Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II - Annett Reinkober - E-Book

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II E-Book

Annett Reinkober

0,0

Beschreibung

Fallsicher entscheiden Das Buch vermittelt das Grundwissen über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Zugrunde liegt eine Fallbearbeitung, die auf die aktuelle Rechtsprechung sowie die angewandte Verwaltungspraxis Bezug nimmt. Anschauliche Darstellung Die einzelnen Themengebiete werden mit einem Überblick über die rechtlichen Grundlagen eingeleitet und mit zahlreichen Übersichten und Tabellen ergänzt und erläutert. Anschließend erfolgt die Anwendung auf verschiedene Sachverhalte. Abgeschlossen wird das Themengebiet jeweils mit einem möglichen Prüfungsschema. Zahlreiche Beispiele Zunächst behandelt das Buch die Voraussetzungen für den Zugang zu den staatlichen Fürsorgeleistungen. Ein grundlegender Überblick zeigt die verschiedenen zu gewährenden Leistungen wie den Regelbedarf, den Mehrbedarf, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, aber auch die abweichende Erbringung von Leistungen. Die Ermittlung und Anrechnung von Einkommen und Vermögen wird anhand von zahlreichen Berechnungsbeispielen verdeutlicht. Praxisrelevante Probleme Das System der Sanktionen wird im Wesentlichen anschaulich gemacht, praxisrelevante Einzelprobleme werden im Rahmen der Fallbearbeitung erörtert. Zudem berücksichtigt die Autorin bei der Fallbearbeitung an das Rechtsgebiet angrenzende Ansprüche wie den Kinderzuschlag, den Unterhaltsvorschuss oder die Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bei der Fallbearbeitung. Erfahrene Expertin Die Autorin bringt ihre Erfahrung als Angestellte der Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und aus der damit verbundenen Tätigkeit als Trainerin für das Leistungsrecht für Angestellte ein. Das Buch eignet sich insbesondere für Rechtsanwender, die sich erstmals mit der Thematik beschäftigen oder sich einen schnellen Überblick über die praktischen Zusammenhänge der Regelungen verschaffen wollen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 368

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II

Eine Fallbearbeitung

Annett Reinkober

Rechtsanwältin und Angestellte bei der Bundesagentur für Arbeit

2. Auflage, 2018

Illustrationen: beaubelle – www.fotolia.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

2. Auflage, 2018

Print ISBN 978-3-415-06317-4 E-ISBN 978-3-415-06319-8

© 2011 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Péter Mács – stock.adobe.com

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Vorwort

Mit diesem Buch soll ein Grundwissen über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch anhand einer Fallbearbeitung unter Bezug auf die aktuelle Rechtsprechung und der angewandten Verwaltungspraxis geben werden.

Die einzelnen Themengebiete habe ich mit einem Überblick über die rechtlichen Grundlagen eingeleitet und mit zahlreichen Übersichten und Tabellen ergänzt. Anschließend erfolgt eine Anwendung auf verschiedene Sachverhalte. Zum Abschluss eines jeden Themengebietes habe ich ein mögliches Prüfungsschema gestellt.

Zunächst habe ich die Voraussetzungen für den Zugang zu den staatlichen Fürsorgeleistungen erläutert. Neben einem grundlegenden Überblick über die verschiedenen zu gewährenden Leistungen wie den Regelbedarf, den Mehrbedarf, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, aber auch die abweichende Erbringung von Leistungen, wurde von mir das Gewicht auch auf die Ermittlung und Anrechnung von Einkommen und Vermögen gelegt. Dies erfolgt anhand von zahlreichen Berechnungsbeispielen.

Ich veranschauliche das System der Sanktionen im Wesentlichen und erörtere praxisrelevante Einzelprobleme im Rahmen der Fallbearbeitung.

Zudem habe ich die an das Rechtsgebiet angrenzenden Ansprüche wie den Kinderzuschlag, den Unterhaltsvorschuss oder die Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bei der Fallbearbeitung berücksichtigt.

Das Fallbuch beruht auf meiner Erfahrung als Angestellte der Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und der damit verbundenen Tätigkeit als Trainerin für das Leistungsrecht für Angestellte, welche im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eingesetzt werden.

Es richtet sich an Rechtsanwender, die sich erstmals oder über eine abstrakte Darstellung der Regelungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch hinaus mit der Thematik beschäftigen, sei es in Ausbildung oder Beruf.

Die Lektüre möchte für Auszubildende sowie Mitarbeiter der Grundsicherungsträger einen schnellen Überblick und eine Erarbeitung im Zusammenhang bieten. Für Anwender auf Seiten des Bürgers, wie Rechtsanwälte, juristisch vorgebildete Mitarbeiter von Verbänden, Sozialpädagogen oder Betreuer, wird anhand der praktischen Aufbereitung der Auszahlungsanspruch nachvollziehbar, wodurch sie in ihrer beratenden Tätigkeit unterstützt werden sollen.

Asendorf, im April 2018

Annett Reinkober

Inhalt

Vorwort

Sachverhalt

1. Die Anspruchsberechtigten

1.1. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte

1.1.1. Die Altersgrenze

1.1.2. Erwerbsfähigkeit

1.1.3. Hilfebedürftigkeit

1.1.4. Gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland

1.2. Anwendung auf den Fall

1.2.1. Erwin

1.2.2. Erna

1.2.3. Hans

1.2.4. Hanna

1.2.5. Justin

1.2.6. Celine

1.2.7. Susanne

1.2.8. Laura

1.2.9. Björn

1.2.10. Birgit

1.2.11. Mark

1.2.12. Zusammenfassung

Prüfungsschema

2. Bildung von Bedarfsgemeinschaften

2.1. Personen in der Bedarfsgemeinschaft

2.1.1. § 7 Abs. 3 Nr. 1 Erwerbsfähiger Leistungsberechtigter

2.1.2. § 7 Abs. 3 Nr. 2 Eltern und Partner der Eltern

2.1.3. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Partnerin oder Partner

2.1.4. § 7 Abs. 3 Nr. 4 die Kinder

2.2. Anwendung auf den Fall

2.2.1. Bedarfsgemeinschaft von Erna

2.2.2. Bedarfsgemeinschaft von Hans

2.2.3. Bedarfsgemeinschaft von Susanne

2.2.4. Bedarfsgemeinschaft von Björn

Prüfungsschema

3. Ausschluss von den Leistungen nach dem SGB II

3.1. Ausschlusstatbestände

3.1.1. nach § 7 Abs. 4

3.1.2. nach § 7 Abs. 4a

3.1.3. nach § 7 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 6

3.2. Anwendung auf den Fall

3.2.1. Erwin

3.2.2. Hanna

3.2.3. Birgit

3.2.4. Mark

3.2.5. Zusammenfassung

Prüfungsschema

4. Der Leistungsanspruch

4.1. Art und Höhe der Leistungen

4.1.1. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld

4.1.2. Regelbedarf

4.1.3. Mehrbedarfe

4.1.4. Bedarfe für Unterkunft und Heizung

4.1.5. Bedarfe für Bildung und Teilhabe

4.2. Anwendung auf den Fall

4.2.1. Bedarfsgemeinschaft von Erna

4.2.2. Bedarfsgemeinschaft von Hans

4.2.3. Bedarfsgemeinschaft von Susanne

4.2.4. Bedarfsgemeinschaft von Björn

Prüfungsschema

5. Vermögen

5.1. Vermögensbegriff

5.2. Nicht zu berücksichtigendes Vermögen § 12 Abs. 3

5.2.1. Hausrat § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1

5.2.2. Kraftfahrzeug § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2

5.2.3. Altersvorsorge § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3

5.2.4. selbst genutztes Hausgrundstück § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4

5.2.5. Vermögen für Wohnzwecke behinderter oder pflegebedürftiger Menschen § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5

5.2.6. unwirtschaftliche Verwertung § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 1. Alt.

5.2.7. besondere Härte § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt.

5.2.8. Nicht zu berücksichtigendes Vermögen im Weiteren

5.3. Absetzungsbeträge Vermögen § 12 Abs. 2

5.3.1. Grundfreibetrag § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1

5.3.2. Grundfreibetrag minderjähriger Kinder § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a

5.3.3. Altersvorsorgefreibetrag nach Bundesrecht § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

5.3.4. weitere Altersvorsorgefreibeträge § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3

5.3.5. Freibetrag für notwendige Anschaffungen § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4

5.4. Unmöglichkeit der sofortigen Verwertung oder Vorliegen einer besonderen Härte

5.5. Anwendung auf den Fall

5.5.1. Bedarfsgemeinschaft um Erna

5.5.2. Bedarfsgemeinschaft um Hans

5.5.3. Bedarfsgemeinschaft um Susanne

5.5.4. Bedarfsgemeinschaft um Björn

Prüfungsschema

6. Einkommen

6.1. Einkommensbegriff

6.2. nicht zu berücksichtigendes Einkommen

6.2.1. Leistungen nach dem SGB II

6.2.2. Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz

6.2.3. Renten oder Beihilfen

6.2.4. Entschädigungen nach § 253 Abs. 2 BGB

6.2.5. Zweckbestimmte Leistungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften

6.2.6. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege

6.2.7. Zuwendungen Dritter

6.2.8. Nicht zu berücksichtigendes Einkommen nach der Alg II-V

6.3. Vom Einkommen abzusetzende Beträge

6.3.1. Steuern

6.3.2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung

6.3.3. Versicherungsbeiträge

6.3.4. Geförderte Altersvorsorgebeiträge

6.3.5. Werbungskosten

6.3.6. Freibetrag für Erwerbstätige

6.3.7. Gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen

6.3.8. Bei der Ausbildungsförderung berücksichtigtes Einkommen

6.4. Anwendung auf den Fall

6.4.1. Bedarfsgemeinschaft von Erna

6.4.2. Bedarfsgemeinschaft von Hans

6.4.3. Bedarfsgemeinschaft von Susanne

6.4.4. Bedarfsgemeinschaft von Björn

Prüfungsschema

7. Einkommensanrechnung

7.1. Bedarfsanteilsmethode

7.2. Anwendung auf den Fall

7.2.1. Die Bedarfsgemeinschaft von Erna

7.2.2. Die Bedarfsgemeinschaft von Hans

7.2.3. Die Bedarfsgemeinschaft von Susanne

7.2.4. Die Bedarfsgemeinschaft von Björn

Prüfungsschema

8. Sanktionen

8.1. Pflichtverletzungen

8.1.1. Die Tatbestände nach § 31 Abs. 1

8.1.2. Die Tatbestände nach § 31 Abs. 2

8.2. Rechtsfolge der Pflichtverletzung

8.2.1. Rechtsfolgen für über 25-Jährige

8.2.2. Rechtsfolgen bei unter 25-Jährigen

8.2.3. Ergänzende Sachleistungen

8.3. Beginn und Dauer der Minderung

8.4. Meldeversäumnisse

8.4.1. Meldepflicht

8.4.2. Die Meldeaufforderung

8.4.3. Das Versäumnis

8.4.4. Rechtsfolgenbelehrung

8.4.5. Wichtiger Grund

8.4.6. Rechtsfolge

8.5. Anwendung auf den Fall

8.5.1. Bedarfsgemeinschaft von Hans

8.5.2. Bedarfsgemeinschaft von Susanne

8.5.3. Bedarfsgemeinschaft von Björn

Prüfungsschema

Stichwortverzeichnis

Sachverhalt

In einem Mehrgenerationenhaus in Hamburg mit einer Wohnfläche von 210 qm lebt die Familie Böppels. Alle Bewohner des Hauses sind mit Wohnsitz dort gemeldet.

Das Haus selbst steht im Eigentum von Erna Böppels. Sie hat es von ihren Eltern geerbt und bewohnt es seit Jahren mit ihrem Ehemann Erwin.

Unterschlupf finden hier auch die gemeinsamen Kinder von Erwin und Erna. Das sind Hans, Susanne, Björn und Mark Böppels. Sie haben zum Teil bereits eigene Partner und Kinder.

Mit jedem Kind haben die Eltern einen Mietvertrag geschlossen, wonach sie sich jeweils zu einer geringen Kaltmiete und der Beteiligung an den Nebenkosten verpflichten. Bei Beachtung aller anfallenden Kosten wie Wasser, Heizung, Grundsteuer, Müllgebühren und Versicherungen ergeben sich im Monat durchschnittlich 730 Euro Nebenkosten. Die Berechnung des Nebenkostenanteils erfolgte anhand der privaten Wohnanteile der einzelnen Wohnparteien im Verhältnis zur insgesamt privat genutzten Wohnfläche. Dadurch beteiligen sich alle gleichermaßen an den Nebenkosten die im Hinblick auf die gemeinsam genutzte Wohnfläche entstehen.

Erna und Erwin Böppels

sind miteinander seit Jahren glücklich verheiratet. Erwin ist 67 Jahre alt und bezieht eine Rente wegen Alters nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Erna Böppels wurde 1954 geborgen. Sie ist heute 65 Jahre alt und wird in sechs Monaten 66. Sie leidet an Diabetes mellitus Typ 1. Zusammen bewohnen sie in dem Haus zur reinen privaten Nutzung ein Zimmer mit einer Größe von 20 qm.

Hans Böppels

ist der älteste Sohn von Erna und Erwin. Er ist 32 Jahre alt und mit Hanna, 31 Jahre alt, verheiratet. Während Hans einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgeht, erhält Hanna eine sogenannte „Arbeitsmarktrente“. Hans und Hanna haben zwei Kinder. Justin ist 9 Jahre alt und Celine ist 3 Jahre alt.

Hans und Hanna bewohnen ein Zimmer von 25 qm und Justin und Celine teilen sich ein Zimmer von 20 qm.

Der Mietvertrag, den Hans mit seinen Eltern über diese zwei Zimmer einschließlich der Nutzung der gemeinsamen Wohnfläche geschlossen hat, beläuft sich auf eine Nettokaltmiete von 200 Euro monatlich zuzüglich einem Anteil an den Nebenkosten in Höhe von monatlich 252 Euro. Hans zahlt daher jeden Monat 452 Euro Miete.

Susanne Böppels

ist die gemeinsame Tochter von Erna und Erwin. Sie ist 24 Jahre alt und bereits selbst Mutter einer kleinen Tochter namens Laura. Laura ist ein Jahr alt.

Susanne bewohnt mit ihrer Tochter Laura ein 25 qm großes Zimmer, für welches sie eine monatliche Miete an ihre Eltern in Höhe von insgesamt 240 Euro zahlt. Diese setzt sich aus einer Kaltmiete von 100 Euro und einem Nebenkostenanteil von 140 Euro zusammen.

Björn Böppels

ist ein weiterer gemeinsamer Sohn von Erna und Erwin. Er ist 22 Jahre alt und seit 11 Monaten zusammen mit Birgit. Birgit ist 21 Jahre alt und studiert Archäologie an der Universität Hamburg. In diesem Zusammenhang erhält sie Leistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von 649 Euro.

Beide haben sich kürzlich verlobt.

Ihren Anteil für die Miete, sowie einen weiteren Betrag für die gemeinsame Haushaltsführung überweist sie jeden Monat auf ein mit Björn zusammen bewirtschaftetes Konto, von dem alle notwendigen Lebenshaltungskosten abgehen. Dieses Konto haben sie eingerichtet, als Birgit die Zusage für ein Auslandspraktikum erhalten hat. Seit 2 Wochen befindet sie sich aufgrund eben dieses Praktikums für insgesamt 6 Wochen in Spanien. Birgit kann das Praktikum nur machen, weil sie auf ihrem Sparbuch noch über 2.000 Euro hatte, die sie vollumfänglich dafür eingesetzt hat.

Nach Ihrer Rückkehr wollen Björn und Birgit sofort heiraten, da Birgit in der 11. Woche schwanger ist. Der Termin für die Hochzeit steht bereits fest.

Björn und Birgit haben für ihre Privatsphäre ein Zimmer von 25 qm. Da sie über den gleichen Wohnraum wie Susanne und Laura verfügen, schulden auch sie jeden Monat Erna und Erwin eine Miete in Höhe von 240 Euro.

Mark Böppels

ist der jüngste Sohn von Erna und Erwin. Er ist 16 Jahre alt und besucht die 10. Klasse eines Hamburger Gymnasiums. Seine Schülermonatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel kostet im Monat 42 Euro.

Mark leidet an Neurodermitis und ist in ständiger ärztlicher Behandlung. Durch die Anwendung bestimmter Pflegeprodukte kann er den Krankheitsverlauf jedoch sehr positiv beeinflussen. Diese schlagen mit zusätzlichen Kosten, welche nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von 22 Euro monatlich zu Buche.

Mark hat ein eigenes Zimmer. Es hat eine Größe von 15 qm. Er zahlt noch keine Miete, da er nicht über eigenes Einkommen verfügt.

Es soll geprüft werden, welche Personen einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) haben.

1. Die Anspruchsberechtigten

Zunächst ist zu prüfen, wer überhaupt Zugang zu Leistungen nach dem SGB II erhält. Wie andere Sozialleistungen auch, ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende an bestimmte persönliche Voraussetzungen geknüpft.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 11 erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der erwerbsfähige Leistungsberechtigte und nach § 7 Abs. 2 Satz 1 die Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nimmt damit im System der Anspruchsberechtigung eine zentrale Rolle ein. Einen direkten Zugang zu den Leistungen der Grundsicherung hat nur derjenige, der selbst in seiner Person alle Voraussetzungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfüllt. Personen, auf die das nicht zutrifft, müssen zumindest einer Bedarfsgemeinschaft einer solchen Person zuzuordnen sein, damit sie die Leistungen beanspruchen können. Dies bedeutet, dass ohne den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beansprucht werden können.

Seine Voraussetzungen sind in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 legal definiert. Leistungen erhalten danach Personen, die

nach Nr. 1 das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

nach Nr. 2 erwerbsfähig sind,

nach Nr. 3 hilfebedürftig sind und

nach Nr. 4 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

1.1. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte

1.1.1. Die Altersgrenze

Erwerbsfähiger Leistungsberechtigter kann nur sein, wer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 das 15. Lebensjahr bereits vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hat.

Die Altersgrenze von 15 Jahren findet sich zum einen in § 36 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), welcher die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit regelt. Danach können erst mit Vollendung dieses Lebensalters wirksam Anträge auf Sozialleistungen gestellt und auch entgegengenommen werden. Das SGB I legt damit die grundsätzliche Anspruchsberechtigung für alle Sozialgesetzbücher und damit auch für das SGB II fest.2

Zum anderen findet sich die Altersgrenze im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Nach § 5 Abs. 1 JArbSchG ist die Beschäftigung von Kindern verboten. Gemäß § 2 JArbSchG ist Kind, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. Kinder dürfen lediglich in Ausnahmefällen und unter einer Reihe von zeitlichen und qualitativen Einschränkungen beschäftigt werden, mithin nicht zu den Bedingungen des „allgemeinen“ Arbeitsmarktes.3 Erst ab dem 15. Lebensjahr ist es mithin rechtlich erlaubt, seinen Lebensunterhalt durch die kontinuierliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sichern. Da es sich beim Zweiten Buch Sozialgesetzbuch um die Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt, ergibt sich folglich dieses Mindestalter des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.

Auf der anderen Seite ist das Höchstalter des § 7a nicht zu überschreiten. In tabellarischer Form, dem § 235 SGB VI entnommen, kann nach dem Geburtsjahr des Antragstellers das Höchstalter abgelesen werden. Hintergrund ist das Erreichen eines bestimmten Alters, nämlich des Regelrenteneintrittsalters als wesentliche Voraussetzung für den Bezug der Altersrente nach dem SGB VI. Aufgrund der demografischen Entwicklung wurde dieses stufenweise – abhängig von dem Geburtsjahr – angehoben. Begonnen mit dem Geburtsjahr 1947, für das eine Anhebung des Regelrenteneintrittsalters von 65 Jahren um einen Monat vorgesehen ist, bis hin zum Geburtsjahr 1964, ab dem mit 67 Jahren eine Altersrente regulär beansprucht werden kann.

Wenn also mit dem Erreichen des Regelrenteneintrittsalters einer Rente wegen Alters nach dem SGB VI nichts mehr im Wege steht, liegt für den Betroffenen darin eine anderweitige Absicherung des Lebensunterhalts vor, so dass es der Grundsicherung für Arbeitsuchende daneben nicht bedarf. Aber auch wenn ein Anspruch auf Altersrente nicht gegeben ist oder er der Höhe nach nicht ausreicht, erfolgt kein Rückgriff auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, sondern ersatzweise oder ergänzend auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Altersgrenze nach § 7a bzw. § 235 SGB VI kommt dabei nicht wie § 5 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 JArbSchG einem Beschäftigungsverbot gleich. Dem Nachgehen einer Erwerbstätigkeit nach Erreichen des Regelrenteneintrittsalters steht jedem frei. Nur das Risiko, dass der erwirtschafte Verdienst nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht, wird nicht durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II getragen.

1.1.2. Erwerbsfähigkeit

Die Erwerbsfähigkeit als zweite Voraussetzung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist in § 8 Abs. 1 definiert. Erwerbsfähig ist danach, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Hauptkriterium ist mithin die zeitliche Komponente von drei Stunden. Können täglich drei Stunden Arbeitsleistung erbracht werden, gilt die Person als erwerbsfähig. Der Rechtskreis des SGB II ist einschlägig. Können die drei Stunden täglich nicht geleistet werden, fehlt es an der Erwerbsfähigkeit und damit an einer wesentlichen Voraussetzung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Ob eine Leistungsfähigkeit in dem erforderlichen Umfang vorhanden ist, entscheidet sich anhand der weiteren Kriterien der Erwerbsfähigkeit.

Zunächst muss der Hinderungsgrund für eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden in einer Krankheit oder Behinderung liegen. Als Krankheit bezeichnet man jeden regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand, der geeignet ist, die Leistungsfähigkeit herabzusetzen.

Ähnlich definiert sich die Behinderung. Diese liegt nach § 2 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei einer körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung vor, welche länger als sechs Monate andauert und von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt.

Entscheidend ist ein physisches oder psychisches Unvermögen. Der Hinderungsgrund muss auf einer körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung beruhen. Andere Hinderungsgründe, wie etwa die Betreuung eines Kindes oder die Pflege eines Angehörigen sind nicht geeignet die Erwerbsfähigkeit zu verneinen. Subjektiv empfinden die Betroffenen es natürlich als unmöglich, zusätzlich noch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Da diese jedoch objektiv festgestellt wird und die Betreuung oder Pflege nicht zu einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung des Betreuenden oder Pflegenden führt, ist die Erwerbsfähigkeit bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen vorhanden. In diesen Fällen geht es vielmehr um die Frage der Zumutbarkeit einer Arbeit im Sinne des § 10. So mag die Betreuung eines Kindes unter 3 Jahren die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 unzumutbar machen, das hat im Regelfall jedoch keine Auswirkungen auf den Umfang der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit.

Der Begriff der Erwerbsfähigkeit umfasst bereits nach dem allgemeinen Verständnis in Abgrenzung zur herkömmlichen Arbeitsunfähigkeit nur Beeinträchtigungen von gewisser Schwere. Angelehnt an den zu § 43 SGB VI entwickelten Begriff der Erwerbsunfähigkeit, kommt diese nur in Betracht, wenn innerhalb eines Prognosezeitraumes von sechs Monaten nicht mit einer Genesung zu rechnen ist. Die Definition der Behinderung enthält bereits in § 2 Abs. 1 SGB IV den Zeitraum von einem halben Jahr als Beurteilungsgrundlage.

Das Ausüben einer Erwerbstätigkeit in einem Umfang von drei Stunden täglich muss zudem unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich sein. Unter den üblichen Bedingungen ist das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, das heißt unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt.4 Hierzu gehören sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften, als auch tatsächliche Umstände, wie zum Beispiel die die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistiger Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz. Üblich sind Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl.

Sofern es sich bei den Anspruchsstellern um Ausländer oder Ausländerinnen handelt, ist neben der tatsächlichen Erwerbsfähigkeit auch die rechtliche Erwerbsfähigkeit erforderlich. Diese kann nur angenommen werden, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder zumindest erlaubt werden könnte.

1.1.3. Hilfebedürftigkeit

Weiterhin muss der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 auch hilfebedürftig sein. Die nachrangigen Leistungen der Grundsicherung sollen nur jene unterstützen, die nicht selbst finanziell für sich sorgen können und auf Hilfe angewiesen sind. Nach § 9 Abs. 1 liegt Hilfebedürftigkeit vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, zu erwarten ist.

Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist mithin umfangreich.

Es ist zu prüfen, welche Bedarfe für den Antragsteller und gegebenenfalls die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bestehen. Dies sind regelmäßig der Regelbedarf, gegebenenfalls die Mehrbedarfe und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Diese Bedarfe müssen gedeckt werden, durch zu berücksichtigendes und anzurechnendes Vermögen, aber auch durch zufließendes Einkommen. Dies können auch Leistungen Dritter sein, wie etwa von Angehörigen. Typischerweise verringern Unterhaltszahlungen die Hilfebedürftigkeit und lassen sie im Einzelfall auch entfallen. Ebenso verhält es sich mit vielen Leistungen anderer Sozialleistungsträger, wie etwa Unterhaltsvorschuss, Kindergeld, Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), Krankengeld und Elterngeld. Diese Leistungen können sich auf die Höhe der auszuzahlenden Hilfe zum Lebensunterhalt auswirken. Nach § 12a sind die Leistungsberechtigten verpflichtet die Palette der Sozialleistungen anderer Träger auszuschöpfen, indem sie die entsprechenden Anträge stellen. Soweit der Hilfesuchende davon keinen Gebrauch macht, kann nach § 5 Abs. 3 der Träger der Grundsicherungsleistungen den Antrag stellen.

Andere Leistungen dagegen werden nicht auf den SGB II Bedarf angerechnet, sondern wirken gegenüber den Leistungen der Grundsicherung ausschließend und beseitigen damit die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II. Hierzu gehören vor allem der Kinderzuschlag und das Wohngeld. Die Pflicht der Inanspruchnahme beschränkt sich nach § 12a Satz 2 Nr. 2 für diese Leistungen auf den Fall der Beseitigung der Hilfebedürftigkeit für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten. Die Rente wegen Alters gehört ebenfalls zu einer in Anspruch zu nehmenden Leistung eines anderen Sozialleistungsträgers. Nach § 12a besteht sogar die Pflicht des Leistungsberechtigten bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Rente wegen Alters vorzeitig und damit gegebenenfalls auch unter Einbußen in der Rentenhöhe in Anspruch zu nehmen. Dies dient der Sicherung des Nachrangs der Leistungen der Grundsicherung, so dass ein Verweis auf vorrangige Leistungen wie die Altersrente durchaus verfassungsgemäß ist.5

1.1.4. Gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland

Bei der vierten Voraussetzung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 handelt es sich um den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

Der Wohnsitz stellt gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt in der Regel ein Mehr dar, so dass der gewöhnliche Aufenthalt als ein Minus zum Wohnsitz in diesem aufgeht.6 Eine Prüfung ist daher regelmäßig nur dann erforderlich, wenn es an einem Wohnsitz gänzlich fehlt7 oder Zweifel an der tatsächlichen Nutzung der als Wohnsitz gemeldeten Wohnung bestehen. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I ist der Wohnsitz dort, wo jemand eine Wohnung unter Umständen innehält, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird, wobei auf das tatsächliche Nutzen der Wohnung abzustellen ist.

Fehlt es an einem festen Wohnsitz ist der gewöhnliche Aufenthalt zu prüfen. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend ist dabei der tatsächliche Lebensmittelschwerpunkt des Betroffenen.8 Nicht erforderlich ist im Nachhinein der tatsächliche dauerhafte oder längere Aufenthalt an diesem Ort oder in diesem Gebiet. Es genügt der Wille, zukunftsoffen zu verweilen.9 Nicht ausreichend ist dagegen allein der Wunsch, an einem bestimmten Ort für eine unbestimmte Zeit zu verweilen.10

1.2. Anwendung auf den Fall

1.2.1. Erwin

Um erwerbsfähiger Leistungsberechtigter zu sein, müsste Erwin die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 erfüllen. Dafür müsste er zunächst mindestens 15 Jahre alt sein und dürfte die Höchstaltersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben. Erwin ist 67 Jahre alt. Damit verfügt er über die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 SGB I. Er hat jedoch bereits unabhängig von seinem Geburtsjahr sein persönliches Regelrenteneintrittsalter erreicht und ist damit grundsätzlich berechtigt, eine Rente wegen Alters nach dem SGB VI beim Rentenversicherungsträger zu beanspruchen, um seinen Lebensunterhalt auf diese Weise abzudecken. Dies genügt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 um Erwin als erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auszuschließen. Dass er bereits eine Rente wegen Alters bezieht, ist für die Prüfung der Altersgrenze nicht relevant.

Folglich erfüllt Erwin nicht selbst die Voraussetzungen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und ist als solcher auch nicht anspruchsberechtigt. Er könnte allenfalls noch über die Zuordnung zu einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 Satz 1 dennoch Zugang zu den Leistungen der Grundsicherung erhalten. Dies ist gesondert zu prüfen.

1.2.2. Erna

Ferner kommt Erna als erwerbsfähige Leistungsberechtigte in Betracht.

Altersgrenze

Sie müsste die Mindestaltersgrenze von 15 Jahren und die Höchstaltersgrenze, welche das persönliche Regelrenteneintrittsalter bildet, einhalten. Erna wird in 6 Monaten 66 Jahre alt. Derzeit ist sie mithin 65 Jahre und 6 Monate alt. Damit hat Erna das Mindestalter erreicht. Ihr Regelrenteneintrittsalter beträgt 65 Jahre und 8 Monate. Dies hat sie noch nicht überschritten. Das Kriterium des Alters hat Erna damit erfüllt.

Erwerbsfähigkeit

Im Weiteren müsste Erna erwerbsfähig sein. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Als eine die Erwerbsfähigkeit einschränkende Krankheit kommt allenfalls die Diabetes Mellitus Typ 1 in Betracht. Als Krankheit bezeichnet man jeden regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand, der geeignet ist, die Leistungsfähigkeit herabzusetzen. Eine Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ 1 kann je nach Ausprägung zu mehr oder weniger gravierenden Einschränkungen führen. Eine Diabetes-Erkrankung schränkt die Erwerbsfähigkeit jedoch nicht per se ein.11 Grundsätzlich ist von der Erwerbsfähigkeit des Arbeitsuchenden auszugehen, so dass die Einleitung des Verfahrens zur Feststellung des Vorliegens einer ausreichenden gesundheitlichen Leistungsfähigkeit erst bei Zweifeln erfolgt.12 Diese sind insbesondere angezeigt, wenn der Betroffene seinen Krankengeldanspruch bereits ausgeschöpft hat.13 Dieser besteht nach § 48 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) längstens für die Dauer von 78 Wochen für dasselbe Krankheitsbild. Ist in dieser Zeit – von über einem Jahr – keine Genesung eingetreten, ist fraglich, ob künftig in dem Prognosezeitraum für die Erwerbsfähigkeit von sechs Monaten damit zu rechnen ist. Weitere Anhaltspunkte können die Beantragung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die mehrfache Ablehnung von Arbeit aus gesundheitlichen Gründen oder auch das subjektive Empfinden einer nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit sein.14 Derartige Anhaltspunkte liegen im Fall von Erna nicht vor. Es kann mithin von einer Erwerbsfähigkeit ausgegangen werden.

Hilfebedürftigkeit

Erna müsste zudem hilfebedürftig sein. Hilfebedürftigkeit liegt nach § 9 Abs. 1 vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, zu erwarten ist.

Als vorrangige Leistung eines anderen Sozialleistungsträgers kommt im Fall von Erna die Rente wegen Alters in Betracht. Nach § 12a Satz 2 Nr. 1 ist der Leistungsberechtigte verpflichtet mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Altersrente in Anspruch zu nehmen. Erna ist bereits 65 Jahre, so dass die Vorschrift grundsätzlich Anwendung findet, soweit nicht ein Fall unbilliger Härte im Sinne der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung – UnbilligkeitsV) vorliegt. Soweit das Gesetz von einer unbilligen Härte spricht, liegt diese selbst nie in der eigentlichen Regelung. Dass der oder die Betroffene die Rente vorzeitig in Anspruch nehmen muss und in der Regel einen Verlust in der Höhe der monatlichen Bezüge erfährt, ist nicht die unbillige Härte. Diese Regelung wurde bewusst getroffen. Eine unbillige Härte könnte nach der UnbilligkeitsV jedoch zum Beispiel vorliegen, wenn durch die frühzeitige Inanspruchnahme ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt, die Rente in naher Zukunft abschlagsfrei beansprucht werden könnte, eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird oder zeitnah ausgeübt werden soll oder wenn die Rente aufgrund der Abschläge nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts genügen würde und eine Grundsicherung wegen Alters nach dem SGB XII erforderlich würde.

In Betracht kommt eine Unbilligkeit aufgrund der Möglichkeit zeitnah eine abschlagsfreie Rente nach § 3 UnbilligkeitsV zu erhalten. Nach den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit besteht die Möglichkeit zeitnah bei einem Zeitraum von drei Monaten.15 Ausgehend von dem Geburtsjahr 1954 erreicht sie nach § 7a ihr Regelrenteneintrittsalter und damit den Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente mit 65 Jahren und 8 Monaten. Eine Unbilligkeit der Aufforderung zur Inanspruchnahme einer nicht abschlagsfreien Rente beginnt im Fall von Erna mit 65 Jahren und 5 Monaten. Erna wird in sechs Monaten 66 Jahre alt. Sie ist mithin 65 Jahre und 6 Monate alt. Damit wäre der Verweis auf die Inanspruchnahme der vorrangigen Leistungen nach dem SGB VI unbillig.

Eine Hilfebedürftigkeit und somit eine Anspruchsberechtigung scheidet daher zumindest aus diesem Grund nicht aus.

Im Weiteren ist zu prüfen, inwiefern Erna ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Erna verfügt über ein regelmäßiges Einkommen in Form der Mieteinnahmen. Beachtlich ist zudem das auf Erna im Grundbuch eingetragene Haus, welches als Vermögen einen solchen Wert darstellen könnte, dass eine Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen ist. Bevor diese Werte zur Verminderung oder Beseitigung der Hilfebedürftigkeit herangezogen werden, ist jedoch zu prüfen, ob es sich um zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen handelt und in welcher Höhe bestimmte Beträge von den zu berücksichtigenden Werten vor der Anrechnung in Abzug zu bringen sind. Die Frage, ob dieses Haus als Vermögen überhaupt zu berücksichtigen ist, mit welchem Verkehrswert es gegebenenfalls anzusetzen wäre oder ob es unter die Freibeträge fällt, hat mithin anhand einer eigenen Prüfung zu erfolgen. Weder die Mieteinnahmen, noch das Haus sind geeignet, die Hilfebedürftigkeit offensichtlich entfallen zu lassen. Daher scheitert es an dieser Stelle nicht an der Anspruchsberechtigung von Erna. Eine Berücksichtigung erfolgt bei der Frage der Bedarfsdeckung durch Einkommen und Vermögen.

Gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland

Um alle Voraussetzung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu erfüllen, müsste Erna gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. In der Regel ist davon auszugehen, dass der Wohnsitz gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt ein Mehr darstellt, so dass der gewöhnliche Aufenthalt als ein Minus zum Wohnsitz in diesem aufgeht.16 Erna ist mit ihrem Wohnsitz in Hamburg gemeldet. Dort bewohnt sie mit ihrer Familie ein Haus, welches von ihr auch tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt wird. Anhaltspunkte, welche gegen einen Lebensmittelschwerpunkt in Hamburg sprechen, wie die Absicht eines nur vorübergehenden Verweilens, sind nicht ersichtlich. Folglich liegt ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I vor.

Folglich liegen alle Voraussetzungen einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person vor, so dass Erna originär anspruchsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 ist.

1.2.3. Hans

Hans könnte ebenfalls die Voraussetzungen einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person erfüllen.

Zunächst müsste er die Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7a erfüllen. Sie beginnt mit der Vollendung des 15. Lebensjahres und endet mit dem persönlichen Regelrenteneintrittsalter. Hans ist 32 Jahre alt. Folglich liegt sein Alter weder unterhalb noch oberhalb der erforderlichen Grenzen.

Hans müsste zudem erwerbsfähig nach § 8 Abs. 1 sein. Dies setzt voraus, dass er körperlich und geistig in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Daran bestehen vorliegend keine Zweifel, so dass auch dies gegeben ist.

Ferner müsste Hans nach einer ersten Prüfung hilfebedürftig sein. Daran könnte es aufgrund eines regelmäßigen Einkommens aus Erwerbstätigkeit fehlen. Ob dieses geeignet ist, seine und die Hilfebedürftigkeit der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beseitigen oder ob es ausreicht auf eine vorrangige Leistung, wie Wohngeld oder Kinderzuschlag zu verweisen, bedarf jedoch einer konkreten Berechnung. Im Rahmen der Anspruchsberechtigung kann die Hilfebedürftigkeit an dieser Stelle noch nicht verneint werden.

Zuletzt bedarf es des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland.17 Hans ist mit Wohnsitz in Hamburg und damit in Deutschland gemeldet. Der Wohnsitz stellt in der Regel gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt ein Mehr dar.18 Damit liegt auch diese Voraussetzung vor.

Folglich erfüllt Hans alle Voraussetzungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in seiner Person und kann als originär Berechtigter Leistungen der Grundsicherung beanspruchen.

1.2.4. Hanna

Fraglich ist, ob auch Hanna erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 ist.

Altersgrenze

Sie müsste zunächst nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ein bestimmtes Alter haben. Sie muss das 15. Lebensjahr bereits vollendet haben und darf die Höchstaltersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben. Mit 31 Jahren erfüllt sie die Voraussetzungen unabhängig von ihrem Geburtsjahr, so dass die Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7a erfüllt ist.

Erwerbsfähigkeit

Hanna müsste ferner erwerbsfähig sein. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hanna bezieht vom Rentenversicherungsträger eine sogenannte „Arbeitsmarktrente“. Fraglich ist, ob damit eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II ausgeschlossen ist.

Bezieher einer Arbeitsmarktrente erhalten eine Rente wegen Erwerbsminderung in voller Höhe vom SGB VI Leistungsträger, der Rentenversicherung. Die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit erfolgt auch hier nach der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Ermöglicht diese eine Beschäftigung von drei Stunden täglich, ist eine Erwerbsfähigkeit gegeben. Liegt das Leistungsvermögen darunter, liegt Erwerbsunfähigkeit vor. Bei der Frage nach der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, wird jedoch nicht nur zwischen Erwerbsfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit unterschieden, sondern kann das Ergebnis auch eine teilweise Erwerbsminderung sein, wenn die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zwar eingeschränkt ist, aber eine Beschäftigung von drei bis unter sechs Stunden ausgeübt werden kann. Der Betroffene kann und soll in diesem Fall sein Restleistungsvermögen auf dem Arbeitsmarkt einsetzen und neben der Erwerbsminderungsrente durch eine Teilzeittätigkeit seinen Lebensunterhalt erwirtschaften. Ist dieser noch mögliche Teilzeitarbeitsmarkt jedoch faktisch verschlossen, besteht ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung in voller Höhe. Diese wird jedoch nur befristet gewährt und somit regelmäßig geprüft, ob wieder der Zugang zum Teilzeitarbeitsmarkt besteht.

Der Begriff der Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 ist stark angelehnt an den Begriff der Erwerbsfähigkeit der Rentenversicherung nach § 43 Abs. Satz 2 SGB VI, so dass die volle Erwerbsminderung im Sinne einer Arbeitsmarktrente auch auf Erwerbsfähigkeit im Rechtskreis des SGB II durchschlagen könnte. Bei den Beziehern einer Arbeitsmarktrente fallen der rentenversicherungsrechtliche und der grundsicherungsrechtliche Begriff der Erwerbsfähigkeit jedoch auseinander.19 Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende kommt es allein auf den zeitlichen Umfang an, in dem eine Tätigkeit entsprechend dem Leistungsbild auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden kann.20 Entscheidend ist allein das tatsächliche Können und nicht die Möglichkeit, dieses Können auf dem Arbeitsmarkt zur Sicherung der materiellen Existenz einsetzen zu können.

Hanna ist physisch und psychisch in der Lage, am Tag mehr als drei Stunden zu arbeiten. Daher ist sie im Rechtskreis SGB II als erwerbsfähig anzusehen. Der Bezug einer „Arbeitsmarktrente“ ist insoweit ohne Bedeutung. Somit ist Hanna erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 1.

Hilfebedürftigkeit

Ferner müsste Hanna hilfebedürftig sein. Hilfebedürftigkeit liegt nach § 9 Abs. 1 vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, zu erwarten ist. Die von Hanna bezogene Arbeitsmarktrente ist eine vorrangige Leistung nach § 12a und ist geeignet die Hilfsbedürftigkeit zu verringern oder entfallen zu lassen. Dies erfolgt innerhalb der Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf die Bedarfe nach dem SGB II.

Gewöhnlicher Aufenthalt

Die mögliche erwerbsfähige leistungsberechtigte Person müsste zudem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Hanna ist mit Wohnsitz in Hamburg gemeldet. Insoweit wird auf die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts im Falle von Erna verwiesen.21 Damit ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 erfüllt.

Folglich ist Hanna erwerbsfähige Leistungsberechtigte und kann unmittelbar Leistungen der Grundsicherung beanspruchen.

1.2.5. Justin

Als erwerbsfähige leistungsberechtigte Person müsste Justin zunächst die Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erfüllen. Dafür muss er das das 15. Lebensjahr vollendet und darf die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben. Justin ist 9 Jahre alt. Es scheitert demnach schon an dem Mindestalter. Mithin ist Justin kein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter. Er kann die Leistungen der Grundsicherung allenfalls nach § 7 Abs. 2 Satz 1 als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft erhalten.

1.2.6. Celine

Celine müsste für eine originäre Anspruchsberechtigung die Voraussetzungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfüllen. Dies erfordert wiederum die Einhaltung der Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7a, das Mindestalter von 15 Jahren und das Nichterreichen des persönlichen Regelrenteneintrittsalters. Celine ist erst drei Jahre alt. Damit kann sie nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte sein. Eine Anspruchsberechtigung kommt nur über die Zuordnung zu einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft in Betracht.

1.2.7. Susanne

Susanne könnte erwerbsfähige Leistungsberechtigte im System der Anspruchsberechtigten sein. Sie müsste die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 erfüllen.

Susanne müsste sich innerhalb der normierten Altersgrenzen befinden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 muss das 15. Lebensjahr vollendet und darf das Alter für die Inanspruchnahme einer Rente nach § 7a noch nicht erreicht haben. Mit 24 Jahren hat sie das Mindestalter erreicht und das Höchstalter – unabhängig von ihrem Geburtsjahr – noch nicht überschritten. Somit ist Susanne aufgrund ihres Alters nicht als erwerbsfähige Leistungsberechtigte ausgeschlossen.

Ferner müsste Susanne erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 sein. Erwerbsfähig ist danach, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass Susanne ein Kind von einem Jahr betreut. Die Betreuung von kleinen Kindern wird im Gesetz vielfach unter Schutz gestellt. So besteht nach § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ein Anspruch auf Elternzeit für denjenigen, der ein Kind unter drei Jahren im eigenen Haushalt selbst betreut und erzieht. Auch das SGB II trifft besondere Regelungen für Personen, die ein Kind unter drei Jahren betreuen. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 gilt eine Arbeit als nicht zumutbar, wenn die Ausübung die Erziehung eines Kindes gefährden würde. Dies ist in der Regel nicht mehr anzunehmen, wenn das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat und die Betreuung in einer Tageseinrichtung sichergestellt ist. Eine Pflicht, das Kind vor Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Kindertagesstätte betreuen zu lassen besteht nicht. Es steht den Eltern aber natürlich frei, das Kind vor Vollendung des dritten Lebensjahres in die Betreuung zu geben und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Laura ist ein Jahr alt. Susanne ist es nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 nicht zumutbar einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Frage der Zumutbarkeit berührt jedoch nicht die Frage der Erwerbsfähigkeit. Die Tatsache, dass Susanne ein Kind unter drei Jahren betreut, schränkt sie nicht in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit ein. Nur darum geht es jedoch bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit. Somit ist Susanne erwerbsfähig.

Ferner müsste Susanne hilfebedürftig sein. Hilfebedürftigkeit liegt nach § 9 Abs. 1 vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, zu erwarten ist.

Als Hilfe von Angehörigen kommt bei Susanne vor allem der Unterhaltsanspruch in Betracht, den sie gegenüber dem Vater des Kindes hat. Dieser beschränkt sich nicht auf das Kind selbst. Auch die Mutter eines nichtehelichen Kindes hat nach § 1615 l des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Anspruch auf Unterhalt, soweit das Kind unter drei Jahre alt ist. Dieser Anspruch geht nach § 33 mit der Leistungsgewährung auf den Träger nach dem SGB II über und kann von ihm geltend gemacht werden.

Soweit ein Unterhaltsanspruch nicht in Betracht kommt, bleiben vorrangig Leistungen anderer Träger zu prüfen. In Betracht kommt insbesondere der Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) und das Kindergeld nach § 66 EStG.

Grundsätzlich erhält Unterhaltsvorschuss, wer alleinerziehender Elternteil eines Kindes unter 18 Jahren ist, keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt vom anderen Elternteil erhält und über keine sonstigen unterhaltsrelevanten Leistungen verfügt. Für Kinder über 12 Jahren gelten dabei weitere Besonderheiten. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses beträgt für Kinder unter 6 Jahren 154 Euro, für Kinder von 6 bis 12 Jahren 205 Euro und für Kinder von 12 bis 18 Jahren 273 Euro. Im Leistungsrecht des SGB II werden die Unterhaltsvorschussleistungen zwar von Susanne als Mutter beantragt, sie werden jedoch als Einkommen von Laura behandelt, da im SGB II trotz des Konstrukts der Bedarfsgemeinschaft das Prinzip des Individualanspruches gilt.

Das Kindergeld stellt eine Steuerentlastung dar, welche die Eltern aufgrund der Ausgaben für ihr Kind haben. Berechtigt sind Eltern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und in deren Haushalt ein leibliches oder dem gleichgestellt ein adoptiertes Kind lebt. Auch Stiefkinder, Enkelkinder und Pflegekinder können einen Anspruch auf Kindergeld auslösen. Besondere Voraussetzungen gelten für Kinder über 18 Jahren. Der Höhe nach beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 194 Euro, für das Dritte 200 Euro und für das vierte Kind 225 Euro. Kindergeldberechtigt ist dabei grundsätzlich der Elternteil, also Susanne. Im Leistungsrecht des SGB II wird das Einkommen stets auf den Bedarf der Person angerechnet, der es zugeordnet werden kann. Für das Kindergeld erfolgt eine spezielle Regelung. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 ist das Kindergeld als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen. Dies jedoch nur, soweit es dies zur Bedarfsdeckung benötigt. Im Übrigen erfolgt eine Anrechnung auf den Bedarf von Susanne. Insoweit erfolgt eine Kindergeldverschiebung.

Es bedarf im Weiteren einer genauen Prüfung inwieweit die vorrangigen Leistungen geeignet sind die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zumindest zu mindern.

Weiter müsste Susanne ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Susanne ist mit Wohnsitz in Hamburg gemeldet. Insoweit wird auf die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts im Falle von Erna verwiesen.22 Damit ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 erfüllt.

Folglich erfüllt Susanne alle Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 in ihrer Person und ist originär anspruchsberechtigt als erwerbsfähige leistungsberechtigte Person.

1.2.8. Laura

Für eine direkte Anspruchsberechtigung müsste Laura die Voraussetzungen einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und zunächst die Mindestaltersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von 15 Jahren erreicht haben. Laura ist jedoch erst ein Jahr alt. Sie kann somit die Voraussetzungen einer originär Anspruchsberechtigten nicht erfüllen. Der Zugang zu den Leistungen der Grundsicherung ist ihr damit jedoch nicht vollständig verwehrt, indem sie der Bedarfsgemeinschaft eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zugeordnet werden könnte.

1.2.9. Björn

Björn könnte erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 sein.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, wer das 15. Lebensjahr bereits vollendet und die Altersgrenze nach § 7a, welcher das Regelrenteneintrittsalter wiedergibt, erreicht hat. Björn ist 22 Jahre alt. Unabhängig von seinem Geburtsjahr kann er aufgrund seines Alters eine Rente nach dem SGB VI noch nicht in Anspruch nehmen. Somit befindet sich Björn innerhalb der normierten Altersgrenze.

Ferner müsste Björn erwerbsfähig nach § 8 Abs. 1 sein. Demnach darf er nicht wegen einer Krankheit oder einer Behinderung außerstande sein unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anhaltspunkte, wonach Björn in seiner Leistungsfähigkeit in körperlicher oder seelischer Hinsicht eingeschränkt ist, liegen nicht vor. Folglich ist Björn erwerbsfähig.

Björn müsste zudem hilfebedürftig sein. Hilfebedürftigkeit liegt nach § 9 Abs. 1 vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, zu erwarten ist.

Neben der Prüfung im Weiteren, ob Björn seine ihm nach dem SGB II zustehenden Bedarfe durch eigene Mittel decken kann, sind mögliche vorrangige Leistungen zu betrachten. Diese kommen hier nicht in Betracht. So dass Björn grundsätzlich hilfebedürftig sein kann.

Zuletzt kann erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I nur sein, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Björn ist mit Wohnsitz in Hamburg und damit in Deutschland gemeldet. Der Wohnsitz stellt in der Regel gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt ein Mehr dar.23 Damit ist die Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts erfüllt.

Folglich ist Björn erwerbsfähiger Leistungsberechtigter.

1.2.10. Birgit

Fraglich ist, ob Birgit erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 sein kann.

Nach Nr. 1 muss Birgit das 15. Lebensjahr vollendet und darf die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, welcher eine tabellarische Auflistung des Regelrenteneintrittsalters nach Geburtsjahr enthält. Birgit ist 21 Jahre und hat unabhängig von ihrem Geburtsjahr noch nicht die Berechtigung erlangt, eine Rente wegen Alters zu beantragen. Mithin erfüllt sie die Altersgrenze.

Nach Nr. 2 ist ferner erforderlich, dass Birgit erwerbsfähig ist. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Birgit studiert Archäologie in Form eines Vollzeitstudiums. Daneben kommt für sie die Ausübung einer Teilzeittätigkeit oder einer vollschichtigen Tätigkeit nicht in Betracht. Zeitlich kann sie beides nicht vereinbaren. Aus ihrer Sicht, ist ihr die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unmöglich. Bei der Frage nach der Erwerbsfähigkeit, geht es jedoch um die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, welche aufgrund einer Krankheit oder Behinderung so eingeschränkt sind, dass eine Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Dies ist im Falle von Birgit nicht gegeben. Weder eine Krankheit noch eine Behinderung trifft sie. Sie wäre physisch und psychisch grundsätzlich in der Lage mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten. Somit ist sie erwerbsfähig.

Nach Nr. 3 müsste Birgit hilfebedürftig sein. Hilfebedürftigkeit liegt nach § 9 Abs. 1 vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gesichert werden kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, zu erwarten ist.

Zunächst könnte Birgit einen Unterhaltsanspruch gegenüber Ihren Eltern haben, indem sie volljährig ist und einer Ausbildung nachgeht. Allein die Möglichkeit, einen solchen Unterhaltsanspruch zu haben oder zeitnah realisieren zu können, genügt jedoch nicht, um Birgit auf sich selbst zurückzuweisen und die Leistungen nach dem SGB II auszuschließen. Dies insbesondere nach dem Grundsatz, dass es sich lediglich um einen Anspruch handelt und nicht um bereite Mittel. Ferner geht der möglicherweise bestehende Unterhaltsanspruch nach § 33 auf den Träger der Leistungen über, sollte die Entscheidung über die Hilfebedürftigkeit positiv ausfallen. Auch aus diesem Grund, kann Birgit nicht auf die Realisierung des Anspruchs verwiesen werden.

Als Leistungen anderer Träger kommt das Kindergeld nach dem EStG in Betracht. Dies kann auch für volljährige Kinder unter 25 Jahren in Ausbildung beansprucht werden. Auch wenn die Eltern grundsätzlich die Berechtigten sind, kommt in bestimmten Fällen, insbesondere bei einer fehlenden Deckung des Lebensunterhalts des Kindes, eine Abzweigung des Kindergeldes an das Kind selbst in Betracht. Ein entsprechender Antrag kann durch das Kind gestellt werden. Der Bezug von Kindergeld spricht nicht gegen die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II. Zum einen begegnen sich diese Leistungen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis und zum anderen ist in der Regel der alleinige Bezug von Kindergeld in Höhe von derzeit 194 Euro für ein erstes Kind nicht ausreichend, die Bedarfe nach dem SGB II zu decken.