Lebensstrahlen - Hans Dominik - E-Book

Lebensstrahlen E-Book

Hans Dominik

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Beschreibung

Dieses eBook: "Lebensstrahlen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Als es nun glücklich so weit war, wollte Bigot die Verhandlungen als beendet betrachten, aber Dr. Bruck hatte das Empfinden, daß er von seiner Seite alles Wertvolle gegeben und so gut wie nichts dafür bekommen hätte. Irgendein Pfand wenigstens für jenen künftigen Reichtum, auf den er nun wieder hoffte, wollte er doch haben. Von neuem hub ein Verhandeln an, und schließlich fand sich Bigot bereit, etwas zu tun, was jeden anderen als den vom Millionenrausch verblendeten Bruck wohl stutzig gemacht hätte. Bigot schrieb Wechsel über eine Million Dollar aus und übergab sie dem Doktor als eine Bürgschaft für die ehrliche Auszahlung der zu erwartenden Gewinne." Hans Dominik (1872-1945) war ein deutscher Science-Fiction- und Sachbuchautor, Wissenschaftsjournalist und Ingenieur.

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Hans Dominik

Lebensstrahlen

e-artnow, 2017 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-7115-6

Inhaltsverzeichnis

I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII

I

Inhaltsverzeichnis

Ein Wirtshaus am Wege, wie viele zwischen deutschen Bergen stehen. Schräg fielen die Strahlen der Abendsonne in den Gastraum und spielten über weißgescheuerte Tische. Hinter seiner Theke war der Wirt beschäftigt, Gläser auszuspülen, als die Tür aufging.

»’nen Abend, Schöne!« sagte ein älterer Mann, der mit einem ziemlich umfangreichen Einholekorb in der Rechten über die Schwelle schlurfte.

»’nen Abend, Michelmann!« erwiderte der Wirt den Gruß. Der Alte setzte seinen Korb ab, ließ sich auf einen Stuhl fallen und zog ein rotgeblümtes Tuch aus der Tasche, mit dem er sich die Stirn trocknete.

»Reichlich warm heute, Schöne«, meinte er, während der Wirt einen Schoppen Wein vor ihn hinstellte. »Will mein Rad hierlassen. Ist genug, wenn ich den Korb den Berg ’raufschleppe.«

»Recht so, Gustav. Kannst es in den Ziegenstall stellen«, sagte der Wirt und setzte sich zu ihm. Übrigens hör mal! Da waren vorhin ein paar Gäste hier, die schienen es mal wieder auf euch abgesehen zu haben.«

»Hm! … Wieso?« fragte Michelmann.

Schöne setzte eine überlegene Miene auf. »Stadtvolk, Automobilisten; kehren hier ein, tun so, als ob sie ihre Karte studierten, fragen mich allerlei, bringen dabei die Rede auf die Eulenburg und euren Doktor! Na, ich weiß doch Bescheid, Gustav.«

Michelmann nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Du meinst, Otto, die wollen wieder …«

»Glaube nicht, daß ich mich geirrt habe. Die vom Gut drüben spitzen sich doch immer noch auf euren Wald. Kann’s ihnen nicht mal verdenken; er springt verflucht unbequem in ihre Jagd ’rein.«

»Könnte denen so passen!« knurrte Michelmann vor sich hin. »Wird aber nichts draus, Otto. Ist uns gerade recht so, wie’s ist. Unser Doktor will bei seinen Arbeiten ungestört sein. Die sollen ihre Hasen sonstwo schießen.«

Schöne lachte. »Kann’s mir denken. War ein rechter Schabernack von dem alten Baron, dem Doktor Eisenlohr die Burg mit dem Bergwald zu vermachen, während die andern das Gut bekamen. Ließ sich aber nichts gegen machen, haben das Testament vergeblich angefochten. Na, da seht man zu, Gustav, daß ihr euch den neuen Besuch vom Halse schafft.«

»Was sagst du, Otto …?« Michelmann setzte das eben erhobene Glas wieder auf den Tisch. »Du meinst, die wollen unserm Doktor auf die Burg rücken?«

Schöne nickte. »Sahen mir ganz danach aus, als ob sie’s heut noch vorhätten. Schienen entschlossene Kerle zu sein. Agenten, weißt du, Gustav, von der Sorte, die so leicht nicht locker läßt. Würde mich nicht wundern, wenn sie schon auf dem Wege wären!«

»I der Dunner! Da soll doch –« Michelmann war aufgesprungen. »Da muß ich dem Doktor ja Bescheid sagen …«

»Wäre kein Fehler, Gustav. Tu’s man gleich.«

Während der Wirt es sagte, deutete er nach der Ecke, in der das Telephon hing. Michelmann nahm den Hörer ab, hatte ein kurzes Gespräch.

»Ist heut nicht viel bei dir los, Otto«, meinte er, während er sich wieder an den Tisch setzte.

»Erntewetter, Gustav. Ist alles draußen auf den Feldern. Wollen ihr Korn trocken ’reinkriegen.« Der Wirt deutete dabei auf ein Fenster, durch das hochbeladene Erntewagen zu sehen waren, die von den Äckern der Landstraße zustrebten, während allmählich die Dämmerung hereinbrach.

Michelmann nickte. »Na ja! Das holen sie später alles wieder nach, wenn das Erntebier bei dir ist …« Er fing an von früheren Erntefesten zu erzählen, doch Schöne hörte nur mit halbem Ohr zu.

»Eine Ruhe hast du, Gustav!« unterbrach er ihn schließlich. »Du sitzt hier so gemütlich bei deinem Schoppen, während die Brüder vielleicht schon im Anmarsch sind. Wär’s nicht besser, wenn du dich ein bißchen um sie kümmertest?«

Michelmann schüttelte den Kopf. »Überflüssige Sorge, Otto. Der Doktor ist gewarnt …«

»Trotzdem, Gustav«, fiel ihm Schöne ins Wort. »Ich sage dir, das ist eine zähe Gesellschaft; die läßt sich so leicht nicht abweisen.«

»Wird auch nicht nötig sein. Wenn der Doktor nicht will, kommt kein Mensch den Berg ’rauf. Die werden ihr blaues Wunder erleben, wenn sie’s trotzdem versuchen.«

»Na, na! Der Weg ist doch schließlich nicht zu verfehlen«, meinte Schöne zweifelnd. Er sprach und fragte noch weiter, aber seine Bemühungen, etwas Näheres zu erfahren, waren vergeblich. Michelmann wurde immer verschlossener und empfahl sich, nachdem er sein Glas geleert hatte. Es war bereits völlig dunkel, als er ins Freie trat.

»Halsundbeinbruch, Gustav!« rief ihm Schöne nach.

»Danke, danke, Otto!« Michelmann schlug einen von der Landstraße abgehenden Seitenweg ein, während er den Lichtkegel einer Taschenlampe vor sich hin spielen ließ. –

Der Gastwirt Schöne hatte sich eben wieder hinter seine Theke zurückgezogen, als ein neues Geräusch ihn aufhorchen ließ. Ein Kraftwagen hielt draußen.

Kommen die Brüder von vorhin schon wieder zurück? ging’s ihm durch den Kopf, als die Tür zur Gaststube geöffnet wurde. Zwei Männer kamen herein, aber die Leute, von denen er vor kurzem dem alten Michelmann berichtet hatte, waren es nicht. Auf Ausländer taxierte Schöne sie beim ersten Blick. Der eine, schmächtig, quecksilbrig, brünett, mochte wohl ein Südländer sein, Italiener oder Franzose; den andern, blondhaarig und lang, schätzte der Wirt als einen Engländer oder Amerikaner ein. In einem ziemlich glatten Deutsch bestellte der Dunkelhaarige für sich und seinen Gefährten etwas zu trinken. Schöne brachte das Gewünschte und machte sich danach hinter seiner Theke zu schaffen. Er war begierig, etwas über Nam’ und Art der neuen Gäste zu erlauschen, aber zu seinem Leidwesen führten sie die Unterhaltung unter sich in französischer Sprache.

»Wie gedenken Sie weiter zu disponieren, Monsieur Bigot?« fragte der Blonde.

»Ich will später versuchen, Mister Hartford, ob aus dem Gastwirt etwas Brauchbares herauszuholen ist«, antwortete der mit Bigot Angeredete. Und während er nun weiter sprach, spitzte Schöne doch die Ohren, denn es fielen Namen, die ihm wohlbekannt waren.

»Die Bekanntschaft mit dem jüngeren Assistenten Doktor Holthoff hilft uns nicht weiter«, sagte Bigot. »Der Mann ist der typische deutsche Wissenschaftler und für uns nicht zu haben. Ich habe es nicht mal riskiert, ihm Andeutungen zu machen.«

»Dumme Geschichte, Bigot!« warf der andere dazwischen. »Wir haben dadurch kostbare Zeit verloren.«

Mit einem Achselzucken ging Bigot über den Einwand hinweg.

»Um so mehr verspreche ich mir von einer Bekanntschaft mit Doktor Bruck, dem anderen Assistenten«, fuhr er fort, »nach dem, was ich über ihn hörte, könnte er der richtige Mann für uns sein.«

Wieso das der Fall wäre, wünschte Mr. Hartford zu hören. Bigot beugte sich näher zu ihm herüber und sprach gedämpft weiter: »Wissen Sie, Hartford, dieser Doktor Bruck war auf dem besten Wege, ein verbummeltes Genie zu werden. Eisenlohr, der ihn von der Universität her kannte, hat ihn vor einigen Jahren aufgegabelt und ihm eine anständig bezahlte Tätigkeit in seinem Laboratorium gegeben …«

»Und Sie meinen, der Mann würde trotzdem –?« unterbrach ihn Hartford.

»Ich meine in der Tat, Hartford. Ich habe andeutungsweise gehört, daß er unzufrieden ist. Er möchte die Forschung nicht nur um der Forschung willen betreiben, wie die beiden andern, sondern Geld damit verdienen. Verstehen Sie mich jetzt?«

Hartford pfiff vor sich hin. »So?! So ist das? Dann könnte es allerdings –«

»– glücken, Hartford; wenn es gelingt, mit ihm bekannt zu werden und ihn durch Versprechungen auf unsere Seite zu ziehen.«

Hartford lachte. »Das kann Ihnen ja nicht schwerfallen, Bigot. Darauf verstehen Sie sich doch meisterhaft.«

Der Franzose schüttelte den Kopf. »Es ist leider nicht so einfach, seine Bekanntschaft zu machen. Seit Monaten ist er von der Eulenburg nicht ’runtergekommen … Alles, was außerhalb zu besorgen ist, überträgt Eisenlohr dem anderen, dem Doktor Holthoff.«

»Hm! Ja?! Dann wird Ihnen doch nichts anderes übrigbleiben, Bigot – Sie werden sich selber in die Höhle des Löwen wagen müssen.«

»Ausgeschlossen, Hartford! Eisenlohr hat es abgelehnt, mich zu empfangen. Es wäre nur möglich, wenn er selbst einmal abwesend wäre.«

»Ja, zum Teufel, Bigot, dann schreiben Sie doch einfach einen Brief an diesen Doktor Bruck!«

Der Franzose machte eine abwehrende Bewegung. »Unter keinen Umständen, mein Lieber! Ein Brief kann in falsche Hände kommen. Es ist mein Grundsatz, in dieser Angelegenheit nichts Schriftliches zu geben.«

Die beiden sprachen noch eine Weile weiter, aber der Gastwirt Schöne verlor das Interesse an ihrer Unterhaltung, denn Namen, die er kannte, wurden nicht mehr genannt. Er horchte erst wieder auf, als sich Bigot in deutscher Sprache direkt an ihn wandte. Ebenso wie die früheren Gäste wünschte auch der Franzose jetzt allerlei über die Bewohner der Eulenburg zu erfahren, doch es war unverkennbar, daß ihn die Antworten des Wirtes nicht sonderlich befriedigten.

»Frag du und der Deubel!« knurrte Schöne vor sich hin, als Bigot schließlich mißmutig seine Zeche bezahlte und zusammen mit Hartford den Raum verließ.

II

Inhaltsverzeichnis

Jene beiden Gäste, um die sich das Gespräch von Schöne und Michelmann gedreht hatte, waren auf der Landstraße eine Strecke weitergefahren, bis die Wirtschaft außer Sicht kam. Dann lenkten sie in eine Schneise ein und bogen ein Stückchen weiter nochmals seitwärts ab, bis der Wagen gut verborgen im Unterholz des Hochwaldes stand.

»Na, Walke, was halten Sie von der Sache?« fragte der Ältere, der am Steuer saß, seinen Begleiter.

Der zuckte die Achseln. »War nicht viel aus dem Wirt ’rauszukriegen, Herr Reinhard. Ein mißtrauischer Bursche. Weiß der Himmel, wofür er uns gehalten hat!«

»Jedenfalls nicht für das, was wir sind«, sagte der mit Reinhard Angeredete, während er sich gemächlich eine Zigarette anzündete.

»Wäre es nicht besser, wenn wir gleich losgingen?« fragte sein Begleiter.

»Ist mir noch zu hell, Walke. Unsere Sache erledigen wir besser bei Dunkelheit.«

Der andere nickte.

»Ist richtig, Herr Reinhard. Aber wenn der Wirt uns verpfiffen hat …«

»Können wir’s nicht ändern, Walke. Ich glaube es übrigens nicht. Er hat uns ja auf der Landstraße nach Ihlefeld wegfahren sehen. Eine Stunde etwa müssen wir hier noch warten. Dann wollen wir unser Glück versuchen.« –

Eine Turmuhr schlug aus der Ferne die neunte Abendstunde, als Reinhard und Walke ihren Wagen verließen.

»Na, denn los, Walke! Den Pfad hier müssen wir nehmen, er führt zu dem eigentlichen Burgweg hin.«

Reinhard ging vorsichtig voraus, Walke folgte dicht hinter ihm. Schritt für Schritt stapften sie voran, aber bald mußten sie wieder haltmachen. Von allen Seiten her wurden sie durch das dichte Unterholz gehemmt.

»Man kann nicht die Hand vor Augen sehen«, meinte Reinhard, während er eine Blendlaterne aus der Tasche holte und aufflammen ließ. »Da haben wir’s. Hätten uns fast schon verlaufen. Drüben links geht der Pfad. So! Jetzt wissen wir wieder, wo wir sind.«

Schweigend schritten sie während der nächsten Viertelstunde auf einem schmalen Fußsteig weiter, der knapp für einen Menschen Raum bot und in mäßiger Steigung bergan führte.

»Sind wir hier richtig?« fragte Walke flüsternd.

»Pst, Walke!« mahnte ihn Reinhard zur Ruhe und blendete gleichzeitig die Laterne ab. Regungslos standen sie in der Dunkelheit und lauschten. Durch die leisen Geräusche des Waldes war eine Stimme zu hören, die auf Fragen Antwort zu geben schien.

»Ist, als ob wer telephonierte«, hauchte Walke Reinhard ins Ohr.

»Pst, ruhig!« wisperte der zurück und tastete sich behutsam vorwärts. Deutlich konnten sie jetzt jedes Wort vernehmen.

»So … Herr Doktor? Es ist niemand gekommen? Vielleicht hat sich Schöne geirrt … Jawohl, Herr Doktor, ich habe alles besorgt, den Korb bringe ich mit.« Ein Klicken wurde vernehmlich, wie wenn ein Telephonhörer an den Haken gehängt wird, ein schwaches metallisches Klicken danach. Mit einem Satz sprang Reinhard vorwärts und blendete seine Lampe auf. Ihr Lichtkegel traf den glatten Stamm einer alten Buche und ließ eine Gestalt erkennen, die dabei war, eine an dem Baum befindliche Metallklappe abzuschließen. Überrascht wandte der Mensch sich um, als er den Lichtschein bemerkte. Es war der alte Michelmann. Bei der ersten Bewegung, die er machte, rief Reinhard ihn an: »Stehenbleiben!«

Der Alte erblickte zwei Gestalten und schaute in zwei entschlossene Gesichter.

»Was wollen Sie von mir?« fragte er unsicher.

»Sie sollen uns führen.«

»Wohin?«

»Auf die Eulenburg. Wir wollen Doktor Eisenlohr aufsuchen.«

Unwillkürlich schüttelte Michelmann den Kopf. »Herr Doktor Eisenlohr wünscht keinen Besuch.«

»Das lassen Sie unsere Sorge sein. Sie sollen uns nur hinführen«, sagte Reinhard und trat dicht neben ihn. »Was haben Sie da?« fuhr er fort, während er den Strahl der Laterne über den Buchenstamm gleiten ließ. »Ein Telephon mitten im Walde? Was sagt die Reichspost dazu?«

»Geht die Post ’nen Dreck was an«, brummte Michelmann, »sind hier auf eigenem Grund und Boden, können machen, was wir wollen.«

»So, so! Na, das wird sich herausstellen. Führen Sie uns zur Burg!«

Widerwillig nahm Michelmann seinen Korb auf, schwerfällig und unsicher wie ein gebrechlicher Greis humpelte er langsam vorwärts, während Reinhard an seiner Seite ging und Walke dicht hinter den beiden blieb. Fieberhaft arbeiteten dabei die Gedanken des Alten.

Zwei Männer … Einbrecher … vielleicht Räuber, die einen Überfall auf die Burg planten … Der Doktor ahnungslos … durch das Telephongespräch erst recht in Sicherheit gewiegt … der und Dr. Bruck die einzigen Menschen in der Burg … er selber in der Gewalt der Fremden … unfähig, zu warnen … zu helfen …

Immer steiler und immer enger war inzwischen der Pfad geworden; sie konnten nicht mehr nebeneinander bleiben. »Wollen Sie vorgehen und leuchten«, sagte Michelmann, den die Steigung ganz außer Atem zu bringen schien.

»Bitte nach Ihnen, Verehrtester«, sagte Reinhard ironisch. Langsam keuchte der Alte in dem unsicheren Laternenschein weiter, bis er … wie weggewischt … plötzlich verschwunden war. Eben hatte ihn Reinhard noch dicht vor sich gesehen, den nächsten Moment schon nicht mehr. Blitzschnell mußte er in das dichte Gebüsch zur Rechten gehuscht sein. Mit einem Sprung wollte Reinhard ihm nach, stolperte über den Einholekorb, schlug zwischen Nesseln und Dornen der Länge nach hin.

»Verflucht, Walke!« Reinhard raffte sich wieder auf und befühlte seine Gliedmaßen. »Der Bursche ist uns durch die Lappen gegangen …«

»Hätten ihn doch besser zwischen uns nehmen sollen«, meinte Walke.

»Jetzt zu spät«, brummte Reinhard. »Müssen versuchen, den Weg allein zu finden. Wenn irgend möglich früher als der Kerl oben sein.«

Er sagte es, ohne selber recht daran zu glauben, denn allzu gewandt und gelenkig war ihm der Alte so plötzlich entwichen.

Wenn ihnen nicht ein glücklicher Zufall zu Hilfe kam, würde der Flüchtling wahrscheinlich eher oben sein und den Doktor warnen.

III

Inhaltsverzeichnis

Aus der Ferne gesehen machte die Eulenburg mit dem hoch über den Wald ragenden halbverfallenen Bergfried den Eindruck einer Ruine. Jahrhunderte hindurch war sie es auch gewesen, nachdem plündernde Horden während des Bauernkrieges die Brandfackel in ihr Gebälk geschleudert hatten. Doch das änderte sich, als Dr. Eisenlohr ihr Eigentümer wurde. Wer jetzt in den Burghof kam, der blickte nicht mehr in öde Fensterhöhlen, sondern in spiegelnde Scheiben, hinter denen zur Abendzeit elektrische Beleuchtung aufglänzte, und wer den Bau betrat, fand behaglich ausgestattete Räume, in denen es sich wohl hausen ließ, obgleich die Männer, die diese Mauern einst fügten, schon seit tausend Jahren unter der Erde lagen.

Der geräumige Bankettsaal im Mittelbau diente dem Doktor als Laboratorium. Wo früher einmal Ritter und Knappen den Humpen geschwungen, standen jetzt blinkende Maschinen, glänzten Glas und Messing physikalischer Apparate im Schein des elektrischen Starklichtes, deckten Regale, mit Retorten, Phiolen und hundert verschiedenen Chemikalien besetzt, die Wände.