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Maja Haderlaps Gedichte haben etwas zu erzählen. Sie sprechen mit faszinierender Eindringlichkeit von Fremdsein und Nachhausekommen, von weiten Landschaften und engen Behausungen, von Menschen, die unterwegs sind: auf der Suche nach dem, was ihr Leben ausmachen könnte. Das kann der Andere sein, der Nächste, die Gemeinschaft, das kann die Einsamkeit oder das Gedicht selbst sein, für das eine Sprache gefunden werden muss. Tiefe Emotionalität stellt sich her, gerade weil sie nicht beschworen wird.
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Seitenzahl: 37
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Maja Haderlaplanger transit
Gedichte
im nachbarhaus ist ein kommen und gehen,
mich aber hält der spindelbaum von den blicken fern.
durch den verwachsenen garten führen nur
pfade für katzen, kröten und schnecken.
laut schüttelt das meer den gestanksmantel ab.
auf meinem schreibtisch üben
erdachte personen den fehlenden dialog.
ich sitze da wie am grund einer alten verstörung,
presse luft in die gedächtniszellen,
um sie lebendig zu halten, gehe abends
über die piazza tartini und komme
morgens mit frischen melonen vom markt.
zweimal die woche schaut frida vorbei.
warum heiraten sie nicht, ruft sie aus den sträuchern,
immer noch besser, als einsam zu sein.
heute wird eine kröte die warzen verlieren,
weil ich sie küsse, sage ich.
da möcht’ ich trauzeugin sein, liebe dichterin.
wieder fällt eine tür ins schloss.
haben die möwen deinen fluchtpunkt erkannt,
stadt aus papier, von worten gebannte stadt,
der man aus allen himmelsrichtungen zurief,
wann sie sich um welchen namen zu scharen
habe. stadt, die hinter den vorgeschobenen
palazzi nach rückwärts zieht. immer sahen
deine herrschaftshäuser aus wie kasernen,
führten soldatenfriedhöfe und kriegerdenkmäler
über die dörfer zu dir. schnürte die grenze
deinen stählernen kragen. kamen deine befreier
im sturm, lud man im hafen versunkenes ab
wie gelöschtes. derb schlägt das meer gegen
die mole, fällt dir die bora ins steife gebälk.
in den gassen tummeln sich dichter in bronze
gegossen, schweigend, da sie dich sahen,
als du noch dachtest, mehr zu sein als die
stirnfront deiner nationen. in deiner bucht
traf meine sprache aufs gleißende meer,
fiel aus dem kinderbett an die küste, war
noch zu hause, blieb nicht mehr allein.
hier probte ich das küssen mit blick auf
die adria, meine hände frierend in einen
männermantel vergraben. zwischen den zähnen
die zunge und sonstwo. die möwen im aufwind.
unser tag begann mit verspätung.
er hat den morgen verschlafen,
trottete hinter uns her. wir blieben
auf einer steinbank sitzen, wo alle
paare erstarren. ein campanile
rief jene vögel zurück, die getürmt
waren. eine eibenwand schob sich
ins bild, und der zierteich stieg uns
zum hals. du erklärtest mir alle fische,
die uns umkreisten. der da macht
eine fliege, sagtest du, lebt nicht
mehr lange. über den wölkchen
hielt sich endlos ein flugzeug.
die hecke trug wieder früchte.
ein weißer pudel lief uns noch zu.
er nimmt sich zu wichtig, sagtest du.
jahrelang sitzt eine nachtigall auf
diesem vers und wir beide davor,
an unserem tag.
als die pfiffe der hirten durch die luft
schnitten, einem gellen gleich, dass es
klang, als kämen sie aus dem vorletzten
jahrhundert, als eilten sie noch den schnalzenden
peitschen davon, hat das wuchernde gras
die weide bezwungen. die trockenmauern
hielten ihre ins rutschen geratenen schichtungen
fest, breiteten ihre schützenden steine über
den hummeln, wespen und eidechsen aus,
zerrten die knorrigen eichen, die sperrigen
berberitzensträucher am steinband.
(der wilde salbei rückte gleich näher
an den wacholderbuschwärter heran.)
ein wiesenwirbel entstand, in dessen
tosendem auge alles versank, die rufe
der hirten, die namen der bauern,
die schafhügel und ziegenställe,
die eingefriedeten wärmeinseln,
in denen die bora sich legte, zahm
züngelte. mit knall und fall hob
der augenblick an, stieß mich in den
graskatarakt, warf sich mir in den weg.
weiß nicht, ob ich es gewesen bin,
mit der du in die lagune gingst. war
ich meine mutter, meine schwester,
eine andere verwandte, die du in
den arm genommen hast, obgleich
du dein vater, dein sohn, deine frau
gewesen bist, als ich dich umfing.
hinter meinem rücken wirkten
die berge aus schaum aufgetürmt.
sie sickerten träge ins meer. hier
setzten die inseln im schlick auf,
legte die strömung alte wege frei,
die sie alsbald verwischte. das brackige
licht roch nach tümpeln und meergras.
wir gingen dammeinwärts und holten
die wellen ein, die uns vorausgeeilt
waren zu den mosaiken von aquileia.
ich sah dich mit ungleichen augen an,
das bin ich und bin ich nicht.
zwischenland, ungetrennt.
bin jäh in den hinterhof der zeit getreten,
in den zeitspalt, der teilnahmslos starrte.
vor mir, unter dem eschengestrüpp standen
die scheunen, heimgesucht von der altersflechte,
verfall. als ob jahr für jahr sekundenbeben
die schober erschütterten, gaben sie nach,
hielten nichts mehr auf sich. als aussätzige
wurden sie dereinst hinter die hügelkuppe
verbannt, wo es nichts zu bestellen gab,
keinen garten, kein feld, wo der menschen-
und tierverschlag niemandem im weg stand
und seine bewohner einschloss in die enge,