Leben und Wirken des Samuel Brüllhenne - Jan Peters - E-Book

Leben und Wirken des Samuel Brüllhenne E-Book

Jan Peters

4,8

Beschreibung

«Seid Ihr der Deichgraf Hallig Hooge?», rief der einarmige Briefträger aus, woraufhin ihm sein tückischer Amtsschimmel ein rostiges Bajonett zwischen die Rippen stieß: «Nimm das, Du Hund!» Mit diesem beispiellosen Verbrechen beginnt die Tragödie des Samuel Brüllhenne, des Mannes der 1000 Gesichter. Und die Bluttat im Land zwischen den Deichen, die niemals aufgeklärt wurde, ist erst der Anfang der Irrfahrt einer geschundenen Kreatur durch Raum und Zeit, die man auch als Metapher für das Scheitern des Homo sapiens schlechthin lesen kann; muss man aber nicht. Samuel Brüllhenne, der Deichgraf wider Willen, dessen Spuren sich in den endlosen Eiswüsten kurz vor Husum verlieren.

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Für «Pluto»

Vorwort zur erweiterten Neuauflage

In der globalisierten Wirtschaft 4.0 ist der Markterfolg eines Produkts nicht mehr das Resultat seiner manifesten Eigenschaften, sondern die Funktion seiner dem Publikum vorgespiegelten Vorzüge.

Wie sonst hätten sich mit Dieselmotoren angetriebene Personen wagen millionenfach verkaufen lassen, obwohl sie niemals die Leistungen erbrachten, die ihr überhöhter Preis suggerierte?

Was früher als Arbeitsweise von Berufsverbrechern angesehen (und verabscheut!) wurde, hat sich heute zum gesellschaftlich akzeptierten Geschäftsmodell gemausert und findet in den durch «Social Bots» unterwanderten und manipulierten sozialen Netzwerken sein kongeniales Medium.

Andererseits lässt sich hieraus zweifelsfrei ableiten, dass heutzutage der wahre Wert1 eines Produkts umgekehrt proportional zu seinem Markterfolg ist. Die aktuellen Absatzzahlen unseres Opus Magnum2 «Leben und Wirken des Samuel Brüllhenne» belegen dies auf eindrucksvolle Weise und sprechen damit gleichzeitig Bände über den Bildungsstand unserer viral verseuchten Gesellschaft. Hier setzt sich bedauerlicherweise dasjenige gradlinig fort, was sich bereits bei der letzten US-Präsidentenwahl ankündigte. Wenn Orang-Utan-Urwaldbenehmen à la Donald Trump jetzt auch in der Kulturszene Usus wird, dann: «Gute Nacht, Marie!»

Back to business: Während wir neulich im Rahmen eines internen betriebswirtschaftlichen Kolloquiums auf den Bahamas gerade angeregt darüber diskutierten, wieviel Bitcoins wir wohl investieren müssten, um unsere Geschäftspartner an der Wolga in einem Deal davon zu überzeugen, dass es keine schlechte Idee wäre, Google zu hacken und den Brüllhenne-Algorithmus etwas in unsere Richtung zu optimieren, schlug eine E-Mail wie eine Bombe in unserem Kontor ein: Unser zuverlässigster Follower und Influencer, Herr P. aus M., fragte an, ob wir denn schon einmal in Erwägung gezogen hätten, unsere getreue Stammleserschaft – also hauptsächlich ihn – mit einer Neuauflage des Samuel B. zu beglücken: Spass müsse schliesslich sein und was könne schon Schlimmeres geschehen, als dass wir die gesamte Neuauflage makulieren müssten?

Diese Aussichten stimmten uns zuversichtlich, also – Neustart!

Von Anfang an war uns dabei klar, dass Herr P. einen berechtigten Anspruch auf Qualitätslektüre hat. Für ihn muss bei einer Neuauflage ein Mehrwert herausspringen, das sind wir ihm einfach schuldig. Ein simpler 1:1-Nachdruck des Originaltexts würde ihn enttäuschen und käme einem Affront gleich.

Also scheuten wir weder Kosten noch Mühen, liessen die umfangreichen Restbestände der 1. Auflage in Rotterdam auf den Kreuzfahrer «Andrea Doria» verladen und verschifften sie zum Abwracken nach Bangladesch. Dies machte den Weg frei, um den «Samuel Brüllhenne»-Basistext mithilfe der zum weiterführenden Verständnis unverzichtbaren Rubrik «Bonusmaterialien» spürbar aufzumöbeln.

Damit ist es uns gelungen, eine ausgewogene Win-win-Situation zu schaffen. Die erweiterte Neuauflage bringt nicht nur Herrn P. aus M. deutliche Pluspunkte, sondern auch uns, die wir mit Leib und Seele Kaufleute sind: Wegen der wertvollen Handreichung «Bonusmaterialien» am Ende des Buches sahen wir uns endlich in der erfreulichen Lage, den Ladenverkaufspreis unseres Blockbusters Brüllhenne, Samuel, entscheidend anheben zu können!

Und was wir der Leserschaft beim Erscheinen der Erstauflage euphorisch zuriefen, gilt unerschütterlich für die erweiterte Neuauflage unseres Œuvre No. 7:

Samuel Brüllhenne

You ain’t seen nothing, yet!

THE BRUELLHENNE FOUNDATION

Board of Directors

Cayman Islands

1 «Wahrer Wert» ≠ «Warenwert» im Marx’schen Sinne; dieser folgt dem Gesetz der fallenden Profitrate.

2 Einige betrachten S. B. als ein normales Buch, andere als ein Vademecum auf dem Weg zum Licht.

Üblicherweise steht in Büchern an dieser Stelle ein

Inhaltsverzeichnis

.

Welchen Zweck verfolgt eigentlich eine solche stichwortartige Aufzählung von Texten, die weiter hinten sowieso ausführlichst dargelegt werden?

Häufig genug tragen solche Listen nur dazu bei, die Leserschaft noch mehr zu verwirren, als sie dies vor dem Lesen ohnehin schon war. Durch solch einen textlichen Vorspann können auch leicht hohe Erwartungen geweckt werden, die im Hauptteil gar nicht erfüllbar sind.

Oder sie spiegeln eine gedankliche Durchdringung des Texts vor, die einfach nicht stattgefunden hat. Jedenfalls nicht vom Autor, der von seinem Verlag ständig herumkommandiert und unter einen solchen terminlichen und finanziellen Druck gesetzt wurde, dass er nervlich oft gar nicht mehr in der Lage ist, nach dem ganzen Zirkus auch noch ein

Inhaltsverzeichnis

zu liefern:

Mein Gott noch mal, wenn ihr so ’n Mumpitz braucht, dann schreibt ihn euch doch selbst, Herrschaften!!

Der Autor selbst ist ja in der Regel heilfroh, den Haupttext einigermassen hinbekommen und halbwegs pünktlich beim Lektor abgegeben zu haben, ohne dass ihm zwischen zeitlich Weib, Kind und Haus und Hof ob all des Trubels um das Manuskript entlaufen bzw. zwischen den Fingern zerronnen sind.

Erfahrungsgemäss verleiten Inhaltsverzeichnisse die unstete Leserschaft auch dazu, ständig hin und her zu blättern. Das dabei entstehende Geraschel wird von denjenigen, die ausserhalb des Buches stehen, meist als Belästigung empfunden.

Fazit: Inhaltsverzeichnisse waren gestern! Ein fortschrittliches Buch wie dieses, das gerade erwartungsvoll vor Ihnen liegt, braucht solche Ballaststoffe NICHT; sondern eine ausgeschlafene Leserschaft.

Und zu letztgenannter Kategorie zählen wir

Sie

natürlich ganz besonders!

«Logik ist fade.»

Alfred Hitchcock

Pleased to meet you, I hope you guessed my name!

Wir begrüssen Sie sehr herzlich in diesem Text und wünschen Ihnen eine erbauliche Lektüre desselben. Bevor wir Sie in die geheimnisumwobene Welt unseres Titelhelden entführen, dessen Namen Sie ja bereits kennen – vgl. Buchdeckel vorn –, einige gesetzte Worte vorab in Form der «Geleite I–III».

Wir sind der Meinung, dass so etwas nicht schaden kann, um sowohl unsere Leserinnen als auch unsere Leser auf dieselbe Flughöhe mit uns, die wir uns schon wesentlich länger als Sie mit Samuel Brüllhenne beschäftigen, zu bringen.

Bitte schnallen Sie sich nun bombenfest an, stellen Sie das Rauchen, das Essen sowie das Trinken ein – wir starten in wenigen Sekunden zu einem von konventionellen Folgerichtigkeiten gänzlich befreiten wilden Flug durch Zeit und Raum.

*

Zum Geleit I – der Autor hat das Wort

Über das Leben und Wirken eines Mannes namens Samuel Brüllhenne ist selbst dem gebildeteren Publikum bis zum heutigen Tage so gut wie nichts zur Kenntnis gelangt.

Wenn die Rädelsführer der «Neuen Frankfurter Schule» bereits im Vorwort zu einem ihrer grundlegenden Werke

3

über die wahre Natur dieser unserer Welt und des darin befindlichen Mensch für den zweiten

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Gegenstand ihrer Untersuchungen postulieren, dass derjenige, der zu seinen Lebzeiten nichts veröffentliche, schlechterdings auch nicht erwarten könne, dass er es noch erleben werde, berühmt zu werden – dann kommen auch wir wohl nicht umhin, dieses Theorem als für unseren Samuel Brüllhenne gleichermassen valide veranschlagen zu müssen; oder statistik wissenschaftlich korrekt ausgedrückt: Der Bekanntheitsgrad eines Autors scheint bei Korrelationsversuchen auf die Anzahl veröffentlichter Werke so hoch draufzuladen, dass die Leute zu sagen geneigt sind: «Den kenne ich doch von irgendwo her – oder wie?»

Hat einer aber rein gar nichts publiziert, wie beispielsweise unser verehrter Herr Samuel Brüllhenne, dann fühlen sie sich eher animiert zu sagen: «Den kenne ich doch von nirgendwo her – oder wat?»

Insofern ist auch einem anonymen Augsburger Heimatdichter beizupflichten, wenn er «die einen im Dunkeln» als weniger sichtbar bezeichnet als «die anderen im Lichte», die man weitaus besser und auch häufiger sehen könne. Die allgemeine Lebenserfahrung widerspricht dieser profunden physikalischen Erkenntnis in keinster Weise.

Statt nun aber in dieser Angelegenheit endlos mit dem Schicksal zu hadern, wollen wir uns lieber einmal gemeinsam die konstruktive Frage stellen, in welchen kulturellen Bereichen ein Einfluss Samuel Brüllhennes zurzeit, obwohl vermutlich vorhanden, einfach nur übersehen wird – bzw. in welcher Sparte ein Hervortreten Brüllhennes erstrebenswert bis unverzichtbar sein könnte, wäre unser Titelheld nur eine leise Spur bekannter.

Zumindest letztgenannter Aspekt sollte ja nach der Lektüre dieses Ihnen hier vorgelegten neuen Standardwerkes, das schwerpunktmässig Samuel Brüllhenne im Fokus hat,

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als erreichbar angesehen werden können.

Dies zumindest ist die Hoffnung, die der Autor, der Verlag, die Herausgeberschaft und noch ganz, ganz viele andere, die wir hier gar nicht alle einzeln aufzählen können, mit dem Erscheinen dieses epochalen Kompendiums über Herrn Brüllhenne, Samuel, verbinden.

Der Vertriebschef unseres Verlagshauses, der zwar hin und wieder auch die Entwicklung der europäischen Kultur im Auge behält,

generaliter

aber weitaus bodenständiger und geerdeter denkt und agiert als unsere sich der Zivilisationsfortführung geradezu sklavisch verpflichtet fühlende Herausgeberschaft, hat kürzlich die hauptsächlichen Verlagsziele auf den Punkt gebracht, als er bei einer unserer monatlichen Jahreshauptversammlungen erklärte: «Kameraden zur See, wir sollten unseren Umsatz mal wieder ’nen Hauch aufmöbeln, gelt?»

*

Lassen Sie uns aber jetzt, liebe Leserschaft, bevor wir wieder vom leidigen Kommerziellen reden und gern Ihre Buchsammelbestellungen entgegennehmen, einen Blick auf Samuel Brüllhennes Performance im Kulturellen werfen.

Um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten, haben wir dieses für Laien doch einigermassen unübersichtliche Spektrum segmentiert und in somit besser handhabbare Sektoren aufgeteilt:

«Sie haben dann wirklich mehr davon – glauben Sie uns das jetzt einfach mal!»

*

Theater

Schier endlos ist darüber gemutmasst worden, welchen Platz Samuel Brüllhenne in der europäischen Theatergeschichte für sich beanspruchen könnte, wäre er nur ein klein wenig prominenter.

«Wir meinen – gar keinen!»

*

Ein Handlanger der Kunst

Und die vereinzelt von Laienkreisen geäusserte, auf Vernissagen in kulturell hochstehenden Wandelhallen zu hörende Einschätzung, Brüllhenne sei als einer der letzten «Hamlets der Souffleurmuschel» anzusehen, konnte durch eine von uns eigens darauf angesetzte Privatdetektei weder verifiziert noch falsifiziert werden.

«So einen Kappes haben selbst

wir

noch nie gehört; und wir mussten uns von Teilen unserer Leserschaft über die Jahre schon so einiges an befremdlichen Kommentaren bieten lassen!»

Poetik

Und wie steht es um Brüllhennes Meriten als rezipierender oder sogar praktizierender Lyriker? Dazu wird kolportiert, Samuel B. habe sich während eines Tischfussballturniers im Kreise seiner Kumpel bei der differenzierten Diskussion des öffentlich-rechtlichen Arbeitskreises «Reim’ dich, oder ich fress’ dich!» – der vereinsrechtlich als eine organisatorische Untergruppierung des eigentlichen Kickervereins anzusehen ist: mehr nicht! – zu der gewagten Aussage verstiegen, dass einer, der dichte, entweder dem Beruf eines Heizungsinstallateurs nachgehe; oder selbst wohl nicht ganz dicht sei.

«Wir werden uns hüten, diese offensichtliche Sottise an dieser Stelle auch noch ausführlich zu kommentieren!»

«Narrenhände beschmieren Tisch und Wände!»

Schon recht früh hatte Samuels Oma, deren Ehegespons unglücklicherweise in der Schlacht um Stalingrad gefallen war – worüber sie dem Jungen oft und gern lustige Anekdoten erzählte –, versucht, ihn mit den Giganten der europäischen Malerei vertraut zu machen.

Insofern waren dem Jungen schon seit Kindesbeinen Koniferen wie Alfred Dürer, der mit Vorliebe Karnickel porträtierte, Matthäus Grünewald, der Schöpfer des Neu-Isenburger Altars, Adolf Schicklgruber, Ansichtskartenkopist, und viele andere mehr dermassen vertraut, dass es nicht weiter erstaunt, wenn berichtet wird, wie Klein-Samuel beim Anblick von Rembrandts «Mann mit der goldenen Mütze» sofort an die eigene Familie dachte: «Ist das Opa als Oberbefehlshaber in Russland mit seinem neuen polierten Stahlhelm?»

Und van Goghs sattsam bekannte Dauerserie «Sonnenblumen in unterschiedlich gelungenen Ausführungen» inspirierte Samuel zu der fantasievollen Äusserung: «Grossmutti, wann bäckst du denn endlich mal wieder Reiberdatschi mit Apfelmus?»

In späteren Jahren und mit zunehmender Reife bemerkte er zu Vincents nahezu unmerklichen Fortschritten beim Kopieren floristischer Produkte aus Wald, Feld und Flur in seiner konsequent dialektisch-gesellschaftskritisch angelegten Abiturarbeit:

«Manches wäre dem feinsinnigen Kunst- und Naturbetrachter an Mühsal und Herzeleid erspart geblieben, und die Trefferquoten der in der Botanik botanisierenden Botaniker hätte es erheblich gesteigert, wären unsere vielblättrigen Brüder in Wald, Feld und Korridor von der Schöpfung im Verhältnis 1:1 gemäss van Goghs Vorschlägen gestaltet worden – und nicht umgekehrt!

Denn so, wie die Pflanzen uns heuer in Gemäldegalerien, Museen und Fälscherwerkstätten entgegengetreten kommen, so kann auch der wohlwollendste Betrachter, der anschliessend in der Natur versucht, sie anhand der van Goghschen Gemäldeblaupausen wiederzuerkennen, rein gar nichts mit ihnen anfangen; denn bei unserem lieben Vincent ging so manches ins Auge – und nicht nur auf die Ohren!

Diese unerfreuliche Tendenz der wechselseitigen Entfremdung von Natur und Mensch, wie sie durch die kapitalistische Produktionsweise, deren Mehrwertsteuerüberbau und die Diametralverschränkung von Lohnarbeit und Kapital bedingt bzw. ausgelöst wird, sie zeigt sich auch eklatant zwischen Leinewand, Acryl- und Wasserfarben sowie Bilderrahmen und dem Grundwiderspruch von dachbegrünten Kunstgebäuden und Technik und wird weiter dazu beitragen, dass sich die uns nachwachsende Generation zunehmend voller Abscheu und Verachtung aus den naturnahen Museen entfernen, von der technischen Natur abwenden und in den Wirtshäusern zur Flasche greifen wird, anstatt sich den nachwachsenden Rohstoffen, der Kunst und dergleichen zuzuwenden.

Fazit: Auch auf dem Gebiet der abendländischen Malerei gilt also, um es auf den Punkt zu bringen – der Angeschissene ist immer der Endverbraucher!»

6

Klassische Oper

Abschliessend haben wir hier nun tatsächlich ein kulturelles Gebiet vor uns zu liegen, auf dem Samuel Brüllhennes Liebe zur Kunst ganz besonders ungefiltert zutage tritt, denn wie oft durfte ihm seine Umgebung ergriffen lauschen, wenn er beim Füllen der Petroleumlampen seines Kraftwagens vor nächtlichen Ausfahrten den herzzerreissenden Refrain «In Rixdorf is’ Musike» aus der tragischen Oper «Norma» intonierte?

«Wir meinen –

zu

oft!»

S. Brüllhenne – quo vadis?

Bei einem solch dramatischen Umfang einer an diesem frühen Punkt unserer Erörterungen bereits deutlich hervortretenden Absenz von Begabungen, Talenten, Kunstfertigkeiten und sonstigen bemerkenswerten Eigenschaften drängt sich uns – die Leserschaft muss an diesem Punkte selbst entscheiden, ob dies auf sie ebenfalls zutrifft – nach und nach die besorgniserregende Frage auf: «Wo liegt sie denn nun eigentlich, die recht eigentliche Bedeutung unseres Samuel Brüllhenne, die es rechtfertigen könnte, all dies auch noch ausgerechnet in Form eines Buches, das ja immer etwas sehr Amtliches und kulturell Erhebendes an sich hat, breitwalzen zu wollen?»

«Warten Sie’s doch einfach mal ab, ja?»

Klare Kante

Von jeher stehen sich in dieser zentralen Angelegenheit zwei feindliche Lager unversöhnlich gegenüber, die keine Gelegenheit auslassen, sich bis aufs Rasiermesser zu bekämpfen:

Die einen rufen: «Aus dem Bengel wird was Gescheites!»

Die anderen rufen: «Aus dem Bengel wird nix Gescheites!»

*

Überlassen wir es doch unserer Leserschaft, in dieser heiklen Angelegenheit zu einem abschliessenden Urteil zu gelangen; eine andere Möglichkeit sehen wir derzeit nicht.

*

Zum Geleit II – der Verleger fällt dem Autor ins Wort

Als Jan Peters, hausinternes Kürzel «jp», vor einigen Jahren mit der befremdlichen Bitte an uns herantrat, die verlegerische Betreuung seiner damals erst in einer Art Ursuppe brodelnden Realisate zu übernehmen, baten wir ihn inständig, doch wenigstens diesen Kelch an uns vorübergehen zu lassen.

Dann schrieben wir ihm in höchster Not einen Brief, und wenn wir uns recht entsinnen, gebrauchten wir darin eine nur auf den ersten Blick etwas demotivierend wirkende Formulierung:

«Sie glauben doch wohl allen Ernstes selbst nicht, Mann, dass irgendein halbwegs einwandfrei Belichteter sein sauer verdientes Geld für so einen Mist aus dem Fenster schmeisst?!»

Jan Peters wäre hingegen nicht jp, hätte er sich von solchen Sprüchen in den Bocksklee jagen lassen – ganz im Gegenteil!

*

Wer eigentlich ist dieser Jan Peters?

Diese von uns bewusst höflich formulierte Zurückweisung spornte ihn geradezu antizyklisch dazu an, uns und dem Rest der Welt ein prometheisches:

«Ich schreibe weiter –

schliesslich kann ich ja sonst nix Gescheites!» entgegenzuschleudern.

*

Umgehend kassierte jp daraufhin seitens der aufgebrachten Rezensentenschaft die nicht total unverdiente Retourkutsche – in schriftlicher und in zum Teil sogar notariell beglaubigter Form –, dass man den ersten Teil seiner Antwort einfach mal so hinnehme; angeblich lebe man ja in einer Demokratie, «und da könnten offensichtlich sogar Wahnsinnige…»; «und ob man vielleicht jetzt mal ganz grund sätzlich…».

Nr. 2 seines obigen Diktums zog hingegen niemand in Zweifel.

*

Jählings hingegen, und dazu stehen wir als eines der letzten Verlagshäuser der alten Schule auch heute in Treue fest, erkannten wir in den wabernden Schleiern der vorherigen Bedeutungslosigkeit die Konturen eines neuen «Menschen in der Revolte»7 – in der Gestalt unseres jetzigen Lieblingsautors jp, für dessen Selbstverständnis ein Vorfall typisch ist, der sich unlängst im Anschluss an eine Pressekonferenz in unserer Neuigkeitenstube8 im 3. Stock, Raum 259, abspielte:

Jp war dort wieder einmal mit zahlreichen unsinnigen Nachfragen traktiert wurden, die darin kulminierten, dass unser Starautor von einer der journalistischen Kanaillen katzenfreundlich befragt wurde: «Sehen Sie sich bereits auf der diesjährigen Shortlist zum Deutschen Buchpreis, Meister?»

«Njet.»

«Und warum nicht, Meister?»

«Weil ich neulich beim entsprechenden Casting den Kürzeren gezogen habe. Wenn man auf die Kurz-Liste – oder wie Sie es auszudrücken belieben: Shortlist – kommen will, muss man bei der Streichholzziehung zum Deutschen Buchpreis kurz ziehen, zumindest nach meinem zutiefst deutschen Sprachverständnis; angeblich reden wir hier ja immer noch vom Deutschen Buchpreis, wenn ich das richtig sehe.

Wenn man allerdings nicht kurz, sondern den Kürzeren zieht, wie es mir leider jüngst unterlief, landet man logischerweise auf der kürzeren Liste, der Shorter List – die es nach meiner Kenntnis allerdings gar nicht gibt. Können mir die Herren soweit folgen?

Übertragen auf die in Ihren Kreisen beliebte Science-Fiction-Literatur nennt man diesen unerquicklichen Zustand, in dem ich mich derzeit befinde, meines Wissens wohl auch gemeinhin <lost in space>.

Ich persönlich, meine Herren, ich bin eigentlich immer noch ganz froh drüber, dass ich nicht so <abgespaced> daherkomme wie viele meiner Damen und Herren Kollegen, die aus der unerträglichen Angst heraus, beim Publikum in Vergessenheit zu geraten, wichtigtuerisch von einem literarischen Jahrmarkt der Eitelkeiten zum nächsten hasten, statt mal ein honoriges Buch zu fabrizieren, das man auch lesen könnte, ohne annehmen zu müssen, es sei von einem Abc-Schützen als Strafarbeit angefertigt worden, weil er den Deutschunterricht durch Schwätzen gestört hatte; oder dass man vermeint, sich in einem Vademekum der weiblichen Anatomie10 zu befinden. Ich nehme an, Sie wissen, auf wen ich damit anspiele.

Wie ich bereits erwähnte, wird es bei mir dieses Jahr nix mit dieser ohnehin ziemlich undurchsichtigen Preisvergabe. Und wenn ich mir die bei uns herrschende babylonische Sprachverwüstung ansehe, für die Sie ja gerade selbst unfreiwillig ein wunderbares Beispiel mit Ihrer albernen Neusprech-Shortlist geliefert haben, dann kann ich mich doch auch genauso gut mit der von GOOGLE® übersetzten ALDI®-Einkaufsliste meiner anatolischen Haushälterin in Edinburgh für den <Robert Burns Highland Award> bewerben.»

«Mit welchem Act waren Sie denn beim German Book Prize Casting Contest dabei, Chief?», liess der «Ansässige Schreiber»11 des Fleckens Wesselburener Deichhausen an der Schleswig-Holsteiner Westküste nicht locker, der neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit12 die alle zwölf Jahre im renommierten «Dithmarscher Kohlblatt» erscheinende achtel seitige Kulturbeilage betreute.

«Ich war mit einem meiner fetzigsten Knallgedichte13 dabei, das von der durch und durch korrupten Jury allerdings mit der enttäuschenden Gesamtnote <Voll in die Binsen!> abgewatscht wurde. Ich stelle hier jetzt mal bewusst total öffentlich und mit vollem Risiko die Frage: <Wird diese Schweinejury eigentlich von der FIFA® in Zürich gesponsert?>

Mich hat diese Zurückweisung ganz besonders deshalb so krass getroffen, weil ich mit diesem meinem dramatischen Gedicht auf die prekäre Lage marginalisierter Amphibien-Menschen auf der Insel Mainau hinweisen wollte. Es handelt sich dabei um eine typische soziale Randgruppe, der wenig Verständnis, ich persönlich meine sogar: zu wenig Verständnis entgegengebracht wird.

Es gibt dort auf der Mainau im Schwimmen extraordinär geübte Menschen, so genannte Rettungsschwimmer, die im Auftrage der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger – abgekürzt übrigens <DGzRS>14, nicht <DLRG>, dies wird von Laien oft in einen Topf geworfen – Jahr für Jahr unter Einsatz ihres eigenen Lebens eine Unzahl von in Seenot geratenen Booten aus dem Blumenmeer besagter Insel im Bodensee retten, ohne dass irgendwelche Wasserhähne gross danach krähen würden.

Geradezu paradigmatisch dünkt mich dies zu sein für die heutzutage in unserer Gesellschaft grassierende Abgestumpftheit und Gefühllosigkeit! Von Verrohung möchte ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht einmal sprechen; könnte ich aber auf Ihre individuelle Nachfrage hin in einer bei uns jederzeit separat buchbaren exklusiven Autorenlesung bei Ihnen daheim, in Ihrer Firma, in Ihrer Tiefgarage oder sonst wo: Wir wuppen das!

Bereits jetzt versichere ich Sie pünktlicher und qualitativ ansprechender Durchführung solcher Veranstaltungen durch mich persönlich und meine auffallend gut aussehende junge Assistentin, die sogar mal in der beliebten amerikanischen Silikonserie <Baywatch> einen viel beachteten Gastauftritt als textilreduzierte Rettungsschwimmerin hatte.

Im Übrigen weisen wir Sie auf die vielfältigen Möglichkeiten hin, auf ultramoderne Weise mit uns auch digital ins Gespräch zu kommen: www.jan-peters.ch: <reinklicken, reingehen, dabei sein, teilen, sich ganz einfach mal rundum wohlfühlen – lebe deinen Traum!>

Ohne jetzt zu viel verraten zu wollen: Derzeit haben wir zusätzlich eine Kuschel-App in Vorbereitung, die gemäss unserem bewährten Mega-Motto: <reinklicken, reingehen, herausschauen, herabladen, dabei sein, teile der Erfahrung, träume deine Leben, teile herbei, lade hervor – da fühl’ ick mir einfach wohl bei, wa?> auch in Ihr trostloses, von beknackten Social-Network-Katzenvideos verseuchtes Leben wieder etwas merkantilen Sonnenschein bringen wird.15

In diesem Sinne: Lassen Sie sich doch ganz einfach mal von uns überraschen.

*

Nun aber endlich weg vom schnöden Mammon – hören wir doch jetzt einfach mal gemeinsam rein in unseren coolen Trailer: <Der Deutsche Buchpreis, die jp-Casting-Tribute: Wo alles begann!>, um ein Feeling für den Rhythmus und die Mega-Vibrations dieses herrlich unbeschwerten Lebens im <Schwäbischen Meer> jenseits allen zivilisatorischen Klamauks zu ertasten; Sie werden sehr schnell spüren, was ich damit meine:

Frau Meier, die Heide brasst!

Wol dir, meie, wie dû scheidest

allez âne haz!

Wie dû walt und ouwe kleidest

und die heide baz!

Diu hât varwe mê.

<du bist kurzer, ich bin langer> —

alsô strîtens ûf dem anger,

bluomen unde klê.»

*

«Hört sich echt uncool an, Alter; haste das nich’ auf Deutsch, ey?», so der Leiter des Feuilletons der deutschen Ausgabe der «Hürriyet Gazetesi», die am nächsten Tag mit der schockierenden Schlagzeile «Güle, güle, hükümdar maydonoz!» herauskam.

*

Ein Jahrhundertwerk nimmt Konturen an

Jp wäre nicht Jan Peters, hätte er sich durch all diese Widerwärtigkeiten in den Bocksbeutel jagen lassen, und nur kurze Zeit später setzte er mit «Skandal! Skandal!» den Grundstein zu seiner epochal angelegten Trilogie16 «Ich und die Welt – Chronik des progredienten Irrwitzes».

Es handelt sich hierbei zunächst um einen Arbeitstitel. Analog den weiteren Fort- bzw. Rückschritten der Menschheit behält sich der Autor vor, diesen Titel sukzessive aus- oder rückzubauen.

*

Jean-Paul Petersens stetig wachsendes Gesamtœuvre erschliesst sich dem deutschsprachigen Leser einzig und allein schon deshalb weitaus besser als der ganze Schreibkram eines Marcel Joyce oder James Proust, weil es auf Deutsch verfasst ist; was man von den skurrilen Traktaten «Ulysses» und «Temps perdu» trotz aller Langmütigkeit verschrobenen Ausländern gegenüber wahrlich nicht behaupten kann.

*

Theorie und Praxis des «Organischen Schreibens©»

Eines der Axiome, das Jan Peters ganz an den Anfang seiner literarisch-satirischen Tätigkeiten stellte – zunächst noch eher implizit und nicht expressis verbis formuliert –, besteht in seiner inzwischen gefestigten Überzeugung, dass jegliche Art von Planung den Tod schriftstellerischer Kreativität bedeute:

Wie können sich kühne Gedankenflüge frei entfalten, dabei Neuland entdecken oder vermeintlich Bekanntes in neue Zusammenhänge stellen, wenn man ihnen bereits beim Start ihren Landeplatz vorgibt, ihnen die Flügel stutzt und sie damit ihrer Urkräfte beraubt, statt sie frei und schöpferisch mäandrieren zu lassen?

*

Und jp sagt weiter: «Wenn sich ein Autor/Texter unwiderstehlich zu <Planung> hingezogen fühlt, dann möge er diesem Drang mit dem minutiösen Erstellen von Bus- und Bahnfahrplänen nachgehen»; dies ohne jegliche Häme oder Herablassung, die jp übrigens auch zutiefst wesensfremd wäre.

Jan Peters hält letztgenannte Art von Schreiben für eine ebenso nützliche und legitime Tätigkeit wie das Produzieren von Texten für Packungsbeilagen.

Die Risiken und Nebenwirkungen, welche dieser Art von Textproduktion in Hinblick auf Kreativität inhärent sein können, muss jeder Autor selbst aushalten oder -baden.

*

Aus diesen Gedanken heraus entwickelte jp seine individuelle Form des «Organischen Schreibens©», eine Methode, die präzise das nachvollzieht, was die Evolution seit Milliarden von Jahren praktiziert: Mit dem vorhandenen Material beginnt sie zu spielen und sucht sich neue Wege, die sie unverzüglich auf Gangbarkeit zu überprüfen beginnt.

Dabei bleibt sie immer wieder stehen und kontrolliert permanent und in vollendeter kybernetischer Rückkoppelung, ob ihr das, was sie gerade geschaffen hat, auch gefällt. Wobei «gefällt» aufs Stärkste untertreibt, denn ihre diesbezüglichen Auswahlkriterien berücksichtigen ihre gesamten Erfahrungen, die so alt und bewährt sind wie sie selbst.

Die Prüfintervalle erfolgen weder vorherseh- noch plannoch irgendwie nachvollziehbar. Eine solche Art des «menschlichen Nachdenkens» über die unergründliche Struktur und das Wesen dieser Prüfintervalle offenbart einzig und allein, wie gering ausgeprägt unsere kognitiven Begabungen sind, diese Art evolutionärer Vorgehensweisen nachzuvollziehen, und lässt nichts ausser Rückschlüssen auf die Beschränktheit unseres Einsichtsvermögens zu, wenn wir versuchen, in Bereiche «über den Tag hinaus» Einblick zu gewinnen.

Töricht wäre es, Goethe widersprechen zu wollen, wenn er unserer Schulweisheit in der Disziplin des Ergründens der Dinge zwischen Himmel und Erde keine Verdienstmedaille an die Brust heftet.

*

Eben erwähnte «kybernetische Rückkoppelung» wiederum schliesst in unserem Zusammenhang unverzichtbar die Implementierung des «korrigierenden Impulses» ein, der «das Material» entweder in seiner Richtung unzensiert weiter suchen und sich entfalten lässt oder auf Alternativen hinweist, denen schreibend nachgegangen werden könnte.

Ob diesem Impuls nun letzten Endes gefolgt wird oder nicht, dies entscheidet das ständig in Änderung befindliche «Material» – das seine Intensität variieren kann – ausschliesslich selbst und keineswegs der Autor: Das «Material» und nicht der Autor ist insofern weitestgehend autonom und lässt keinerlei Kriterien erkennen, nach denen es sich so oder anders entscheidet.

«Was in diesem Prozess übrigens als ein entscheidender Vor- und keineswegs als Nachteil anzusehen ist», sagt jp. Und weiter: «Der Einfluss des Autors hierauf ist ein extrem subtiler, der kognitiv bewusst nicht hinterfragt wird, denn genau in dem Moment, in dem der rätselhafte kreative Vorgang intellektueller Analyse zugänglich gemacht werden soll, ist er dem Untergang geweiht und zieht sich irreversibel zurück; wenn der Autor <Glück> hat, dann betrifft dies nur ein Bild, wenn er wirklich Pech hat, eine ganze Sequenz.»

Jan Peters vergleicht dieses Mysterium gern mit den von ihm heimlich verehrten Vampiren, deren Untergang das Tageslicht sei.

Wenn es jedoch dem Autor gelinge, sich in diesen Prozess harmonisch und reibungslos einzufügen, schreibe er «organisch». Er werde dabei nicht sagen können, wie dieses Sich-Einfügen ablaufe, aber unmissverständlich spüren, ob es gerade gelinge. Denn dann beginne das «Material» plötzlich zu leben und den Autor auf uralte, verborgene Wege mitzunehmen, die er auf sich allein gestellt niemals hätte entdecken können.

Der Autor sollte allerdings darauf vorbereitet sein, dass er auf diesen Pfaden höchst facettenreichen Schimären begegnen werde: der berückenden Loreley, finsteren Wiedergängern und grauenhaften Werwölfen in lichtlosen transsilvanischen Schluchten und trügerischen Irrlichtern, die ihn in die Ausweglosigkeit der Polesischen Sümpfe zu locken versuchen werden.

Und wenn einer Don Lope de Aguirre, den Zorn Gottes, nicht ertrage, rät ihm jp freundschaftlich, sich besser dem Schreiben von Beipackzetteln zu widmen; dies werde seinen Seelenfrieden nicht annähernd so stark beeinträchtigen können wie «Organisches Schreiben©» in seiner maximalen Intensität.

*

Dies ist in groben Zügen die genuine Methode des Jan Peters, die er in seiner Trias «Ich und die Welt – Trilogie des progredienten Irrwitzes» Schritt für Schritt und unbeirrbar in die Praxis umsetzt.

Die urwüchsige Energie, welche dieses Verfahren freisetzt und in steter Bewegung hält, ist in Bezug auf daraus resultierende literarische Produktivität und Unbeugsamkeit dem Wormser «Glaubensbekenntnis» des Martin Luther vergleichbar: «…, ich kann nicht anders!»

Jedenfalls bei jp.

*

Es kesselt!

Von Inhalt und Sprache her ist Herrn Peters’ «The Life and Times of Samuel GueuleLaPoule»,17 der nunmehr zweite Teil seines epochal angelegten Dreiteilers, wiederum dem sehr nahe, was Martin Luther mit seinem «dem Volk aufs Maul hauen» unübertrefflich sublim angedeutet hat.

In diesem Sinne, meine Herren: «Kimme, Korn – ran!»

*

Zum Geleit III – dem Leser gehört das Wort

Darüber, was Samuel Brüllhenne dachte, als er im Zusammenhang mit seiner Geburt am TTMMJJJJ das Leuchten der Welt erblickte, wissen wir nichts.

Darüber, was er in und mit seinem «Leben und Wirken» alles bewerkstelligte, um dereinst parnassmässig aufzusteigen, darüber soll der folgende Text Aufschluss geben.

*

Dem aufmerksamen Leser werden sich an dieser Stelle bereits einige Fragen aufdrängen.

Beispielsweise:

Wer zum Henker ist dieser verdammte Samuel Brüllhenne?

Wer oder was ist der, die oder das «Parnass»?

Kann ich vom Gesetz her eigentlich dazu gezwungen werden, so einen Schmarrn zu lesen?

Ist dieser Text von didaktischer Art und Konstruktion, sodass er mich etwas lernen könnte?

*

Bei der Beantwortung Ihrer offensichtlich impulsiv vorgetragenen Fragen möchte ich mit der letzten anfangen, indem ich zurückfrage: «Wie steht es eigentlich um Ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der deutschen Grammatik?»

*

Die erste Frage werden Sie am Ende des Buches selbst beantworten können – wenn Sie beim Lesen aufpassen und sich nicht ständig ablenken lassen! Die zweite und dritte Antwort wird vom Leben selbst kommen, das uns allen der weiseste Lehrmeister sein könnte, hörten wir ihm ausnahmsweise mal zu.

Was wir ja nicht mehr tun, seit es diese ätzenden «Sozialen Netzwerke» gibt, welche die Menschheit Tag und Nacht vom Leben abhalten. Und hier kommen wir der Wahrheit schon sehr nahe, wenn wir fragen – Soziale Netzwerke, braucht’s die?

Samuel Brüllhenne meint zu diesem neumodernen Themen komplex unzweideutig: «Njet.»

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Von den vielen Dingen des Lebens soll hier im Geleit III nur wenig aufblitzen; im Hauptteil wird vieles dazukommen, manches entfernt werden und anderes nur angedeutet werden können.

«Was ist denn der Mensch, dass er sich in seiner Vermessenheit so weit erkühnen könnte, dem Leben kühn die Stirn zu bieten, meine Herren?»,18 meint Samuel Brüllhenne zu diesem Problemkreis.

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Dieses Wort wollen wir in uns nachhallen lassen, während wir aufmerksam und gleichzeitig voller Demut das verwinkelte Bauwerk betreten, das wir in unserem Sinnzusammenhang «Leben und Wirken des Samuel Brüllhenne» genannt haben.

«Meine Herren, es soll nun gelten!»

19

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Ende aller Geleite – ab hier müssen Sie schon selbst klarkommen: viel Glück!

Eigentlich bin ich ganz froh, dass wir an dieser Stelle die Geleitzüge komplett und mehr oder weniger auch glücklich gemeinsam hinter uns gebracht haben. Denn, wie wir Schriftsteller natürlich wissen und nicht aufhören zu beklagen, ist nichts ekelhafter als die ersten leeren 15 bis 276 Blätter, die uns vorwurfsvoll anstarren und drohend, eins nach dem anderen, zurufen:

«Wag es nur, uns mit dem allerersten deiner missratenen Wörter zu besudeln, du unfähiger Schreiberling, DU!»

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Auf Seite 18 geht’s dann kurzfristig etwas zügiger voran, aber nur, um auf Seite 19 wieder in den hochgradig unerfreulichen Status quo ante zurückzufallen, der dann bis zum grauenvollen Ende des Textes anhält; völlig unabhängig von dessen Gesamtlänge und -tiefe.

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Bevor wir nun mehr und mehr zu Samuel Brüllhenne, dem Hauptgegenstand unserer Betrachtungen, vordringen, sollten wir uns noch darüber klar werden, wie unser epochaler Text gegliedert sein sollte/könnte/müsste.