Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen - Tanya Stewner - E-Book

Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen E-Book

Tanya Stewner

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Beschreibung

Detektivarbeit für Tier-Dolmetscherin Lilli Im Stadtpark entdeckt Lilli einen verängstigten, abgemagerten Schimpansen. Dass sie mit Tieren sprechen kann, hilft ihr hier kaum weiter: Der Affe bleibt misstrauisch. Was ist nur los mit ihm? Eine Spur führt Lilli zu einem mysteriösen Millionär, der in seinem Haus exotische Tiere sammelt. Aber warum lässt Lillis bester Freund Jesahja sie hängen, statt ihr zu helfen, den Hinweisen auf den Grund zu gehen? Dabei braucht Lilli seine Hilfe jetzt mehr denn je … Der vierte Band der beliebten Bestsellerreihe – ein hinreißendes Buch über Mut und Freundschaft. Mehr Informationen, viele Spiele und Rätsel rund um »Liliane Susewind« gibt es hier: www.liliane-susewind.de Bei Antolin gelistet

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Tanya Stewner

Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen

Mit Bildern von Eva Schöffmann-Davidov

Roman

 

 

Über dieses Buch

 

 

Detektivarbeit für Tier-Dolmetscherin Lilli

 

Im Stadtpark entdeckt Lilli einen verängstigten, abgemagerten Schimpansen. Dass sie mit Tieren sprechen kann, hilft ihr hier kaum weiter: Der Affe bleibt misstrauisch. Was ist nur los mit ihm? Eine Spur führt Lilli zu einem mysteriösen Millionär, der in seinem Haus exotische Tiere sammelt. Aber warum lässt Lillis bester Freund Jesahja sie hängen, statt ihr zu helfen, den Hinweisen auf den Grund zu gehen? Dabei braucht Lilli seine Hilfe jetzt mehr denn je …

 

Der vierte Band der beliebten Bestsellerreihe – ein hinreißendes Buch über Mut und Freundschaft.

 

Mehr Informationen, viele Spiele und Rätsel rund um »Liliane Susewind« gibt es hier: www.liliane-susewind.de

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe Hummelbi hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie über die Tierdolmetscherin Liliane Susewind ist ein Welterfolg, der auch fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein.

 

Eva Schöffmann-Davidov, Jahrgang 1973, ist eine der renommiertesten Kinder- und Jugendbuchillustratorinnen Deutschlands. Nach ihrem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Augsburg machte sie sich in der Kinder- und Jugendliteratur schnell einen Namen und gewann im Lauf ihrer Karriere zahlreiche Preise für ihre Gestaltungen. Als Fachhochschuldozentin gab sie ihr Wissen und ihre Erfahrung auch an junge Künstler*innen weiter. Heute illustriert sie Kinderbuchserien und Jugendbücher unter anderem von Bestsellerautor*innen wie Kerstin Gier oder Tanya Stewner. Die Illustratorin lebt mit ihrer Familie in Augsburg.

Inhalt

Der Baumherr

Im Eiscafe´

Armstrong

Nächtlicher Angriff

Ein neues Zuhause

Freunde und Feinde

Das Haus des Millionärs

Die Wölfe

Familie Korks

Hilfeschrei

Camping im Zoo

Räuber in der Nacht

Drei kleine Wunder

Jesahjas Geheimnis

Tierische Unterstützung

Die Befreiung

Hause

Leseprobe: So springt man nicht mit Pferden um

Reiterhof Jansen

Der Baumherr

»Herr von Bonsai, bitte beherrschen Sie sich!«, maunzte die orangegetigerte Katze und wandte empört den Kopf ab. Bonsai, der kleine weiße Hund, hob gerade das Bein und pinkelte an den Stamm einer dicken Eiche. Dabei hechelte er fröhlich vor sich hin und schien sich sehr zu freuen, dass er diesen beeindruckenden Baum markieren konnte.

Die Katze, die aufgrund ihrer Eleganz den Namen Frau von Schmidt trug, blickte hilfesuchend zu Lilli, die neben den beiden Tieren durch den Park spazierte. »Madame von Susewind, wären Sie so freundlich, Herrn von Bonsai mitzuteilen, dass sein unzivilisiertes Besudeln der Parkvegetation mein höchstes Missfallen erregt?«, miaute die Katze. »Wofür gibt es denn schließlich das stille Örtchen?«

Lilli seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass die unterschiedlichen Toilettengewohnheiten ihres Hundes und der kleinen Katzendame zu Reibereien führten. Da die beiden nicht direkt miteinander reden konnten – schließlich waren Hundisch und Katzisch sehr verschiedene Sprachen –, musste Lilli immer wieder zwischen ihnen vermitteln. Denn sie selbst verstand sämtliche Tiersprachen, die es gab.

»Damit markiert Bonsai sein Revier«, erklärte Lilli der Katze. »Andere Hunde riechen seine Markierung später und wissen dadurch, dass er da war.«

Der Winzling trippelte heran. »Was soll ich markieren?«

»Nichts, Bonsai«, erwiderte Lilli. »Frau von Schmidt meint nur –«

Der kleine Mischling ließ die Ohren hängen. »Sagt Schmidti schon wieder, ich soll auf ihr komisches Katzenklo gehen?«

»Ja, aber das musst du nicht.«

Das hörte Frau von Schmidt nicht gern. »Schamlos!«, miezte sie grimmig. »Einfach schamlos! Wie stehe ich da, wenn mich andere Schnurrherrschaften aus der Gegend in Begleitung dieses Freipinklers sehen?«

Lilli schmunzelte. Sie wusste aus Erfahrung, dass sich die Katzenlady zwar gern und oft über Bonsais »primitive Sitten« beschwerte, aber dennoch immer wieder seine Nähe suchte. Die beiden waren unzertrennlich. Selbst wenn Lilli mit Bonsai Gassi ging, schloss sich die Katze ihnen oftmals an. So wie an diesem Tag.

Sie spazierten nun weiter zu dritt durch den Stadtpark, und Lilli sah sich immer wieder aufmerksam um, damit niemand sie beobachtete, wenn sie mit den Tieren sprach. Denn obwohl mittlerweile einige Menschen über ihr außergewöhnliches Talent Bescheid wussten, war es Lillis Mutter sehr wichtig, dass nicht noch mehr Leute davon erfuhren. Frau Susewind befürchtete nämlich, Lillis Fähigkeit könnte in die Presse geraten, und dann würde ihre Tochter auf Schritt und Tritt von Reportern verfolgt werden. Zudem hatte sie Angst um ihre eigene Karriere – Frau Susewind war TV-Nachrichtensprecherin und wollte nicht mit »übersinnlichen« Dingen in Verbindung gebracht werden, da sie annahm, das würde ihrer Fernsehlaufbahn schaden.

Lilli hatte sich inzwischen damit abgefunden. Obwohl sie am liebsten ganz offen mit ihrer Gabe umgegangen wäre, bemühte sie sich, sie weiterhin geheim zu halten. Doch das war manchmal gar nicht so leicht. Allein ein Spaziergang im Park konnte zum Problem werden. Denn wenn Lilli auf Tiere traf, die sie noch nicht kannte – wenn zum Beispiel ein neuer Hund in die Nachbarschaft kam –, konnte es schwierig werden. Tiere reagierten nämlich immer sehr auffällig, wenn sie Lilli zum ersten Mal sahen: Sie wunderten sich und starrten sie mit großen Augen an, da sie spürten, dass das Mädchen mit den roten Haaren etwas ganz Besonderes war. Wenn sie Lilli dann sprechen hörten, waren sie vollends verblüfft und oft wie versteinert – oder äußerst anhänglich. Solche Situationen waren oft sehr brenzlig für Lilli, aber das hielt sie natürlich nicht davon ab, weiterhin in den Park zu gehen.

Bonsai hatte gerade eine stämmige Buche entdeckt. »Komisch, den Baum hab ich doch gestern erst markiert«, brummte er vor sich hin. »Da hat einer drüber gemacht! So ein Blödmann!« Er schnupperte am Stamm hinauf. »Ein ziemlich großer Typ … dem werd ich’s zeigen!« Bonsai nahm Schwung, stellte sich kopfüber auf die Vorderpfoten und pinkelte gegen den Stamm. Das war ein Trick von ihm, der später vorbeischnüffelnden Hunden vorgaukeln sollte, er sei viel größer als er tatsächlich war.

»Hey, was ziehst du da für eine krumme Tour ab?«, kläffte plötzlich ein Jack-Russell-Terrier, der in diesem Moment mit seinem Herrchen um die Ecke des Weges kam. Lilli kannte den Hund und wusste, dass er sich ziemlich schnell aufregte. Bonsais Trick schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen. »Willst du uns veräppeln?«, krakeelte der Terrier wütend. »Aus dir mach ich Brei, du Zwerg!« Noch während er bellte, preschte er los und stürzte auf Bonsai zu.

Bonsai, der noch immer seinen »Handstand« machte, erschrak, verlor das Gleichgewicht und kippte vornüber. Während er sich aufrappelte, zischte der Terrier an Lilli vorbei und kläffte lauthals weiter. »Aaangriff!«

Er hatte Bonsai schon beinahe erreicht, da sprang ein keifendes orangefarbenes Etwas dazwischen. Frau von Schmidt hatte sämtliche Haare aufgestellt, machte einen Buckel und fauchte böse: »Lass ihn in Ruhe, oder du kriegst es mit mir zu tun, du Wicht! Hinfort mit dir!« Schnaubend schlug sie mit der Pfote nach dem Hund.

Bonsai beobachtete erstaunt, was die Katze da tat.

Der Terrier zuckte vor Frau von Schmidts Pfote zurück, jaulte erschrocken »Oh, Mist!« und lief mit eingezogenem Schwanz schnurstracks zu seinem Herrchen zurück. Sobald er sich dort in Sicherheit wähnte, begann er wieder zu bellen. »Da habt ihr aber noch mal Glück gehabt! Wenn ich gewollt hätte, wäret ihr jetzt beide Brei!« Das Herrchen nahm den Hund an die Leine, betrachtete verwundert die keifende Katze und zog den Terrier fort.

Frau von Schmidt sah dem Hund erzürnt nach. »Dieser Flegel! Schreiend durch die Gegend zu laufen und Herrn von Bonsai zu erschrecken! Einfach geschmacklos!«, schimpfte sie.

Bonsai konnte kaum fassen, was passiert war. Aufgeregt bellte er »Wahnsinn, die Schmidti!«, trabte zu ihr und schleckte ihr begeistert über das ganze Gesicht. Frau von Schmidt verzog keine Miene und ließ Bonsai von ihrer hübschen Nase bis zu den zarten Ohren alles abschlabbern. Geziert schnurrte sie schließlich: »Ein absolut angemessenes Dankeschön« und sah sehr zufrieden aus. »Solch geschliffene Manieren beweisen, wie nobel Herr von Bonsai sich benehmen kann, wenn er nur will.«

Lilli hörte schnelle Schritte hinter sich und drehte sich um. Es war Jesahja Sturmwagner, ihr bester Freund, der auf sie zugejoggt kam. Lilli lief ihm ein Stück entgegen.

»Hey Lilli!«, rief er und strahlte übers ganze Gesicht. Dabei sah er wieder einmal umwerfend gut aus, und Lilli musste daran denken, wie viele Mädchen in der Schule alles dafür gegeben hätten, dass er sie nur einmal so anstrahlte. Es waren allerdings immer noch Sommerferien, und so strahlte Jesahja allein für Lilli.

»Ich hab gerade deinen Vater gesehen«, sagte Jesahja gut gelaunt. »Er will mit uns Eis essen gehen. Wir sollen zum Café rüberkommen.« Das Eiscafé lag gleich hinter dem Park.

»Super!« Lilli freute sich. Es war ein sehr warmer Septembertag, und ein Eis war jetzt genau das Richtige. Sie rief nach Bonsai und Frau von Schmidt, doch die beiden kamen nicht. Überrascht drehte Lilli sich zu ihnen um. Sowohl der Hund als auch die Katze blickten mit verwunderten Mienen in die Baumkrone der Buche hinauf. War da oben irgendetwas?

Bonsai wedelte zaghaft mit dem Schwanz und bellte: »Hallo! Komm runter!«

»Was ist denn da oben?«, murmelte Jesahja. Lilli und er verließen den Parkweg und gingen langsam zu den Tieren.

»Was seht ihr denn da?«, fragte Lilli.

Im gleichen Moment bellte Bonsai wieder. »Komm runter, Haarmann!«

Da raschelte etwas zwischen den Blättern in der Baumkrone. Es klang, als bewege sich etwas oder jemand von einem Ast zum anderen. Doch sehen konnten Lilli und Jesahja nichts.

»Jetzt ist er weg«, sagte Bonsai und hörte auf, mit dem Schwanz zu wedeln.

»Wer denn?« Lilli und Jesahja waren nun bei den Tieren angekommen und blickten nach oben, aber dort waren lediglich Äste, Blätter und der blaue Himmel zu erkennen.

Die Katze antwortete Lilli: »Ein sonderbarer Geselle! Ein wenig verschroben, wenn Sie mich fragen. Er schaute uns an, als hätte er so etwas wie uns noch nie gesehen. Dabei sollte er doch zumindest wissen, was ich bin. Katzen sind schließlich die bekannteste Tierart der Welt!« Sie wiegte den zierlichen Kopf. »Nun ja, ich muss zugeben, dass er sich dort oben äußerst flink und mit viel Geschick bewegte. Er muss erstaunlich starke Arme haben.«

Lilli runzelte die Stirn. Was konnten die beiden nur gesehen haben? Ein übergroßes Eichhörnchen … mit Armen?

Frau von Schmidt maunzte weiter. »Recht hübsch war er. Viel hübscher als der da.« Sie warf Jesahja einen abfälligen Blick zu. Die Katze gehörte zwar den Sturmwagners, machte aber keinen Hehl daraus, dass sie von Jesahja nicht besonders viel hielt. »Die Behaarung des Mannes im Baum war lobenswert üppig und hörte nicht an gänzlich unpassenden Stellen wieder auf wie bei meinem Hausmännchen.« Wieder ein Blick zu Jesahja.

»Des Mannes?«, fragte Lilli. »Es war ein Mensch?«

Frau von Schmidt zögerte. »Nun, es war … ein Baumherr. Also … eine besondere Version von Mensch, würde ich sagen. Schöner. Geschickter. Armstärker.«

»Das kann kein Mensch gewesen sein«, murmelte Jesahja, der natürlich nur verstand, was Lilli sagte.

Bonsai mischte sich ein. »Der Haarmann saß da oben und hat runtergeguckt. Jetzt ist er weg.« Für den Hund war die Sache damit erledigt. Ungeduldig machte er sich daran, die Sträucher in der Nähe zu beschnuppern.

Lilli übersetzte Jesahja, was die Tiere gesagt hatten, und sah ihn fragend an. »Was könnte das gewesen sein? Oder … wer?«

Jesahja kratzte sich am Hinterkopf. Das tat er immer, wenn er angestrengt nachdachte. Er liebte Rätsel und ungewöhnliche Situationen, in denen er seinen scharfen Verstand einsetzen konnte. Doch zu dem »Baumherrn« fiel offenbar auch ihm keine Erklärung ein. »Das ist eine gute Frage«, murmelte er.

Lilli zuckte die Achseln. »Wir sollten gehen. Mein Vater wartet auf uns.« Sie zog Jesahja am Ärmel, und beide machten sich im Eiltempo auf den Weg zum Eiscafé. Bonsai streunte neben ihnen her, und Frau von Schmidt trabte mit hochgereckter Nase an seiner Seite.

Da hörten sie plötzlich ein lautes Knacken über sich. Lilli fuhr zusammen und blickte nach oben. Da bewegte sich etwas! Sie konnte gerade noch einen dunklen, behaarten Rücken erkennen, bevor er zwischen den Blättern verschwand.

»Was war das?«, fragte sie atemlos.

Jesahja sah erstaunt nach oben. »Ein Tier?«

»Der Haarmann!«, kläffte Bonsai und wedelte mit dem Schwanz. »Haarmann, komm runter!«

Lilli kam die Sache langsam merkwürdig vor. Ein Tier dieser Größe hatte sie hier im Stadtpark noch nie gesehen. »Lass uns auf den Baum klettern!«

Jesahja hob verwundert die Augenbrauen. Lilli war eigentlich eher schüchtern und manchmal sogar ein wenig ängstlich. Aber durch die turbulenten Erlebnisse der vergangenen Monate war sie viel mutiger geworden.

Frau von Schmidts Katzenstimme ertönte. »Hinaufklettern? Nun gut, ich tue Ihnen diesen Gefallen, Madame von Susewind. Wenn Ihnen so viel daran liegt, mit dem Baumherrn ins Gespräch zu kommen, bin ich Ihnen gern behilflich, ihn aufzuspüren.« Sie reckte den Kopf. »Hier sind Gewandtheit und Intelligenz gefragt! Ganz meine Kragenweite!« Damit jagte sie am Stamm des nächstgelegenen Baumes hoch und verschwand im dichten Blätterwald.

»Schmidti!«, bellte Bonsai. »Warte! Ich will auch mit dem Haarmann spielen!«

»Du kannst doch nicht klettern, Bonsai«, erinnerte Lilli ihn. »Aber wir gehen rauf, oder?«, fragte sie Jesahja.

Der grinste. »Klar, klettern wir hoch!« Er schob seine Hände zu einer Räuberleiter zusammen. Lilli trat darauf, und Jesahja hievte sie hoch, damit sie den ersten dicken Ast des Baumes erreichen und hinaufklettern konnte. Oben streckte Lilli Jesahja ihre Hand entgegen und half ihm so dabei, ihr zu folgen.

»Das ist nicht fair!«, beschwerte sich Bonsai, der unten zurückblieb.

»Du musst aufpassen, dass niemand kommt und uns sieht!«, rief Lilli. »Schlag sofort Alarm, wenn du etwas hörst!«

»Gebongt!« Bonsai war besänftigt, denn diese Aufgabe war ganz nach seinem Geschmack. Er setzte sich neben den Baum und hielt mit gewichtiger Miene und gespitzten Ohren Wache.

Lilli und Jesahja kletterten noch einige Äste höher und befanden sich schließlich mitten in der Baumkrone.

»Ach herrje, das ist mir aber peinlich«, drang die Stimme von Frau von Schmidt zu ihnen. Lilli sah sich suchend um. Die Katze balancierte auf zwei dünnen Zweigen einige Meter neben ihnen und wusste anscheinend nicht mehr, wie sie von dort herunterkommen sollte. Mit gespreizten Pfoten versuchte sie, das Gleichgewicht zu halten, und machte keine besonders damenhafte Figur dabei.

»Was ist los?«, fragte Jesahja, der ein Stück unter Lilli bäuchlings auf einem Ast lag.

»Frau von Schmidt sitzt fest!«

»Bitte posaunen Sie meine Misere nicht derartig herum!«, zeterte die Katze. »Wenn Herr von Bonsai das hört …«

Doch Bonsai hatte es gehört. Er bellte von unten: »Lilli, hol mich rauf! Ich muss Schmidti retten!«

Lilli antwortete ihm nicht. Stattdessen schaute sie angestrengt umher und überlegte, wie man der Katze helfen könnte. Als sie dabei den Kopf nach oben wandte, erstarrte sie. Direkt über ihr, keine zwei Meter von ihr entfernt, blickten sie zwei große braune Augen an. Lillis Herz setzte einen Schlag lang aus. Da saß ein Affe im Baum! Ein Schimpanse! Er war zum Greifen nahe. Lilli starrte fassungslos in sein Gesicht. Irgendetwas an seinem Anblick rührte sie zutiefst. Es waren seine Augen. In seinen Augen erkannte sie tiefe Traurigkeit. Lilli bekam eine Gänsehaut. Dieser Schimpanse hatte viel Schlimmes erlebt, das war für sie deutlich zu sehen.

Noch bevor sie etwas sagen konnte, hangelte er sich mit seinen starken Armen von einem Ast zum anderen und entfernte sich zusehends von ihr.

»Was …«, begann Jesahja, aber er sprach den Satz nicht zu Ende. Er hatte den Schimpansen offenbar auch entdeckt.

Mit gewandten Bewegungen flog der Affe geradezu durch das Laubwerk. Da erkannte Lilli, worauf er zusteuerte: Frau von Schmidt!

»Ach, wie unangenehm«, klagte die Katze. »Ausgerechnet jetzt möchte sich der Baumherr vorstellen! Bitte, Madame, teilen Sie ihm mit, dass ich im Augenblick unpässlich bin.«

Der Schimpanse verstand natürlich kein Wort. Bevor Lilli etwas sagen konnte, griff er nach der Katze, steckte sie sich unter den Arm, als sei sie ein Stofftier, und hangelte mit dem anderen Arm den Baum hinab.

»Das ist absolut unangemessen, Sir!«, gellte Frau von Schmidt. »Sir Baumherr! Hören Sie! Ich bin eine Katze! Katzen müssen nicht gerettet werden!«

Unten angelangt setzte der Schimpanse sie vorsichtig ab, kletterte gleich darauf am Stamm eines anderen Baumes hoch und verschwand in dem dichten Laub. Lilli hörte es rascheln und knacken, und kurz darauf war alles still.

Verdattert drehte sie sich zu Jesahja um, dem die Überraschung ebenfalls ins Gesicht geschrieben stand. »Ich glaube, ich träume!«, stieß er hervor. Nach einem sprachlosen Moment fragte er: »Ist der Affe aus dem Zoo ausgerissen?«

»Nein, ich kenne alle Tiere dort und habe ihn noch nie gesehen.« Lilli schüttelte den Kopf. »Es geht ihm sehr schlecht.« Sie blickte Jesahja besorgt an. »Er braucht dringend unsere Hilfe.«

Im Eiscafe´

Lilli, Jesahja, Frau von Schmidt und Bonsai suchten überall im Park nach dem Schimpansen. In alle Baumwipfel sahen sie hinauf und zwischen zahllose Büsche krabbelten sie, doch der Affe war wie vom Erdboden verschluckt. Lilli war enttäuscht. Wie gern hätte sie mit ihm gesprochen, ihn gefragt, wo er herkam und wie er es schaffte, im Park zu überleben. Aber es schien, als sei er überaus ängstlich und verstört. Anders konnte Lilli es sich nicht erklären, dass er nicht auf ihre Rufe reagierte. Es musste ihn doch neugierig machen, dass sie seine Sprache sprach!

Schließlich gaben sie die Suche auf und machten sich auf den Weg zum Eiscafé, wo Lillis Vater bereits auf sie wartete. Lilli hatte ein schlechtes Gewissen. Sie waren viel zu spät dran! Doch zum Glück war ihr Vater nicht allein und schien sich keineswegs zu langweilen. Er saß neben Jesahjas Onkel Kornelius an einem Tisch im Freien. Die beiden tranken Eistee und unterhielten sich angeregt. Jesahjas Onkel wohnte zurzeit im Haus der Sturmwagners, dem Nachbarhaus der Susewinds. Er kümmerte sich um seinen Neffen, solange sich Jesahjas Eltern noch auf Geschäftsreise in China befanden. Schon seit Wochen waren sie dort und halfen dabei, ein neues Unternehmen aufzubauen. Zwar vermisste Jesahja seine Eltern sehr, aber er freute sich auch darüber, dass sein Onkel bei ihm wohnte, denn mit Kornelius konnte man viel Spaß haben.

»Hallo Kinder«, rief Onkel Kornelius fröhlich. Er hatte schwarze, lockige Haare, so wie Jesahja, und viele kleine Lachfältchen um die Augen. »Läuft die Katze schon wieder mit euch rum?«

Jesahja zuckte mit den Schultern und machte ein unschuldiges Gesicht. Kornelius wusste nichts von Lillis Fähigkeiten und hatte sich schon öfter über Frau von Schmidts merkwürdige Verbundenheit mit Lilli und vor allem mit Bonsai gewundert. »Vielleicht sollte ich noch mal nachsehen, ob ich die Katze nicht versehentlich mit Hundefutter füttere«, raunte er seinem Neffen verschwörerisch zu, und Jesahja lachte.

»Setzt euch«, sagte Lillis Vater, und sie nahmen Platz. »Warum seid ihr so spät dran?«

»Wir …« Lilli hätte ihrem Vater gern von dem Schimpansen und Frau von Schmidts »Rettung« erzählt, aber das ging vor Onkel Kornelius natürlich nicht.

»Wir sind auf einen Baum geklettert«, kam Jesahja ihr zu Hilfe, und Lilli sagte: »Genau.«

Da steuerte schon eine Kellnerin auf sie zu. Sie hatte einen blonden Pferdeschwanz und schien noch recht jung zu sein. Als Lilli genauer hinsah, stellte sie erschrocken fest, dass sie dieses Mädchen kannte. Es war niemand anderes als Trina Korks! Lilli wurde bleich. Sie kannte Trina aus dem Zoo, in dem sie selbst als Tier-Dolmetscherin aushalf. Trina hatte dort als Auszubildende gearbeitet, war aber von der Direktorin fristlos entlassen worden, nachdem sie und ihre jüngere Schwester Trixi Lilli und Jesahja durch einen gemeinen Trick in Lebensgefahr gebracht hatten.

»Tag«, sagte Trina lustlos und blieb vor dem Tisch stehen. Gelangweilt schaute sie in die Runde. Dann traf ihr Blick auf Lilli. Ihre Augen verengten sich, und ihr Gesicht überzog sich schlagartig mit einer tiefen Röte.

»Zwei große gemischte Eisbecher mit Schokoladensoße, bitte«, bestellte Lillis Vater, dem nicht auffiel, wie hasserfüllt die Kellnerin seine Tochter anstarrte.

»Aha«, machte Trina, drehte sich um und preschte davon.

»Hoffentlich ist euer Eis besser als das Personal«, bemerkte Onkel Kornelius und knuffte Jesahja in die Seite, doch Jesahja blieb ernst. Er warf Lilli einen beunruhigten Blick zu.

Als Lillis Vater und Kornelius ihr Erwachsenengespräch wieder aufnahmen, sagte Jesahja leise zu Lilli: »Wir müssen vorsichtig sein. Trina ist garantiert noch sauer auf uns, weil sie unseretwegen aus dem Zoo geworfen wurde. Außerdem scheint es, als hätte sie nicht besonders viel Spaß an ihrem neuen Job.«

Lilli nickte. »Glaubst du, sie spuckt uns ins Eis?«

»Wer weiß?« Jesahja schüttelte sich angewidert. »Lass uns lieber mal reingehen und gucken, was sie macht.«

Lilli und Jesahja erhoben sich. Sie erklärten kurz, dass sie sich die Hände waschen wollten, und schlichen sich dann in die Eisdiele. Trina bemerkte sie nicht. Sie stand hinter der Theke und sprach mit einem Kollegen, der gerade mit den gemischten Eisbechern beschäftigt war. Lilli war erleichtert. Trina durfte das Eis offenbar nicht selbst zusammenstellen, also konnte sie auch nicht so leicht hineinspucken. Doch als Lilli hörte, worüber Trina mit ihrem Kollegen sprach, war ihre Erleichterung augenblicklich wie weggeblasen. Trina rief gerade: »Wenn ich es dir doch sage! Das Mädchen kann mit Tieren sprechen! Sie arbeitet im Zoo und übersetzt, was die Tiere sagen.«