und mit Zuckerstaub gemischt worden war. Mein Puls war im Moment des Nehmens 90 (wie immer).
Nach einer viertel Stunde gar kein Erfolg. Wir essen zu Abend: Kameelfleisch mit rothen Rüben, Kameelfrikadellen, weisse gebackene Rüben, Bohnensalat; Salat aus Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch und Radieschen bestehend; Brod, Butter und Käse.
Besserki sagt mir, dass die Wirkung nach dem Essen kommen werde, ich indess,--es ist jetzt 7 Uhr,--merke gar nichts. Wir trinken eine Tasse schwarzen Kaffee ohne Zucker.
7 Uhr 10 Minuten. Mein Puls hat nur 70; ich friere, obgleich eine Pfanne mit Kohlen vor mir steht. Besserki sagt, er spüre stark die Wirkung und befiehlt meinem Diener, einige Datteln zu bringen, um, wie er sagt, die Wirkung zu beschleunigen; auch ich esse zwei Datteln.
7 Uhr 20 Minuten. Mein Puls 120 oder mehr. Bin ich in einem Schiffe? Die Stube schaukelt, mein Bewusstsein ist indess vollkommen frei, blos scheint mir Besserki sehr langsam zu sprechen und ich vergesse oft den Anfang vom Satze, den er spricht. Auch wenn ich jetzt denke, vergesse ich, womit ich angefangen.
7 Uhr 45 Minuten. Mein Herz schlägt so, dass ich jeden Schlag höre, Puls zählen unmöglich.
Besserki sagt, er will fortgehen, mein Diener geht mit; ein anderer zündet mir eine Nargile an. Ich rauche _und fliege_, obgleich ich mit den Händen fühle, dass ich liege.
Ich denke ungeheuer schnell und glaube, dass ich beim Schreiben dieser Zeilen Stunden zubringe.
8 Uhr. Mein Blut schlägt Wellen, _und einzelne Theile fallen von meinem Körper_, obgleich ich mich dumm[2] niederschreibe, denn ich habe vollkommen freies Bewusstsein, dass ich alle Glieder besitze. Ich denke, ich will ausgehen.
8 Uhr 20 Minuten. Ich träumte, ich ginge aus, die _Strassen der Stadt verlängerten sich_ und waren mir ganz unbekannt, die Häuser sehr hoch; ich glaube, ich war in der Polizeiveranda, wo ein Mann war, um zu petitioniren und zu mir mit einem Gesuch kam; ich ging dann zurück und setzte mich vor mein Haus.
_Ich bin ohne allen Willen_; die Wand gegenüber meinem Hause war schön tapezirt, auch hörte ich von fern _schöne Musik_ und jetzt schreibe ich und sehe, dass Alles erlogen ist.
Ich will mich legen, _aber bin ich wirklich verrückt_?
Ich liege jetzt (8 Uhr 30 Minuten), _mein Wille ist ganz weg und in mir grosser Sturm_. Das Licht brennt seit Stunden und ich kann es nicht ausblasen, aber ich schreibe, und da ich denke, so bin ich doch wohl nicht gelähmt.
Bin ich wirklich hier? Mein Hinterkopf ist sehr angefüllt. Ich bin ungemein leicht, und wenn ich nicht schriebe, würde ich in der Luft schweben.
#26. Januar Morgens.#
Bis so weit hatte ich gestern Vermögen gehabt, während des Rausches zu schreiben; ich verfiel dann in einen festen Schlaf, aus dem ich heute Morgen um 9 Uhr erwachte. Nachdem ich die im Rausche niedergeschriebenen Empfindungen gelesen, war meine erste Frage, ob ich wirklich nach der Polizeiveranda gegangen sei, oder dies blos geträumt habe? Es fand sich denn, dass ich wirklich dagewesen sei, ganz vernünftig gesprochen habe, überhaupt Niemand auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass ich im Tekrurizustande mich befände.
Nachträglich kann ich nun noch constatiren, dass
1) man sich ungemein leicht glaubt und oft zu schweben meint.
2) Dass der Puls, im Anfange vermindert, im vollen Stadium des Rausches eine solche Geschwindigkeit erreicht, dass es für den im Rausche Befindlichen unmöglich ist, ihn zu zählen.
3) Starker Blutandrang nach dem Hinterkopfe.
4) Auffallende Lähmung der Willenkraft.
5) Das Gedächtniss verliert seine Regeln, naheliegende Dinge werden vergessen, andere aus längst vergangenen Zeiten werden aufgefrischt.
6) Alles erscheint in den schönsten Farben und in vollkommener Harmonie.
7) Manchmal lichte Augenblicke, verbunden mit schrecklicher Angst, dass dieser Zustand immer dauern möge.
8) Endlich der ganze Rausch sui generis, und eher ein Verrücktsein, als das, was wir Europäer unter Rausch verstehen, zu nennen.
Heute Morgen indess befinde ich mich vollkommen wohl und verspüre auch nicht im Mindesten einen sogenannten Katzenjammer.
Von Lagos nach Liverpool
Es war als ob Afrika erbittert sei, dass ein Weisser es gewagt hatte, den ganzen Continent, den die Araber unter dem Namen „Das Land der Schwarzen“ schlechtweg bezeichnen, durchschnitten hatte, denn als ich Icoródu verliess, um vom eigentlichen Festlande nach Lagos überzusetzen, welches eine Insel in den Ossa-Lagunen ist, wären wir zuletzt beinahe noch mit Mann und Maus, wie wir Deutsche zu sagen pflegen, untergegangen.
Die Sache verhielt sich so. Am letzten Tage hatte ich meinen Diener Hammed den Dolmetsch, einen kleinen Negerburschen, den ich von Lokója aus als Geschenk für den Gouverneur in Lagos mitgenommen hatte, so wie unsere Packesel zurückgelassen, indem ich mich allein früh Morgens von Makúm, (siehe Dr. Grundemann's Missions-Atlas, Blatt Nr. 6) zu Pferde auf den Weg machte, blos von meinem kleinen Privatneger Noël, der während der langen Reise sich zu einem unermüdlichen Fussgänger herangebildet hatte, sowie von einem Lagos-Bewohner (ebenfalls zu Pferde) begleitet, der schon von Ibàdan an mit mir reiste, und dessen Frau, welche auf dem Kopfe grosse Kürbisschalen trug, in denen sie ihre Vorräthe hatte, ihrem Manne zu Fuss treu nachtrabte. Denn unsere Pferde, als ob sie wüssten, dass auch sie nun bald würden erlöst sein, schritten wacker aus, obgleich das meinige schon seit Tagen nur noch von Gras lebte, indem Korn, so viel Muscheln wir auch immerhin boten, um keinen Preis aufzutreiben war. So ununterbrochen dahin reitend, immer im dichten Urwalde, dessen Pfad so eng war und so überwachsen, dass man öfter absteigen musste, da der Reiter zu hoch war, erreichten wir denn auch ohne weitere Ereignisse und Unfälle die wichtige Handelsstadt Ikoródu ungefähr gegen 1 Uhr Nachmittags.
Ikoródu, ausschliesslich von Schwarzen vom Stamme Ijebu bewohnt, die jedoch mit ihren Stammesgenossen in keinem allzu freundlichen Verhältnisse stehen, da sich die Stadt des Handels wegen in eine Art Abhängigkeitsverhältniss zum Gouvernement von Lagos gestellt hat, wetteifert jetzt mit Abeokúta, einer Stadt von 100,000 Einwohnern, um die Landesproducte, hauptsächlich Palmöl, Palmnüsse und Baumwolle gegen die europäischen Fabrikate, besonders Schnaps, Pulver, Gewehre, Zeugstoffe und andere kleine Artikel umzutauschen. Und Ikoródu würde vielleicht bald Abeokúta bedeutend im Handel übertreffen, weil es nur vier Stunden von Lagos entfernt liegt, wenn nicht eben diese Stadt am schiffbaren Ogun-Flusse läge, sodass also die Producte schon mehrere Tage weit auf die bequemste und leichteste Weise ins Innere transportirt werden können.
Wir hielten uns übrigens gar nicht in Ikoródu auf, sondern durchritten schnell die Stadt und den lärmenden Markt, wo neben einheimischen Producten, europäische Artikel en détail verkauft wurden, und hauptsächlich unser Altonaer Kümmel und schlechter amerikanischer Rum eine reichliche Abnahme fanden--und zum anderen Thore wieder herauskommend, begaben wir uns dann direct zum Landungsplatze, der ungefähr eine Viertelstunde südwestlich von der Stadt entfernt liegt. Ich glaubte das Meer zu sehen, und doch war es nur erst die baumumkränzte Lagune, aber so entfernt und so weit sind die gegenüberliegenden Ufer jener oft durchbrochenen schmalen Landzunge, die dickbelaubt sich weithin vor's eigentliche Festland herzieht, dass man mit blossem Auge eben nichts als eine tiefblaue Wasserfläche vor sich hat. Am Landungsplatze fanden wir eine Menge kleiner Hütten, theils leer und für etwaige Reisende zum Uebernachten aufgebaut, theils von Verkäufern und Garköchen besetzt, welche damit beschäftigt waren, neben Kleinwaaren, Obst und anderen Sachen, welche sie ausboten, Yams-Scheiben und kleine Mehlkügelchen in Palmöl zu rösten, oder eine starkgepfefferte Krautsauce zubereiteten, welche als Zuspeise zu dem weitverbreiteten Madidi (es ist dies der Haussa Name; der an der Küste in der Yóruba-Sprache übliche ist mir nicht bekannt), eine Art in grosse Blätter eingekochter Kleister aus indianischem Korne, gegessen wird. Auch 20-30 grössere Kanoes lagen am Strande, und alle Augenblick kamen mit der günstigen Seebrise neue und meist sehr schwer beladene angesegelt, welches einen reizenden Anblick gewährte, und viel Leben und Treiben am Ufer hervorrief.
Nachdem wir mein Pferd abgesattelt hatten und es dann frei umhergehen liessen, nahmen auch wir eine von den Hütten in Beschlag, denn schon am Morgen hatten wir auf unsere Kosten erfahren, dass hier an der Küste die Regenzeit noch weniger ein Weilen im Freien gestattet, als weiter im Innern, wo doch nach einem heftigen Tornado meist wieder ein eintägiger Sonnenschein folgt. Dann dachten wir auch daran, uns etwas Lebensmittel zu kaufen, denn am ganzen Tage immer zu Pferde, hatten wir uns nur Zeit gelassen, um einige Madidi, die man das Stück, eine Hand gross, für 10 Muscheln (an der Küste gehen 6000 Muscheln, im Innern 4000 auf einen Thaler) überall am Wege zu kaufen findet, im Weiterreisen zu verspeisen. Es fand sich nun aber, dass, obgleich der Markt sehr verlockend mit allerhand Negergerichten ausgestattet war, und namentlich westafrikanische Früchte, als Bananen, Plantanen, Pisang, Ananas u.a.m. in Hülle und Fülle auslagen, wir keine Muscheln mehr hatten. Als wir Morgens in der Eile früh sattelten, hatte Noël vergessen, aus dem grossen Muschelsack hinreichend für uns welche herauszunehmen, unser ganzer Reichthum bestand noch in 20 Muscheln, was gerade genug war, um unseren regen Hunger erst recht anzureizen. Wir mussten also suchen etwas zu verkaufen, aber Alles, was wir allenfalls von übrigen Kleidungsstücken hätten entbehren können, war auch bei den Packeseln zurückgeblieben, bis endlich Noël mich an ein paar neuseidene rothe Taschentücher erinnerte, welche ursprünglich als Geschenke für kleinere Häuptlinge hätten dienen sollen, indess beim Ende der Reise keine Verwendung mehr gefunden hatten. Ich hatte dann später die Depeschen und Briefe der beiden Weissen in Lokója hineingewickelt, um sie auf diese Art besser gegen Regen und Schmutz zu schützen. Die Briefe wurden also schnell bloss gelegt, auf die Gefahr hin, schmutzig zu werden, und der Lagos-Mann, der vielleicht Muscheln besass, aber that, als ob er keine hätte, auf den Markt geschickt, um die Tücher zu verauctioniren. Da die Marktleute wahrscheinlich gleich durchschauten, dass wir keine Muscheln bei uns hatten, sich überdies wohl denken konnten, wir seien nach einem langen Ritte sehr ausgehungert, so boten sie uns natürlich für die Tücher so niedrige Preise, dass ich anfangs nicht darauf eingehen wollte. In der That verlangten sie die Tücher ungefähr für ein Viertel des Preises, zu dem man sie in Europa in den Fabriken verkaufen würde. Aber was thun? Hunger ist einer der despotischsten Herren, und wenn ich selbst es zur Noth noch bis nach Lagos hätte aushalten können, so dauerte mich mein treuer kleiner Noël, der sich zwar auch zum Hungern bereit erklärte, aber seine Blicke gar nicht von den verlockenden Oelkügelchen wegwenden konnte. Auch die Frau Negerin, welche dem Lagos-Manne immer zu Fusse nachgetrabt war, gab mir durch Zeichen zu verstehen, dass die Yams-Scheiben ausgezeichnet wären, und so wurde unser Mann wieder beordert, die Tücher auf den Markt zu tragen. Aber o Schicksal! Hatten die Neger schon früher so geringe Preise geboten, so wollten sie dieselben jetzt um eine noch geringere Summe haben, aber um nur nicht gar mit meinen seidenen Sacktüchern sitzen bleiben und hungern zu müssen, gab ich sie nun à tout prix fort. Noël wurde dann ausgesandt, um Ekoréoa, so heisst man die kleinen Mehlkügelchen, welche in Palmöl gesotten sind, Yams und Früchte zu kaufen und dann nochmals wieder abgeschickt, denn unsere beiden Lagos-Gefährten, Mann und Frau, assen für viere; endlich indess waren Alle satt.
Mittlerweile kamen immer mehr Kanoes von Lagos herangesegelt, welches, bei dem bunten Vordergrunde, einen entzückenden Anblick gewährte; theils benutzte man anstatt ordentlicher Segel irgend ein grosses Kleidungsstück, theils auch waren es viereckige grosse Stücke Zeug, aus einheimischen schmalen Cattunstreifen zusammengenäht. Nach beiden Seiten ragten sie natürlich weit über das schmale Kanoe hinaus. Man hatte mir gesagt, dass alle Abend ein grösseres, dem Gouverneur von Lagos gehörendes Schiff herüberkäme und dass es am besten sein würde, mit diesem überzufahren. Es kam dies denn auch bald in Sicht, indem es erkenntlich war au einer weissen Flagge, auf welche ein V.R. (Victoria regina) gestickt war.
Ein uniformirter Neger sprang aus dem Boote und noch zwei andere folgten, die seine Untergebenen zu sein schienen. Wir wurden schnell mit einander bekannt, obgleich der uniformirte Bootsführer das Englisch auf jene eigene Art der Neger spricht, wodurch es fast zu einer neuen Sprache wird.
Er sagte mir, er würde noch am selben Abend zurückfahren, erbat sich auch, da sein Schiff hinlänglich gross sei, mein Pferd mitzunehmen, welches ich jedoch, als bei einer Nachtfahrt zu gefährlich, ausschlug. Als ich dann aber um 9 Uhr Abends das Fahrzeug bestieg, liess ich das Pferd unter der Obhut des kleinen Noël zurück, indem ich ihm sagte, so lange im Landungsorte von Ikoródu zu bleiben, bis die anderen Diener und Esel ankämen, und dies konnte wohl kaum vor Mitternacht oder dem folgenden Morgen der Fall sein.
Wir waren also im Ganzen zu vier Mann, und sobald wir es uns bequem gemacht hatten, spannten die Neger die Segel auf, um den zwar nicht starken, aber jetzt bei Nacht günstig wehenden Landwind zu benutzen. Ueberdies schaufelten sie noch mit ihren kleinen runden Rudern, so dass wir schnell das Ufer verliessen. Aber nur ungefähr eine Stunde hielten sie so bei, denn, sei es Müdigkeit oder hatte der Barássa, so heisst in der Lingua franca der Branntwein, das Seinige gethan, sie legten die Schaufeln nieder und überliessen sich einem ruhigen Schlafe. Das Schiff folgte indess mit aufgespanntem Segel noch leise dem Hauche des Windes, obgleich derselbe fast ganz nachgelassen hatte, und der heiterste tiefblaue Sternenhimmel sich über uns wölbte. Auch ich, denkend, es sei eben so passend, Morgens in Lagos anzukommen, als mitten in der Nacht, dachte keineswegs daran, sie wieder aufzuwecken, sondern streckte mich ebenfalls auf meiner Matte aus, und die fremden Sternbilder betrachtend, schlief ich auch schnell ein, ermüdet, wie ich von einem langen Ritte war.
Aber lange sollte unser Schlaf nicht dauern und die lieblichen Bilder von Venedigs Lagunen, die sich mir im Traume vorstellten, wurden unsanft durch eine starke Schaukelbewegung des Kanoe zerstört. Ich richtete mich schnell auf, und der pechschwarze Himmel, das Zucken der Blitze überzeugte mich schnell, dass einer jener Tornado im Anzuge sei, von deren fürchterlicher Gewalt und Heftigkeit eben nur die heisse Zone Zeuge ist.
Trotz des heftigen Stosses waren meine schwarzen Begleiter nicht erwacht, erst auf mein Rufen und auf eine handgreifliche Demonstration sprangen sie auf, und ein fürchterlicher zweiter Windstoss, der von allen Seiten zugleich herzukommen schien, brachte ihnen rasch das Gefährliche unserer Lage vor Augen. Schnell half ich ihnen die immer noch ausgespannten Segel mit reffen, was wegen der entsetzlich starken und unregelmässig bald hier, bald dort her kommenden Windstösse keine Kleinigkeit war, dann aber nahm in kurzer Zeit der Sturm dermassen zu, und sein Toben war zuweilen nur noch durch das Krachen des Donners übertönt, dass wir innerhalb fünf Minuten an's Ufer geschleudert waren.
Aber keineswegs war unsere Lage hierdurch verbessert, denn wenn ich Ufer sage, so muss man dabei nicht an einen Strand oder auch nur sonst etwas Aehnliches denken: wir wurden gegen die Tausende von Mangrovenstützen oder Wurzeln geworfen, die weit vom wirklichen Ufer aus, oft eine Viertelstunde entfernt oder länger sich ins Wasser hineinerstrecken, und unter günstigen Umständen von ihren vorstreckenden Zweigen alljährlich neue Luftwurzeln, die das Wasser suchen, abwerfen, welche mit der Zeit zu dicken Stützen oder Stämmen werden. Wer nicht selbst an salzseeartigen Lagunen diese eigenthümliche Vegetation der Mangroven gesehen hat, kann sich kaum durch eine blosse Beschreibung einen Begriff davon machen. Am besten glaube ich, wird man mich verstehen, wenn ich sage, dass eine dicke grüne Laubdecke von Tausenden von dicken oft 3-4, oft aber auch von 10 Fuss hohen Stützen getragen, über dem Wasser zu ruhen scheint. Unter dieser Laubdecke ist aber das Wasser noch sehr tief, und je weiter vom wahren Ufer ab, je tiefer. Gegen diese Stämme aus Luftwurzeln ursprünglich gebildet, wurde nun unser Schiffchen durch die widerstandlose Kraft des Windes geschleudert, und jeder hohe Wellenschlag, abgesehen davon, dass er es fortwährend mit Wasser füllte, schien, als ob er es zertrümmern müsse.
Unter den fürchterlichsten Regengüssen, einem unaufhörlichen Donnergeroll, bei einer pechschwarzen Finsterniss, oft indess durch nahe electrische Feuerschläge, die zischend ins tobende Wasser fielen, taghell erleuchtet, blieben wir so mehrere Stunden lang in dieser gefährlichen Lage. Vergebens bemühten wir uns durch Festklammern an die Baumstämme dem Schiffe mehr Halt zu geben, eine jede neue Welle riss uns wieder weg und schleuderte uns dann wieder zurück gegen die Baumwand. Ich versuchte es mehrere Male mich den Negern verständlich zu machen, aber der unerhörte Lärm des Himmels und des Meeres machte jedes Sprechen unmöglich; in dieser lebensgefährlichen Stellung blieben wir fast bis Tagesanbruch, indem der Tornado merkwürdiger Weise fast sieben Stunden seine Wuth an uns ausliess, während er sonst in der Regel nur von kurzer Dauer ist. Trotzdem gingen wir siegreich, wenn auch erbärmlich zugerichtet, aus dem Kampfe hervor: unsere beiden Masten waren abgebrochen, die gegen die Baumstämme gerichtet gewesene Seite des Schiffes war so zugerichtet, dass dasselbe eben nur noch dienen konnte, um uns nach Lagos zu bringen, wir selbst aber waren, das war nun freilich kein grosses Unglück, der Art, als ob wir im Wasser gelegen hätten, und namentlich meine Neger, die es weniger angemessen fanden, in einem nasskalten Hemde zu sitzen, als sich von der aufgehenden Sonne die schwarz lackirte Haut bescheinen zu lassen, wussten bald, was thun, sie reducirten sich bis auf Vater Adams Kleid und legten ihr Hemd in die Sonne.
Und diese schien denn auch heiter genug, denn sobald einmal ein solches Unwetter seine Wuth ausgelassen hat, wird man mit dem reinsten Himmel belohnt; nach zwei Stunden schon hatten mich die Neger nach Lagos gebracht, und wir landeten am nördlichen Ende der Insel zwischen einer grossen Menge von Canoes.