"Lieber barfuß als ohne Buch" - Frauke Kässbohrer - E-Book

"Lieber barfuß als ohne Buch" E-Book

Frauke Kässbohrer

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Beschreibung

Im Jahr 2017 verlebte die pensionierte Lehrerin Frauke Kässbohrer einen unvergesslichen Urlaub auf Island. Wie immer, reiste sie alleine und mit Rucksack, per Schiff über Dänemark, benutzte nur öffentliche Verkehrsmittel auf der Insel, die sie in knapp sechs Wochen sowohl auf der Ringstraße als auch ganz im Westen und auf der Insel Grimsey nördlich des Polarkreises kennenlernte. Auch die Westmännerinseln im Süden und andere kleinere Abstecher vervollkommneten das Bild einer ganz besonderen Landschaft mit sehr liebenswerten Menschen. Ihr frischer Erzählstil und einige gute Urlaubstipps machen dieses Buch lesenswert für Jung und Alt.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

01. Hinfahrt mit der Smyril-Line

02. Ankunft auf Island, Seydisfjördur und Egilsstadir

03. Hafnarholmi

04. Myvatn

05. Akureyri

06. Husavik

07. Dalvik

08. Grimsey

09. Hvammstangi

10. Isafjördur

11. Borgarnes

12. Reykjavik

13. Hella

14. Westmännerinseln

15. Skogar

16. Vik

17. Höfn

18. Rückreise

Nachwort

Einleitung

Mein neues Reiseziel für den Sommer 2017 sollte Island sein. Wie bei allen vorausgegangenen Urlaubsländern seit meiner Pensionierung als Lehrerin entschied ich mich für ein attraktives Land, da ich, wie üblich, in einer „bestimmten Mission“ unterwegs bin. Ich schreibe nämlich vor allem für alleinstehende, ältere Frauen, um ihnen Mut zu machen, so wie ich alleine loszuziehen, sich ganz viel zuzutrauen, aus Fehlern zu lernen und niemals aufzugeben.

Das ist unter anderem der Grund, warum ich bereits vier Reisebücher im Verlag Forsbach unter dem Titel „Eine Frau reist um die Welt“ veröffentlicht habe. Sie sind im Buchhandel erhältlich und beschreiben meine Erlebnisse in Australien, Neuseeland, in China, in Japan, in der Türkei und in Usbekistan. Es sind, wie auch dieses Buch, keine Reiseführer im herkömmlichen Sinn, sondern „nur“ wahre Berichte, teils zur Nachahmung empfohlen, teils als Warnung gedacht. Eigentlich wollte ich es dabei bewenden lassen, wenn sich nicht plötzlich die Anfragen nach einem fünften Buch gehäuft hätten, so dass ich mich nach einigem Zögern entschloss, diese Reihe mit der Reisebeschreibung über Island als „book on demand“ fortzusetzen.

Wie schon in den ersten Bänden, die Sie vielleicht nicht gelesen haben, wiederhole ich noch einmal die meiner Ansicht nach wichtigsten Punkte für einen erfolgreichen Urlaub, wenn Sie als Frau alleine unterwegs sind:

1. Nehmen Sie sich viel Zeit, keinesfalls weniger als drei Wochen

2. Beschäftigen Sie sich vor der Abfahrt mit der neuen Sprache. Lernen Sie Floskeln des Alltags und die Zahlen auswendig.

3. Lesen Sie Romane der Autoren des Landes, um ein Gefühl für die Charaktere der Menschen dort zu bekommen.

4. Aus Gründen der Umweltverschmutzung vermeiden Sie, wenn irgend möglich, zu fliegen.

5. Buchen Sie die Hinfahrt und die ersten zwei – drei Übernachtungen von zu Hause aus. Alles Weitere entscheiden Sie dann vor Ort.

6. Nehmen Sie so viel Gepäck mit, wie Sie zum Glücklich-Sein benötigen. Hören Sie beim Packen nicht auf den Ratschlag von Freunden.

7. Bereiten Sie sich darauf vor, dass Sie viele „Danke-schön-Geschenke“ benötigen werden, da Sie als Alleinreisende mehr auf die Mithilfe Ihrer Umgebung als z.B. Pauschalreisende angewiesen sind. Dafür empfehle ich Ihnen selbstgemachte (oder gekaufte) Lesezeichen, auf denen in der Landessprache „Viel Glück“, „Danke“, „Alles Gute“ oder Ähnliches steht. Sie brauchen erfahrungsgemäß zwischen 20 und 30 pro Reise. Sie müssen sie immer schnell griffbereit haben, ehe Ihre Helfer wieder verschwunden sind. Sie werden mit solch kleinen Geschenken Überraschung, Freude und Dankbarkeit hervorrufen und damit einen Riesenbeitrag zur Völkerverständigung leisten, weil es hier nicht, wie so oft, um Geld, sondern „nur“ um Mitmenschliches geht. Sie werden durch diese meine Idee zu etwas Besonderem werden, weil Sie offenbar nicht zu den nur „nehmenden“, sondern zu den auch gerne „gebenden“ Menschen auf der Welt gehören, von denen es nicht mehr viele gibt. Ich habe dies so oft erlebt, dass ich diesen letzten Ratschlag nur immer wieder wiederholen kann.

Aber zurück zu Island: Anfang März 2017 entschied ich mich für dieses Reiseziel und buchte kurz darauf die Hinfahrt über Hamburg bis Hirtshals an der Nordspitze Dänemarks für den 26. Mai für lächerliche 39 €! Weil das Angebot gerade so günstig war, buchte ich für denselben Preis auch gleich die Rückfahrt für den 15. Juli. Warnung: das war sehr leichtsinnig und kann nicht zur Nachahmung empfohlen werden, denn es gab plötzlich tausend Gründe, warum gerade der 15. Juli nun gar nicht für die Rückreise passte, ungeachtet des umwerfenden Sonderangebotes der Bundesbahn. Davon mehr am Schluss dieses Buches.

Daneben buchte ich eine Übernachtung in einem Hotel in Hirtshals in Dänemark und bei der Smyril-Line die Schiffspassage hin und zurück nach Seydisfjördur im Osten Islands. Ich war mutig und ausgeruht und entschied mich beide Male auf dem Schiff für die billige Variante einer Kabine zusammen mit sechs Frauen ganz unten im Schiffsbauch, direkt über den laut vibrierenden Motoren. Während der Hinfahrt wurden das drei sehr gewöhnungsbedürftige Nächte, die jedoch auszuhalten waren, und die Rückfahrt gestaltete sich sowieso ganz anders.

Eine gute Freundin sagte: „Natürlich brauchst du nun auch einen richtig guten neuen Fotoapparat. Stell dir mal vor, was es da alles gibt, die Gletscher, die Geysire, die Lava, die Fjorde und das Eis…“ Ich folgte ihrem Rat und schoss wirklich viele umwerfend gute Fotos mit dem neuen Apparat.

Mitten in der Vorbereitungszeit am 1. April gelang es mir, zwei gute Freunde mit der Nachricht hereinzulegen, dass ich zwar in Bälde auf Island Urlaub machen, aber kurz danach auch richtig dorthin auswandern würde. Da ich diesen Vorsatz vor 16 Jahren mit dem Ziel Neuseeland fast einmal in echt durchgeführt hatte, glaubten beide mir sofort und meinten nur, sie würden mich dann aber vermissen und bestimmt bald besuchen kommen. Ich freute mich über meine offenbar immer noch vorhandene Überzeugungskraft, die ja bekanntlich im täglichen Leben viele Vorteile hat. Schnell schickte ich also ein „April, April“ hinterher, denn inzwischen lag mir nichts ferner, als auszuwandern.

1. Hinfahrt mit der Smyril-Line

Ende Mai begann endlich die Abenteuerreise. Mein Gepäck bestand aus einem großen Rucksack und einem zusammenklappbaren Fahrgestell, auf dem ich mehrere kleine Taschen stapelte. Im Zug nahm ich alles auseinander und verteilte es möglichst platzsparend und in Sichtweite auf den dafür vorgesehenen Gepäckablagen um mich herum.

Ich war morgens von zu Hause losgefahren, hatte alle Anschlüsse erreicht, fuhr mit wenig Verspätung zuerst durch deutsche, dann durch sonnige dänische Wiesen und Wälder und dachte gerade, was es wohl Schöneres gäbe, als alleine in Ruhe und Frieden in den Urlaub zu fahren, - - - als plötzlich über mir in einem meiner Gepäckstücke ein ziemlich lauter, gleichbleibender Summton erklang. Die gedämpfte Unterhaltung meiner Mitreisenden verstummte abrupt. Alle Köpfe wandten sich mir zu, man schaute nach oben und wieder zu mir hin und hatte vielleicht denselben Gedanken wie ich, dass dort doch hoffentlich keine Bombe tickte??? Ich erhob mich sehr verlegen und versuchte, den Ort des summenden Tones zu lokalisieren. Er kam eindeutig aus einer meiner kleineren Taschen. Unter den bohrenden dänischen Blicken aller Mitreisenden holte ich das Gepäckstück herunter und verteilte den Inhalt auf dem freien Sitz neben mir. Das Geräusch wurde lauter, bis ich endlich bei den Toilettenartikeln fündig wurde: meine elektrische Zahnbürste hatte sich infolge unglücklicher Reibung selbst in Betrieb gesetzt! Das hatte sie vorher noch nie getan! Ich stellte sie schleunigst aus, lächelte entschuldigend in die Runde und stopfte alles in die Tasche zurück. Die Spannung im Abteil löste sich, die leisen Gespräche wurden wieder aufgenommen, und man verlor das Interesse an mir.

Mit etwas zittrigen Händen holte ich nun mein Häkelzeug heraus und häkelte Runde um Runde, bis es Zeit zum Aussteigen war. Diese gleichmäßige manuelle Beschäftigung beruhigte meine Nerven ungemein, und ich war froh, dass ich Wolle und Häkelnadel mitgenommen hatte. Das Häkeln als „Nervennahrung“ sollte ich im Laufe meiner Reise in heiklen Situationen noch öfter benutzen, und dies gilt auf jeden Fall als ein weiterer guter Ratschlag für einen gelungenen Urlaub. Das hört die Pharma-Industrie vielleicht nicht so gerne, aber es müssen nicht immer nur Tabletten sein, die dem Körper gut tun, wenn er ab und zu Stress ausgesetzt ist und ein Gegenmittel braucht.

Gegen Abend kam ich in Hirtshals an und machte mich auf die Suche nach meinem Hotel. Ich wandte mich auf Englisch an die Kassiererin eines nahen Supermarktes, die mir freundlich den Weg beschrieb. Nachdem ich ungefähr fünf Minuten in die angegebene Richtung gelaufen war, hielt ein Ehepaar im Auto neben mir. Sie hatten an der Kasse angestanden und wussten deshalb, wohin ich wollte. Da das Hotel ziemlich weit weg lag und sie unheimlich nette Dänen waren, schlugen sie vor, mich bis dorthin mitzunehmen. Ich nahm gerne an. Tatsächlich fuhren wir eine ganze Weile, und so fanden die ersten beiden Lesezeichen als „Dankeschön“ zu ihrer Bestimmung, allerdings mit isländischer Beschriftung.

Nach einem guten Frühstück am nächsten Morgen zahlte ich an der Rezeption und erkundigte mich nach dem Weg zur Schiffsanlegestelle am Hafen. Die Dame zeigte mir die Richtung und meinte, es dauerte 20 Minuten bis zum Wasser. Ein netter Herr bot mir an, mich mit seinem Auto dorthin zu fahren, aber ich lehnte dankend ab. Ich konnte sowieso erst mittags einchecken und hatte wirklich Lust auf eine kleine Wanderung zum Schiff, auf der ich meine Gedanken schweifen lassen und die schöne Sonne genießen konnte.

Beim Laufen dachte ich: „Eine Schiffsfahrt als Einstimmung auf den Urlaub ist doch nahezu ideal. Man „gleitet“ praktisch hinein, kann die Vorfreude richtig ausnutzen, schaltet langsam vom Alltag ab, und gerade dann, wenn das Beobachten der Wellen und der immer gleiche Horizont anfängt, langweilig zu werden, ist man am Ziel angekommen, so dass man den „richtigen“ Urlaub dann gut ausgeruht beginnen kann.“

Ich hielt die angegebene Richtung zum Hafen bei, obwohl die 20 Minuten sich schon dem Ende näherten und noch kein Wasser in Sichtweite war. Mit leichtem Schaudern erinnerte ich mich plötzlich an meinen Urlaub in Schottland vor sechs Jahren, als ich mit dem Schiff von Rotterdam nach Hull fahren wollte, ehe es mit Bus und Bahn weiter nach Norden ging. Ich war schon mit Verspätung in Rotterdam am Bahnhof angekommen und hatte nur noch eine knappe Stunde bis zur Abfahrt des Schiffes. Nirgends schien es eine Busverbindung zum Hafen zu geben, so dass ich endlich in höchster Not einem kompetent aussehenden Polizisten meine Schiffsfahrkarte unter die Nase hielt und verzweifelt rief: „Please, help me!“ Er erkannte sofort den Ernst der Lage, als er das Datum und die Abfahrtszeit des Schiffes las. Er zückte sein Handy, rief den Kapitän an und bat ihn, noch auf eine Mrs. Kässbohrer zu warten, sie sei auf dem Weg. Er deutete auf einen nahen Taxistand und sagte, ich solle dem Fahrer sagen, er dürfe die Geschwindigkeitsbegrenzung vergessen und rief mir noch „good luck!“ hinterher. Ich stürzte so schnell, wie es mir mein Gepäck erlaubte, zu dem dort wartenden Taxi, laut „thank you“ rufend und diesmal ganz gewiss nicht an ein Lesezeichen denkend.

Der Taxifahrer gab wirklich sein Bestes! Als das Schiff nach einer ungefähr 20-minütigen halsbrecherischen Fahrt endlich in Sicht kam, sah ich oben an der Reling viele Passagiere stehen, die uns etwas zuriefen und winkten. Ich rundete den verständlicherweise hohen Fahrpreis noch schnell nach oben auf, um nicht auf Wechselgeld warten zu müssen und stürzte samt Gepäck zur Gangway, wo schon zwei Matrosen auf mich warteten. Diese wurde gleich nach mir hochgezogen. Ich folgte einem ziemlich grimmig aussehenden, stummen Matrosen durch lange leere Gänge. Dann nahmen wir einen großen Aufzug, in dem er mich immer noch böse anguckte, bis wir endlich an der Rezeption angekommen waren. Schwer atmend holte ich meine Papiere hervor und war gerettet! Nie habe ich mit größerer Freude das laute Tuten der Schiffssirene vernommen, die nun unsere Abfahrt ankündigte.

Bis zur Ankunft in Hull hieß es allerdings immer wieder: „Sind Sie nicht die Dame, die als letzte mit dem Taxi vorfuhr und an unserer Verspätung Schuld hatte?“ Da musste ich nun durch, da half nichts, aber im Grunde war ja noch mal alles gut gegangen, abgesehen davon, dass meine Reisekasse durch die rasante Taxifahrt gleich am ersten Tag ein erhebliches Loch bekommen hatte.

Mit diesen nostalgischen Gedanken war ich immer weiter Richtung Hafen marschiert. Die 20 Minuten waren lange um. Wahrscheinlich hatte die Dame an der Rezeption von zwanzig Autominuten gesprochen. Um mich herum sah ich riesige Fabrikgelände, viele Lastwagen, auch ein paar PKWs, aber definitiv keine Fußgänger. Das alles störte mich nicht. Ich glaubte ja, auf dem richtigen Weg zu sein und hing beim Laufen weiter meinen Gedanken nach.

„Ein Jahr später hab ich dann alles richtig gemacht. Ich fand ein Containerschiff ganz nah bei meiner Wohnung an der Ostsee, das mit ein paar Zwischenstopps direkt nach St. Petersburg, meinem nächsten Ziel, fuhr. Ohne Stress war ich diesmal rechtzeitig vor der Abfahrt dort und genoss zwei Tage spiegelglatte See in einer hübschen Einzelkabine. Erst in St. Petersburg wurde es wieder mal kritisch, weil das von Deutschland aus bestellte und bezahlte Taxi am Hafen nicht erschien und ich mich ohne jegliche Ahnung in die Metro verirrte. Ein Wunder, dass ich damals überhaupt mein Hotel fand und nicht irgendwo verloren ging! Auch die vorgebuchte dreitägige Städtetour klappte nicht, aber eine andere Führerin betreute mich ersatzweise. So hatte ich viel mehr Freizeit für mich alleine als ursprünglich geplant, was mir sowieso besser gefiel. Ich habe St. Petersburg in sehr guter Erinnerung, bevor ich dann weiter nach Estland fuhr.“

Bei diesen Gedanken war ich nun an einer Stelle angekommen, wo ich nicht mehr geradeaus gehen konnte, da die Straße sich gabelte. Sollte ich nun rechts oder links laufen? Ein Autofahrer hielt an. „Smyril-Line“?, fragte ich. Er deutete nach links und fragte, ob er mich mitnehmen solle. Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich schon über eine Stunde gelaufen war. Ich war noch nicht all zu müde und genoss meine Unabhängigkeit. Er fuhr weiter, und ich dachte beim Weitermarschieren: „Nach Indonesien, Israel und in die Türkei bin ich dann geflogen. Zu den Kanalinseln fuhr ich nach einer Zugfahrt von Frankreich aus mit dem Schiff, aber das dauerte noch nicht mal eine Stunde, das zählt nicht. Nach Polen und Slowenien fuhr ich mit dem Zug, nur nach Finnland gab es wieder eine Schiffsreise. Zu dem Hafen an der Ostsee bin ich damals sogar mit dem Stadtbus gefahren…“

So hing ich meinen Gedanken nach, bis ich endlich eine Schranke und viele wartende Autos erblickte. „Na also“, dachte ich, „nun bin ich angekommen“. Aber es irritierte mich doch ein wenig, dass ich immer noch kein Wasser und keine Schiffe entdeckte. „Hier checken nur Autofahrer ein. Hier sind Sie falsch“, meinte denn auch der Kontrolleur an der Schranke. „Sehen Sie dort ganz hinten das kleine Auto? Sie müssen noch diese große Schleife ablaufen, dann kommt eine Eisenbrücke, und dahinter ist das Terminal für Fußgänger und Radfahrer zum Einchecken.“ Ich seufzte tief auf. Diesmal bot niemand an, mich mitzunehmen. Ich hätte an der Ampel vor einiger Zeit rechts abbiegen sollen! Aber es half ja nichts.

Ich schulterte wohl oder übel wieder meinen Rucksack und machte mich daran, die „große Schleife“ abzulaufen. Irgendwann gegen Mittag merkte ich an der Luft, dass ich mich dem Wasser näherte. Sie schmeckte plötzlich anders, salziger, und dann hörte ich tatsächlich Wellengeräusch und Möwengeschrei und sah Schiffsschornsteine und wusste, dass ich endlich am Ziel war.

Mein Schiff hieß „Norrona“. Ich bat an der Rezeption um ein ebenerdiges Bett und war froh, dass ich schon einchecken durfte. Es ging viele steile Treppen hinunter, bis ich endlich in meinem Schlafraum angekommen war. Ich hatte mich nicht auf Luxus eingestellt, war aber auf so eine einfache Ausstattung doch nicht vorbereitet. Es gab einen Vorraum mit je zwei Duschen, zwei Waschbecken und zwei Toiletten für sechs Leute. Dafür brauchte man eine besondere Chipkarte, und noch einmal eine andere, um in den Bettenraum zu gelangen. Also bloß nichts verlieren, wenn ich nachts raus musste! Auf jedem Bett lag ein leinener Schlafsack und ein bezogenes Kopfkissen, das war alles. Noch nicht mal eine Decke zum Zudecken gab es! Zum Glück hatte ich alles Nötige dabei und nur eine der anderen Frauen schnarchte, aber schlimm war die verstopfte Toilette ab der zweiten Nacht und der Gestank dort. Auch der Krach der Motoren direkt unter mir war gewöhnungsbedürftig. Ich ertrug alles mit stoischer Geduld und freute mich einfach nur, Urlaub zu haben.

Ich suchte mir einen guten Platz an der Reling, um wie die meisten Passagiere beim Beladen des Schiffes mit riesigen Containern und dem Rangieren der vielen Lastwagen zuzuschauen. Nach einer Durchsage des Kapitäns stellten wir unsere Uhren eine Stunde zurück, (kurz vor der Landung auf Island dann um eine weitere Stunde), und wie immer war es ein erhebender Augenblick, als die Schiffssirenen ertönten und wir in See stachen. Das war am Samstag Nachmittag. Bis Dienstag Vormittag dauerte die Fahrt mit der Smyril-Line, die damals der einzige Anbieter auf dieser Strecke war, also keine Konkurrenz zu fürchten hatte und deshalb auch schalten und walten konnte, wie sie wollte. (s.verstopfte Toiletten). Sie hatte trotzdem einiges im Angebot an Bord: eine billige Cafeteria und ein teures Restaurant, einen kleinen Whirlpool auf Deck, wohl als Einstimmung für Island gedacht, und vor allem eine interessante Reiseroute.

Auf der Hinfahrt fuhren wir nämlich im Schritttempo eine gute Stunde lang durch die vielen kleinen Inseln der Orkneys hindurch, so nah, dass ich begeistert einige Punkte von meinem Urlaub dort vor sechs Jahren wiedererkannte. Alle Passagiere waren an Deck und fotografierten wie wild die steil aufragenden Berge, die malerischen Fjorde, die pittoresken Leuchttürme und die kleinen, ganz nahen Fischerdörfer. Als ich auf der Rückfahrt einen Matrosen ganz irritiert fragte, wo denn die Orkneys geblieben seien, weil Dänemark schon ganz nah vor uns lag, wir sie also schon seit längerem gesichtet haben müssten, gab er unwirsch zur Antwort, dass wir laut Fahrplan auf der Rückfahrt außen herum führen. Schade, aber Fahrplan ist Fahrplan.

Nach dem vorsichtigen Kreuzen auf der Hinfahrt zwischen den Orkney-Islands nahmen wir wieder Fahrt auf und steuerten die Färöer-Inseln an. Wer Lust hatte, durfte sogar an Land gehen und sich am Montag Vormittag dort gute vier Stunden lang umsehen.

Mit den Färöer-Inseln hatte ich mich vorher nie wirklich beschäftigt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mir darunter immer unbewohnbares Felsengebirge mit vier oder fünf Häusern vorgestellt hatte. In Wirklichkeit handelt es sich um ein „richtiges“ Land, das zu Dänemark gehört. Die 22 kleinen Inseln sind vulkanischen Ursprungs und haben durch den nahen Golfstrom ozeanisches Klima, also milde Winter und kühle Sommer. Die Hauptstadt heißt Torshavn und liegt auf der Insel Streymoy. Im Ganzen gibt es ca. 50 000 Einwohner, die „Färinger“, die ihre eigene Sprache, „färöisch“, sprechen. Aber auch mit Englisch konnte ich mich verständigen, als ich auf meinem Landgang nach alter Gewohnheit als erstes die Tourist-Information aufsuchte. Dort erfuhr ich alles Wichtige über diese Inselgruppe. Die Leute waren freundlich, die Stadt sah „normal“ aus, mit Autos, Bussen, Ampeln, Geschäften – tief beschämt leistete ich im Stillen Abbitte bei den Färingern wegen meiner unverzeihlichen jahrelangen Unwissenheit über dieses Kleinod mitten im Nordatlantik.