Liebesglück im kleinen Buchladen - Susanne Hanika - E-Book

Liebesglück im kleinen Buchladen E-Book

Susanne Hanika

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Beschreibung

Jana ist auf der Suche nach einem neuen Sinn fürs Leben. Da kommt ihr das Angebot von Niklas wie gerufen: Wegen eines Unfalls ist er für einige Zeit auf Krücken angewiesen und braucht jemanden, der ihn chauffiert und im Haushalt hilft. Einen verschlossenen - aber zugegebenermaßen attraktiven - Architekten durch die Gegend kutschieren? So stellt sich Jana ihren Traumjob nicht gerade vor. Aber das Geld kann sie gut gebrauchen, also sagt sie zu.

Während sie Niklas im Alltag unterstützt, entdeckt sie einen heruntergekommenen Buchladen. Und sofort spürt Jana: Genau hier gehört sie hin. Voller Tatendrang widmet sie sich der Renovierung des Ladens und haucht ihm neues Leben ein. Schon bald merkt sie, dass sie neben dem Buchladen kaum Zeit findet, sich weiter um Niklas zu kümmern. Dabei empfindet sie mehr für ihn, als sie sich eingestehen will ...

Ein herzerwärmender Roman über Neuanfänge, Freundschaft und die Liebe, die manchmal genau da lauert, wo man sie am wenigsten erwartet.

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Seitenzahl: 383

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

JANA

NICK

JANA

Kapitel 2

JANA

Kapitel 3

NICK

JANA

NICK

JANA

Kapitel 4

NICK

JANA

NICK

JANA

Kapitel 5

NICK

JANA

NICK

JANA

NICK

JANA

Kapitel 6

JANA

NICK

JANA

NICK

Kapitel 7

JANA

NICK

JANA

NICK

Kapitel 8

JANA

NICK

JANA

Kapitel 9

JANA

NICK

JANA

NICK

JANA

NICK

JANA

NICK

JANA

Kapitel 10

JANA

NICK

JANA

Kapitel 11

JANA

NICK

JANA

Kapitel 12

NICK

JANA

NICK

JANA

NICK

JANA

NICK

JANA

Kapitel 13

JANA

NICK

JANA

Kapitel 14

NICK

JANA

Kapitel 15

JANA

Epilog

KARLA

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Jana ist auf der Suche nach einem neuen Sinn fürs Leben. Da kommt ihr das Angebot von Niklas wie gerufen: Wegen eines Unfalls ist er für einige Zeit auf Krücken angewiesen und braucht jemanden, der ihn chauffiert und im Haushalt hilft. Einen verschlossenen – aber zugegebenermaßen attraktiven – Architekten durch die Gegend kutschieren? So stellt sich Jana ihren Traumjob nicht gerade vor. Aber das Geld kann sie gut gebrauchen, also sagt sie zu.

Während sie Niklas im Alltag unterstützt, entdeckt sie einen heruntergekommenen Buchladen. Und sofort spürt Jana: Genau hier gehört sie hin. Voller Tatendrang widmet sie sich der Renovierung des Ladens und haucht ihm neues Leben ein. Schon bald merkt sie, dass sie neben dem Buchladen kaum Zeit findet, sich weiter um Niklas zu kümmern. Dabei empfindet sie mehr für ihn, als sie sich eingestehen will ...

Susanne Hanika

Liebesglück im kleinen Buchladen

Ein Lerchenbach-Liebesroman

Kapitel 1

Die Heuschrecken zirpen laut in der heißen, trockenen Wiese. Gelber Hahnenfuß und lilafarbene Skabiosen blühen, dazwischen duftet das gelbe Labkraut und leuchtet der blaue Wiesensalbei. Über dieser Farbenpracht gaukeln ein paar Bläulinge auf der Suche nach Nahrung und die Grillen zirpen. Es riecht nach Sommer, der zur Neige geht, aber noch einmal seine volle Kraft zeigt, und nach getrockneten Kräutern und Gras, nach aufgewirbeltem Staub, Hitze und der zerfließenden sommerlichen Fülle.

JANA

Die Sonne stand schon schräg und beleuchtete in einem warmen Orange den großen Nussbaum mitten im Hof. Das Zirpen von Heuschrecken erfüllte die Luft, ein paar Spatzen tschilpten in der großen Scheune, Tellergeklapper und Kinderlachen erfüllte den Mühlenhof. Mit einem Tablett in den Händen trat Jana gerade aus dem Wohnhaus. Ganz automatisch machte sie einen großen Schritt über das Sandspielzeug, das irgendein Kind direkt vor den Eingang des großen Bauernhauses geworfen hatte, und blieb dann kurz stehen. Draußen war es noch sommerlich warm, und der Schatten des Nussbaums lockte auch jetzt noch am Abend. Dort wurde gerade fleißig für das Abendessen gedeckt: Ihre großen Schwestern Bell und Charly verteilten die Teller und das Besteck, ihre Männer Robert und Luca trugen eben eine Bierbank unter den Nussbaum. Beide hatten je ein Kind auf den Schultern, die dreijährige Tilli zappelte auf den Schultern ihres Vaters und rief immer wieder wild: »Hüa! Galopp!« Der kleine Poopy krallte sich in die Haare von Luca und juchzte laut.

Jana saugte diese friedliche Bild in sich auf. Die vier spielenden Kinder von Bell und Robert. Ihr fünftes, die schlafenden Hannah, im Kinderwagen. Dazwischen die Hennen, allen voran die dicke Frau Pickmeyer, die mit gewichtiger Miene unter der Bierbank nach Futter suchte. Die Schwalben, die aus der Scheune heraussausten und über die abgemähten Felder flitzten. Und wie schön alles gedeckt war! Die rustikalen Teller, die Gläser mit dem weißen Blütenmuster und der Glaskrug mit der Holunderlimonade, auf dem sich das Kondenswasser absetzte. Robert setzte Tilli ab, die davongaloppierte und dabei unaufhörlich wieherte.

»Nein, ich bin nicht schwanger. Könnt ihr mal aufhören«, sagte Charly eben lachend. »Ich habe gerade einen fetten Fotoauftrag an Land gezogen. Das könnte ich jetzt gar nicht brauchen.«

»Ach«, sagte ihr Freund Luca und klang dabei etwas enttäuscht.

»Da sind die Blumen!«, schrie Tilli dazwischen, mit ihren drei Jahren die frechste unter den Kindern. Sie warf den Blumenstrauß einfach auf den Tisch und rannte dann wieder zu ihren großen Geschwistern Fynn und Franzi, die gerade neben der Scheune standen und tuschelten.

»Ich will auch!«, schrie sie ganz laut und wurde zischend von ihren Geschwistern zur Ruhe aufgerufen.

Was für ein Idyll der Mühlenhof doch ist, dachte Jana bei sich, während sie ihren Blick zum Gemüsegarten schweifen ließ. Er war ein klein wenig verwildert, weil niemand die Zeit fand, regelmäßig zu jäten, die Zucchinipflanze wucherte aber trotzdem riesengroß und einige Salatpflanzen warteten auf ihre Ernte. Der Mühlenhof schien ein Fleckchen Erde im Nirgendwo zu sein, ohne Verkehrslärm, ohne Hektik, und man hatte nach kurzer Zeit das Gefühl, dass einen die Probleme dieser Welt nichts mehr angingen. Jana konnte sich momentan überhaupt nicht vorstellen, jemals wieder an einem anderen Ort zu leben, auch wenn sie natürlich wusste, dass es für sie ein Paradies auf Zeit war, denn sie war nur zu Besuch.

»Kommt essen!«, rief Bell, und inmitten all des Lärms schlief die kleine Hannah seelenruhig. Tatsächlich wachte sie oft erst dann auf, wenn es leise wurde.

Alle setzten sich, durcheinanderredend, an den langen Tisch. Selbst der hingeworfene Blumenstrauß sah ausgesprochen gut aus, so als hätte ihn jemand absichtlich so drapiert. Tilli kletterte neben Jana auf die Bank, dabei krallte sie sich als Kletterhilfe in ihr T-Shirt. Charly rutschte näher an Luca ran, um ihrer Nichte Platz zu machen. Der konnte bestimmt seine Finger auch beim Essen nicht von ihr lassen! In der Hosentasche von Jana bimmelte diverse Male das Handy.

»Oha. Hast du etwas laufen?«, fragte Charly grinsend, weil sich das Handy von Jana sonst nie meldete. Deswegen war es auch nicht auf stumm geschaltet.

Jana schmierte gerade ein Brot mit Butter und legte es Tilli auf den Teller.

»Das ist bestimmt Mama«, antwortete sie.

»Mit Käse!«, befahl Tilli.

»Das kannst du selbst«, mischte sich Bell ein.

»Jana kann das besser«, behauptete Tilli.

»Langsam nervt es mit Mama«, sagte Bell. »Sag ihr, dass sie es machen kann, wie sie will. Wir freuen uns, wenn sie kommt, aber sie muss sich nicht verpflichtet fühlen.«

»Ich dachte, Mama will nicht zu Fynns und Poopys Geburtstagsfeier kommen«, sagte Charly, die sofort verstanden hatte, worum es ging.

»Ja, aber jetzt besucht Papa seinen besten Schulfreund in Hamburg, und Mama will auf keinen Fall mitfahren. Wahrscheinlich ist es ihr zu Hause fad«, erzählte Bell.

Da schon wieder ihr Handy bimmelte, zog Jana es aus der Hosentasche, um es auf stumm zu schalten. Zehn neue Nachrichten!

»Und?«, fragte Charly.

»Natürlich Mama«, murmelte Jana und schaltete das Handy auf lautlos.

Dabei fiel ihr Blick auf eine der Nachrichten. »Hast du deine Prüfungen hinter dir? Wenn Bell Hilfe braucht, kann das auch ich übernehmen.«

Jana schloss für einen Moment die Augen. Wahrscheinlich drehten sich alle WhatsApp-Nachrichten darum, dass sie sich um Janas Zukunft sorgte. So, als hätte Jana nicht schon selbst kapiert, dass Babysitter bei ihrer großen Schwester nicht der Job fürs Leben sein konnte!

»Seit Papa in Rente ist, hat sie ständig das Gefühl, etwas zu verpassen«, erklärte Bell, winkte dann aber seufzend ab, um das Gespräch nicht weiter zu vertiefen.

Seit Papa in Rente war, hatte sie vor allen Dingen entdeckt, dass Jana nicht auf Spur war und mischte sich regelmäßig in ihr Leben ein!

»Und, was will sie?«, fragte Charly mit vollem Mund.

Jana sprang auf und begann den Kindern Holunderlimonade einzugießen. »Sie will kommen und Babysitten«, erzählte sie, ohne die Bedenken ihrer Mutter, sie könnte ihr Studium schmeißen, zu erwähnen.

»Sie hat Angst, dass du dein Studium schmeißt«, durchschaute Charly sie allerdings sofort.

»Schließlich habe ich ja schon eins geschmissen«, murmelte Jana etwas verlegen und legte Tilli ein paar Gurkenscheiben auf den Teller.

»NEIN!«, schrie Tilli empört. »Nichts Grünes!«

»Du hast Jura geschmissen«, sagte Charly. »Jeder vernünftige Mensch würde das tun.«

Alle lachten, auch Jana, obwohl ihr gerade nicht nach Lachen zumute war. Bestimmt würden jetzt alle fragen, wie es mit dem Lehramtsstudium voranging. Jana wurde richtig heiß bei dem Gedanken, was sie darauf sagen sollte, aber Tilli schrie los: »Und nichts Rotes!«, als ihr Vater ihr mit einem fiesen Grinsen ein Stück Paprika auf den Teller legte.

Im nächsten Moment drehte sich das Gespräch aber schon um etwas anderes, wie so oft in der trubeligen Runde, und Tilli, die sich so über die Gurken beschwert hatte, stopfte sie sich alle gleichzeitig in den Mund.

»Wie lange bist du denn weg?«, wollte Bell von Charly wissen. »Ich hätte nämlich eine Bitte an dich, ein paar Fotos ...«

»Für die Homepage von Miriam und Leon?«, fragte Jana und versuchte, nicht an ihre Mutter zu denken.

»Nein, wir arbeiten gerade an der Eröffnung des Restaurants der beiden.«

»Das wird schon eröffnet?«, fragte Jana erstaunt, weil sie sich genau an die Baustelle erinnerte, die sich noch vor einer Woche gefühlt über die ganze Villa erstreckt hatte.

»Nein, noch nicht. Wobei die Küche schon fertig ist, und beim Saal ist schon der Boden fertig und die Fenster ... Aber die beiden wollen die Eröffnung wirklich groß feiern, deshalb hatten wir die Idee, dass auch noch Events im Dorf stattfinden sollen ... und das muss man natürlich definitiv länger vorbereiten. Einen Namen habe ich noch nicht. Etwas wie ,Die wilden Wochen', ,Lerchenbach Intensiv' fände ich schön, aber es soll irgendeine Aktion sein, an der sich alle Geschäfte im Umkreis beteiligen können, und durch die für alle hier Werbung gemacht wird ...«, führte Bell aus, nur um im selben Atemzug zu ihrem Jüngsten zu sagen: »Jetzt iss erst mal das, was du auf dem Teller hast.«

»Alle Geschäfte?«, fragte Jana. »In Lerchenbach gibt es doch nur die Bäckerei von Miriam und den Metzger.«

»In Unterbach gibt es noch ein Bastelgeschäft«, wusste Charly.

»Und diese Floristin. Außerdem ist es ja nur der Anfang. Vielleicht können wir auch einen kleinen Markt etablieren, mit Gemüse, Obst, Fleisch und Käse ... da gibt es doch einen Korbflechter, der manchmal ... Und natürlich noch Events ...«, zählte Bell auf.

Genau das, dachte Jana etwas frustriert. Genau das war ihr Problem. Bell wusste einfach, wo sie hinwollte. Oder sie war bereits da. Sie wüsste gerne, wo ihre eigenen Stärken lagen. Studieren war es jedenfalls nicht. Und Lehrerin wollte sie eigentlich auch nicht werden. Gerade hatte sie das Gefühl, dass sie keine einzige Stärke hatte.

Während sie die Paprika von Tillis Teller spießte und sich selbst in den Mund steckte, erzählte Charly von ihrem Fotoauftrag in einem Poledance-Studio, und Jana schob den Gedanken an ihre Zukunft einfach weg.

»Bestimmt kommst du gleich mit irgendwelchen Statistiken«, sagte ihr Schwager Robert gerade und grinste Jana an. Sie hatte den Themenwechsel nicht mitbekommen und lächelte nur. Das war tatsächlich eine ihrer Angewohnheiten, dass sie gerne irgendwelche Studien ins Gespräch einwarf.

»Vielleicht solltest du Statistikerin werden«, lächelte Luca.

»Dafür bin ich, glaube ich, zu alt«, murmelte Jana.

»Vierundzwanzig ist doch kein Alter«, grinste Charly.

Nach dem Essen und Abräumen verabschiedeten sich Charly und Luca, die großen Kinder hatten sich schon längst in Luft aufgelöst und Robert verschwand mit Hannah im Haus. Tilli saß zu ihren Füßen und sang irgendein Lied, in dem ein Elefant mit einem gigantischen Rüssel vorkam. Bell saß neben ihr und scrollte auf dem Handy herum.

Jetzt, dachte Jana. Jetzt muss ich ihr erzählen, dass ich gar nicht mehr studiere. Es hilft ja nichts!

»Was ich dir sagen wollte«, fing Jana zögerlich an.

Bell legte sofort das Handy weg. »Ich habe mich schon gefragt, wann du es erzählst«, erwiderte sie, bevor Jana überhaupt sagen konnte, was ihr gerade durch den Kopf ging.

»Wie bitte?«, wollte Jana erstaunt wissen.

»Du kommst im Juli, wo das Semester noch läuft, und behauptest, du würdest eine Hausarbeit schreiben – was ich immer in den Semesterferien gemacht habe«, zählte Bell auf, begeistert, endlich ihre Vermutungen äußern zu können. »Und was hast du dabei? Einen Rucksack mit anscheinend deinen gesamten Klamotten, sogar diesen hässlichen Pullover von Mama, den du nie haben wolltest ...«

Jana starrte ihre große Schwester an.

»... der, auf dem vorne Glamour Girl steht, in Glitzer«, freute sich Bell. »Und hast einen Karton dabei mit Öl, Essig, Salz, Pfeffer, Spülschwamm, Mülltüten ...«

»Ja, halt alles, was ...«

»Was man in seiner Wohnung lässt, wenn man wegfährt. Verdirbt ja nicht«, vervollständigte Bell triumphierend den Satz. »Ehrlich, den Spülschwamm! Wer nimmt denn so etwas mit, wenn er für ein paar Wochen wegfährt ...«

»Nur den neuen«, murmelte Jana. »Ich konnte nicht alles einfach wegwerfen.«

Eine Weile sahen sich die Schwestern an, dann sagte Bell sanft: »Sorry, ich hätte jetzt nicht so rausplatzen sollen damit. Erzähl.«

Was gab es da schon zu erzählen? Das Praktikum in der Schule, das ihr wieder mal gezeigt hatte, dass sie keine Lehrerin sein sollte? Die blöden Seminare? All die kleinen Details, die ihr jeden Tag vor Augen geführt hatten, dass es wieder mal nicht das richtige war?

»Ich sollte vielleicht nicht Lehrerin werden«, fing Jana an, und gleichzeitig begann im Haus Hannah zu heulen.

»Bell!«, hörten sie Robert rufen.

»Entschuldige, ich bin gleich wieder da ...«, sagte Bell und sprang auf.

»Wir können das auch morgen besprechen«, murmelte Jana, die das eigentlich gar nicht besprechen wollte, sondern nur froh war, dass es jetzt raus war.

»Du bist auf jeden Fall höchst willkommen«, rief ihr Bell über die Schulter noch zu. »Jetzt in den Schulferien ist es echt der volle Luxus, dich hier zu haben!«

Bell verschwand im Haus, und Jana sackte ein wenig in sich zusammen. Irgendwie hatte sie bereits gewusst, dass Bell etwas ahnte! Aber eigentlich wollte sie noch etwas anderes sagen, auch wenn sie merkte, dass sie ihr Mut schon wieder verließ.

In ihren Gedanken suchte sie nach einer Formulierung: Ich schreibe ein Buch. Ich wollte schon immer ein Buch schreiben. Und eigentlich habe ich für mich beschlossen, dass ich mir ein Jahr Zeit nehme, um mir diesen Traum zu erfüllen ...

Sie wusste selbst nicht, wieso sie sich dafür schämte. Das war ja nichts, wofür man sich schämen musste, aber sie hatte trotzdem das Gefühl, dass sie es niemandem sagen wollte. Vielleicht, wenn sie das Manuskript fertig hatte.

Jana spürte das kleine Händchen ihrer Nichte auf ihrem nackten Oberschenkel, die kleine Tilli begann neben ihr auf und ab zu hüpfen.

»Schreibst du uns wieder eine Geschichte?«, fragte sie.

»Ja«, behauptete Jana, obwohl es nicht stimmte.

»Liest du uns die heute Abend vor?«, fragte sie weiter.

»Klar«, antwortete Jana, obwohl sie die Geschichten, die sie den Kindern angeblich vorlas, immer just in dem Moment erfand, in dem sie sie erzählte.

»Jetzt bleibst du für immer bei uns und schreibst jeden Tag eine neue Geschichte«, freute sich Tilli.

Dann galoppierte sie davon und wieherte. Jana lächelte, als sie der Dreijährigen nachblickte, und es mischte sich ein bisschen Wehmut darunter. Denn eigentlich brauchte ihre große Schwester Bell ihre Unterstützung nicht mehr wirklich. Obwohl man natürlich bei fünf Kindern, das Jüngste gerade mal vier Wochen alt, jede Hand brauchen konnte, die zupackte. Aber wenn sie sah, was Bell nebenbei so alles wuppte, kam sie sich selbst ziemlich schlecht vor.

»So«, sagte Bell, als sie wieder neben ihr auftauchte und sich zu ihr unter den Nussbaum setzte. »Jetzt bin ich wieder da.« Sie hatte ihr Baby im Arm und schien sich eine geeignete Stellung fürs Stillen zu suchen. Jana warf einen Blick zu ihrem Schwager, der eben die Mülltonne zurück in die Scheune brachte.

»Ja. Genau«, erwiderte Jana und wollte gerade erzählen, dass sie die letzten Tage schon herumüberlegt hatte. Bevor sie ihre Gedanken sortiert hatte, sagte Bell: »Oh du meine Güte« und beschattete mit der rechten Hand ihre Augen. Jana tat es ihr gleich und sah der kleinen Truppe entgegen, die den staubigen Feldweg vom Waldrand hinunter auf den einsamen Hof zukam.

»Das kann ja wohl nicht wahr sein«, murmelte Bell neben ihr.

»Ponys!«, schrie die kleine Tilli aufgeregt und rannte los, ihren Geschwistern entgegen. »Wir kriegen neue Ponys.«

»Nein«, sagte Robert sehr energisch, vielleicht auch mit einer gewissen Panik in der Stimme. »Nein, wir kriegen keine neuen Ponys. Wie viele sind das denn um Himmels willen?«

Für die Antwort auf diese Frage brauchte Jana nicht zu zählen, denn ihre Nichte und ihr Neffe hatten schon gestern erzählt, was sie letzte Woche auf dem Nachbarhof entdeckt hatten: eine Ponystute und ein Ponyhengst, dazu die zweijährige und die einjährige Tochter der beiden.

»Natürlich keine weiteren Pferde«, versicherte Bell. »Ich habe überhaupt keine Zeit für noch mehr ... Du meine Güte!«

Die kleinen Hufe klapperten über den Hof, und obwohl Bell gerade noch geschimpft hatte, lief sie ihren Kindern und den Ponys entgegen.

»Du meine Güte. Die Hufe! Die haben noch nie einen Hufschmied gesehen!«, stieß sie empört hervor.

»Und alle sind verwurmt«, sagte Franzi begeistert, als wäre das ihr Verdienst. »Und total mager, schau mal, wie ihnen die Hüftknochen aus dem Fell stechen!«

»Na ja, die Bäuche sind ja ziemlich dick!«, wandte ihr Vater ein. »Ich finde ...«

»Weil sie trächtig sind! Sogar die jungen!«, schimpfte Bell. »Was für eine Tierquälerei!«

»Ja. Die bringen wir sofort wieder zurück«, sagte Robert. »Und benachrichtigen das Veterinäramt.«

»Wir haben sie gekauft«, sagte Franzi stolz. »Mit den fünfzig Euro von Opa! Die können da nicht zurück, die sind nämlich in einem winzigen Schafstall untergebracht, und ...«

Hannah begann zu schreien.

»Gib sie mir«, sagt Jana eilig, um nicht in den sich anbahnenden Familienstreit hineingezogen zu werden. »Ich trag sie ein bisschen herum!«

Robert sah definitiv danach aus, als würde ihm gleich der Kragen platzen, Bell dagegen hatte ihren Blick drauf, den sie immer hatte, wenn es um Tiere ging, speziell um Pferde. Die vier würden heute nicht zurückgebracht werden, so viel war gewiss.

Das Babygeschrei wurde lauter, und Jana beschleunigte ihre Schritte. Das Wippen beruhigte die Kleine, aber wahrscheinlich hatte sie einfach Hunger, da wurde das süßeste Baby zum Randalierer!

»Schschsch«, machte Jana und wippte ein wenig, während sie ihre kleinste Nichte behutsam im Arm hielt. Dabei ging sie unter dem Nussbaum auf und ab und sah zu, wie die restliche Familie vor den Ponys stand und darüber debattierte, was zu tun war. Was nicht so einfach war, denn Tilli schrie immer wieder dazwischen: »Ich will ein Pony haben!«, und Robert lief rot an, wahrscheinlich weil er definitiv kein weiteres Pony haben wollte, und vor allen Dingen nicht vier!

Während sie die Familie beobachtete, legte Jana ihre Lippen auf das kleine Babyköpfchen und atmete den Geruch ein. In ihrem Kopf formten sich sofort Sätze. »Geschichtenerzählerin« hatte Bell gesagt, weil Jana jeden Abend ihren Nichten und Neffen selbst erfundene Geschichten von kleinen Ponys erzählte, von Hunden, die sich im Wald verliefen, und dann immer rechtzeitig von tapferen Kindern gefunden wurden, und kleinen Häuschen im Wald, in denen winzige Feen, Elfen oder Gnome lebten, die abenteuerlustig durch die Natur streiften.

Sie hatte schon versucht, einen Roman zu beginnen, aber sie hatte immer am Abend das gelöscht, was sie tagsüber geschrieben hatte. Nie fühlten sich die Worte und der Plot richtig an.

Was aber, wenn sie eine Geschichte schreiben würde, die mit ihrem jetzigen Leben zu tun hatte?

»Ich muss jetzt die Küche aufräumen«, hörte sie Robert draußen energisch sagen, und Bell stürmte ins Haus.

Mit der Kleinen auf dem Arm folgte Jana ihrer Schwester in die Diele, wo diese gerade in einem Kästchen kramte.

»Irgendwo hier muss doch ...« Sie packte etwas, das wie ein hakenförmiges Messer aussah, und sagte: »Als Erstes schneide ich mal die Hufe. Und dann sehen wir weiter.« In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Könntest du vielleicht drei Schubladen weiter unten schauen, ob da noch Wurmmittel drin sind, ich dachte, ich hätte da noch mehr ...«

Jana ging vor dem Kästchen in die Hocke und fand, Hannah mit dem Bauch nach unten auf ihrem Unterarm liegend, tatsächlich noch Wurmmittel, mit dem sie raus zu der aufgeregten Kinderschar ging.

»Was du alles kannst«, sagte sie beeindruckt zu ihrer Schwester, weil die gerade routiniert der hochträchtigen Mutterstute die Hufe ausschnitt.

»Von wegen«, antwortete die. »Die zwei Jungen sind total wild, da müssen wir erst einmal üben, die Hufe zu heben, bevor ich da etwas machen kann. Einen Hufschmied bekommt man für so wilde Ponys nicht, meiner ärgert sich ja schon, wenn die Pferde mal einen Schritt vorwärts gehen.«

Sie warf nur einen kurzen Blick auf das Wurmmittel. »Und das klappt auch noch nicht, die haben viel zu viel Angst.«

Hannah begann jetzt zu weinen und ließ sich auch nicht durch das Gewippe von Jana beruhigen. Bell sagte zu den Kindern: »Ihr zäunt ein kleines Stück hinter der Scheune ab, da können sie stehen, bis wir das alles geregelt haben. Ich muss jetzt erst einmal stillen.«

Die beiden Frauen setzten sich wieder auf das Bänkchen unter dem Nussbaum, Bell legte die kleine Hannah an ihre Brust, und es wurde sofort still. Bell schien nur Augen für die Kinder und die Ponys zu haben, während Jana ehrfürchtig auf das Babyköpfchen und die Brust ihrer Schwester blickte. Es war immer wieder ein so friedliches Bild, Mutter und Tochter zu beobachten! Dabei formten sich sofort neue Sätze in ihrem Kopf, und sie hatte das dringende Bedürfnis, diese in die Tasten zu hämmern.

Schon seit Tagen schrieb sie – statt an der vorgetäuschten Hausarbeit – an ihrem Buchprojekt: die junge Mia, die auf der Suche war nach dem, was sie in ihrem Leben erreichen wollte. Die nach etlichen Wirrungen und Irrungen endlich dort ankam, wo sie hinwollte. In einem kleinen Dorf, mit netten Nachbarn und einem Job, der sie zufrieden machte. Und einem Mann, in den sie sich verlieben und der ihr ein wirklicher Partner sein würde. So wie Bell und Robert. Die hatten zwar auch ihre Schwierigkeiten, man musste nur an die Kinder und die Pferde denken, aber dennoch waren die beiden ein tolles Paar.

Natürlich war das eine Utopie, weil – was sollte man in einem kleinen Dorf schon arbeiten? Und wie wollte man in so einem Dorf einen Partner finden? Der Altersdurchschnitt in Lerchenbach lag gefühlt bei hundert Jahren.

Jana steckte ihren Zeigefinger in das winzige Händchen von Hannah. Lautes Geschrei riss sie aus ihren Gedanken. Eben fingen sich die zwei Großen an zu schlagen, weil sie beide der Meinung waren, dass nur einer von ihnen recht hatte. Seufzend stand Jana auf, um sie zu trennen.

»Sag den Kindern, sie sollen den Ponys ein bisschen Müsli geben«, bat Bell und lehnte sich nun doch gemütlich zurück.

Die Kinder hörten auf zu streiten, bevor Jana überhaupt bei ihnen ankam. Sie ging hinter Poopy in die Hocke und hielt ihn fest, auf der anderen Seite schmiegte sich Tilli an sie und sah dabei zu, wie die Ponys zu fressen begannen.

Der Unterschied zwischen Bell und ihr war, dass ihre große Schwester immer einfach alles anpackte und sie selbst immer das tat, was andere ihr als vernünftig beschrieben. War es vernünftig, »Wilde Wochen« in Lerchenbach etablieren zu wollen? Nein! Aber Bell packte es an!

Dann tu das doch auch!, sagte sich Jana in Gedanken, und in ihrem Bauch begann es heftig zu kribbeln. Ich schreibe ein Buch!, sagte sie sich. Was hindert mich eigentlich daran? Eine Menge, ging es ihr durch den Kopf. Es nahm Zeit in Anspruch, wahrscheinlich Monate, und sie musste, wenn sie schon nicht studierte, Geld verdienen, wenn sie nicht weiterhin ihrer Schwester zur Last fallen wollte.

Also irgendwo eine Arbeit suchen. Die nicht so viel Zeit in Anspruch nahm, dass sie nicht an ihrem Buchprojekt arbeiten konnte. Vielleicht sollte sie Miriam fragen, ob sie bei ihr jobben konnte, kam ihr schon die erste Idee.

Aber wenn es ein Liebesroman werden sollte, musste sie dann etwas über Sex schreiben? Vielleicht war das doch nicht das richtige Thema für sie. Himmel, ihre Gedanken fuhren wirklich Karussell!

Tilli ging jetzt auch in die Hocke und hielt ein kleines Stückchen Brot in der Hand, wurde aber von den Ponys nur misstrauisch beäugt.

Bell war nun ebenfalls zu ihnen gekommen, die kleine Hannah lag mit dem Köpfchen auf ihrer Schulter. Jana war sich sicher, dass Bell sehr gut Liebesszenen schreiben könnte, sie konnte schließlich auch stundenlang darüber reden, dass man keinen Sex hatte, wenn man Kinder hatte.

Das mit dem Mann in dem Buch war leider auch ein Problem. Man sollte ja über das schreiben, was man selbst kannte. Natürlich war sie schon einmal verliebt gewesen. Zweimal richtig verliebt sogar, aber einer der Männer war schwul gewesen und der andere hatte nur seine Ex-Freundin eifersüchtig machen wollen. Danach hatte sie noch eine Romanze mit diesem Jura-Studenten gehabt, aber Himmel, wenn das Sex war, dann brauchte sie das auch nicht mehr zu erleben.

Das war auf jeden Fall nichts, was man in einem Liebesroman verwerten konnte.

*

Für den nächsten Tag hatten die Schwestern beschlossen, mit allen Kindern in Miriams Café Mittag zu essen, schließlich sollten die Schulferien auch für die Eltern eine gewisse Ferienkomponente enthalten. Schon von Weitem konnte man sehen, dass das Café gut besucht war. Es hatte sich bei Handwerkern und Ausflüglern herumgesprochen, und bei schönem Wetter war jeder Platz unter den hellen Schirmen besetzt. Bell und Jana hatten Glück, denn dort saß Leon mit seinem Bruder im Schatten und sie wurden prompt von ihnen zu sich an den Tisch gewunken.

Leon nahm Bell sofort die kleine Hannah aus den Armen und sah die Kleine verliebt an. Sah man da etwa den Wunsch nach Familienplanung?, fragte sich Jana. Aus den Augenwinkeln sah sie eine ältere Dame die Treppe heraufkommen. Sie war spindeldürr und klein, trug eine Jeans und dicke Wanderstiefel, als wollte sie gleich einen Berg besteigen. Mit Adleraugen ließ sie ihren Blick schweifen. Jana wusste, dass alle im Ort sie Tiktak nannten, weil sie ein Zimmer voll mit Uhren hatte, die wohl einen Heidenlärm machten. Mit einem Nicken hob Tiktak schließlich eine Hand, als sie eine andere ältere Dame an einem Tisch entdeckte. Jana nahm die Lehne des freien Stuhls und wollte ihn unter dem Tisch vorziehen.

»Ups«, sagte sie, als sie merkte, dass Leons Bruder Niklas dort sein Bein mit der Vacoped-Orthese abgelegt hatte.

»Vielleicht könnten wir dir ja eine Krankenschwester anheuern«, schlug Leon mit einem etwas fiesen Lächeln vor, anscheinend setzte er gerade die Unterhaltung fort, die die Brüder eben geführt hatten.

»Ich nehme einen anderen Stuhl«, sagte Jana eilig.

»Krankenschwester?«, fragte Bell, während sich Jana setzte. »Wieso das?«

»Unsinn«, wehrte Niklas energisch ab. »Ich brauche keine Krankenschwester.«

»Mein Vater ist die nächsten Tage nicht da«, erklärte Leon, »Und mit ihm auch Franz.«

Jana wusste, dass Franz der Butler des alten Zellwegers war und auch, dass Niklas einen Sprunggelenksbruch hatte, und nur aus diesem Grund wieder in Lerchenbach war. Sie hatte ihn zwar schon ein paarmal gesehen, aber ihre Unterhaltungen hatten sich auf ein bloßes »Hallo« beschränkt.

»Jetzt braucht er jemanden, der ihm das Händchen hält«, erklärte Leon mit einem fiesen Lächeln.

Mit grummeliger Miene blieb in diesem Moment Tiktak neben ihnen stehen. »Das wäre etwas für die junge Dame hier«, mischte sie sich mit ihrer Reibeisenstimme ungefragt in das Gespräch ein und tippte dabei Jana auf die Schulter.

Jana öffnete den Mund und schloss ihn wieder, während Niklas sie nur anlächelte. Seine Augen schienen ›Hör einfach nicht zu‹ zu sagen.

»Ich muss mich um Hannah kümmern«, erklärte sie hastig.

Tiktak schüttelte nur den Kopf über diese Aussage.

»Die ist bestimmt angenehmer im Umgang«, nickte Leon verständig. »Die heult nicht so babyhaft rum wie mein Bruder.«

Die beiden Brüder lachten dröhnend.

Bell lächelte nur, und Tilli sagte mit ernster Miene: »Aber wieso weinst du wie ein Baby?«, was noch lauteres Gelächter auslöste.

»Er muss immer mit Krücken gehen«, erklärte Bell ihr. »Und das ist nicht so schön. Dann muss einem immer jemand Dinge nachtragen.«

»Muss dir dann jemand den Popo wischen?«, fragte Tilli interessiert nach.

»So weit kommt's noch«, murmelte Niklas, und die anderen Erwachsenen lachten.

»Muss Pipi«, fiel Tilli bei diesem Thema ein, während sie auf und ab hüpfte. Bell seufzte.

»Ich geh schon«, sagte Jana. »Bleib sitzen.«

»Das ist ihr neuester Tick. Kaum hat man sich gemütlich hingesetzt, muss sie dringend auf Klo«, erklärte Bell, während Jana aufstand und mit Tilli an der Hand ins Café ging. Im Café hatte Tilli schon wieder vergessen, was sie wollte und lief stattdessen zu Miriam hinter den Tresen, um sich dort zu Miriams Hund Dobby zu setzen und ihn zu streicheln.

»Du siehst heute irgendwie traurig aus«, stellte Miriam fest, nachdem sie die beiden begrüßt hatte, und füllte Kaffeesahne in ein kleines Kännchen.

Jana zuckte nur die Schultern. »Soll ich das Tablett rausbringen?«, fragte sie.

Miriam lächelte und stellte ihr noch ein Glas Wasser zu dem Kännchen Kaffee. »Gerne. Aber du weißt ...«

Sie zögerte ein wenig.

»Ich kann dich nicht wirklich einstellen. Mal ein paar Stunden aushelfen ...«

»Natürlich, so war das nicht gemeint«, sagte Jana hastig, sie atmete ruckartig aus. »Na ja gut, vielleicht war es auch so gemeint. Du weißt schon, ich muss ja auch mal in die Pötte kommen, wie meine Großmutter zu sagen pflegte.«

Miriam nickte. »Ich weiß, du bist auf der Suche nach deinem Weg. Und den wirst du finden, da bin ich mir sicher.«

Mit einem Blick auf Tilli fügte Miriam hinzu: »Manche finden den Weg gleich, ohne eine Abzweigung zu nehmen, und manche machen ein paar Kurven mehr. Aber ...« Sie hob ihren Zeigefinger. »Irgendwann wird dir die Kurve auch was bringen. Schau dir zum Beispiel Leon an, der eigentlich Banker hätte werden sollen. Das bringt ihm jetzt bei seiner Verwirklichung des Restaurants was.«

Jana widersprach nicht, obwohl sie bezweifelte, dass ihre Studienerfahrungen zu etwas nütze waren. Von ihren drei Semestern Jura war bei ihr eigentlich nur hängengeblieben, dass man einen Imker nach einem Bienenstich im Prinzip verklagen konnte, wenn man irgendwie nachweisen konnte, dass das wirklich die Biene des Imkers gewesen war. Dann hatte sie ein Jahr in einem Café und parallel in einem Buchladen gearbeitet, um anschließend mit Deutsch und Geschichte auf Lehramt weiterzumachen, auch wieder für zwei Jahre, aber das erste Praktikum in der Schule hatte sie schier verzweifeln lassen. Was sie davon mitgenommen hatte, konnte sie beim besten Willen nicht in Worte fassen, außer vielleicht, dass sie mit einer Horde pubertierender Jungs nichts anzufangen wusste.

Jana lächelte trotzdem zurück und nahm das Tablett.

»Das ist für Tante Rosa und Tiktak«, sagte Miriam noch, die offensichtlich auch ohne Bestellung wusste, was die beiden trinken wollten. »Das sind die zwei alten Damen ...«

»Ich weiß«, grinste Jana. An den beiden kam man eigentlich nicht vorbei, wenn man ein paar Tage in Lerchenbach verbrachte. Obwohl bereits über achtzig, waren sie ständig im Dorf unterwegs und mischten sich gefühlt in wirklich alles ein, was hier geschah. Und natürlich wusste sie, dass Tiktak Miriam einen kleinen Welpen vor die Tür gesetzt hatte, nur um sie mit dem Tierarzt des Ortes zu verkuppeln.

NICK

Niklas sah Bell hinterher, wie sie nun auch ins Innere des Cafés ging.

»Das ist doch eine gute Idee«, köderte sein Bruder ihn. »Jana ist supernett und hilfsbereit.«

»Ich brauche nur einen Chauffeur«, sagte Niklas abwehrend.

»Und jemanden, der dir die Sachen nachträgt«, erklärte ihm Leon. »Jana kann das Geld brauchen, sie hängt momentan etwas in der Luft und du würdest ein gutes Werk ...«

Sie unterbrachen die Unterhaltung, als die Frauen wieder zurückkamen, und Leon wippte ein wenig, weil die kleine Hannah gerade ihr süßes Gesichtchen verzog.

»Jana könnte sich da eine goldene Nase verdienen«, behauptete Leon, als Jana in Hörweite war. »Er zahlt natürlich nicht nur Mindestlohn.«

Jana stellte gerade einer älteren Dame eine Tasse Kaffee auf den Tisch und balancierte dabei das Tablett auf einer Hand. Dabei schien sie die Worte von Leon zu ignorieren.

»Und was ist mit deiner Freundin?«, wollte Miriam wissen, die mit einem zweiten Tablett an den Tisch getreten war und ihm einen Espresso brachte. »Hat die keine Zeit, eine Weile hier in Lerchenbach zu sein?«

Sarah in Lerchenbach, allein der Gedanke ließ ihn fast lachen.

»Die ... ist gerade in Amerika«, sagte er und wich dabei Leons Blick aus. Das entsprach zwar der Wahrheit, aber um ehrlich zu sein, auch die vier Wochen vor ihrer Amerikareise hatte sie keine Anstalten gezeigt, zu ihm nach Lerchenbach zu kommen. Genau genommen hatten sie sich kurz nach seiner OP darauf geeinigt, ihre Beziehung für eine Weile auf Eis zu legen und sich auf ihr berufliches Fortkommen zu konzentrieren, wie Sarah das formuliert hatte.

Seit er in Lerchenbach war, hatte er tatsächlich das Gefühl, angekommen zu sein, und leider oder glücklicherweise auch das Gefühl, dass Sarah kein Teil des Lebens hier sein konnte. Dass ihre ständige Unzufriedenheit und ihr Geltungsdrang ihm all das kaputt machten, was er so an Lerchenbach liebte. Die ruhigen Tage, die netten Leute, vor denen man sich nicht verstellen musste, und das beschauliche Miteinander.

»Aber doch nicht wochenlang«, wandte Leon ein.

»Keine Ahnung«, wich Niklas dem Thema aus, beobachtete aber Jana, statt Leon anzusehen. Sie trug eine abgeschnittene Jeans, die sich hauteng um ihren Po spannte, und über ihren Rücken strich ihr blonder Pferdeschwanz. Ihrer Schwester Bell ähnelte sie irgendwie kein bisschen, sie hatte blaue Augen und blonde Haare, während ihre Schwester sehr dunkle, kurze Haare hatte und eine ausgeprägte Nase. Jana hatte eine süße Stupsnase und darauf ein paar dezente Sommersprossen. Gerade lachte sie über etwas, das die ältere Dame zu ihr sagte, und sah so unbeschwert aus, dass er daran denken musste, wie alt er war. Und wie jung sie vermutlich.

Wieso er nicht damit rausgerückt war, dass sein Beziehungsstatus komplett ungeklärt war, oder um genau zu sein, dass er Single war, wusste er nicht genau. Vielleicht wollte er, dass Jana das hörte und sich nicht der irrigen Annahme hingab, dass er auf der Suche nach einer Frau war. Schon oft hatte er die Erfahrung gemacht, dass Frauen glänzende Augen bekamen, wenn sie erfuhren, dass er Single war. Ein bekannter Architekt mit einem reichen Vater im Hintergrund! Er sah den Frauen immer an, was sie sich dann für ihr Leben ausmalten.

Jana stellte einen Teller mit einem üppigen Schokoladenkuchen mit glänzender Glasur auf den Tisch der beiden alten Damen. Den zweien sah man deutlich an, dass sie mehr Interesse an der Unterhaltung am Nachbartisch hatten als an dem leckeren Kuchen.

»Das ist übrigens der Niklas Zellweger«, hörte er eine der älteren Damen zu Jana sagen. »Keine schlechte Partie, wenn du mich fragst. Er hat ein Architekturbüro in München und wird mal zusammen mit seinen Brüdern die ganze Chose hier erben!«

Auf Janas Gesicht breitete sich eine sanfte Röte aus, die sie noch jünger aussehen ließ, als sie wahrscheinlich war. Er wandte seinen Blick ab und sah seinem Bruder ins Gesicht, der ihn beobachtete und dabei ein Grinsen nicht verbergen konnte. Wahrscheinlich ahnte der sowieso schon, dass er momentan keine feste Freundin hatte.

Genau genommen war er natürlich auch nicht auf der Suche nach einer Frau. Er fragte sich, ob er jemals das Glück haben würde, eine Frau wie beispielsweise Miriam als Partnerin zu haben. Jemand, dem er wirklich am Herzen lag, eine Frau, bei der es nicht um Show ging, darum, in der Gesellschaft ein erfolgreiches Paar darzustellen, sondern nur darum, sich in der Beziehung wohlzufühlen. Bei seinem Bruder hatte er noch nie miterlebt, dass die beiden jemals das Handy gezückt hatten, wenn sie zusammen waren. Oder komplett abgelenkt nur »Hm« gebrummt hätten, statt sich zuzuhören.

»Vielleicht ja doch keine so schlechte Idee«, antwortete er seinem Bruder.

Jana und Bell setzten sich wieder zu ihnen.

»Wie viel Zeit würde das denn in Anspruch nehmen?«, fragte Jana, sah dabei aber Leon an und nicht ihn.

»Nur die nächsten zwei Wochen, und vielleicht sogar nur eine Woche«, beeilte Niklas sich zu sagen.

»Autofahren kannst du dann immer noch nicht«, winkte Leon ab. »Mindestens zwei Wochen.«

»Aber dann ist Franz wieder da«, erklärte Niklas. »Vielleicht zwei Stunden am Tag.«

»Zwei Stunden?«, fragte Leon mit hochgezogenen Augenbrauen. »Franz hat dir den ganzen Tag alles nachgetragen, er hat dir Essen gemacht und dich zur Physio gefahren, er hat dir sogar die Wäsche ...«

Jana riss die Augen auf.

»... gewaschen«, vervollständigte Niklas den Satz seines Bruders. »Das musst du natürlich nicht machen, es geht mehr um die Physiotermine.«

Erstaunlicherweise sagte Jana: »Okay. Gut. Das kann ich machen.«

»Echt?«, fragte Leon in so erstauntem Tonfall, dass alle lachten. »Ich meine ja nur, ich kenne meinen Bruder und dass du dich gleich bereit erklärst ...«

»Toll«, sagte Bell. »Mama wollte doch kommen, dann kann sie dein Zimmer haben.«

»Mein Zimmer?«, fragte Jana erstaunt.

»Na ja, solange du im Schloss wohnst«, meinte Bell und nahm einen Schluck Kaffee.

Kurz herrschte Schweigen. Eigentlich war das nicht seine Planung gewesen, dachte Niklas. Allerdings war gar nichts davon seine Planung gewesen – aber vermutlich wäre es praktisch. Franz lebte schließlich auch im Schloss und war dann allzeit bereit.

»Ja. Das wäre praktisch«, nickte Leon vergnügt. »Dann kannst du ihm schon beim Anziehen helfen.«

»Das ist ein Witz«, mischte sich Niklas schnell ein, weil er den etwas irritierten Blick von Jana bemerkte. »Ich ziehe mich natürlich selbstständig an.«

»Ich auch!«, jubelte Tilli, und wieder lachten alle. »Und jetzt will ich ein Eis!«

JANA

Das durfte sie natürlich. Jana ging mit Tilli zusammen ins Café, und Miriam gab ihr ein kleines Vanilleeis in einer Waffel. Tilli nahm Janas Hand. »Jana auch!«, befahl sie resolut.

Mit dem Eis in der Hand kamen sie wieder auf die Terrasse.

»Wir drehen mal eine Runde«, schlug Jana vor.

»Au ja!«, freute sich Tilli.

Jana hatte sich schon die letzten Tage gefragt, wie lange sie ihrer Schwester noch zur Last fallen konnte. Als sie das angesprochen hatte, hatte Bell nur gelacht. »Du bist keine Last‟, hatte sie behauptet. »Du nimmst mir ganz viel Arbeit ab.‟

Natürlich versuchte sie mitzuhelfen, wo es nur ging. Aber trotzdem kam sie sich manchmal ein klein bisschen wie ein Eindringling vor. Wenn sie länger hier wohnen sollte, würde sie sich eine eigene Wohnung nehmen müssen. Aber das jetzt so deutlich aus Bells Mund zu hören – »Juhu, endlich zieht sie aus.‟ –, das tat weh.

Mit Tilli an der Hand stieg sie die Treppe zur Straße hinab und bog nach rechts ab.

Du bist überempfindlich, schimpfte sich Jana selbst. Schließlich hatte Bell nicht »Juhu« geschrien, sondern hatte sich nur gefreut, dass sie die Oma für ein paar Tage einquartieren konnte.

Trotzdem legten sich die Worte wie ein düsterer Schatten über ihre Laune. Tilli merkte davon nichts, sie hüpfte an ihrer Hand und plapperte die ganze Zeit vor sich hin.

»Dann heiratest du Niklas«, stellte Tilli begeistert fest. »Wohnt Niklas dann auch bei uns? Dann kann er sich um eines der Ponys kümmern.«

»Nein, ich heirate Niklas nicht«, verbesserte Jana sie und musste lachen. »Niklas hat schon eine Frau.«

Tilli blieb stehen und hob einen Finger. »Und die kriegt jetzt ein Kind.«

Jana musste lachen. »Keine Ahnung, Tilli.«

Mit Tilli an der Hand schlenderte sie die Straße weiter, bis sie in eine Seitengasse sehen konnte.

»Ach, sieh mal, ein Buchladen!«, sagte Jana und blieb neugierig vor dem Schaufenster stehen. Eine Weile betrachteten sie die Auslage, und Jana schleckte ihr Eis zu Ende.

»Kaufst du mir ein Buch?«, fragte Tilli aufgeregt.

»Mal sehen«, sagte Jana, der Laden sah nämlich nicht so aus, als wäre er geöffnet. Die Auslage war zwar noch mit Büchern bestückt, aber den ausgeblichenen Buchdeckeln und den toten Fliegen nach zu schließen, war hier schon lange nichts mehr getan worden. Innen an die Glastür war ein Zettel geklebt, der hier auch seit Jahren hängen musste: »Aushilfe gesucht« stand darauf, und auch dieser Zettel war gewellt und ausgebleicht.

Irgendetwas in ihrem Bauch begann zu kribbeln, so als wäre das alles ein Wink des Schicksals. Einer Eingebung folgend drückte Jana leicht gegen die Tür, und sie öffnete sich erstaunlicherweise. Eine Klingel ertönte, die sehr geheimnisvoll klang und ein bisschen nach Harry Potter.

»Da darf man nicht rein!«, flüsterte Tilli. »Das ist bestimmt verboten.«

Tatsächlich standen im Mittelgang zwei Tische von der Sorte, die normalerweise als Auslage vor dem Laden standen.

»Ach was«, sagte Jana. »Schließlich ist die Tür nicht abgesperrt. Wahrscheinlich öffnen sie gleich.«

Das kam ihr selbst sehr unwahrscheinlich vor. Sie war nun bereits seit vier Wochen in Lerchenbach und schon zig Male hier durch die Gassen gegangen, aber einen Buchladen hatte sie noch nie gesehen.

Jana trat beherzt ein.

Der Laden war leer, doch bei der Kasse brannte ein kleines Licht. Direkt davor standen mehrere Kartons auf dem Boden, gefüllt mit Büchern. Auch die Bücherregale waren alle gut gefüllt, aber es sah alles eingestaubt aus. Jana erschrak fürchterlich, als eine Person aus der Tür hinter der Kasse kam, und auch der Mann – es war ein sehr alter Mann mit einer riesigen Brille – stieß einen erschrockenen Ruf aus. Tilli klammerte sich an das Bein von Jana, und diese spürte, wie sich das Eis kühl an ihren Oberschenkel drückte.

»Geschlossen«, sagte der Alte, und seine Stimme klang so rostig, als hätte er schon tagelang nicht mehr gesprochen.

»Entschuldigung, aber die Tür war offen«, wandte Jana ein und lächelte entschuldigend.

Der Alte schnaubte, und sie drehten sich beide zur Tür, als es schon wieder klingelte.

Tiktak!

Die Alte kam mit energischen Schritten herein. Sie hatte eine Einkaufstasche in der Hand und ging zielstrebig zu einem Bücherregal, dort legte sie den Kopf schief, um die Buchrücken zu studieren.

Der Alte seufzte, wiederholte aber nicht, dass geschlossen sei.

»Da hängt ein Zettel an der Tür: Aushilfe gesucht«, machte Jana weiter, obwohl er nicht besonders freundlich auf sie wirkte. »Und da wollte ich fragen ...« Bevor sie sagen konnte, dass sie in den letzten Jahren immer im Weihnachtsgeschäft in einem Buchladen gearbeitet hatte, unterbrach er sie schon: »Ich brauche keine Aushilfe.« Er klang dabei nicht böse, sondern eher resigniert.

»Natürlich brauchst du eine Aushilfe«, mischte sich Tiktak ein, obwohl sie hinter einem Bücherregal stand und sie gar nicht sehen konnte. »Das sieht doch ein Blinder, dass du eine Aushilfe brauchst.«

Der Alte verzog den Mund und antwortete nicht. Tiktak kam hinter dem Bücherregal hervor, sie hatte ein Buch in der Hand, das aussah, als wäre es seit Jahren im Regal eingestaubt, der Einband eingerissen. »Du solltest sie einstellen, sie ist fleißig, gesund und stark. Die Bücherkisten sind kein Problem für sie. Du kannst diese schweren Kisten doch gar nicht mehr heben!«

»Hm«, machte der Alte.

»Korbinian ist genauso alt wie ich«, verriet Tiktak, und an den Mann gerichtet: »Und soviel ich weiß, sind dir mindestens zwei Wirbel angebrochen.«

Korbinian antwortete darauf nichts, sondern schien sich krampfhaft zu überlegen, wie er die renitente Alte loswerden konnte.

»Außerdem ist sie unglaublich gescheit, sie hat studiert«, pries Tiktak Jana an.

Jaja, dachte Jana, wenn man zwei abgebrochene Studiengänge gelten lassen wollte.

»Dann kann sie auch gleich alle Bücher aussortieren, die man nicht mehr verkaufen kann«, schlug Tiktak vor. »Zum Beispiel das hier ...« Sie schwenkte das unansehnliche Exemplar in der Luft, als wollte sie es sofort wegwerfen.

»Die Kohlsuppen-Diät«, las Jana laut vor.

»Das kauft kein Mensch mehr. Kohlsuppe! Was soll das! Heutzutage isst man Proteinriegel«, wusste Tiktak erstaunlicherweise.

Der Alte runzelte nur die Stirn.

»Das war schon in den achtziger Jahren nicht mehr in«, machte Tiktak weiter und knallte das Exemplar auf den Tresen. Jana spürte, wie das Eis an ihren nackten Beinen schmolz und flüsterte Tilli zu: »Iss das Eis auf, sondern tropfen wir hier den Laden voll.«

Brav leckte Tilli weiter.

»Sie hat ein Gespür für Buchtrends«, sagte Tiktak herrisch. »Am besten stellst du sie jetzt gleich ein, bevor sie sich das anders überlegt.«

Erstaunlicherweise sagte der Alte jetzt: »Vielleicht.«

Wahrscheinlich sagte er das nur, weil er sich vor Tiktak fürchtete und sie loswerden wollte.

»Sicher«, trompetete Tiktak prompt. »Da machen wir keine halben Sachen!«

»Zwei Stunden die Woche«, nickte der Mann.

Janas Bauch begann wieder zu kribbeln. Damit hatte sie nun überhaupt nicht gerechnet. Und sie wusste plötzlich auch gar nicht, ob sie das wollte. Der Alte sah aus, als wäre er schon hundert, und Tiktak hatte recht, der Laden wirkte so, als wäre hier seit Jahrzehnten nichts mehr geputzt und aufgeräumt geworden. Ob sich hierher überhaupt jemals ein Kunde verirrte, war die Frage.

»Zwei Stunden? Bist du verrückt?«, schimpfte Tiktak prompt. »Was soll das für ein Job sein, zwei Stunden? Da hat sie ja mehr davon, wenn sie putzen geht.«

»Ähm«, mischte sich Jana vorsichtig ein, weil es ihr nicht richtig vorkam, den armen Mann so unter Druck zu setzen. Schließlich war er alt und wirkte nicht besonders fit. Und hatte zwei angebrochene Wirbel.

»Mindestens fünfzehn Stunden, mehr kann sie die nächsten vierzehn Tage auch nicht, weil sie da den halben Tag den Zellweger rumkutschieren muss«, sagte Tiktak, die vom Nebentisch im Café aus alles mitbekommen hatte. »Und fang mir nicht mit Mindestlohn an.«

»Nicht?«, fragte er erstaunt.

»Sie ist eine richtige Fachkraft. Hat deine Frau nicht damals alles auf Computer umgestellt?«

Er verzog unwillig den Mund.

»Mit dem du dich nicht auskennst«, stieß Tiktak triumphierend hervor, als hätte sie urplötzlich seine Schwachstelle erkannt.

»Als würdest du dich damit auskennen«, schoss er zurück.

»Ich nicht, aber Jana!«, freute sich Tiktak. »Siehst du, ohne sie wird das nicht laufen! Sie kann telefonisch Bestellungen aufnehmen. Außerdem ist sie sehr freundlich, was man von dir nicht sagen kann.«

Jana schnappte nach Luft, aber zum ersten Mal huschte ein Lächeln über das Gesicht des alten Mannes.