Lebenswelten - Gaby Gerken - E-Book

Lebenswelten E-Book

Gaby Gerken

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Beschreibung

Auf der Flucht und auf der Suche nach dem Glück reist die Ich-Person durch verschiedene Welten, die teilweise ungewöhnlich und seltsam sind. Abenteuer und Erlebnisse werden durchlaufen in Traum und Wirklichkeit. Lassen Sie sich inspirieren! Reisen Sie in ihrer eigenen Phantasie mit!

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EIN PAAR WORTE VON MIR AM ANFANG

des Romans

Jeder Mensch hat seine Freude im Leben.

Seit meiner Kindheit liebe ich Märchen, Geschichten & Erzählungen.

Ich liebe es Bücher in der Hand zu halten & zu lesen, dadurch konnte ich mir meine eigene Bilderreise dazu vorstellen.

Somit entwickelte sich schon seit meiner Kindheit der Traum und die Vorstellung, selbst eine Geschichte oder sogar ein Buch zu schreiben.

Doch es erfordert Ruhe, Zeit & genügend Selbstverstrauen.

Die vielen Jahre zogen dahin und ich las weiterhin Bücher mit Freude.

Zwischendurch schrieb ich kleine Geschichten für mich und für meine Kinder, die ich mir ausgedacht und erzählt habe.

Später sollte sich mein Traum tatsächlich erfüllen, denn ich nahm mir eine Auszeit von der Hektik des Alltags und fing an zu schreiben.

Mit Freude schrieb ich die Worte auf, die zu diesem Buch führten.

Natürlich hat jeder Mensch seine eigenen Lesethemen.

Somit können sich die Leser angesprochen fühlen, die diesen Roman mögen und die auch eine besondere Tiefgründigkeit erkennen.

Ich danke den Menschen, die an mich glaubten und mich unterstützten bei meinem Traum.

Liebe Leserin und lieber Leser, regen sie ihre eigene Phantasie an und gestalten sie sich ihre eigene individuelle bildliche & gedankliche Reise...

Diese Zeilen schrieb bei wunderschönstem Sonnenuntergang im Frühling 2024,

GABY GERKEN

Dieses Buch widme ich meinem Carino, meinen Eltern & meinen Kindern

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

1

Es ist fast dunkel, schemenhaft zeigen sich die schwarzen Hügelketten. Ich laufe gehetzt durch diese Landschaft, die nach frischem Gras riecht. Nur einzig mein lautes Herzklopfen ist zu hören, Schlag um Schlag. Keuchend renne ich, verfolgt von dem Unbekannten.

Seit geraumer Zeit fühlte ich mich beobachtet, zuerst nur flüchtig, dann merkte ich stets mehr diese Schwere um mich herum. Sie schnürte mein Herz ein, meine Lungen, ich bekam kaum noch Luft.

Irgendetwas wollten sie von mir, doch ich wollte nicht in ihre Fänge. Ich versuchte, mich einigermaßen korrekt zu verhalten und nicht aufzufallen.

Gerade kann ich nicht anhalten und laufe weiter, eine unglaubliche Energie lenkt mich, über die ich sehr erstaunt bin.

Doch wohin? In einiger Entfernung sehe ich einen Wald. Vielleicht entwische ich ihnen dort in der Dunkelheit des Waldes. Die Landschaft rauscht nur so an mir vorbei. Meine Füße treten auf Felder und Wiesen, auf und ab in den Hügelketten. Noch einige hundert Meter und ich habe den Wald erreicht.

Komisch, gerade jetzt denke ich an meine Kindheit zurück, als ich so gerne im Wald gespielt habe. Oft haben wir Kinder mit Stöckern gespielt und etwas mit dem gebaut, das uns gerade an Naturmaterial zur Verfügung stand. Wir sind auf Bäume geklettert, haben Verstecken gespielt und unserer Fantasie freien Lauf gelassen. Manchmal waren wir ein Tier, ein Räuber, ein Prinz oder eine Prinzessin. Es war so wunderbar. Wir fühlten uns frei und unbeschwert in diesen Momenten.

Und nun renne ich um mein Leben, wage kaum mich umzudrehen, da ich Angst vor der Ungewissheit habe, was mit mir passieren könnte, wenn sie mich fangen. Werde ich Schmerzen erleiden, werden sie mich quälen oder verhören?

In diesem Moment denke ich daran, wie es seit Jahrtausenden andersdenkende Menschen mit Verfolgung trifft, die sich in der Minderheit befinden, manchmal mit aller Härte, da Macht und Gier das Weltgeschehen beherrschen können.

Der Wald, die Bäume kommen näher und näher. Es ist bald geschafft. Ich denke, dass der Wald ein kleiner Funken Hoffnung ist, in dem ich entkommen kann. Doch wer weiß, ob sie mich trotzdem sehen können.

Eine vorläufige Erleichterung erfasst mich, als ich die Bäume erreiche. Es wird dunkler, es fängt an nach Blättern und Moosen zu riechen, die am Boden liegenden Blätter rascheln unter meinen Füßen. Es fühlt sich an, als ob ich in diesem Moment ein wenig schwebe. Doch in der nächsten Minute höre ich wieder mein lautes Herz schlagen und meinen keuchenden Atem. Zweige peitschen in mein Gesicht und an meinen Körper. Der Boden ist uneben, daher muss ich aufpassen, meine Balance zu halten. Ich gönne mir eine kurze Verschnaufpause und lehne mich an einen Baum. Dadurch habe ich die Möglichkeit besser zu lauschen. Zuerst höre ich nur mein Herz klopfen und das Keuchen meines Atems. Nach einiger Zeit beruhigt es sich etwas und ich höre das Rascheln der Blätter in den Bäumen. Außerdem riecht es nach erdigem Waldboden. Schließlich überlege ich, was ich jetzt tun sollte. Sollte ich warten oder weitergehen?

Ein paar Mal atme ich noch tief durch und mache mich dann ganz leise wieder auf dem Weg, Schritt um Schritt, stets aufmerksam und wachsam von Baum zu Baum. Es wird ruhiger und ruhiger, je weiter ich gehe. Die Abenddämmerung ist schon weit fortgeschritten. Der Wald wird schon grau und nebelig, sodass kaum noch etwas zu sehen ist. Plötzlich gibt es einen fürchterlichen Schrei neben mir, ich erschrecke mich so sehr, dass ich stehen bleibe und meine Hände an mein Herz lege. Ein Tier läuft unter Protest weg, wahrscheinlich habe ich es aus Versehen berührt oder erschreckt. Die Anspannung ist kaum auszuhalten. Allmählich bekomme ich Hunger und Durst, fühle mich müde und erschöpft. Lange kann ich diese Situation nicht mehr aushalten. Schließlich setze ich mich ins Laub, lehne mich an einen Baum und sinne vor mich hin, träume von einem reichgedeckten Tisch mit vielen leckeren Köstlichkeiten zum Essen...

Auf einmal knacken Zweige. Es geht anscheinend jemand durch den Wald, ich lausche angespannt. Es dauert eine Weile, bevor es wieder ruhig wird.

Mittlerweile ist es rundherum neblig geworden, es riecht etwas modrig und ich weiß nicht, in welche Richtung ich gehen soll. In weiter Entfernung entdecke ich einen leichten, orangefarbenden Schimmer durch den Wald scheinen. Ein leichter Wind lässt die Blätter an den Bäumen rascheln. Ich will auf diesen orangenen Punkt zugehen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es zum Guten oder zum Schlechten für mich ist. Leise bewege ich mich auf das Licht zu. Vom Laufen ist mir zunächst warm geworden, aber nun wird mir langsam kalt, ich fange an zu frieren. Mit beiden Armen umschlinge ich meinen Körper, um wieder etwas wärmer zu werden und gehe weiter.

Es dauert eine Ewigkeit, bis die Lichtquelle etwas größer wird. Ich vermeide es, auf Waldwegen zu gehen, sondern gehe kreuz und quer hindurch. Ohne Sinn und Verstand gehe und laufe ich abwechselnd durch den unbekannten Wald. Nach einer Weile höre ich es in einiger Entfernung rascheln, wahrscheinlich sind die Verfolger noch da. Ich bleibe stehen und horche, es ist eindeutig, es sind leise Schritte im Laub zu hören. Mein Herz klopft laut. Die Geräusche kommen näher, ich laufe schneller, Zweige treffen meinen Körper. Auf einmal bleibe ich an einem Zweig hängen und zerreiße mir meine Kleidung. Ich atme schwer und laufe um mein Leben. Mein Körper wird von einer merkwürdigen Benommenheit erfasst und mein Herz klopft mir bis in die Ohren.

Plötzlich nehme ich ein Rascheln und Hecheln in der Nähe wahr, jedoch weiß ich nicht, um was es sich handelt, dann stolpere ich und falle zu Boden. Da liege ich nun im modrigen, feuchten Laub und wage kaum mich zu rühren. So warte ich darauf, dass eine Meute über mich herfällt und sie mich mit ihren Händen packen. Doch es geschieht nichts dergleichen, keiner schreit oder zerrt mich hoch. Nach einer Weile höre ich ein leises Rascheln im Laub. Ich beschließe, mich der Sache zu stellen. Ich richte meinen Kopf hoch, öffne meine Augen und schaue genau vor mir in zwei gelbe Augen. Zuerst weiß ich nicht, wie ich dies einordnen soll. Doch dann gucke ich genauer hin und sehe mich - ich fasse es kaum - einem Wolf gegenüber. Auf der einen Seite bin ich fasziniert und auf der anderen Seite erschreckt. Dieses gemischte Gefühl lässt mich erstarren und ich spüre eine gewisse Furcht. Es dauert eine Weile, bis ich wieder zu mir komme. Wir schauen uns einige Zeit an und ich bemerke, dass im Moment wohl keine Gefahr von ihm ausgeht, sonst hätte er mich schon längst angegriffen. Diese Begegnung ist mir eindeutig lieber als eine Gefangennahme. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass er mir etwas mitteilen möchte, da er sich so friedlich verhält. Der Wolf schaut mich an, geht etwas weiter, sieht mich wieder an, geht weiter, sieht mich erneut an - wie ein Spiel. Ich bleibe stehen, doch er kommt wieder zu mir zurück, blickt mich an. Nun wird es mir klar, ich soll ihm folgen. Schließlich setze ich mich in Bewegung und folge ihm, wobei er stets zurückschaut, ob ich ihm hinterherlaufe. Diese Situation überrascht mich sehr. Mittlerweile läuft er neben mir her, als wenn wir gute Freunde wären. Es ist erstaunlich und es freut mich plötzlich sehr, denn so bin ich nicht mehr allein und fühle mich ein wenig beschützt. Er führt mich durch den Wald direkt auf den orangefarbenden Punkt zu, der mittlerweile zu einem runden Ball wurde. Wir kommen stetig näher und der Ball wird größer und größer. Mir kommen auf einmal Zweifel, vielleicht ist der Wolf ausgebildet und führt mich direkt in die Falle. Ich bleibe stehen. Er auch. Wahrscheinlich spürt er meine Unsicherheit. Doch in weiter Ferne hinter mir höre ich hektische Geräusche, der Wolf bewegt seinen Kopf zu mir hin und in die andere Richtung zum Licht. Er zeigt mir einen unschuldigen Blick, dass ich ihm wohl Vertrauen schenken sollte. Der Wolf wird unruhig, als wolle er sagen, dass wir uns beeilen müssen. So gehe ich ihm weiter hinterher. Die Situation wird für mich unrealistisch, wie in einem Traum. Wie in Trance laufe ich neben ihm weiter über Stock und Stein auf den Feuerball zu. Es ist unglaublich, ich weiß gar nicht, was mit mir passiert.

Auf einmal zieht mich eine kaum zu beschreibende Energie an, es herrscht um mich herum eine Dunkelheit und nur in der Ferne ist das Licht. Ich werde angezogen, es rauscht in meinen Ohren, ich schwebe, ich verliere mich. Nun sind wir ganz nah und es sieht aus, wie ein orangenes Tor, die Öffnung ist doppelt so groß, wie ich. Der Wolf und ich schauen uns ein letztes Mal an, mir wird schwindelig und ich rausche von einem Sog angezogen in den Feuerball hinein. Alles dreht sich, ich schließe meine Augen und wirbele hindurch, schwebe und verliere mein Bewusstsein...

2

Es plätschert und plätschert, wieder und wieder im gleichen Rhythmus.

Als ich die Geräusche wahrnehme, öffne ich meine Augen. Es ist hell, die Sonne scheint. Nach kurzer Zeit besinne ich mich und schaue mich um. Alles ist anders, ich liege unter einem Felsvorsprung, oben in den Bergen, neben mir sprudelt wohl eine Wasserquelle. Das Wasser fängt sich in einem kleinen Steinbecken und es ist so klar. Schließlich tauche ich meine Hände hinein, fange das frische Wasser in meinen Händen auf, spritze es mir ins Gesicht, wieder und wieder, ich lache. Es erfrischt mich so. Danach trinke ich es und es schmeckt wunderbar süßlich. Meine Haut brennt etwas und ich bemerke einige blutige Kratzer. Nach einer Weile schaue ich mich weiter um, das Quellwasser fließt weiter im Steinflussbecken abwärts. Was für ein fantastisches Naturereignis. Es berührt mich so sehr, dass ich ein paar Tränen fallen lasse. Hier ist es so friedlich.

Denn die aufregende Verfolgungsjagd, die Schatten, die Macht und die Dunkelheit spüre ich momentan nicht. Natürlich bin ich völlig sprachlos darüber, wie ich hierhergekommen bin. Ich erinnere mich daran, dass ich weit gelaufen bin, über Berg und Tal, verfolgt von dem Unbekannten und einer Bedrohung. Dass ich versucht habe, Schutz im Wald zu suchen, von Baum zu Baum gelaufen bin, Zweige meine Kleider und meine Haut zerkratzt haben, ich erinnere mich an das orangefarbene Licht und den Wolf. Doch auf einmal fällt mir auf, dass der Wolf gar nicht da ist, wo ist der nur? Oder bin ich in Sicherheit? In jedem Winkel um mich herum schaue ich nach. Von hier oben habe ich einen wunderbaren weiten Blick ins Tal, das Wasser schlängelt sich auf den hellen Steinen ins Tal, viele Bäume im grünen Blätterkleid sind zu sehen, Wälder, Seen, Auen, grüne Wiesen, gelbe Felder, blauer Himmel und in weiter Entfernung müsste ein Ort sein, denn die roten Dächer sind zu sehen.

Eine Freude überkommt mich, dieses alles zu erkunden. Trotzdem muss ich vorsichtig sein, das darf ich nicht vergessen.

Neben dem Bach sehe ich eine natürliche weißbeigefarbene Steintreppe, die hinunterführt. Ich schaue mich überall um, sehe niemanden und setze dann den ersten Schritt auf die Treppe. Schritt um Schritt geht es weiter, die Vögel zwitschern in den Büschen, es riecht nach frischen Kräutern, Gräsern und das Wasser plätschert leise im Bach. Es könnte eine herrliche entspannte Wanderung sein, doch mir sitzt das mächtige Unbekannte noch im Nacken. Anfangs habe ich es nicht glauben wollen, was da auf mich zukommt, doch mir blieb keine Wahl, ich musste fliehen.

Nun bin ich bis hierhergekommen, wundere mich und finde keine Erklärung für diese Situation. Doch momentan scheint die Sonne, es ist warm und ich bin in einem wunderschönen Naturerlebnis. Es dauert nicht mehr lange und das Tal ist erreicht. Ich genieße die frische Luft und atme tief ein und aus. Bleibe kurz stehen und staune über diese Pracht, es riecht angenehm nach duftenden Kräutern und es ist so ruhig. So etwas kenne ich kaum noch. Ein Freiheitsgefühl überfällt mich, ich freue mich. In dieser Weise schlendere ich bei Sonnenschein und frischem Duft den kleinen Bach entlang. Momentan scheinen sich alle meine Sorgen aufzulösen. Schließlich komme ich unten an und gehe auf einen Weg zu.

Nun muss ich mich entscheiden, ob ich rechts oder links gehe. Vorsichtig schaue ich mich um. Es ist nichts außer einem Sandweg, den Büschen, Bäumen und Pflanzen zu sehen, nur Natur. Nach einer Überlegungsphase nehme ich die linke Richtung und versuche in die Ortschaft zu kommen, die ich vom Felsvorsprung aus gesehen habe. Dort möchte ich fragen, in welchem Ort ich bin. Vielleicht beobachte ich erst einmal von weitem die Ortschaft, um mir ein Bild zu machen. Somit wandere ich eine ganze Zeit den Weg entlang. Die Sonne hat bald ihren Zenit erreicht und ich bewege mich so langsam dem Horizont entgegen.

Dieses schöne orangegelbfarbene Licht leuchtet eine große Baumallee an, die direkt vor mir liegt. Ich bleibe stehen und bin erstaunt über diese Pracht, meterhohe Buchen, die mit den Ästen in den Kronen, sowie mit den gegenüberliegenden Ästen verbunden und verknotet sind. Mit einem riesengroßen Baumtor beginnt die Allee und in weiter Ferne ist ein winzig kleines hellblaues Tor zu sehen. Unglaublich, ich habe so etwas noch nie gesehen. Ich bin überwältigt und staune. Wunderwerke der Natur. Ich beschreite den großen Baumtunnel mit Blätterdach, gehe in der Mitte und fühle mich ganz klein. Noch bin ich keinem Menschen begegnet, um zu fragen, wo ich bin. Sehr einsam ist es hier. So etwas kenne ich kaum noch. Ich gehe so hindurch und schaue nach oben zu den knorrigen Ästen, sie sehen so lustig aus. Schlendere weiter, drehe mich ab und zu um, Blätter rascheln in einer leichten Brise und wirbeln im Kreis. Diese Atmosphäre lässt mich eine Leichtigkeit spüren, die mir so angenehm ist, dass es stets so sein könnte. Das hellblaue kleine Tor wird größer, je weiter ich gehe. Bald bin ich hindurch. Ich gehe zu einer Buche hin und berühre sie, die Rinde fühlt sich einigermaßen glatt an, der Stamm ist so dick, dass er hunderte von Jahre alt sein könnte. Was haben diese Bäume alles gesehen und erlebt...?

Auf einmal knacken liegende Zweige auf dem Boden. Dieses Geräusch holt mich aus meiner Träumerei. Ich bleibe hinter dem Baum stehen und lausche. Ja, es ist deutlich zu hören. Ich versuche die Richtung zu bestimmen, woher das Knacken kommt. Bleibe in Deckung und warte. Gleich verfalle ich wieder in das Verfolgungsgefühl. Die Angst packt mich von neuem. Mit zugeschnürter Kehle sitze ich auf dem Boden und lehne mich an die Buche. Mein Herz pocht laut. Ich bin wie erstarrt. Mein Geist befürchtet das schlimmste Szenario. Dadurch fühle ich mich wehrlos und ausgeliefert. Die Macht will mich fangen und für ihre Zwecke benutzen...

Vielleicht sitze ich schon viele Minuten oder sogar Stunden in dieser Position. Das kann ich momentan nicht mehr einschätzen. Da sich nichts weiter ereignet hat, erwache ich aus meiner Starre und schaue mich um. Es ist nichts zu bemerken. Vorsichtig schleiche ich von Baum zu Baum, um unentdeckt zu bleiben. Gleich habe ich am Rand die Baumallee durchschritten. Noch sehe ich nur blauen Himmel dahinter. Der Baumtorbogen ist erreicht, ich lehne mich an den letzten Baum an und schaue herum. Ich halte inne und erfasse die Situation.

Und wieder erwartet mich eine fantastische Naturlandschaft. Ein großer See ist zu sehen, viele bunte Schmetterlinge fliegen vergnügt am oder über dem See. Ein kleiner Pfad führt drumherum. Das Ufer ist teils mit Steinen, Gras oder Sand bedeckt. Am Horizont sind Wälder und Hügel. Alles wirkt friedlich.

Wäre die Lage anders, würde ich schwimmen gehen. Als Kind bin ich so gerne geschwommen. Mit dem Fahrrad bin ich zum See gefahren, habe mein Handtuch am Ufer aufs Gras gelegt und bin an heißen Tagen freudig ins kalte Nass gesprungen. Den Kopf habe ich unter Wasser getaucht und es rauschte in den Ohren. Manchmal habe ich so viel Wasser aufgewirbelt und gespritzt, bis eine Wasserfontäne sich übermich ergoss. In diesen Momenten fühlte ich mich so frei und glücklich. Ich war so vergnügt und lachte.

Langsam erwache ich aus meiner Erinnerung. Leider kann ich dieser Versuchung momentan nicht nachgehen. Ich halte mich am Waldrand auf, dieser bietet mehr Sicherheit als das freie Feld. Schließlich überlege ich, warum keine Menschenseele hier ist. Hier sind sogar kleine Blumenareale angelegt. Es blüht in allen Farben, weiß, rot, gelb, orange und lila. Anscheinend duften sie auch, denn ich habe einen süßlichen, aromatischen Geruch in der Nase.

Ich gehe weiter und halte mich verdeckt in der Nähe des Weges, der gleich vom Freien in den Wald führt. In einiger Entfernung des Weges schreite ich neben ihm. Die Vögel fangen zu zwitschern, in unendlich vielen verschiedenen Stimmen, wie ein Chor. Die ganze Atmosphäre wird davon in Anspruch genommen. Wunderschön!

Es ist wie im Märchenwald, viele verschiedene grünfarbene Moose in unterschiedlichen Formen, die stark duften. Beim Gehen federn meine Füße. Überall wo ich hinschaue, wächst am Boden Moos, in verschiedenen Grüntönen. Als ich nach links blicke, sehe ich in weiter Ferne ein goldiges Licht, wie eine Kugel. Nun ist es aber nicht auf dem Weg, den ich eigentlich beabsichtigt habe zu gehen. Meine Neugier ist geweckt. Einen kleinen Umweg kann ich mir doch erlauben. Ich laufe darauf zu und komme näher und näher. Nun erblicke ich in dieser goldigen Kugel viele glitzernde Sterne. Es funkelt. Gleich bin ich da, ich laufe schneller. Nachdem ich angekommen bin, zeigt sich eine kleine Lichtung, in der die vielen kleinen Sterne glitzern. Sie tanzen.

Einen Augenblick später und ich liege im Moos auf der Lichtung und schaue den tanzenden Sternen nach. Ich bin wie berauscht. Ich sehe die Sterne auf meinen Körper funkeln. Eine ungeahnte Zeit lasse ich mich treiben in diesem Zauber....

Auf einmal ist fast alles verschwunden, die Sonne geht langsam unter. Ich muss weiter und gehe zurück an den Weg. Es wird dunkler und ich werde müde. Eine kleine Pause brauche ich und setze mich auf den weichen Moosboden, lehne mich an einen Baum und schließe die Augen. Als ich nach einer Weile erwache, ist es stockdunkel und finster. Somit beschließe ich, vorerst hier zu bleiben. Es ist nichts zu hören und ich schlafe erneut ein.

Ich träume davon, wie ich zu den Sternen fliege. Einfach so wie ich bin, hinauf zu dem Sternenpalast. Als wäre es das Natürlichste der Welt. Kurz vorbeischauen und alles begrüßen und wieder zurück auf die Erde.

Geräusche wecken mich. Es raschelt. Vielleicht auch eine Maus. Ein leichter Grauschleier bahnt sich einen Weg durch den Wald. Bald geht die Sonne auf. Ich halte noch einen kurzen Moment inne und dann stehe ich langsam auf. Heute möchte ich zu der Wohnsiedlung kommen. Ich brauche Gewissheit.

Zuerst würde ich deren Verhalten beobachten, um einschätzen zu können, ob Gefahr von ihnen ausgeht. Weiterhin gehe ich in etwas Entfernung vom Weg, im Schutz der Bäume. Ich versuche leise zu gehen, ohne dass die Zweige knacken.

Auf einmal höre ich ein Geräusch, doch es klingt wie Musik, genauer gesagt bei weiterem hinhören, wie eine Flöte. Der ganze Wald wird von den schönen Tönen eingenommen und ich fühle mich wie verzaubert. Ich versuche die Richtung der Musik auszumachen und gehe ihr entgegen. Dann fange ich an zu laufen. Doch plötzlich hört sie auf. Daraufhin halte ich an, schaue in jede Richtung und fühle mich beobachtet. Mein Herz fängt wie wild an zu klopfen. Die Angst vor dem Grauen macht sich wieder voll bemerkbar. Es rauscht in den Ohren und meine Beine versagen fast ihren Dienst... Wunderbare Töne erhellen erneut den Wald. Es berührt mich, doch weiß ich nicht, ob ich hervor gelockt werden soll oder ob es im guten Sinne ist. Diese Verunsicherung bringt mich ins Schwanken. Ich schließe die Augen und lausche. Es dauert eine Weile und ich mache mich wieder von Baum zu Baum auf dem Weg. Der ganze Wald wird von den zauberhaften Klängen vereinnahmt. Eigentlich dürfte es bald kommen, die Ansiedlung von Freund oder Feind. Meine Aufregung wird stets größer, je näher ich komme. Was wird passieren?

Es ist soweit, ich sehe einen Turm. Die letzten Bäume des Waldes sind fast geschafft. Dort sind einige Büsche, dahinter werde ich mich erst einmal verstecken. Mittlerweile hat die Flötenmusik aufgehört und ich lausche auf weitere Geräusche, die ich vielleicht einordnen kann. Ich hocke mich hin und warte auf Ereignisse. Döse ein bisschen vor mich hin. Plötzlich höre ich ganz leise Stimmen und versuche etwas zu verstehen. Leider sind die Stimmen zu weit weg, um die Worte zu deuten. Kurz denke ich, nun werde ich mich zeigen, aber ich finde noch keinen Mut.

Ein süßlich duftender Geruch steigt in meine Nase. Sehr angenehm und betörend. Meine Neugier lässt mich aus meinem Versteck hervorlugen, um zu schauen, woher der Duft kommt. Genau sehe ich mich um. In einiger Entfernung sehe ich einen großen Torbogen aus rankenden grünen Blättern und roten Blüten, wie eine Art Stadttor, nur mit vielen Pflanzen berankt. Dahinter wird sicherlich der Ort sein. Ich verharre und warte darauf, dass etwas passiert.

Mein Magen knurrt, der Hunger macht sich bemerkbar. Die Unsicherheit begleitet mich. Wieso komme ich bloß wieder in so merkwürdige Situationen? Mir ist der Sinn nach Freiheit und Frieden, doch es ist so schwierig, sie zu bekommen.

In weiter Ferne höre ich Stimmen, sie kommen näher und näher. Ich blicke durch ein paar Lichtlücken im Busch hindurch und sehe zwei Männer. Sie kommen direkt auf mich zu. Ich verhalte mich still. Jetzt höre ich deutlich Wörter, doch ich verstehe sie nicht. Es ist eine andere Sprache, aber ich kann sie nicht deuten. Sie ist mir nicht bekannt. Die beiden Männer stehen unmittelbar vor dem grünen Busch und unterhalten sich ganz ruhig und langsam. Was mache ich jetzt? Ich kann mich ja gar nicht mit ihnen verständigen oder können sie doch meine Sprache? Auf einmal ist es ruhig, doch die Männer stehen noch da. Ich werde unruhig. Mein Herz fängt wie wild an zu klopfen und meine Beine werden leicht weich. Mein Körper und mein Geist können sich der Situation nicht stellen. Ich zittere und die Ungewissheit zerrt an meinen Nerven.

3

„Seid willkommen in der Anderswelt“

Sie haben mich entdeckt. Es gibt kein Entkommen mehr. Die Sekunden vergehen und eine angespannte Stille herrscht um mich herum. Mir wird heiß und kalt.

„Tretet hervor, damit wir uns im Angesicht begrüßen können“, ertönt eine Stimme im freundlichen Ton.

Tatsächlich sprechen sie meine Sprache.

Nun gibt es kein Entrinnen mehr und ich mache mich bereit für die Begegnung. Mental bereite ich mich darauf vor und meine letzten Kräfte zwingen mich aufzustehen. Schließlich stehe ichaufrecht und gehe aus meinem Versteck heraus auf die Personen zu.

Zu meinem Erstaunen sehe ich zwei ältere, lächelnde Männer vor mir in weißer Bekleidung. Jeder hält seine Handflächen zusammen vor dem Körper, sie nicken mir zu und sprechen klar und deutlich „Seid willkommen, wir haben Euch erwartet“. Ich nicke nur und kann noch kein Wort sprechen, so sehr bin ich überrascht. Kann ich mich jetzt wirklich in Sicherheit wähnen? „Ihr seht erschöpft aus“, sagt einer von ihnen. „Nehmt zuerst ein schönes Bad und stärkt Euch mit einem guten Mahl“, meint der andere freundlich.

Sie drehen sich um und gehen voran. „Kommt!“. Was soll ich machen, ich gehe mit und fühle mich leicht unbehaglich.

Wir gehen auf das schöne, duftende Pflanzentor zu. Ich fühle mich wie in einem Traum, da ich die Menschen und ihr Zuhause nicht kenne. Wo bin ich und warum haben sie schon auf mich gewartet? Vor dem Tor liegt ein großer Rundbogen mit glänzenden Granitsteinplatten und diese führen weiter hindurch. Als ich vor dem Tor stehe und hindurchschaue, bleibe ich stehen, da ich von so viel Schönheit ergriffen bin. In einiger Entfernung sehe ich Wasser, ein See oder das Meer. Bis dorthin sind die schönen, glänzenden Platten verlegt. Die Sonne spiegelt ihre Strahlen auf die Flächen. Schöne, kleine Felssteinhäuser, Treppen und Gärten zieren die Straßen. Überall Bäume und bunte Blumen. Die Vögel zwitschern und es ist so ruhig. In einer vagen Minute denke ich, ich wäre im Himmel. Ich stehe da und staune...

Sie lassen mich eine Zeit verweilen und meine Augen schauen umher. Ein so wohliges Gefühl wie seit langem nicht mehr durchströmt meinen Körper und meine Seele. Dieser Anblick ist etwas Besonderes.

Nach einiger Zeit besinne ich mich und schaue die beiden Männer an. Sie nehmen wahr, dass meine Augen leuchten. Sie lächeln mich an. „Wir werden dir alles zeigen“, sagen beide zusammen.

Wir gehen ein bisschen weiter, bis sie stehenbleiben und meinen, dass ich hier ein Bad nehmen, zu essen bekomme und mich dann ausruhen könnte. Eine junge schöne Frau kommt aus dem Haus, begrüßt uns sehr freundlich mit: „Seid gegrüßt, ich habe alles vorbereitet“. Woher wissen sie, dass ich komme?

Die beiden Männer lassen mich allein und verabschieden sich freundlich von mir mit den Worten: „Genießt alles und erholt Euch gut. Wir sehen uns später.“ Ich bedanke mich. Wie in einer Art Trance folge ich der freundlichen Frau, die mich in ein Zimmer mit Badewanne führt und mich allein lässt. Ein betörender schwerer Geruch nach Sandelholz erwartet mich. Nach kurzer Zeit entkleide ich mich, steige in das angenehme Wasser und lasse alle Anspannungen der vorigen Stunden oder waren es sogar Tage, ich weiß es nicht mehr, los. Die Wärme des Wassers und der Duft sind angenehm und ich schlummere kurz ein. Denken will ich nicht, ich habe keine Kraft dazu. Einfach entspannen und genießen. Denn es wird wohl später noch schwer genug. Das Wasser wird allmählich kühler und ich erblicke ein bereitgelegtes Badetuch. Schließlich steige ich aus der Badewanne, wickle das Badetuch um mich und trockne mich ab. Es ist herrlich! Danach entdecke ich frische Kleidung und ziehe die Sachen an. Sie sehen ein bisschen ungewohnt an mir aus. Ich grinse. Nach einer Weile öffne ich die Tür und schaue mich um, was nun als nächstes passiert. Die junge Frau von vorhin winkt mich zu ihr und lächelt mich an. Ich gehe den Flur entlang und folge ihr. Wir erreichen einen Raum mit Holztischen und gemütlich aussehenden roten Sofas und Sesseln. Der Raum, eine Art Restaurant, ist lichtdurchflutet und außerhalb ist noch eine Veranda mit Tischen und Stühlen zu sehen. Sie deutet mir durch eine Handbewegung an, Platz zu nehmen. Ich setze mich auf ein Sofa. Es ist gemütlich und weich. Es dauert nicht lange und mir wird ein Glas Wasser hingestellt, ein Körbchen mit Brot, das herrlich frisch duftet und dazu wird mir ein Teller mit Essen serviert. Sie wünscht mir viel Freude und Genuss beim Essen. Möge es mir gut schmecken. Schließlich antworte ich mit herzlichen Dankesworten. Dann lässt sie mich allein. Oh, wie hungrig ich bin und inspiziere mit meinen Augen die Suppe, eine Art Gemüsesuppe. Sie schmeckt köstlich. Jede Gemüseart kann ich herausschmecken, Lauch, Kartoffeln, Möhren, Wirsing, Blumenkohl und viele verschiedene grüne Kräuter. Das leckere, frische Brot dazu. Meine Geschmacksnerven erfreuen sich. Wie ein Wunder steht gleich wieder ein gefüllter Teller Suppe neben mir. Es schmeckt mir so gut und nach einer Weile bin ich gesättigt. Die junge Frau kommt zu mir und sagt: „Kommt, Ihr könnt euch ausruhen“. Wir gehen aus dem Raum, einige Flure entlang, eine Treppe hinauf und dann wird mir ein Zimmer zugewiesen. Und schon macht sie die Tür hinter mir zu und ich bin allein. Ohne nachzudenken, falle ich aufs Bett und schlafe gleich ein, so müde und erschöpft bin ich.

Im Dunkeln wache ich kurz auf, habe aber noch keine Kraft wach zu bleiben, ich bin in einer Art Dämmerzustand und schlafe wieder ein. Ich träume von Verfolgung, Folter und Schmerzen und wache erschrocken auf. Es ist dunkel. Im ersten Moment weiß ich nicht, wo ich bin. Mein Herz rast. Doch alles ist ruhig. Oder ist die Tür etwa abgeschlossen und ich bin hier gefangen? Eine Panik ergreift mich. Ich weiß nicht, wo der Lichtschalter ist. Somit taste ich mich im Dunkeln vorwärts und finde die Tür. Danach fühle ich den Türdrücker und drücke die Türklinke hinunter. Sie lässt sich öffnen. Eine Erleichterung erfasst mich. Schließlich schleiche ich wieder zurück in das Bett und versuche wieder einzuschlafen. Und aufgrund meiner großen Erschöpfung holt mich der Schlaf schnell wieder ein...

Geräusche wecken mich. Nun ist es hell. Der Tagesablauf der Menschen nimmt seinen Lauf. Langsam werde ich wach und schaue mich um. Ein schöner, verzierter Kleiderschrank aus Holz, ebenso zwei leicht verzierte, gepolsterte Stühle und ein kleiner, runder Tisch. Das große Bett ist auch aus Holz und verziert. Die Bettdecke so weich, ich habe gut geschlafen. In einer Ecke ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl. Ein relativ großes Zimmer mit einem riesengroßen Rundbogenfenster. Außerdem hängt ein großes Bild an der Wand, ein regelrechtes Kunstwerk mit Sonnenuntergang.

Ein neuer Tag; was mich wohl erwartet? Ich ziehe mich an und schaue aus dem Fenster. Die Sonne scheint und ich sehe in weiter Entfernung das Wasser, wohl ein größeres Gewässer, Häuser aus Holz und Stein, aber nur mit ein bis zwei Stockwerken, bepflanzte Wege und Gärten, Bäume und Büsche. Es erinnert mich an eine natürliche Ortschaft. Doch irgendwie wirkt es auch in die Vergangenheit zurückgesetzt und wirkt überhaupt nicht, als stammt es aus der modernen, jetzigen Welt.

Eine gewisse Unruhe herrscht in mir, es pulsiert in meinem Körper. Ich überlege, was ich nun tun soll, hinausgehen oder warten?

Im Zimmer führt eine Tür in ein kleines Bad. Dort erfrische ich mich mit kühlem Wasser. Plötzlich klopft es an der Zimmertür. „Guten Morgen, seid Ihr wach?“, fragt eine Stimme. Nach einem kurzen Moment öffne ich die Tür und schaue in grüne, strahlende, freundliche Augen, eine seltene Augenfarbe. Nun werde ich aufgefordert, mitzukommen und zu frühstücken. Ich habe einen großen Hunger und freue mich auf das Frühstück. Mein Platz ist der gleiche wie am Abend. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, in Gesellschaft zu frühstücken, aber ich sitze alleine am Tisch. Kein weiterer Mensch ist in dem Raum. Ein paar Minuten später wird mir mein Frühstück gebracht. Zuerst gibt es eine Art Brei mit Früchten in einem Schälchen und dazu einen Tee. Danach bekomme ich frische Teigfladen, eine Art Butter und drei verschiedene Schälchen mit Aufstrichen in gelb, grün und braun, die ich noch nicht genau definieren kann. Ein ganz ungewöhnliches Frühstück. Vorsichtig probiere ich das angebotene Essen. Es schmeckt nach Nuss, nach Frucht und nach Minze. Doch es ist sehr lecker. Ich bin vertieft in die neue Geschmackswelt und bemerke gar nicht, dass sich einige Menschen hinter mir versammeln.

Trotz der Nettigkeit, die mir hier entgegengebracht wird, weiß ich nicht, was sie mit mir vorhaben.

Der Mann von gestern fragt mich, ob ich gut geschlafen habe und ob mir das Frühstück mundet. Daraufhin antworte ich, dass es mir sehr gut schmecke, bedanke mich dafür und dass ich auch gut geschlafen habe. Alle an der Zahl lächeln mir zu und nicken ein bisschen. Sie stellen sich kurz mit ihrem Namen vor, Andor, Bator, Rima und Midosch. Solche ungewöhnlichen Namen habe ich noch nie gehört. Wo bin ich bloß gelandet? Ein merkwürdiges Gefühl erreicht mich im Inneren.

Einer der Leute sagt, dass sie mir nach dem Frühstück den Ort zeigen können. Ob ich Interesse daran habe. Selbstverständlich würde es mich interessieren und ich würde gerne mitkommen, entgegne ich. „Esst in Ruhe weiter, wir warten draußen auf Euch“, sagt einer der Männer.

Meine Gedanken rattern, was ich gleich wohl zu sehen bekomme? Ziemlich neugierig bin ich schon und beende alsbald mein Frühstück, bedanke mich bei der jungen netten Frau und verlasse das Haus.

Sie sitzen auf einer Bank vor dem Haus und lächeln mich an. Ich gehe auf sie zu und sie erheben sich von der Bank. Irgendwie sind sie mir mittlerweile sympathisch.

Einer ergreift das Wort, ich glaube es ist Andor:

„Nun nehme ich Euch etwas von der innerlichen Anspannung und Furcht, die bei Euch zu bemerken ist.

Wahrscheinlich habt Ihr Erfahrungen gemacht, die Euch in diese unsichere Situation und Misstrauen bringen.

Doch der meiste Teil der Menschheit benutzt sie wohl, indem sie Macht ausüben auf Menschen, um sie in Angst & Schrecken zu versetzen, damit sie fügsam sind.

Ich zeige Euch die Anderswelt und erkläre sie ein bisschen, doch sie ist von vielen Menschen nicht erwünscht und sie empfinden sie als zu langweilig. Wir möchten Euch einladen unsere Welt kennen zu lernen. Schaut Euch um, seht, prüft, fühlt …

Falls es Euch genehm ist, sie anzuschauen.

Auch die Anderswelt braucht ein paar Normen, damit alle gut zurechtkommen und im friedlichen Umgang miteinander sind.“

„Kommt mit & seht selbst!“

Er spricht wie ein weiser Mensch. In diesem Moment beruhigen mich diese Worte.

Dort, wo wir stehen, auf einer leichten Anhöhe, kann ich geradeaus in die Ferne schauen bis zum See oder Meer. Ein flacher, steingepflasterter, breiter Weg führt bis zum Wasser. In der Mitte des Weges zweigt jeweils rechts und links ein Pfad ab und in der Mitte befindet sich ein großer, runder Kreis, ein Rondell. Die Sonne und die Helligkeit spiegeln sich auf dem Weg, wahrscheinlich sind es Marmorplatten. Der grandiose glitzernde Anblick fesselt mich; Sonne, Meer, Bäume, Blumen, Häuser und die Boote. Alles erscheint so unreal, träume ich! Meine Welt ist so anders. Es herrscht solch eine Ruhe und nur vereinzelt ist ein Mensch auf dem Weg zu sehen. Die Luft riecht so frisch.

Ich glaube, es war Rima, die mich aus meinen Träumen herausholt und sagt, dass die Wege so angelegt sind, dass sie von Norden nach Süden und von Westen nach Osten weisen. Im Mittelpunkt befindet die Mitte des Ortes, die zu jeder Jahreszeit wieder neu geschmückt wird. Nach einem kurzen Moment werde ich darauf hingewiesen, dass wir zuerst zum Hafen gehen. Auf dem Weg sehe ich, wie alles üppig blüht, wie lachende Menschen zu hören sind und eine Fröhlichkeit sich zeigt. Die Menschen grüßen sich freundlich, wünschen sich einen schönen Tag und unterhalten sich gerne, wie mir übersetzt wird. Denn hier sprechen sie eine Sprache, die mir nicht bekannt ist. Steinhäuser, Holzhäuser mit höchstens einem Stockwerk darauf, verschiedene Bäume und üppige Gärten begleiten mich. Fast ist der Mittelpunkt erreicht. Im Mittelpunkt des Ortes kann jeder zu den Jahreszeiten das Rondell mit seinem selbstgemachten Werken, Pflanzen oder anderen Dingen schmücken, wird mir erläutert. So kann jeder, der möchte, diesen Ort bereichern. Jedes Mal wieder eine Überraschung. Mein Blick führt mich zu einer schönen Skulptur, die dort aufgestellt ist, sowie zu verschiedenen Töpfen mit bunten Blumen und Holzgegenständen. Viele bunte Girlanden sind rundherum verteilt.

Andor spricht in meiner Sprache zu mir mit den Worten: „Bevor wir den Hafen erreichen, wollen wir Euch das Haus des Wissens zeigen. Dort sind unsere gesamten Bücher verwahrt in der alten Bibliothek. Außerdem können wir dort lernen, was uns interessiert. Jeder Mensch hier hat seine Fähigkeiten und kann sie an uns weitergeben. Somit sind wir hier alle Lehrer. Es gibt auch noch ein Haus des Handwerks. Dort werden die Handwerke gezeigt, gelehrt und gelernt.“ Am Haus des Wissens angekommen, bestaune ich das große, alte Gebäude mit den hohen Halbbogenfenstern. Die Architekten haben sich unglaublich viel Mühe gegeben, um solch einen Prachtbau zu planen und zu errichten. Diesmal erzählt Bator weiter: „Alles wurde aus Naturmaterialien gebaut. Wir sind glücklich, es zu haben und lieben es einzutreten und stets Spannendes zu lernen. Selbst die Kinder kommen gerne her und lernen hier mit Begeisterung. Wir bieten für Kinder, Erwachsene oder alle zusammen verschiedene Lerneinheiten an, meistens in kleinen Gruppen, um intensiver zu lernen und zu fragen zu können. Auch Kinder lernen schreiben, lesen und rechnen in kleinen Gruppen. Jeder kann sich nach Fähigkeit und Talent weiterbilden. Es gibt keinen Zwang oder Druck, denn damit wird der Mensch nur blockiert. Die Freude am Lernen für sich selbst macht ihn glücklich. Die Neugier und das Interesse lassen ihn von selbst weiter machen. Durch Beobachtung haben wir es gesehen und bemerkt.

Ihr könnt gerne später in das Haus des Wissens eintreten und Euch selbst einen Eindruck verschaffen.“

Andor spricht: „Nun wollen wir weiter gehen und zum Hafen schauen. Ich weiß, es gibt viel zu sehen, sicherlich viel Interessantes für Euch und außerdem noch viele Fragen. Doch lasst Euch Zeit, alles Schritt für Schritt.“

Da es ein kleinerer Ort ist, sind in einiger Entfernung Schiffe & Boote zu sehen. Noch ein paar Minuten und wir sind am Hafen. Unterwegs treffen wir Leute & Kinder, die lachen und wie mir scheint, ein freundliches Wort in ihrer Sprache an die Vier richten. Die Sonne glitzert und treibt ihr Spielchen mit ihren Strahlen auf dem Wasser und anderen Oberflächen.

Wir nähern uns einem großen Platz, der ebenfalls mit glatten Steinplatten ausgelegt ist, der vor dem Hafen liegt und sich rechts und links noch weiter ausdehnt. „Hier“, sagt Andor, „ist der Hafenvorplatz, dort der Marktplatz und weiter hinten ein Ort jeglicher Feste.“

Und nun sehe ich sie, die Schiffe & Boote. Mir fällt auf, dass sie alle aus Holz gebaut sind. Es sind mehr kleine Boote und einige größere Schiffe, aber keine Dampfer. Alle haben schöne Verzierungen. Jetzt gehen wir die Stufen hinunter. Es ist schön angelegt mit Treppen und Bäumen auf dem Platz. Auf der linken Seite ist ein großer Sandstrand, wo ein paar Leute auf einem Strandtuch liegen und es baden welche im Wasser. Rechter Hand liegt der Zustieg für die Schiffe.

Ein Hafen fasziniert mich jedes Mal, da stets viel in Bewegung ist; das Wasserspiel, schaukelnde Boote, Ankommende & Wegfahrende - ein buntes Treiben. Es gefällt mir.

Eine Stimme holt mich aus meinen Träumen. „Hier seht Ihr den Hafen, wir lieben die Atmosphäre, die frische Brise, die Schiffe, die Boote & die Ausfahrt. Wie Ihr seht, geben wir uns viel Mühe, die Schiffe zu bauen und mit Schnitzereien zu versehen. Zunächst denkt Ihr wahrscheinlich, es ist ein Meer, aber es ist ein sehr großer See. In weiterer Entfernung sind unsere Nachbarn angesiedelt. Wie Ihr vielleicht seht, benutzen wir die Segel oder die Ruder. Jeder kann bei uns das Segeln erlernen. Für viele von uns ist es sehr aufregend und ein gewisses Abenteuer, auf den See hinaus zu fahren. Das Schiff in Bewegung bringen, die Segel setzen und dies mit der eigenen Kraft. Eine gute Zusammenarbeit und der Spaß dabei, erfreut uns. Wenn die Ruder ins Wasser gelassen werden und wir mit Kraftanstrengung sehen, wie das Schiff weiter und weiter auf die See getrieben wird. Zudem die frische Brise in den Lungen zu haben. Dieses Gefühl zu haben, erquickt die Seele. Die schönen Spiegelungen der Sonne auf dem Wasser, der blaue Himmel über uns.

Verzeiht, ich komme ins Schwärmen für die Seefahrt. Falls Ihr mögt, verweilt mit uns auf dieser großen Bank & genießt für einige Minuten das Hafenspektakel.“

Wir sitzen da und träumen vor uns hin. So etwas habe ich selten erlebt. Diesen Frieden, die Ruhe & ein Freiheitsgefühl. Niemand spricht ein Wort. Ein Schweigen und doch wohl eine geistige Verbindung. Ich fühle mich schwindelig & benommen. Haben sie irgendetwas gemacht mit mir oder bin ich es selber? In diesem Moment kann ich noch keine Antwort darauf finden...

Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Es ist wohl Andor, der sagt, dass er glaubt, dass ich vielleicht ein bisschen ein Freiheitsgefühl empfinden würde. Weiterhin meinte er, dass die Menschen von der Anderswelt fast täglich dieses Gefühl empfinden, da ihr Volk in Freiheit lebt, in Freundlichkeit, Liebe & im Einklang mit der Natur. Sie stehen mit ihr in Verbindung & haben gelernt, ihre Zeichen zu erkennen und mit ihr zu leben. Es macht sie sehr glücklich und gesund. Sie leben im Naturkreislauf und sind freundlich zu Menschen und Tieren. Weder Mensch noch Tier essen Fleisch oder Fisch. In ihrer Welt gibt es auch wenig Tierarten. Die Nahrung ist fast nur pflanzlich & einige wenige Tierprodukte. Alle Leute versuchen nur so viel wie nötig zu sich nehmen.

Die Pflanzen haben enorme Vitamine, Mineralstoffe und sehr viele Stoffe, die der Körper benötigt und braucht. Unser Volk und die Tiere sind gesund und kräftig. Wir leiden keinen Mangel. Vielleicht mag es für mich unglaublich klingen, aber es ist bei ihnen seit Jahrhunderten in diesem Sinne.

Auch sehen sie sich im Zusammensein und unterstützen den Einzelnen in schwierigen Situationen oder wenn sie ein Haus bauen. Die Gefahr des Menschen besteht oft in Gier, Neid, Selbstsucht und Macht. Hier versuchen sie auszuloten, im Gleichgewicht zu bleiben und sich gegenseitig zu unterstützen.

Jeder Mensch versucht nach seinen Fähigkeiten, das Geeignete für sich zu finden, um sich verwirklichen zu können.

Trotzdem müssen sie überleben und brauchen Nahrung & deshalb pflanzen und ernten sie gemeinsam, um sich zu versorgen. Bis jetzt hatten sie stets Spaß und Freude bei den Tätigkeiten. Sie werkeln in der Woche so 4 Tage und 3 Tage lassen sie es ruhiger angehen. Jeder kann es sich einteilen, wie er es möchte am Tage. Alle ihre Materialen kommen aus der Natur und können der Natur wieder zurückgegeben werden, ein Naturkreislauf.

Ich könne mir alles ansehen und selbst schauen, wie es ihnen geht. Ich soll in die lächelnden Gesichter schauen, die positive Haltung aus den Menschen heraushören.