Lass mein Leben neu beginnen - Toni Waidacher - E-Book

Lass mein Leben neu beginnen E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Marina Wolter knüllte ärgerlich und enttäuscht das Schreiben zusammen und warf es mit einem Laut des Unmuts in den Papierkorb. Die sechste Absage in vier Wochen! Dabei hieß es doch immer wieder, dass die Kliniken und Krankenhäuser händeringend Pflegekräfte suchten! Und sie war ausgebildete Krankenschwester und suchte händeringend eine neue Stelle. Aber wo sie sich auch bewarb, es hagelte nur Entschuldigungsschreiben, kein Bedarf, Einstellungsstopp, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen erlaubte derzeit keine neuen Einstellungen, man müsse sparen. Und woran sparte man zuerst? Natürlich in erster Linie am Personal! Um das Wohl der Patienten, die Pflege brauchten, ging es offenbar niemandem. Marina schaute auf die Uhr. Schon halb elf, jetzt musste sie sich beeilen. Natürlich würde sie noch pünktlich da sein, aber sie wollte Frau Ostermann nicht warten lassen. Einen kleinen Nebenverdienst hatte die junge Krankenschwester, indem sie zweimal täglich zu der alten Frau fuhr und ihr eine Insulinspritze gab. Viel Geld gab es dafür nicht, zumal Marina die Busfahrt auch noch aus eigener Tasche zahlen musste, so blieb kaum etwas übrig. Marina machte diesen Nebenjob nur, um noch in Übung zu bleiben und nicht den ganzen Tag zuhause herumsitzen zu müssen. Dennoch, ein Dauerzustand konnte das nicht sein! Die Krankenschwester schlüpfte in einen leichten Mantel und hastete zum Bus. Es war nicht ihre Art, sich zu verspäten, zumal sie wusste, dass Frau Ostermann die Spritze täglich zur selben Zeit bekommen musste. Aber sie hatte noch den Postboten abgepasst, in der Hoffnung, heute einmal endlich eine Zusage zu bekommen. Aufatmend stieg sie am Dom aus und lief die nächste Straße hinunter. Glücklicherweise wohnte die alte Dame nicht weit von der Haltestelle entfernt, und wie jeden Tag würde Marina es noch vor der Zeit schaffen.

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Der Bergpfarrer – 273 –

Lass mein Leben neu beginnen

Wird sich Marinas Wunsch erfüllen?

Toni Waidacher

Marina Wolter knüllte ärgerlich und enttäuscht das Schreiben zusammen und warf es mit einem Laut des Unmuts in den Papierkorb.

Die sechste Absage in vier Wochen! Dabei hieß es doch immer wieder, dass die Kliniken und Krankenhäuser händeringend Pflegekräfte suchten!

Und sie war ausgebildete Krankenschwester und suchte händeringend eine neue Stelle. Aber wo sie sich auch bewarb, es hagelte nur Entschuldigungsschreiben, kein Bedarf, Einstellungsstopp, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen erlaubte derzeit keine neuen Einstellungen, man müsse sparen.

Und woran sparte man zuerst? Natürlich in erster Linie am Personal!

Um das Wohl der Patienten, die Pflege brauchten, ging es offenbar niemandem.

Marina schaute auf die Uhr. Schon halb elf, jetzt musste sie sich beeilen. Natürlich würde sie noch pünktlich da sein, aber sie wollte Frau Ostermann nicht warten lassen.

Einen kleinen Nebenverdienst hatte die junge Krankenschwester, indem sie zweimal täglich zu der alten Frau fuhr und ihr eine Insulinspritze gab. Viel Geld gab es dafür nicht, zumal Marina die Busfahrt auch noch aus eigener Tasche zahlen musste, so blieb kaum etwas übrig. Marina machte diesen Nebenjob nur, um noch in Übung zu bleiben und nicht den ganzen Tag zuhause herumsitzen zu müssen.

Dennoch, ein Dauerzustand konnte das nicht sein!

Die Krankenschwester schlüpfte in einen leichten Mantel und hastete zum Bus.

Es war nicht ihre Art, sich zu verspäten, zumal sie wusste, dass Frau Ostermann die Spritze täglich zur selben Zeit bekommen musste. Aber sie hatte noch den Postboten abgepasst, in der Hoffnung, heute einmal endlich eine Zusage zu bekommen.

Aufatmend stieg sie am Dom aus und lief die nächste Straße hinunter. Glücklicherweise wohnte die alte Dame nicht weit von der Haltestelle entfernt, und wie jeden Tag würde Marina es noch vor der Zeit schaffen. Und die Frau war ja auch nicht ganz alleine, die Zugehfrau leistete ihr immer ein paar Stunden Gesellschaft. Nur eine Spritze durfte sie ihr eben nicht geben.

Als sie in dem Hochhaus aus dem Fahrstuhl stieg, sah sie zu ihrem Erstaunen die Tür zur Wohnung von Frau Ostermann halb offen stehen. Sie drückte sie ganz auf und schaute hinein.

»Frau Ostermann?«

Ein Schatten tauchte auf, der im nächsten Moment zu einer Gestalt wurde.

»Pfarrer Wallner«, sagte Marina erschrocken und erleichtert zugleich. »Ist was mit Frau Ostermann?«

Der Geistliche hob beruhigend die Hand.

»Es geht ihr den Umständen entsprechend«, erklärte er. »Allerdings hatte Frau Ostermann einen Schwächeanfall und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Der Arzt vermutet einen Kreislaufzusammenbruch. Aber das ist ja bei diesem wechselhaften Wetter kein Wunder. Frau Behrens hat erst Dr. Wiedmann und dann mich angerufen. Jetzt sucht sie ein paar Sachen zusammen, die ich der Frau Ostermann ins Krankenhaus bringen will.«

Marina schluckte bedrückt.

»Muss sie denn lange dort bleiben?«

Der Pfarrer zuckte die Schultern.

»Schwer zu sagen«, antwortete er. »Man muss erst mal abwarten, was die Ärzte sagen.«

Die Krankenschwester biss sich auf die Lippe. Das bedeutete, dass sie erst einmal keine Arbeit haben würde.

Pfarrer Wallner blickte sie fragend an. Sie hatten sich schon mehrmals über Marinas Lage unterhalten, und der Geistliche wusste, was diese neue Situation nun für sie bedeutete.

»Noch immer nichts Festes in Sicht?«, erkundigte er sich mitfühlend.

Sie schüttelte den Kopf.

»Es ist wie verhext«, antwortete die Krankenschwester, »wo ich mich auch bewerbe, es hagelt nur Absagen.«

Pfarrer Wallner sah sie mitleidig an.

»Sagen Sie, Frau Wolter, würden Sie denn auch woanders leben und arbeiten wollen, als hier in Köln?«, fragte er.

Marina sah ihn erstaunt an.

»Ja, überall!«, antwortete sie. »Wüssten Sie denn, wo eine Stelle frei ist?«

Der Geistliche neigte den Kopf.

»Vielleicht«, erwiderte er ausweichend. »Ich müsste da erst einmal telefonieren. Kann ich Sie heute Abend telefonisch erreichen?«

Sie verzog den Mund.

»Natürlich.«

Was sollte sie auch schon großartig machen, ohne Geld?

Die Freundin, mit der sie zusammen gearbeitet hatte, konnte sie ohnehin nicht besuchen, Vera hatte die ganze Woche Nachtdienst. Natürlich konnte Marina einen Besuch bei ihr im Krankenhaus machen und auf der Station mit Vera einen Kaffee trinken. Aber abgesehen davon, dass das Fahrgeld kosten würde, gab es einen gewichtigen Grund, warum sie das Krankenhaus nicht wieder betreten wollte …

Sie nannte dem Geistlichen ihre Handynummer. Den Festnetzanschluss hatte Marina schon vor geraumer Zeit gekündigt, um die monatliche Grundgebühr zu sparen. Nun benutzte sie ein billiges Mobiltelefon, das mit einer Karte funktionierte, die sie immer wieder aufladen musste, wenn der Betrag darauf abtelefoniert war. Indes benutzte die Krankenschwester das Handy kaum und ließ sich eher anrufen.

»Ich melde mich bei Ihnen«, versprach der Pfarrer, als sie auf der Straße vor dem Haus hielten, in dem Marina wohnte.

Erfreut hatte sie sein Angebot angenommen, sie dort abzusetzen. Für seine Fahrt zum Krankenhaus bedeutete es nur einen kleinen Umweg.

»Vielen Dank, Hochwürden«, antwortete sie. »Und bitte richten Sie Frau Ostermann beste Genesungswünsche aus.«

»Das mache ich«, nickte der Geistliche und winkte ihr noch einmal zu. »Bis später.«

Traurig und mutlos betrat Marina ihre Wohnung und hängte den Mantel an die Garderobe. Dann stöpselte sie das Handy an den Netzstecker, um den Akku aufzuladen.

Es wäre geradezu fatal, würde er leer sein, wenn Pfarrer Wallner anrief!

Mit einem Tee setzte sich die Krankenschwester in die Küche und blätterte in einer Reklamezeitung, die mit der Post gekommen war. Sie war kostenlos und enthielt überwiegend Kleinanzeigen, der Regionalteil über Köln war hingegen eher klein gehalten. Marina durchforstete mit nur wenig Hoffnung die Stellenangebote.

Auf was hatte sie sich nicht schon alles beworben!

Sie war ja flexibel, jeden Job hätte sie angenommen, nur um arbeiten zu können.

Doch einmal hieß es, sie sei nicht geeignet für die Tätigkeit, ein anderes Mal, sie wäre überqualifiziert.

Die Krankenschwester faltete das Blatt zusammen und ließ sich zurücksinken.

Vielleicht wusste Pfarrer Wallner ja tatsächlich eine Stelle. Egal wo, sie würde überall hingehen.

Wo sie allerdings eine neue Arbeitsstelle bekommen sollte, das hätte sie sich im Traum nicht vorstellen können …

*

»Himmel, ist das ein Sieg!«

Der Grund für Max’ euphorischen Ausbruch war der Wahlsonntag vorgestern. Die Kommunalwahlen hatten überraschende Ergebnisse gebracht. So mussten die großen etablierten Parteien gewaltige Stimmenverluste hinnehmen, und in etliche Rathäuser würden demnächst neue Bürgermeister einziehen.

»Der Bruckner hat allerdings mehr Glück als Verstand, dass er net abgewählt wurde«, meinte der Bruder des Bergpfarrers und genehmigte sich noch einen Löffel von dem Schwammerlragout, das die Haushälterin heute gekocht hatte.

Selbstverständlich gab es dazu Semmelknödel und einen leckeren Salat!

Sebastian Trenker lächelte.

»Ich für mein Teil bin ganz froh, dass er uns erhalten bleibt«, bemerkte er in Bezug auf den Bürgermeister. »Da weiß ich wenigstens, mit wem ich es zu tun hab’. Ichdenk’, das sehen die meisten Wähler genauso.«

Allerdings hatte Markus Bruckner doch einen kleinen Dämpfer hinnehmen müssen. Es war schon kurz vor Mitternacht, als endlich alle Stimmen ausgezählt waren, und so lange musste der amtierende Bürgermeister um seinen Stuhl bangen. Gut zwei Stunden vorher sah es noch ganz so aus, als würde er den erneuten Einzug ins Rathaus nicht schaffen.

»Am meisten freut’s mich aber für den Xaver«, setzte der Bergpfarrer hinzu.

»Und weniger für Patricia Vangaalen«, grinste sein Bruder.

Xaver Burgthaler war von der Umweltpartei ins Rennen um den Posten des Landrats geschickt worden und hatte haushoch gesiegt. Nach etlichen Umweltkatastrophen in aller Welt war die Mehrheit der Wähler der Meinung gewesen, es müsse Schluss sein, mit diesem Frevel an der Natur. Es war so gut wie sicher, dass Xaver als neuer Landrat den Bau weiterer Hotels im Wachnertal verhindern würde.

»Die Dame hat erst einmal genug damit zu tun, ihr Personal im ›Ransingerhof‹ wieder aufzustocken«, sagte Sebastian. »Nachdem Christian und Iris gegangen sind, haben noch ein paar andere auch gekündigt. Die Eröffnung wird sich wohl noch ein bissel hinziehen.«

Der ›Ransingerhof‹ war das erste von mindestens drei geplanten Hotels, die Patricia Vangaalen, die ebenso reiche, wie skrupellose Investorin, im Wachnertal bauen wollte. Der Plan sah vor, die ›Wachnertaler Ferienwelt‹ doch noch zu errichten, nachdem das Projekt schon einige Male am Widerstand einiger weniger, darunter auch Pfarrer Trenker, gescheitert war.

Der Bau des Hotels auf dem Grundstück eines ehemaligen Bergbauernhofes, in der Nähe von Engelsbach, war allerdings nicht zu verhindern gewesen – auch wenn vermutet wurde, dass man sich die erforderlichen Baugenehmigungen auf nicht ganz legale Weise beschafft hatte. Nun stand das Hotel also, und die Eröffnung sollte in einigen Tagen stattfinden. Allerdings unterlief Patricia Vangaalen ein fataler Fehler.

Nicht nur im Geschäftsleben war sie rücksichtslos, auch sonst nahm sie sich, was sie wollte. Und diesmal hatte sie sich Christian Lechner ausgesucht, den Direktor ihres Hotels. Ihn begehrte sie mit Haut und Haaren und dabei war es ihr auch vollkommen egal, dass Christian nicht mehr frei war. Sein Herz gehörte Iris Ferber, der jungen Hausdame, in die er sich verliebt hatte. Auch wenn Patricia auf gewohnte Art intrigierte, so verfehlte sie doch ihr Ziel. Christian verließ das Hotel ebenso wie Iris, und einige andere der Angestellten gingen ebenfalls, noch ehe der ›Ransingerhof‹ eröffnet hatte.

Iris und Christian leiteten nach letzten Informationen nun ein kleines, aber feines Hotel auf der Ostseeinsel Rügen. Im Herbst, wenn die Saison zu Ende war, würden sie aber wieder nach St. Johann kommen, um sich hier von Pfarrer Trenker trauen zu lassen.

»Da kommt die Dame aber ganz schön in die Bredouille«, meinte Max. »Was geschieht denn, wenn plötzlich die ganzen Leut’ herkommen, die die eine Woche Urlaub im Hotel gewonnen haben?«

Sebastian zuckte die Schultern.

»Dann hat Frau Vangaalen ein Problem«, stellte er sachlich fest.

Es sollte ein kluger Schachzug sein, den die Investorin sich ausgedacht hatte. Im Fernsehen und in Radiospots wurde für das neue Landhotel geworben. Die ersten zweihundert Anrufer könnten einen zweiwöchigen Aufenthalt im ›Ransingerhof‹ gewinnen, mit allem drum und dran. Schon kurz nach der Ausstrahlung brach das Telefonnetz des Hotels zusammen …

Im Flur des Pfarrhauses klingelte das Telefon. Der Geistliche winkte ab, als seine Haushälterin aufstehen wollte.

»Bleiben S’ nur sitzen«, sagte er. »Ich geh’ schon.«

Allerdings ignorierte er den Apparat im Flur und nahm das Gespräch in seinem Arbeitszimmer an.

»Grüß dich, Sebastian, ich bin’s, Jacob Wallner, aus Köln.«

»Jacob! Ja, grüß dich. Von dir hab’ ich ja ewig nix mehr gehört. Wie geht’s dir?«

»Danke, gut«, antwortete der Anrufer. »Ich hoff’ dir auch. Wann kommst du denn mal wieder nach Köln? Du weißt doch, im November beginnt hier der Karneval, aber so richtig kracht es ja erst in den Tagen vor Rosenmontag.«

Sebastian lachte.

»Um Himmels willen! Du weißt doch, dass ich lieber hier in meinen Bergen bleib’. Außerdem zehre ich ja immer noch vom letzten Mal.«

»Wo du die ganze Zeit im Dom verbracht hast!«

»Na ja, wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, sich dieses grandiose Bauwerk in aller Ruhe anzuschauen?«

Jacob Wallner lachte ebenfalls.

»Stimmt, wenn die ganzen Narren auf der Straße feiern, steht der Dom leer.«

»Sag’ mal, Jacob, du rufst doch sicher net an, um mich zum Karneval einzuladen. Kann ich dir irgendwie helfen?«

»Mir direkt nicht«, entgegnete der Kölner Geistliche. »Aber indirekt doch, oder vielmehr einer jungen Frau. Du hast mir doch bei deinem letzten Besuch von der Klinik erzählt, die diesen lustigen Namen hat – ›Nonnenhöhe‹ …, obwohl es dort gar keine Nonnen gibt.«

»Net einmal ein Kloster«, bestätigte Sebastian, »jedenfalls jetzt net mehr. Der Name bezieht sich auf den Berg, auf dem früher einmal ein Kloster gestanden haben soll. Was ist damit?«

»Also, es geht um folgendes Problem …«

*

Der Zug hielt in einem kleinen Bahnhof. Vom Fenster aus konnte Marina die Berge sehen. Seit sie in München umgestiegen war, war sie sich erst so richtig bewusst geworden, dass nun ein neuer Lebensabschnitt für sie beginnen sollte. Die Tage zuvor waren ein einziges Hin und Her.

Sollte sie? Sollte sie nicht?

Pfarrer Wallner hatte wie versprochen, an jenem Dienstagabend angerufen. Frau Ostermann ginge es entsprechend den Umständen gut, hatte er erzählt, aber dennoch müsse sie mindestens vier Wochen im Krankenhaus bleiben, die Medikation gegen den Diabetes sollte neu eingestellt werden, und möglicherweise bekäme die alte Dame sogar einen Herzschrittmacher.

»Aber jetzt zu Ihnen«, fuhr der Geistliche fort. »Sie sagten ja, Sie würden auch aus Köln fortgehen, nicht wahr?«

Marina bestätigte ihren Entschluss.

»Ich habe heute Mittag mit einem Amtskollegen telefoniert«, erzählte Jacob Wallner weiter. »Pfarrer Trenker ist mit einem Professor Bernhard befreundet. Sagt Ihnen der Name etwas?«

»Ulrich Bernhard?«

»Ja, genau.«

»Natürlich sagt mir der Name etwas. Der Professor ist einer der bekanntesten Internisten Europas, wenn nicht sogar weltweit.«

Marina spürte plötzlich, wie aufgeregt sie war – sollte sie etwa für diese Koryphäe arbeiten dürfen?

»Also, dort, wo mein Kollege wohnt und arbeitet, betreibt Professor Bernhard, zusammen mit einigen anderen Ärzten, ein großes Klinikum«, berichtete der Pfarrer weiter. »Es ist nicht nur das größte Krankenhaus in der ganzen Gegend, dort werden auch Ärzte ausgebildet und können da ihr Praktikum machen. Ja, und dort, liebe Frau Wolter, könnten Sie sofort als Krankenschwester anfangen.«

Marina war froh, dass sie auf dem Sofa saß, bestimmt wäre sie sonst umgefallen.

»Sie müssten Ihre Bewerbungsunterlagen an die Klinik ›Nonnenhöhe‹ schicken«, hörte sie Pfarrer Wallner sagen.

»St. Johann?«, fragte die junge Frau verwirrt, während sie die Adresse aufschrieb, »wo liegt denn das?«

»In Bayern«, lautete die Antwort. »Genauer gesagt, im Wachnertal.«

In Bayern!

Marina war zwar am Niederrhein geboren, hing aber nicht so unbedingt an der Heimat. Als ihre Eltern noch lebten, war sie öfter mal nach Hause gefahren, um sie zu besuchen.

Jetzt hatte sie Goch, ihre Geburtsstadt, schon ein paar Jahre nicht mehr gesehen. Deswegen war sie ja auch bereit, ganz aus Köln fortzugehen, wenn woanders die Lebensbedingungen besser waren.

Aber gleich nach Bayern?

In Sekunden schossen die Gedanken durch ihren Kopf, dann war die Entscheidung gefallen.

»Ich mach es«, sagte sie so schnell, dass dem Geistlichen ihr kurzes Zögern gar nicht auffiel.

Sie bedankte sich und suchte noch zur selben Stunde ihre Bewerbungsunterlagen zusammen. Das war schnell getan, denn schließlich besaß sie darin Übung. Am nächsten Morgen, auf dem Weg zu den Ämtern, gab sie den Briefumschlag auf.