Lesen sie mich durch - kündigen können sie danach immer noch - Sandra Kunstmann - E-Book

Lesen sie mich durch - kündigen können sie danach immer noch E-Book

Sandra Kunstmann

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Beschreibung

Sie möchten jetzt ausrasten. Nichts läuft so, wie Sie es sich vorgestellt haben. Egal was Sie anpacken, es wird heute nix. Vergessen Sie es einfach. Diese Tage im Beruf kennen wir alle. Nur sollten wir dann gleich am großen Ganzen zweifeln und alles hinwerfen? Müssen es immer ein Jobwechsel, eine Dauerkrankschreibung oder eine Schwangerschaft sein, um dem ganzen vermeintlichen Irrsinn zu entfliehen? Wäre es nicht auch möglich, die ganze Misere aus einer anderen, frischeren Perspektive zu betrachten? Ich denke, dass das möglich ist. Hierzu lade ich Sie in meine gelebte Praxis als Altenpflegerin mit all ihren Tücken und Hindernissen ein. Ich nehme Sie mit in meine Welt "kurz vor`m Ausrasten" - und was mir hilft, dabei nicht straffällig zu werden:-). Ich habe eine Mischung an selbst erlebten Praxiskatastrophen für Sie zusammen gestellt, die ich als Zeitarbeitnehmerin täglich in den unterschiedlichen Einrichtungen erhalte. Auch Situationen aus meiner Ausbildungszeit habe ich für Sie notiert. Rücken Sie Ihren Stuhl zurecht, lehnen Sie sich entspannt zurück und genießen Sie.

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Inhaltsverzeichnis

Es geht los

1.1 Der Versuch einer Vorstellung

1.2. Warum nun noch dieses Buch

Situationen aus der Praxis

2.1 Schwebende Masse

2.2 Nach dem Mittag wird zur Wand gedreht

2.3 Hallo Herr Pfarrer

2.4 “Er wohnt jetzt woanders.“

2.5 Nahrungsaufnahme verweigert

2.6 Heute sind wir mal unterbesetzt

2.7 Es ist Übergabe

2.8 Wie aus Klaus-Bärbel nur noch Bärbel wurde

2.9 I want to break free

2.10 “Du siehst so aus, als könntest du einen brauchen“

2.11 Ich muss unverzüglich entfernt werden

2.12 Unterschiedliche Kollegentypen

2.13 Sich mit Pflegekräften verabreden

2.14 Wie aus Unwissen schnell mal Ernst werden kann

2.15 Ich hab es nicht kommen sehen

2.17 “Tu das nie wieder!“

2.18 “Da tust de dir och ä mal eine leihen!!!“

2.19 Da zieht sie eben mal blank

2.20 “Halb zog sie ihn, halb sank er hin“.

2.21 Und das alles in 3 Minuten

2.22 “Der kommt hier nicht rein!“

2.23 Einhundert Dosen Suppe

2.24 Da kommt `ne Hand von irgendwo

2.25 Zwölf Flaschen Alkohol im Kofferraum

2.26 “Ich hoffe, Sie sind nicht so doof wie Ihr Vorgänger.“

2.27 Zeitarbeit? Das wäre nichts für mich!

2.28 Entkalkung mit Corega-Taps

2.29 Ein bisschen Farbe auf den Wangen

2.30 Eingewiesen wegen Hässlichkeit

2.31 Der Lifter? Der ist schon 2 Jahre kaputt

2.32 Auch Stretch hat Grenzen

2.33 Pflegekräfte rauchen gerne

2.34 Willkommen im Hexenkessel Pflege

2.35 Gelobt werden steht nicht in der Stellenbeschreibung

2.36 Zum Sterben zu laut

2.37 Zu fett zum beamen

2.38 Sozial sein hat Grenzen

Was hilft mir, mit diesem ganzen Wahnsinn umzugehen

1. Es geht los

Sie möchten jetzt ausrasten. Nichts läuft so, wie Sie es sich vorgestellt haben. Egal was Sie anpacken, es wird heute nix. Vergessen Sie es einfach.

Diese Tage im Beruf kennen wir alle. Nur sollten wir dann gleich am großen Ganzen zweifeln und alles hinwerfen? Müssen es immer ein Jobwechsel, eine Dauerkrankschreibung oder eine Schwangerschaft sein, um dem ganzen vermeintlichen Irrsinn zu entfliehen?

Wäre es nicht auch möglich, die ganze Misere aus einer anderen, frischeren Perspektive zu betrachten? Ich denke, dass das möglich ist. Hierzu lade ich Sie in meine gelebte Praxis mit all ihren Tücken und Hindernissen ein. Ich nehme Sie mit in meine Welt "kurz vor`m Ausrasten"- und was mir hilft, dabei nicht straffällig zu werden:-).

Aber dazu sollte ich mich erst einmal vorstellen.

1.1 Der Versuch einer Vorstellung

"So... jetzt ist er an...! Nee, doch nicht."

Das denke ich, als ich nach gefühlten Jahrzenten (mehrere Jahre sind auf jeden Fall vergangen), meinen uralten Laptop wieder anwerfe. Er startet auch nach vielen Versuchen, wenn auch nur kurz. Dann ist er aus. Doch, jetzt geht`s.

Ich muss ja meine Gedanken irgendwie für Sie auf`s Papier kriegen. Kleiner Prosecco als Warm up, dann bin ich startbereit.

Wo war ich? Ach ja, ich wollte mich eingangs erst mal vorstellen. Ich bin Sandra Kunstmann, bereits 39 Jahre jung...

JA, JUNG, LIEBE LESER!! AB EINEM GEWISSEN ALTER BRAUCHT MAN ZUSPRUCH IN SACHEN JUGENDLICHKEIT!

Neben meinem "jugendlichen" Alter, besitze ich ein großes Herz und kleine Füße. Ersteres ist für meinen Beruf als Altenpflegerin sicherlich nicht zum Nachteil. Letzteres ist möglicherweise weniger relevant. Eine Größe 36 sollte aber auch einmal Beachtung finden, so als Zwischengröße zwischen Kinder- und Erwachsenenabteilung. Habe ich hiermit getan. So.

Ich bin also Pflegefachkraft mit kleinen Füßen, die ihren Job meistens gerne macht. Ausnahmetage kennen wir alle. Dabei weiß ich, dass das Image unseres Berufes immer noch negativ besetzt ist. Leider. Dabei haben wir doch bereits Akademisierungsmöglichkeiten in dem Bereich, die neue Pflegeausbildung samt neuer Berufsbezeichnung "Pflegefachfrau/-mann", in der man Altenpflege als Bestandteil mit integriert hat. Es gibt also bereits Ansätze, das Ansehen von Pflege aufzuwerten.

Dabei meinen immer noch viel zu viele Leute, pflegen könne ja jeder. Das stößt mir bitter auf, denn, um eine gute Pflegekraft zu sein, bedarf es mehr als nur "Hintern abputzen". Wer das nicht glaubt, sei gerne mal eingeladen, mit mir eine Woche in der Pflege zu verbringen. Da erleben Sie den Beruf in all seinen Facetten. Ich bin mir sicher, dass Sie danach anders denken.

Und selbstredend gibt es da einige Momente, da möchten Sie nur noch ausrasten. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Wenn sich, wir nennen sie mal Schwester Cordula, zum 960. Mal krankmeldet, natürlich ohne krank zu sein (aber Obacht: das können wir ja nicht nachweisen...*hüstel, mein Proseccoglas auffüllend*), ja dann kann meine Stimmung, sagen wir mal, suboptimal verlaufen. Da haben dann auch alle was davon. Dabei kann ich arbeiten für 2, nur längerfristig gesehen, schlägt diese Mehrarbeit auch bei mir mal auf die Stimmung. Ich denke, das ist nur nachvollziehbar und menschlich.

Bitte fühlen Sie sich hier aber nicht angesprochen, denn Sie sind wahrscheinlich ein Typ wie ich, der nicht wegen jedes kleinen Wehwehchens zum Arzt rennt. Wenn Sie wirklich etwas Ernsthaftes haben, sage ich auch nichts. Das kann dann Ihr Arzt tun.

Mir ist aber bewusst, dass viele Pflegekräfte durch bestimmte Rahmenbedingungen öfters mal die Reißleine ziehen. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen häufiges Einspringen, kurze Wechsel, kaum freie Wochenenden. Weiter die Zusammenarbeit mit manchen Kollegen, für die wir dann noch zusätzlich mitarbeiten müssen.

Auch mangelnde Wertschätzung des Berufes in der Gesellschaft, sowie eine "Selbstverständlichkeitshaltung" mancher Chefs (frei nach dem Motto: Sie arbeiten hier, also haben Sie auch immer verfügbar zu sein), führen dazu, dass öfters AU`s erfolgen.

Von den Auswirkungen (falsch ausgeführter) körperlicher Arbeit, möchte ich Sie nicht weiter langweilen. Sie wissen Bescheid. Es gibt also viele Herausforderungen, die mit dem Beruf einer Pflegekraft verbunden sind.

1.2. Warum nun noch dieses Buch

Ich möchte Sie mit meinem Buch durch Erwähnen solcher Negativaspekte auf keinen Fall in schlechte Stimmung versetzen. Das tun schon andere: Corona, Preisentwicklung bei Sprit, Lebensmitteln etc. sowie die Politik...; ist gut, ich höre ja schon auf.

Ich möchte, konträr, mein Leben in der Zeitarbeit mit seinen verschiedenen Herausforderungen mit Ihnen teilen. Dies wird auf leicht humoristische, teils auch sarkastische Weise geschehen, da ich aus meiner Erfahrung sagen kann, dass Humor uns in vielen Bereichen (so auch in der Pflege) immens von Vorteil ist. Sie werden aber merken, dass mein Buch über die reine Thematik Humor hinausgeht. Hierzu gibt es im Pflegesektor schon einiges auf dem Markt, das Internet wird es Ihnen beweisen. Ein ganz kleines bisschen habe ich mich an der humorvollen Lesart von Dr. Marco Moor mit dem Titel "Lesen Sie mich durch, ich bin Arzt" orientiert, was die Ähnlichkeiten unserer Buchtitel erklärt. Hier werden ebenfalls Praxissituationen aus dem Krankenhaus geschildert. Beim Lesen dieses Buches wurde die Idee geboren, meine Praxis ebenfalls für Sie zu Papier zu bringen.

Ich möchte Ihnen meine Einstellung näherbringen, dass es im Leben und in der Praxis immer irgendwie weiter geht. So bescheiden die Situation auch eben sein mag, und davon schildere ich Ihnen einige, - Sie können sie meistern. Damit stellt mein Buch gewissermaßen auch einen Appell dar, nicht aufzugeben.

Die meisten Praxisbeispiele enden mit einer Art Resümee, was mir aus heutiger Sicht damals geholfen hätte, besser mit dieser Situation umzugehen. Durch diese Reflektion haben andere Pflegende in einer ähnlichen Situation eine Idee, wie sie verfahren könnten. Ich sehe es als eine Handlungsoption von vielen.

Ich schreibe übrigens schon ewig Tagebuch, daher war die Idee, ein Buch zu schreiben, für mich nahe liegend. In meinen früheren Tagebüchern habe ich einige "Praxiskatastrophen" festgehalten, die Sie nun genießen dürfen.

Da ich selbst Pflegekraft bin und daher weiß, dass Sie keine Zeit haben, habe ich das natürlich berücksichtigt. Ich habe Ihnen kurze Geschichten zum Besten gegeben, die maximal 2 Seiten füllen und mal schnell gelesen werden können. Sie sollen ja Spaß dabeihaben und nicht gestresst sein. Und der Leserfreundlichkeit halber, habe ich auf das Gendern verzichtet. Sie werden es mir danken. In einigen Geschichten spule ich in meine Ausbildungszeit zurück, in der ich logischerweise noch nicht in der Zeitarbeit angestellt war. Dennoch gab es auch da Situationen, die ich Ihnen nicht vorenthalten kann.

Um die Leserfreundlichkeit weiter zu erhöhen, hat mir die liebe Künstlerin und auch Züchterin Frau Schneider ganz tolle Bilder für Sie entworfen. Dafür hier nochmals ein ganz großes Dankeschön.

Die Personen in meinem Buch sind anonym gehalten. Rückschlüsse auf gezielte Bewohner oder Kollegen sind daher nicht möglich. Sie werden aber ganz sicher Vergleiche mit manchen Kollegen ziehen können. Das ist durchaus beabsichtigt.

Na, neugierig geworden? Dann geht`s jetzt los. Viel Spaß:-).

2. Situationen aus der Praxis

2.1 Schwebende Masse

Was, werden Sie sich fragen, kann man sich darunter vorstellen? Vielleicht ein UFO? Die Schäfchen, die wir beim Einschlafen zählen? Kinder auf dem Trampolin? Hefeteig im Ofen?

Nein, da wir in der Pflege sind, stellen Sie sich jetzt bitte eine Frau, lassen Sie sie so 80 kg wiegen, im Lifter auf höchster Stufe hängend, vor. Hoch kam sie, da bin ich auch ein bisschen stolz, durch mich:-).

Werden Sie bitte nicht unruhig, die Erklärung werden Sie gleich erhalten.

Diese Dame, muss hier erwähnt werden, bringt uns Pflegende auch nicht hängend, d.h. in jeder anderen Position, mit ihrer Art um den Verstand.

Sie sehen, dass auch ich manchmal Geduldsgrenzen aufweise. Sie klingelt, und geht man nicht sofort hin, wird die Heimleitung, Pflegedienstleitung, SEK und Feuerwehr (na gut, letztere vielleicht nicht:-)) telefonisch kontaktiert. Es sind also alle darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie gerade nicht bei ihr sind. Möglich und nicht völlig von der Hand zu weisen ist die Erklärung, dass Sie sich grade noch um 20 andere Bewohner kümmern müssen. Diese Erklärung lässt die renitente Dame aber nicht gelten. Sie rennen nun mit einer Kollegin hin und hängen sie gemeinsam in den Lifter, um sie dann in ihren Rollstuhl zu transferieren. Dumm ist dabei nur, dass der Akku des Lifters mal wieder vergessen wurde zu laden. Das heißt: hoch kriegte ich sie per Lifter (getreu dem Motto: Vorwärts immer, rückwärts nimmer."). Runter jedoch ergaben sich für uns neue Herausforderungen (Probleme gibt es ja nicht, sind ja alles Sachen, an denen man wächst...:-)). Da wir zu zweit leider keinen Erfolg im "Abseilen" von ihr hatten, mussten andere Kollegen aktiviert werden. "Schön" ist es, wenn der Erste dir schon mit dem Satz "Ach du Scheiße" entgegenkommt (ich gebe nur seine verbalen Entgleisungen wieder). Da demnach seine Compliance für unsere Misere, sagen wir mal, übersichtlich war, mussten weitere Streitkräfte her. Am Ende ruppten 6 Examinierte (ja, es gibt sie noch, die aussterbenden Fachkräfte) an der Dame rum. Einer drückte, einer zogmit viel Kraftaufwand hoben sie 5 Personen an, ich löste mit Mühe die Ringe aus der Verankerung, in der das Liftertuch eingehängt war. Alle Beteiligten guckten sich hinterher fix und fertig, mit hochroten Köpfen, an.

Es gibt übrigens einen "Gummistopfen" (hat sicher auch einen Fachbegriff) am Lifter, der im Notfall ein langsames Runtergleiten des Patienten möglich macht. Wissen wir nun alle für die Zukunft. Sowas erleben Sie halt nur in der Praxis:-)

Die Dame meinte anschließend nur:" Haben Sie es dann mal?"

Dank diesem Satz, kombiniert mit einem leicht süffisanten Grinsen ihrerseits, stellte ich mir eine kleine Ejekt-Taste vor. Mit deren Hilfe könnte ich sie direkt vom Lifter aus durch das Fenster katapultieren... naja, Sie können sich mein Gedankengut sicher bildlich vorstellen :-).

Mit Hilfe dieser Technik, die da heißt Imagination (= bildhaftes Denken), konnte ich mich schon aus so mancher unschönen Situationen wieder "schön herausdenken". Auch das ist eine Facette von meinem Humor, die mir hilft, die Praxis angenehmer zu gestalten und meine Stimmung positiv zu verändern. Und damit haben dann auch alle was davon:-). Probieren Sie es selbst mal aus. Sie werden überrascht sein, wie kreativ Ihre Gedanken auf die Reise gehen können.

2.2 Nach dem Mittag wird zur Wand gedreht

Sie kriegen bereits Schnappatmung bei dieser Überschrift. Ich bin da mental ganz bei Ihnen. Gehen Sie daher erst noch einmal um den Block und kommen Sie zur Ruhe. Erst dann fahren Sie mit dem Lesen fort. Denken Sie immer dran: es ist Ihr Herz und Ihr Blutdruck.

Geht es jetzt wieder? Gut.

Ich war in einem Heim, in der die bettlägerigen Leutchen nach einem klar von der Einrichtung vorgegebenen Turnus gedreht wurden. Wie die Überschrift vermuten lässt, mittags zur Wand und nach dem Frühstück mit Blick in den Raum. Sie fragen sich nun vielleicht, was mich daran stört.

Das Absolute, denke ich. Ich stelle mir vor, dass ich jetzt da liege, und ich muss nun nach dem Mittag zur Wand schauen.

ZUR WAND!!! DA IST DOCH NICHTS LOS!!!

Ich bin ich ja noch nicht schwerst dement und bekomme noch etwas mit. Dann möchte ich vielleicht gar nicht die Wand anschauen, sondern sehen, wer den Raum betritt. Das geht mit "Wandblick" nur begrenzt und nur mit akuten Nackenschmerzen. Vielleicht ist die linke Seite auch meine schlechte Seite, ich selbst habe z.B. einen "Knubbel" (nennt sich Osteom) hinter dem linken Ohr. Da ist Linkslagerung doof. Das drückt nämlich.

Aber diese Vorgabe hat auch was Positives: sicherlich ist es für die Merkfähigkeit der Pflegekräfte sinnvoll, feste Handlungsschemata mit festen Lagerungszeiten zu etablieren. Gerade wenn doch mal mehrere Pflegende im Dienst sind, dann weiß manchmal keiner mehr, wer Frau XY gelagert hat. Jeder denkt dann, der andere hat das schon gemacht, und im Endeffekt wurde sie nicht gelagert. Das fördert dann natürlich das Wundliegen und damit das Dekubitusrisiko.

Durch die strikte Vorgabe, wann jemand wie gelagert wird, entfällt dann dieses Problem. Nur bin ich immer auch für Individualität, und wünscht ein orientierter Bewohner mal ein Drehen in die andere Richtung, dann komme ich seinem Wunsch gerne nach.

Beim Thema "Wandblick" würde ich mir auch mehr optische Highlights für die Bewohner wünschen. Das eine oder andere schöne Bild mal an der Wand, ein Mobile, irgend etwas, was den Blick von dem tristen Grau ablenkt. Grau ist für mich eine depressionssteigernde Farbe, frische, fröhliche Farben wirken dagegen nachweislich positiv auf die Psyche.

Das eigentliche Problem aber ist, dass es bei kühlen, nüchtern gehaltenen Wandflächen zur Reduktion von Sinnesreizen kommt (Stichwort sensorische Deprivation). Sie können dazu nachlesen, dass dies bis hin zu Angstzuständen und auch Halluzinationen der alten Menschen führen kann.

Mit diesem Wissen kann ich nicht nachvollziehen, dass manche Einrichtungsleitungen komplett eine Veränderung der Räumlichkeiten untersagen. Ich finde immer noch, dass sich der Bewohner wohlfühlen sollte. Eine neue Umgebung, raus aus der Häuslichkeit, ist allein schon ein schwerer Einschnitt. Durch eigene Wohnaccessoires hat er zumindest im Kleinen die Möglichkeit, etwas von seinem früheren Zuhause mit in`s Heim zu bringen.

Sogar mein Gynäkologe hat schöne Bilder an den Wänden, die ich immer gerne zur Ablenkung während meiner Untersuchung betrachte. Es ist nämlich nicht meine Lieblingsbeschäftigung, mit gespreizten Beinen dasitzend, an die Wand zu starren. Deswegen bin ich für jedwede Ablenkung dankbar.

Auf Nachfrage meinte er übrigens, dass er bei manchen Damen auch eine Art Wandblick hätte. Durch einen Prolaps, er meint konkret einen Gebärmuttervorfall, oder Verwachsungen, ist er auch manchmal in seiner Sicht eingeschränkt. Aber das nur mal am Rande, ich fahre lieber mit anderen Praxisschilderungen fort.

2.3 Hallo Herr Pfarrer