Liebeszauber - Ludwig Tieck - E-Book

Liebeszauber E-Book

Ludwig Tieck

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Beschreibung

Tiecks Märchen stammt aus seiner Phantasus-Sammlung und eröffnet dem Leser eine fantastische Welt voller Schrecken.Der menschenscheue Emil hegt leidenschaftliche Gefühle für das Nachbarsmädchen. Jeden Abend beobachtet er sie heimlich durch sein Fenster. Als er dadurch Zeuge eines grausamen Mordes wird, ist nichts mehr wie es war. Einige Monate später steht endlich die Hochzeit mit seiner Angebeteten bevor, doch Emil ist noch immer traumatisiert und die Hochzeit endet in einer Katastrophe. -

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Seitenzahl: 46

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Ludwig Tieck

Liebeszauber

 

Saga

Liebeszauber

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1811, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728015964

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Tief denkend saß Emil an seinem Tische und erwartete seinen Freund Roderich. Das Licht brannte vor ihm, der Winterabend war kalt, und er wünschte heut seinen Reisegefährten herbei, so gern er wohl sonst dessen Gesellschaft vermied; denn an diesem Abend wollte er ihm ein Geheimnis entdecken und sich Rat von ihm erbitten. Der menschenscheue Emil fand bei allen Geschäften und Vorfällen des Lebens so viele Schwierigkeiten, so unübersteigliche Hindernisse, daß ihm das Schicksal fast in einer ironischen Laune diesen Roderich zugeführt zu haben schien, der in allen Dingen das Gegenteil seines Freundes zu nennen war. Unstet, flatterhaft, von jedem ersten Eindruck bestimmt und begeistert, unternahm er alles, wußte für alles Rat, war ihm keine Unternehmung zu schwierig, konnte ihn kein Hindernis abschrecken: aber im Verlaufe eines Geschäftes ermüdete und erlahmte er ebenso schnell, als er anfangs elastisch und begeistert gewesen war, alles was ihn dann hinderte, war für ihn kein Sporn, seinen Eifer zu vermehren, sondern es veranlaßte ihn nur, das zu verachten, was er so hitzig unternommen hatte, so daß Roderich alle seine Plane ebenso ohne Ursach liegenließ und saumselig vergaß, als er sie unbesonnen unternommen hatte. Daher verging kein Tag, daß beide Freunde nicht in Krieg gerieten, der ihrer Freundschaft den Tod zu drohen schien, doch war vielleicht dasjenige, was sie dem Anscheine nach trennte, nur das, was sie am innigsten verband; beide liebten sich herzlich, aber beide fanden eine große Genugtuung darin, daß einer über den andern die gegründetsten Klagen führen konnte.

Emil, ein reicher junger Mann von reizbarem und melancholischem Temperament, war nach dem Tode seiner Eltern Herr seines Vermögens; er hatte eine Reise angetreten, um sich auszubilden, befand sich aber nun schon seit einigen Monaten in einer ansehnlichen Stadt, die Freuden des Karnevals zu genießen, um welche er sich niemals bemühte, um bedeutende Verabredungen über sein Vermögen mit Verwandten zu treffen, die er kaum noch besucht hatte. Unterwegs war er auf den unsteten allzubeweglichen Roderich gestoßen, der mit seinen Vormündern in Unfrieden lebte, und um sich ganz von diesen und ihren lästigen Vermahnungen loszumachen, begierig die Gelegenheit ergriff, welche ihm sein neuer Freund anbot, ihn als Gefährten auf seiner Reise mitzunehmen. Auf dem Wege hatten sie sich schon oft wieder trennen wollen, aber beide hatten in jeder Streitigkeit nur um so deutlicher gefühlt, wie unentbehrlich sie sich wären. Kaum waren sie in einer Stadt aus dem Wagen gestiegen, so hatte Roderich schon alle Merkwürdigkeiten des Orts gesehen, um sie am folgenden Tage zu vergessen, während Emil sich eine Woche aus Büchern gründlich vorbereitete, um nichts aus der Acht zu lassen, wovon er doch nachher aus Trägheit vieles seiner Aufmerksamkeit nicht würdigte; Roderich hatte gleich tausend Bekanntschaften gemacht und alle öffentlichen Örter besucht, führte auch nicht selten seine neu erworbenen Freunde auf Emils einsames Zimmer, wo er diesen dann mit ihnen allein ließ, wenn sie anfingen ihm Langeweile zu machen. Ebensooft brachte er den bescheidenen Emil in Verlegenheit, wenn er dessen Verdienste und Kenntnisse gegen Gelehrte und einsichtsvolle Männer über die Gebühr erhob, und diesen zu verstehn gab, wie vieles sie in Sprachen, Altertümern, oder Kunstkenntnissen von seinem Freunde lernen könnten, ob er gleich selbst niemals die Zeit finden konnte, über diese Gegenstände seinen Gefährten anzuhören, wenn sich das Gespräch dahin lenkte. War nun Emil einmal zur Tätigkeit aufgelegt, so konnte er fast darauf rechnen, daß sein schwärmender Freund sich in der Nacht auf einem Balle, oder einer Schlittenfahrt erkältet habe, und das Bett hüten müsse, so daß Emil in Gesellschaft des lebendigsten, unruhigsten und mitteilsamsten aller Menschen in der größten Einsamkeit lebte.

Heute erwartete ihn Emil gewiß, weil er ihm das feierliche Versprechen hatte geben müssen, den Abend mit ihm zuzubringen, um zu erfahren, was schon seit Wochen seinen tiefsinnigen Freund gedrückt und beängstigt habe. Emil schrieb indes folgende Verse nieder.

Wie lieb und hold ist Frühlingsleben,

Wenn alle Nachtigallen singen,

Und wie die Tön in Bäumen klingen,

In Wonne Laub und Blüten beben.

 

Wie schön im goldnen Mondenscheine

Das Spiel der lauen Abendlüfte,

Die, auf den Flügeln Lindendüfte,

Sich jagen durch die stillen Haine.

 

Wie herrlich glänzt die Rosenpracht,

Wenn Liebreiz rings die Felder schmücket,

Die Lieb aus tausend Rosen blicket,

Aus Sternen ihrer Wonnenacht.

 

Doch schöner dünkt mir, holder, lieber,

Des kleinen Lichtleins blaß Geflimmer,

Wenn sie sich zeigt im engen Zimmer,

Späh ich in Nacht zu ihr hinüber.

 

Wie sie die Flechten löst und bindet,

Wie sie im Schwung der weißen Hand

Anschmiegt dem Leibe hell Gewand,

Und Kränz in braune Locken windet.

 

Wie sie die Laute läßt erklingen,

Und Töne, aufgejagt, erwachen,

Berührt von zarten Fingern lachen,

Und scherzend durch die Saiten springen;

 

Sie einzufangen schickt sie Klänge

Gesanges fort, da flieht mit Scherzen

Der Ton, sucht Schirm in meinem Herzen,

Dahin verfolgen die Gesänge.

 

O laßt mich doch, ihr Bösen, frei!

Sie riegeln sich dort ein und sprechen:

Nicht weichen wir, bis dies wird brechen,

Damit du weißt, was Lieben sei.