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Ein Playboy auf Abwegen ...
Dem britischen Millionär Noah Jensen eilt der Ruf voraus, ein attraktiver Playboy zu sein - zu Recht, denn da er es nie lange in der gleichen Stadt aushält, sind seine Eroberungen immer nur von kurzer Dauer. Als er nach langer Zeit wieder in London ist und dort auf seine ehemals beste Freundin Truly trifft, macht er aber plötzlich eine ganz neue Erfahrung: Sie geht ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Deshalb ist Noah sofort zur Stelle, als Truly die Leitung ihres Familienunternehmens übernehmen muss. Er soll ihr helfen, sich in den elitären Kreisen der Londoner High Society zu bewegen. Doch je öfter sie sich sehen, desto größer wird Noahs Verlangen. Wie soll er es bloß schaffen, Truly davon zu überzeugen, dass er nur sie will - und zwar für immer?
"Friends-to-Lovers kombiniert mit einer prickelnden Slow-Burn-Liebesgeschichte, wie sie besser nicht sein könnte!" UNBOUND BOOKREVIEWS
Band 3 der KINGS-OF-LONDON-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Louise Bay
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Seitenzahl: 395
Titel
Zu diesem Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Louise Bay bei LYX
Leseprobe
Impressum
Louise Bay
London Prince
Roman
Ins Deutsche übertragen von Wanda Martin
Dem britischen Millionär Noah Jensen gelingt alles, was er sich vornimmt. Sei es eine neue Geschäftsidee, das Sammeln von Spenden oder die Abenteuer, in die er sich während seiner Freizeit stürzt. Auch seinem Ruf als attraktiver Playboy wird er gerecht, denn da er es nie lange in der gleichen Stadt aushält, sind seine Beziehungen immer nur von kurzer Dauer. Nun jedoch kommt er zurück nach London und trifft dort auf seine ehemals beste Freundin Truly: die einzige Frau, mit der Noah über alles reden konnte und die ihn je richtig verstanden hat. Doch als er ihr wieder gegenübersteht, holen ihn Gefühle ein, die er lange Zeit vergessen glaubte – und gegen die er nun nicht mehr länger ankämpfen kann. Truly geht ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Als diese plötzlich die Leitung ihres Familien-unternehmens übernehmen muss, soll Noah ihr helfen, sich in den elitären Kreisen der Londoner High Society zu bewegen. Doch je öfter sie sich sehen, desto größer wird Noahs Verlangen nach ihr. Zum ersten Mal hat er das Gefühl, eine Frau gefunden zu haben, für die er ankommen und bleiben möchte. Aber wie soll er es bloß schaffen, Truly davon zu überzeugen, dass er nur sie will – und zwar für immer?
Wenn etwas verkehrt daran war, dass man Spaß daran hatte, Fehler in Tabellenkalkulationen zu beheben, dann war ich gern verkehrt. Ich ging darin auf. Meine Finger bewegten sich für meinen Geschmack nicht schnell genug, und es kam mir vor, als erschienen die Ziffern im Zeitlupentempo auf dem Bildschirm. Als ich wieder in die Ausgangszelle der Tabelle zurückklickte, gingen die Zahlen endlich auf. Gerade hatte ich eine Stunde damit zugebracht, einen kleinen Schnitzer von einem meiner jüngeren Kollegen auszubügeln. Und ich hatte es von Anfang bis Ende genossen – die Herausforderung, Chaos in Ordnung zu verwandeln, und die akkuraten Zahlen, die nun passten. »Vielen Dank«, sagte ich zu mir selbst und streckte die Arme in die Luft, als würden mir Zuschauer applaudieren.
»Du weißt schon, dass du total nerdig bist, oder?«, fragte mich meine Zwillingsschwester Abi vom Türrahmen meines Büros aus.
Ich ließ die Arme sinken. »Herrje, wie lange stehst du da schon und beobachtest mich wie eine komplett durchgeknallte Stalkerin?«
»Eigentlich habe ich dich mehrmals gerufen, aber du warst in einer Art Nerd-Trancezustand.« Abigail stieß meine Bürotür mit dem Fuß hinter sich zu, kam dann auf meinen Schreibtisch zu und schob mir eine der beiden Salatschalen hin, die sie in den Händen hatte. »Ich hab dir was zum Mittag mitgebracht. Ich dachte mir, wir könnten zusammen essen.«
Ich speicherte die nun fehlerfreie Tabelle ab. »Seit wann hast du denn mittags Zeit? Musst du gar keinem Geldgeber Honig um den Bart schmieren?« Während ich mich ganz um die Zahlen und den Verwaltungskram im Hintergrund kümmerte, war meine Schwester dafür zuständig, Geld für die gemeinnützige Stiftung zu sammeln, die meine Mutter vor fast vierzig Jahren gegründet hatte. Ich nannte sie Chef-Schleimerin oder auch leitende Arschkriecherin. Ihr war der Titel Geschäftsführerin lieber. Aber egal.
»Heute nicht, kleines Schwesterchen.« Abigail war sechseinhalb Minuten vor mir auf die Welt gekommen und erinnerte mich ständig daran. »Heute esse ich mal mit dir.« Sie ließ sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch plumpsen, zog zwei Getränke, ihr Handy und in Servietten eingerolltes Besteck aus ihrer Tasche und stellte alles zwischen uns ab.
»Willst du etwa hier einziehen?« Ich seufzte. Mittagessen mit Abigail war eine nervige Zeitverschwendung. Ich hatte tausend Sachen zu erledigen. »Ich habe echt viel zu tun. Ich müsste den Monatsbericht längst fertig haben und –«
»Eine halbe Stunde, Truly.« Sie kippte einen Becher Dressing über ihren Salat und fing an umzurühren. »Du musst was essen, außerdem wird dir eine Pause guttun. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mehr Ausgleich brauchst.«
Stöhnend griff ich nach dem Salat. Offensichtlich würde ich sie nicht loswerden. »Ist Dressing in deinem Salat wirklich okay?«, fragte ich, während ich meinen Becher über der Schale mit Hühnchen, Rucola und Gurke ausleerte, die sie für mich mitgebracht hatte.
»Fang du nicht auch noch damit an. Rob hat sich schon in die Essenspolizei verwandelt. Und in die Sportpolizei. Und die Einatmen-Ausatmen-Polizei.«
Ich zuckte zusammen. »Na ja, ist doch auch verständlich – es ist schließlich euer erstes Baby. Ist doch schön, dass er sich um dich sorgt.«
»Als würde ich mit einem Mal unvernünftig werden. Ich wünsche mir dieses Kind genauso sehr wie er. Echt mal, es kommt mir vor, als würde er damit rechnen, dass ich verkünde, Bungeejumping machen zu wollen oder so was.«
»Du müsstest eigentlich ein paar Flyer im Haus verteilen, um ihn nervös zu machen.«
»Wenn ich damit nicht riskieren würde, dass ihn der Schlag trifft, würde ich’s machen. Apropos Extremsport, ich habe interessante Neuigkeiten.«
Ich pikte meine Gabel in den Salat. »Die mit Extremsport zu tun haben?« Es kam oft vor, dass Leute Spenden für die Harbury Foundation sammelten, indem sie sich irgendwo in Großbritannien abseilten, Fallschirmsprünge machten oder irgendwelche anderen verrückten Dinge anstellten, für die Menschen bereit waren, Geld zu spenden.
»Irgendwie schon. Rob hat gestern Abend mit Noah gesprochen.«
Noah. Das Blut pochte in meinen Ohren, und ich war mir sicher, wenn ich herunterschaute, würde ich mein Herz aus meiner Brust springen sehen. Ich kaute gleichmäßig weiter, als hätte die Erwähnung seines Namens nicht die geringste Wirkung auf mich.
Abigail unterbrach sich, um sorgfältig einen Happen Salat zu kauen. In Gedanken drängte ich sie, schneller zu machen. Um mir zu sagen, was auch immer sie über den besten Freund ihres Ehemanns loszuwerden hatte.
»Er zieht wieder zurück.«
Ich schluckte, bevor sich mir noch die Kehle zuschnürte und ich an meinem Salat erstickte.
»Rob hat ihm gesagt, dass er für ein paar Wochen bei uns wohnen kann, bis er eine Wohnung gefunden hat – das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, einen Gast im Haus zu haben, wenn ich dick wie ein Wal bin und zwanzig Stunden am Tag arbeite, damit möglichst alles erledigt ist, wenn ich in den Mutterschutz gehe.«
Ich packte den Deckel auf mein Mittagessen und warf es in den Papierkorb neben mir, denn mir war der Appetit vergangen. »Das ist aber nicht sonderlich rücksichtsvoll von ihm. Hast du ihm gesagt, dass das nicht geht?«
»Er weiß, dass ich nicht glücklich darüber bin. Er durfte nämlich letzte Nacht nicht ran.«
Ich hatte Noah Jensen vier Jahre, zwei Monate und drei Wochen lang nicht gesehen – aber nicht dass ich zählen würde.
»Du warst früher gut mit ihm befreundet, nicht?«, fragte Abi.
Gut befreundet. Ja. Das waren wir gewesen. Ich hatte ihm nähergestanden als je irgendeinem anderen Mann, auch wenn ich nie mit ihm geschlafen hatte. Abi hatte ich nie erzählt, dass ich in ihn verknallt gewesen war. Es war mir albern und kindisch vorgekommen, sich nach jemandem zu sehnen, der hoffnungslos unerreichbar war. Ich wusste, dass sie einen Verdacht gehegt hatte – sie hatte ein paar Bemerkungen darüber fallenlassen, dass wir so viel Zeit miteinander verbrachten und beide Single waren. Aber ich hatte sie einfach immer ignoriert. »Ich bezweifle, dass er sich überhaupt noch an meinen Namen erinnert, ich habe auch ganz vergessen, wie er aussieht.« Das stimmte nicht ganz. Beziehungsweise kein Stück. Noah war der bestaussehende Mann, den ich je gesehen hatte. Ein einsdreiundneunzig großer nordischer Gott mit markantem Kinn und Augen so blau wie das Meer.
Er sah aus, als gehörte er an die Seite meiner Schwester.
Obwohl wir Zwillinge waren, waren Abigail und ich komplett gegensätzlich. Sie arbeitete hart, ließ es aber leicht aussehen. War immer perfekt gestylt, doch es wirkte nie angestrengt. Mit ihren glänzenden goldblonden Wellen kam sie nach unserer Mutter, während ich die störrigen dunklen Haare meines Vaters geerbt hatte. Sie waren weder glatt noch lockig genug, um ansprechend auszusehen. Abigails blasse Haut und die blauen Augen verliehen ihr etwas Faszinierendes, Vornehmes. Mit meinen bernsteinfarbenen Augen und dem unauffälligen Teint verschwand ich dagegen umso leichter im Hintergrund. Sie war verheiratet. Ich war Dauersingle. Doch trotz aller Unterschiede standen wir uns nah. Abgesehen von unserer DNA hatten wir eines gemeinsam: unser Engagement für die Stiftung.
»Na ja, ihr könnt euch beim Sonntagsessen gegenseitig auf den neuesten Stand bringen.«
Verdammt, das Mittagessen hatte ich ganz vergessen. Ich hatte Noah nicht mehr gesehen, seit … seit dem Abend, bevor er nach New York gegangen war. Seit wir uns beinahe geküsst hätten. Hatten wir das wirklich? Spielte mir mein Gehirn Streiche? Ich wusste nur, dass ich ihn nach seinem Weggang heftiger vermisst hatte, als es normal war, außerdem wollte ich nicht wieder in die Lage geraten, dass ich einem Mann nachschmachtete, der eindeutig über meiner Preisklasse lag. In diese Falle war ich schon einmal getappt. »Mal sehen wegen dem Mittagessen. Ich habe echt viel zu tun.«
»Womit? Alles, was mit der Arbeit zu tun hat, kann bis Montag warten. Und es ist nicht gerade so, als ob du ein Privatleben hättest oder so.«
»Jetzt mach aber mal halb lang. Ich mag meine Arbeit. Und ich bin gut darin. Ist ja nicht so, als würde ich den Großunternehmern Großbritanniens in die Tasche wirtschaften. Wie du es selbst so oft in deinen Reden sagst, bewirken wir mit der Stiftung wirklich etwas.«
»So meinte ich das nicht, es ist bloß … Die Arbeit kann doch nicht alles in deinem Leben sein. Ich mache mir Sorgen um dich – ich möchte, dass du glücklich bist.«
Ich verdrehte die Augen und machte mich auf eine ihrer immer häufiger werdenden Moralpredigten gefasst, dass ich nicht genug unter die Leute ging. »Ich bin glücklich, stell es außerdem nicht so hin, als wäre ich die einzige Harbury-Schwester, die ein Workaholic ist. Bist du denn sicher, dass du es am Sonntag zum Mittagessen schaffst? Musst du nicht noch irgendwelche Karteikarten anlegen oder so was?«
Abigail notierte sich Stichpunkte zu jedem Menschen, den sie kennenlernte, auf kleinen weißen Kärtchen. Sie hatte Tausende davon und hielt alles darauf fest, vom Alter und Geschlecht der Kinder eines Geldgebers bis hin zu deren Lieblingsessen und Lieblingsurlaubsorten. Bevor sie zu einer Veranstaltung oder einem Meeting ging, rief sie sich noch einmal alles ins Gedächtnis, was sie über eine Person wusste. Wenn sie dann mit demjenigen sprach, wirkte sie interessiert und umsichtig, sodass sich diese Person besonders vorkam, weil sich eine so schöne Frau wie sie derart deutlich an ein zurückliegendes gemeinsames Gespräch erinnerte.
»Karteikarten. Witzig. Wenigstens habe ich Sex.«
Meine Schwester beschäftigte sich viel zu stark mit meinem Liebesleben. Beziehungsweise dessen Nichtvorhandensein.
»Ich will nichts davon hören, wie du mit Rob rummachst.«
»Wann warst du überhaupt das letzte Mal auf einem Date?«
Ich hatte durchaus Dates. Ohne Erfolg und seit einer ganzen Weile schon nicht mehr, aber ab und zu kam es vor. »Mit Mr Muskelprotz, glaube ich.«
»Dass du den Spitznamen benutzt, den mein Mann ihm verpasst hat, lässt mich vermuten, dass du es nicht allzu ernst mit ihm gemeint hast.«
»Du hast von Date gesprochen. Von ›ernst meinen‹ hast du nichts gesagt.«
Sie lehnte sich zurück. »Ich mache mir bloß Sorgen. Apropos Sorgen, ich muss mir überlegen, was wir machen, wenn dieses Kind beschließt rauszukommen. Dein Tag ist schon vollgepackt genug.« Die Frage, wer Abigail während der Elternzeit vertreten würde, hatte schon im Raum gestanden, bevor Rob und sie überhaupt schwanger geworden waren. Das, was Abi machte, konnte niemand sonst. Niemand konnte einen Saal derart fesseln, eine Rede halten wie sie oder derart packende Geschichten von Kindern erzählen, denen wir geholfen hatten. In ihrer Abwesenheit würde das Spendensammeln stillstehen, was bedeutete, je länger sie aussetzte, desto weniger Menschen konnten wir helfen. Mehr als einige Wochen würde die Stiftung ohne sie nicht überleben.
»Du weißt schon, dass du ihn oder sie nicht ewig ›dieses Kind‹ nennen kannst, oder?«
Als Abi mit den Schultern zuckte, machte ich mir gedanklich eine Notiz, dass ich eine Liste mit Babynamen aufsetzen musste für den Fall, dass sie selbst es nicht tat. Als im Mutterleib die Gene verteilt wurden, hatte ich das Listen-mach-Gen abbekommen. »Rob wird drei Monate frei nehmen, und ehrlich gesagt passt mir das gut. Ich will nach sechs Wochen wieder am Schreibtisch sitzen. Ich liebe meinen Job.«
»Ich brauche dich so schnell wie möglich zurück. Sechs Stunden sind schon übel genug.« Ich war egoistisch. Ich sollte sie dazu überreden, sich eine längere Auszeit zu nehmen. Sechs Wochen hörten sich nicht lang an, aber Abigail wusste, dass die Stiftung ohne sie ins Straucheln geraten würde. Wenn ich ein Baby bekäme – was ungefähr so wahrscheinlich war wie Schnee im Juli –, könnten sie mich im Nu ersetzen. Aber Abigail war das Herz dieses Ladens.
Sie war der schöne, bezaubernde Zwilling. Diejenige, die Isländern Eis andrehen könnte. Sie war geübt darin, Männer mittleren Alters, die von ihrer geistreichen Konversation und ihrem lockeren Charme gefesselt waren, dazu zu überreden, sich von ihrem Geld zu trennen.
Zum Glück würde sie nicht vor Mitte Dezember in den Mutterschutz gehen. Somit wäre sie in der geschäftigsten Zeit des Jahres noch da. »Sechs Wochen im Januar und Anfang Februar sind machbar, nach Neujahr herrscht schließlich immer Flaute. Solange du weg bist, fällt das Spendensammeln flach, aber wenigstens bist du bis zum Jahresende noch dabei und auch beim Winterball.« Was hatten dunkle Winternächte nur an sich, dass die Leute sich dann so bereitwillig von ihrem Geld trennten?
»Ja, ich möchte innerhalb der nächsten fünf Monate unsere Zielvorgaben übertreffen. Dann fühle ich mich besser, wenn ich die sechs Wochen fehle. Besonders, wo es um die Kinder-Rehaklink geht.«
Die Harbury Foundation recherchierte gründlich und suchte sorgsam aus, welche Projekte sie unterstützte. Dieses Jahr hatte ich ein örtliches Krankenhaus mit einer Station für Kinder mit Wirbelsäulenverletzungen besucht und dort erfahren, wie Hoffnungslosigkeit aussah. Es war schrecklich gewesen. Das bisschen, was sie dort an Gerätschaften hatten, war entweder kaputt oder für Erwachsene gedacht. Die Kinder hatten keine Chance, und ihre Mienen ließen vermuten, dass sie das auch wussten und aufgegeben hatten. Mit unserer Hilfe könnte die Klinik von einem Ort, an dem Träume starben, zum führenden pädiatrischen Zentrum zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen in Europa werden. »Fünfundzwanzig Millionen sind ein hochgestecktes Ziel, aber damit können wir das Leben dieser Kinder nachhaltig verändern. Das wird eines der lohnendsten Projekte, die wir je angegangen sind.« Wir grinsten einander fast töricht an. Wir mochten in vielerlei Hinsicht genau gegensätzlich sein, aber die Stiftung einte uns.
Sie beugte sich mit erhobener Hand vor, und ich drückte meine dagegen – halb High Five, halb zuversichtliches Händedrücken. Sie schaute mir in die Augen.
»Wenn ich dieses Kind rausquetsche, werden wir das Therapiezentrum für Rückenmarksverletzungen in trockenen Tüchern haben. Aber ich möchte, dass du mir etwas versprichst.« Sie schlug ihren Sechseinhalb-Minuten-ältere-Schwester-Tonfall an. »Nimm das Zentrum nicht als Ausrede, um dich nicht bemühen zu müssen, auch ein Privatleben zu haben.«
Ich stöhnte. »Ich bin rundum glücklich.«
»Allein und bis zu den Knien in Tabellen. Du brauchst … mehr Bandbreite. Ein Hobby. Einen Freund. Begleite mich doch vielleicht ab und zu mal zu einer Veranstaltung.«
»Das ist auch Arbeit, Abi. Oder hast du das vergessen?« Solche Veranstaltungen überforderten mich. Wenn ich enge Kleider, High Heels und roten Lippenstift trug, fühlte ich mich immer ganz komisch. Es war, als würde ich mit den Sachen meiner Mutter Verkleiden spielen und wüsste die ganze Zeit nicht, was ich sagen sollte. Wenn ich mich unwohl fühlte, gab ich noch dazu auch allen um mich herum dieses Gefühl, und Menschen, die sich unwohl fühlten, stellten keine großen Schecks aus. Ich hatte Abigail schon immer gern den Platz im Rampenlicht überlassen, während ich mich mit einem Buch in eine Ecke verdrückte. Deshalb stritten wir uns auch selten. Wir wetteiferten nicht um Aufmerksamkeit, wir respektierten die Stärken der anderen, und auch wenn ich meine Schwester um manches beneidete, artete das nicht in Eifersucht aus. Ich hatte begriffen, dass ich glücklicher war, wenn ich mich an das hielt, worin ich gut war. Trotzdem gab es da noch dieses leise, nagende Gefühl in meinem Hinterkopf, dass Abi sich vielleicht länger freinehmen könnte, wenn ich besser im Spendensammeln, im Bequatschen, im Redenhalten oder schlicht und einfach charmanter wäre. Ich schob den Gedanken beiseite. Nein, damit wäre sie nie und nimmer glücklich. Sie genoss es, ihren Aufgaben nachzugehen. Wir arbeiteten so gut zusammen, weil sich unsere Stärken nicht überschnitten, und außerdem hatte ich schon genug zu tun.
»Aber wenigstens würdest du neue Leute kennenlernen. Momentan sind die Mitarbeiter der Stiftung und der Mann von der Reinigung dein einziger Umgang.«
»Ich gebe meine Wäsche beim Portier ab, und der holt sie für mich ab, während ich bei der Arbeit bin.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Damit bestätigst du mich nur. Du bist achtundzwanzig und keine achtzig. Vielleicht solltest du mit Bungeejumping anfangen.«
Dass ich Bungeejumping machen würde, war genauso unwahrscheinlich, wie dass ich ein Baby bekam. Extremsport hieß für mich, eine Erstausgabe von einem meiner Lieblingsbücher aufzuspüren. »Deine halbe Stunde ist um. Was muss ich machen, um deinen schwangeren Hintern hier rauszubefördern?«
»Sagen, dass du Sonntag zum Mittagessen kommst. Dann ist mein Gewissen beruhigt, dass du auch genug unternimmst.«
»Na schön. Bleib sitzen. Ich arbeite im Konferenzraum weiter.«
Abigail lachte, stand aber auf. »Keine Ausreden. Du musst schließlich etwas essen. Und selbst wenn dir soziale Kontakte komplett egal sind, wäre es nett, Noah das Gefühl zu geben, dass er hier in London noch Freunde hat.«
Wenn Noah wieder in London war, bedeutete das, ich würde ihm oft begegnen. Vielleicht war es besser, das erste Wiedersehen mit ihm kurz und schmerzlos hinter sich zu bringen. Vielleicht war ich nicht mehr so verknallt in ihn. Womöglich hatte er sich verändert. Womöglich hatte er eine Erklärung dafür, warum er nach seinem Weggang nach New York überhaupt nicht versucht hatte, Kontakt zu halten. Ihn wiederzusehen, würde mich vielleicht künftig davon abhalten, mir gelegentlich freitagsabends, wenn ich mit einer Flasche Pinot Noir allein war, das »The Unforgettable Fire«-Album anzuhören, das er an diesem einen Septemberabend mitgebracht hatte. Mich davon abhalten, daran zurückzudenken, wie er darauf bestanden hatte, dass wir still da sitzen und sie von Anfang bis Ende hören, und mich dann beinahe geküsst hatte.
Ich hatte Noah Jensen vergessen wollen. Solange er sich in New York aufgehalten hatte, war das einfach gewesen. Doch jetzt, wo er erneut in London war, wollte ich lieber sichergehen, dass ich nicht wieder so endete wie vor vier Jahren – mich nach einem Mann sehnend, der lediglich eine Freundin in mir sah.
»Ich überlege es mir mit dem Sonntagsessen. Aber wenn ich komme, möchte ich Bratkartoffeln. Keine gekochten, wie Rob sie uns letztes Wochenende vorgesetzt hat.«
Die Hand auf dem Türgriff, blieb sie stehen. »Ich werd’s Rob sagen. Und denk darüber nach, was ich gesagt habe. Bandbreite. Ein Hobby. Gelegentlich mal ein Kinoabend.«
»Ja, ja.« Ich wandte mich wieder meinem Monitor zu, denn es juckte mir in den Fingern weiterzuarbeiten. Und ich schwor mir innerlich, den Schallplattenspieler rauszuschmeißen, den Noah gekauft hatte. Der stand schon viel zu lange in meiner Wohnung rum.
Ich war zwar eine Frühaufsteherin, aber fünf Uhr dreißig fiel selbst mir nicht leicht. Auf dem Boden hockend pikte ich mit einem Bleistift durch das braune Paketklebeband an dem Paket, das gestern angekommen war. Meine Güte. Teflonband? Wer benutzte denn so was? Psychopathen offenbar. Ich würde eine Schere brauchen.
Abigail mochte ja der Meinung sein, dass ein normaler Mensch keinen Büroschrank zu Hause brauchte, aber Tage wie dieser bewiesen, dass sie sich irrte. Ich verbrachte die nächsten zwanzig Minuten mitnichten damit, eine Schere zu suchen, denn ich wusste genau, wo eine war – neben meinen Notizbüchern (mindestens acht noch komplett unbeschriebene), Post-its (in jeder Farbe und Größe), Briefumschlägen (eine Auswahl unterschiedlicher Größen und Stärken), Papier (in zehn verschiedenen Farbtönen, wobei Perlmuttweiß mein liebster war), einem Locher und mehreren Regalböden voller fein säuberlich organisierter Materialien, die nützlich waren oder es vielleicht einmal sein könnten. Ich wählte eine der zwei mittelgroßen Scheren und schnitt das Paket auf.
Tja, jetzt gab es keine Ausrede mehr. Ich hatte ein brandneues Paar Laufschuhe und trug einen Sport-BH. Zeit, mit dem Joggen anzufangen. Sport treiben zählte zu jener Bandbreite, die ich Abis Meinung nach brauchte. Laufen hatte nichts mit der Arbeit zu tun, konnte zum Hobby werden (sofern ich den heutigen Morgen überleben würde), und ich musste dabei nicht an Noah denken, was ich seit Abis Verkündung, dass er zurück war, viel zu oft getan hatte. Mit meiner introvertierten Art passte es mir ganz gut, dass man es allein ohne andere Menschen machen konnte. Abigail würde sich freuen. Ich wäre abgelenkt. Ich schlug zwei Fliegen mit einer Klappe.
Das Problem war nur, dass ich noch nie zuvor ernsthaft gejoggt hatte. Aber wie schwer konnte das schon sein? Es war wie Gehen, nur schneller.
Ich band die Schnürsenkel meiner brandneuen Laufschuhe zu und machte mich auf in den Londoner Julimorgen. Es war schon so hell, dass ich sehen konnte, wohin ich lief, und noch so früh, dass niemand auf den Beinen war, der beobachten könnte, was für eine peinliche Figur ich womöglich machte. Außerdem hoffte ich, während ich um Atem rang, würde ich eine Entscheidung fällen, ob ich heute zu dem Mittagessen bei meiner Schwester gehen sollte.
Ich zog meinen Pferdeschwanz straff, während ich an dem unbesetzten Portierstresen vorbeiging, und blieb draußen vor der Tür stehen. In welche Richtung sollte ich laufen? Ich hatte mir keine Strecke überlegt, war also völlig unvorbereitet. Vielleicht sollte ich es für heute sein lassen und mir für morgen eine Route überlegen? Ich könnte eine machbare Distanz zu einem bestimmten Ort und zurück festlegen. Andererseits, wo ich jetzt schon mal hier stand, konnte ich genauso gut loslaufen.
Nach einem Blick auf meine Uhr bog ich vom Haus nach links Richtung Park ab, ging zuerst und fing dann leicht zu joggen an, nachdem ich meine Straße hinter mir gelassen hatte. In den Straßen war es gespenstisch ruhig, und obwohl ziemlich regelmäßig Autos an mir vorbeifuhren, kam ich mir fast vor, als wäre ich in einer anderen Stadt. Das dumpfe Autobahnrauschen, das ich normalerweise gar nicht mehr wahrnahm, war weg, und ich konnte sogar Vogelgezwitscher ausmachen. Statt anderen Fußgängern auszuweichen, hatte ich Gelegenheit, mich umzuschauen, die zumeist in mehrere Wohnungen aufgeteilten, stuckverzierten weißen Häuser zu betrachten und mich zu fragen, wer wohl hinter den glänzenden schwarzen Eingangstüren lebte.
Das war gar nicht so schlecht.
Ich musste bloß ein gleichmäßiges Tempo beibehalten. Es nicht übertreiben, nicht zu schnell machen. Während ich weiter die leeren Straßen entlanglief, passte sich meine Atmung dem Rhythmus meiner Beine an. Zwei Schritte lang atmete ich ein, und zwei Schritte lang aus. So deutlich zu spüren, wie sich meine Lungen füllten und leerten, brachte mich in Gedanken wieder zurück zu Noah.
Und dem Mittagessen. Und wie gern ich ihn sehen wollte – was eindeutig hieß, dass ich nicht hingehen sollte. Es war vier Jahre her. Wieso schaltete mein Herzschlag einen Gang höher, wenn Abigail bloß seinen Namen erwähnte? Wieso konnte ich mich immer noch daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte, von ihm umarmt zu werden, und wie sein Bart über meine Wange gekratzt hatte, wenn er mich begrüßte?
Zwar hatte ich einige Geschichten über Noah gehört, wenn Rob in seinen »besten Zeiten« an der Uni schwelgte, doch bis zur Hochzeit hatten sich unsere Wege nie gekreuzt. Noah war gerade von einem Job in Hongkong oder China oder irgendeinem anderen fernen Ort zurückgekehrt. Schon damals hatte er herausgestochen – mit seinen blonden Haaren, weißen Zähnen und der eindrucksvollen Gestalt. Als er mich von der anderen Seite des Altars her angegrinst hatte, hatte ich weggeschaut. Verwirrt über sein Interesse, hatte ich für den Rest der Trauung versucht, ihn möglichst zu ignorieren.
Als er mich bei dem anschließenden Sektempfang in ein Gespräch verwickeln wollte, versuchte ich herauszukriegen, was das sollte. War er einer dieser überfreundlichen Menschen, die einfach gern jeden kennenlernen wollten, oder fühlte er sich verpflichtet, sich mit mir zu unterhalten, weil ich Abigails Schwester war? Und eine Brautjungfer?
Als er mich das erste Mal fragte, ob ich tanzen wolle, lehnte ich ab. Beim zweiten Mal schlug ich ihm einen Deal vor: eine Spende von fünfzig Pfund an die Harbury Foundation im Austausch für die dreieinhalb Minuten von Katy Perrys California Gurls. Er hatte mit zweihundert Pfund für die fünf Minuten und vierzig Sekunden von Spandau Ballets True dagegengehalten.
Ich war darauf eingegangen.
Zum ersten Mal überhaupt hatte es mich nervös gemacht, einen Mann zu berühren und von ihm gehalten zu werden. Bis Noah dann seine Arme um meine Taille gelegt und ein: »Perfekt«, in mein Ohr geflüstert hatte, wobei seine Bartstoppeln meine Wange streiften. Ich sank gegen ihn und ließ ihn seine Hände auf meinen Rücken pressen, sodass es keinen Abstand mehr zwischen uns gab. Aus fünf Minuten wurden wenige Sekunden, in denen Noah die einzige Person in dem ganzen Festzelt war, die ich wahrnahm.
Er bedeutete eindeutig Ärger.
Und war ein Aufreißertyp.
Und einer, der regelmäßig auf Hochzeiten die Brautjungfern verführte.
Seine Absichten wurden umso klarer, als ich merkte, dass wir auf der Hochzeit die einzigen beiden Singles über achtzehn waren. Also forderte ich ihn auf, mich als Freundin zu betrachten, statt als potenzielle Eroberung. Ich sagte ihm, dass ich nicht mit ihm schlafen würde, aber dass wir zusammenhalten könnten und ich ihn von Unterhaltungen mit Tantchen fernhalten würde, die zu viel Parfum aufgelegt hatten, und mit Cousinen, die zehn Jahre zu jung für ihn waren.
Und an dem Abend entwickelte sich etwas Neues zwischen uns. Ich wurde die erste Frau, die er vergeblich ins Bett zu kriegen versucht hatte. Er wurde der Mensch, der mir, abgesehen von meiner Schwester, am nächsten stand. Wir wurden die dicksten Freunde.
Er zog mich damit auf, dass ich ein Nerd war. Ich machte ihn an, er sei ein Aufreißertyp.
Er schaffte es immer, mich zu Sachen zu überreden, von denen ich sicher war, dass ich sie hassen würde, die mir dann aber Spaß machten. Ich bewies ihm, dass nicht nur Jungs Comicexperten waren.
Einmal hatte er mir gestanden, er sei froh darüber, dass ich ihm auf der Hochzeit einen Korb gegeben hatte und wir dadurch Freunde geworden waren – und von genau diesem Moment an gab es eine klare Trennlinie.
Es stellte sich heraus, dass Noah anders war, als ich erwartet hatte. Er war nicht bloß ein gut aussehender Aufreißertyp. Ich mochte ihn, respektierte ihn, fand ihn klug, engagiert, bescheiden, und mit der Zeit verknallte ich mich irgendwann heftig in ihn. Wenigstens hatte er das nie gemerkt, diese Peinlichkeit war mir erspart geblieben. Ich hatte meine Gefühle gut verborgen. Unter meiner Nerdigkeit und indem ich standhaft mitten in der Friendzone geblieben war.
Das war auch der Grund, warum ich ihm aus dem Weg gehen sollte. Ich wollte nicht, dass meine Verknalltheit zurückkam und er diesmal etwas davon merkte. Auf der Hochzeit hatte er mich vielleicht rumzukriegen versucht, weil keine anderen Singlefrauen im passenden Alter da gewesen waren, doch ich würde nicht die Frau sein, die ihn von seiner Aufreißertour abbrachte, und ich hatte auch nicht vor, bloß eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten zu werden. Ich sollte mir eine Ausrede überlegen, warum ich es nicht zum Mittagessen schaffte.
Meine Oberschenkel fingen an zu brennen, und Schweiß rann mir vom Nacken die Wirbelsäule hinunter. Ich war noch nicht mal beim Park angekommen und wollte schon anhalten, es aufgeben und umkehren. Aber nein. Das war meine Gelegenheit, etwas anders zu machen. Meiner Schwester zu beweisen, dass ich Bandbreite besaß, und mir selbst, dass ich mich verändert hatte und nicht mehr das Mädchen war, das vor Männern davonlief, die attraktiver waren, als ihnen guttat.
Ich wollte ihn wiedersehen. Ich wollte meinen Freund wiederhaben. Und ich wollte wissen, ob er sich an den Abend vor seiner Abreise nach New York erinnerte. Den Abend, als wir uns eine Flasche Wein geteilt, Musik gehört und beinahe jene Trennlinie zwischen uns überschritten hatten.
Hatte er mich damals begehrt?
Hatte er gewusst, wie sehr ich ihn begehrte?
Ich kaute auf meinem Daumennagel herum, während ich vor den schmucken viktorianischen Reihenhäusern auf und ab ging. Ein Pferdeschwanz wirkte doch ganz lässig, oder? Und jeder würde doch eine Jeans anziehen? Aber Rouge und Eyeliner? Am Sonntag? Abigail würde das bestimmt auffallen.
Ich hätte nicht herkommen sollen.
Als die schiefergraue Eingangstür des Hauses meiner Schwester aufschwang, erstarrte ich. »Truly?«, bellte mein Schwager. »Dachte ich mir doch, dass du’s bist. Was machst du denn hier draußen?«
»Sorry, ich habe bis eben noch telefoniert.« Ich hielt nicht mal mein Handy in der Hand, und überhaupt, wen sollte ich denn an einem Sonntag angerufen haben? Ich musste wirklich an meinen Ausreden arbeiten.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab Rob einen Kuss auf die Wange. »Hast du Bratkartoffeln gemacht?«
»Ich würde es nicht wagen, was anderes aufzutischen.« Er nahm mir die Flasche Weißwein aus der Hand. »Versuchst du’s mit was Neuem?«, fragte er, während er das Etikett betrachtete. »Sonst bringst du doch immer Rotwein mit.«
»Den hatte ich noch im Kühlschrank.«
»Zusammen mit verschimmeltem Käse?«
Und Hummus, aber das sagte ich nicht. Stattdessen haute ich ihm mit dem Handrücken auf den Bauch, weil er sich die Bemerkung herausgenommen hatte. Ein gefüllter Kühlschrank besaß für mich keine Priorität. Meistens bestellte ich mir etwas ins Büro oder kaufte zwei Portionen Mittagessen und packte eine für später in den Gemeinschaftskühlschrank.
»Bist du das, Truly?«, rief meine Schwester aus der Küche.
Ich schlüpfte an Rob vorbei und holte tief Luft, während ich in den hinteren Teil des Hauses ging. Rouge und Eyeliner waren bloß eine Rüstung. Zum Schutz vor Noah und seinem Charme. Ich wollte ihn unbedingt wiedersehen und merken, dass er keine Wirkung mehr auf mich hatte. Ich wollte nicht so eine sein, die einem Kerl nachschmachtete, der nicht mal wusste, dass sie existierte, oder zumindest keine potenzielle Partnerin in ihr sah. Das war traurig und erbärmlich, und so war ich nicht. Ich straffte die Schultern und bog in der Erwartung links um die Ecke, Noah zum ersten Mal seit vier Jahren zu sehen. Doch der einzige Mensch in dem großen, luftigen Raum war meine Schwester, die am Herd stand und in einen Kochtopf lugte.
Sie wirbelte schuldbewusst herum, als Rob hinter mir hereinkam.
»Hast du den etwa angerührt?«, fragte er. Rob erklärte sich nur unter der Bedingung bereit zu kochen, dass Abigail ihn dabei ihn Ruhe ließ und sich nicht einmischte.
»Hab ich nicht, ich schwör’s. Ich hab bloß mal nachgeguckt. Weil –«
»Tu nicht so, als wolltest du helfen, Abigail. Schenk lieber den Wein ein.« Er gab ihr die Flasche, die er mir gerade abgenommen hatte.
»Robert Franklin, es ist grausam von dir, eine schwangere Frau einen Wein ausschenken zu lassen, den sie selbst nicht trinken kann.«
Als ich mich umschaute, konnte ich Noah nirgendwo entdecken.
»Du hast Wein mitgebracht?«, fragte Abigail und küsste mich auf die Wange.
Ich zuckte mit den Schultern und schob die Hände in die Hosentaschen, während sie mein geschminktes Gesicht betrachtete. Sie bemerkte das Make-up, sagte aber wenigstens nichts dazu. Genauso wenig, wie sie erklärte, warum Noah nicht da war. Vielleicht kam ich ja noch mal davon. Vielleicht hatte er schon etwas anderes vorgehabt. Mit Sicherheit gab es jede Menge Freunde, die er wiedersehen, Frauen, die er treffen, Dinge, die er erledigen wollte. So war Noah eben. Er war viel beschäftigt. Arbeitete immer auf irgendein Ziel zu. War immer auf dem Sprung.
Donnernde Schritte auf der Treppe verrieten mir, dass ich doch nicht so einfach wie erhofft davongekommen war.
Abigail blickte hoch zur Decke. »Ich schwöre dir, er bringt noch das Haus zum Einsturz.«
Es war mit einem Mal, als würde ihre Stimme leiser gestellt, und ich konnte mich nur noch aufs Atmen konzentrieren. Als hätte mein Körper beschlossen, nicht mehr passiv zu funktionieren, und wenn ich nicht aufpasste, würden sich meine Lungen leeren und nie wieder füllen.
Ich ging auf die Glastüren zu, um sie aufzumachen und mehr Luft zu bekommen.
»Hey, Leute. Entschuldigt, den Anruf musste ich annehmen«, erklang Noahs tiefe Stimme hinter mir und bereitete mir Gänsehaut.
Langsam drehte ich mich um und betrachtete ihn. Mit seinen einsdreiundneunzig füllte er den ganzen Türrahmen aus. Ich hatte vergessen, wie perfekt er in natura war. In meiner Erinnerung hatte ich ihn nicht so lebhaft vor Augen, wie er tatsächlich war. Es war, als leuchtete er in kräftigeren Farben als der Rest der Menschheit. Die ausgeprägten hohen Wangenknochen, die nordische Nase, die aussah, als wäre er gerade von Bord eines Wikingerschiffs gegangen, und das aschblonde Haar, das einen Tick länger war als noch vor Jahren – das alles war allzu perfekt. Seine langen, langen Beine steckten in Jeans, und was seine breite Brust bedeckte, sah nach grauem Kaschmir aus. Du meine Güte, kein Wunder, dass dieser Mann das Verlangen, mit mir zu schlafen, so schnell abgehakt und mich in die Friendzone verbannt hatte. Er sah aus, als wäre er für meine Schwester geschaffen – schön, elegant und kraftvoll.
Er folgte Abigails Blick zu mir, und als er mir in die Augen sah, winkte ich ihm mit beiden Händen zu wie eine Fünfjährige.
»Truly«, sagte er, und seine tiefe Stimme ging mir durch und durch.
Seine Augen leuchteten wie immer auf, als sich ein Lächeln auf sein Gesicht legte. Doch seine herzliche Begrüßung galt nicht mir allein. Oder auch nur Leuten, die er mochte. Er hatte einfach so eine Art an sich, durch die sich Menschen in seiner Gegenwart besonders vorkamen. Er schritt auf mich zu.
»Wie schön, dich zu sehen. Es ist Ewigkeiten her.«
Je näher er kam, desto heißer wurde mir, und als er sich vorbeugte, atmete ich jene Duftmischung aus Zitrus und warmer Haut ein, die ich noch in Erinnerung hatte. Die Stoppeln seines Ein-Tage-Barts streiften meine Wange, als er sein Gesicht gegen meines drückte. Ich bekam Herzklopfen und drängte ihn innnerlich, sich wieder loszumachen, damit er nichts davon merkte. »Gut siehst du aus«, sagte er in eher lautem als vertraulichem Tonfall. Er legte die Hände auf meine Schultern und hielt mich auf Armeslänge von sich weg, dann schaute er zu Rob und Abigail, als sollten sie ihm zustimmen.
Er ließ mich los, und als hätte er mich hochgehoben, musste ich einen Schritt nach hinten machen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich räusperte mich in der Hoffnung, dass sich mein Puls dadurch wieder normalisieren würde. »Willkommen zurück«, war alles, was ich herausbrachte.
»Wein?«, fragte Abigail.
»Ich hätte gern ein Glas Pinot Noir, wenn ihr welchen dahabt«, sagte Noah.
Rob schnaubte. »Wie du weißt, haben wir jede Menge davon.« Er drehte sich von dem Kochtopf vor sich zu mir um und verdrehte die Augen. »Der Kerl ist mit sechs Kartons davon hier aufgetaucht. Und das Zeug schmeckt richtig gut. Du trinkst normalerweise doch auch Roten, möchtest du ihn probieren?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich versuche, einen klaren Kopf zu behalten, deshalb bleib ich lieber bei Weißwein. Ich habe eine anstrengende Woche vor mir.«
»Also, wie war die Wohnungssuche?«, fragte Abi, drehte sich dann um und reichte mir ein Glas von dem Wein, den ich mitgebracht hatte. »Er hat sich den ganzen Vormittag lang Apartments angeschaut.«
»Gut. Auf die Art kann ich besser eingrenzen, was ich will«, erwiderte Noah.
Von den beiden Eichenbänken am Esstisch rutschte ich auf die mit Blick in den Raum. Die Ellbogen neben meinem Weinglas aufgestützt, wartete ich darauf, alles über Noahs Leben zu erfahren. Seine Zukunft.
Ich würde den ganzen Wein brauchen.
»Und was willst du?«, fragte Abigail.
»Eine Junggesellenbude«, sagte Rob, woraufhin ich versuchte, keine Miene zu verziehen. »Eine mit Spiegeln an der Schlafzimmerdecke.«
»Was Zentrales«, sagte Noah und ignorierte Rob. »Ich möchte einen kurzen Weg zur Arbeit haben, aber ich muss auch schnell von der Stadt zum Flughafen kommen.«
»Hast du nicht gerade deine Firma verkauft?«, fragte Abigail, während sie den Pinot Noir in sein Glas goss. »Wohin musst du denn zur Arbeit? Fängst du einen neuen Job an?«
Noah schwang eines seiner langen, muskulösen Beine über die Bank und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. »Ich sitze noch im Vorstand, bin aber nicht der Vorsitzende, deshalb muss ich nur noch einmal im Monat zurück nach New York.«
»Wow, ein Job, bei dem man sich nur einmal im Monat blicken lassen muss – muss schön sein, du zu sein«, meinte Rob über das Scheppern der Töpfe hinweg.
Rob wusste ebenso gut wie wir alle, dass Noah hart arbeitete. Er mochte sich zwar nur einmal pro Monat in New York blicken lassen müssen, aber er war kein Typ, der sich auf die faule Haut legte, bloß weil er es sich erlauben konnte. Er arbeitete immer auf irgendetwas hin.
»Ich suche gerade nach einem neuen Projekt. Ich will mir Zeit lassen und schauen, was mein Interesse weckt. Außerdem lerne ich fliegen.«
»Fliegen? Wie das?« Ich hatte nur halb zugehört, während ich mich an das Gefühl seiner warmen Haut unter meinen Fingern erinnerte.
Noah grinste. »Ich strebe ein Schwarzer-Schwan-Ereignis an, etwas wirklich Überraschendes. Bis dahin arbeitete ich an meinem Pilotenschein.«
»Aha«, murmelte ich und starrte in mein Glas. Wieso hatte ich so eine dämliche Frage gestellt? Genau deshalb war ich so nutzlos auf den Galas und Wohltätigkeitdiners, die Abi spielend leicht bewältigte.
»Im Ernst? Du nimmst Flugstunden?«, fragte Rob und schaute Abi an.
»Guck mich nicht an, als bräuchtest du meine Erlaubnis. Ich bin nicht deine Mutter.« Abi rutschte neben mich auf die Bank.
»Diese Woche hatte ich meine erste. Ich dachte mir, wenn ich schon mal Zeit zur Verfügung habe, kann ich das auch ausnutzen. Einen Fallschirmkurs werde ich auch machen.«
»Passt zu dir«, meinte Rob. »Action. Abenteuer. Gibt’s eigentlich irgendwas, wovor du Angst hast?«
Noah grinste nur. Bei einem Gebäudebrand wäre Noah derjenige, der die Evakuierung organisierte und alle in Sicherheit brachte. Er behielt immer die Kontrolle, war besonnen und selbstsicher.
»Tja, ich kann auf keinen Fall Flugstunden nehmen«, murmelte Rob. »In fünfeinhalb Monaten ändert sich alles.«
»Bald werdet ihr zwei also Eltern. Habt ihr Panik?«, fragte Noah.
»Nein.« Rob stellte das Brathähnchen auf den Tisch.
»Lügner«, erwiderte Abigail.
»Okay, leichte Panik«, erwiderte Rob. »Natürlich hilft es nicht gerade, dass Abigail darauf besteht, eine Woche nach der Geburt wieder arbeiten zu gehen.«
»Sechs Wochen danach. Außerdem weißt du doch, was in der Stiftung alles zu tun ist. Ich kann nicht einfach von Bord gehen – Baby hin oder her.«
Noah schaute zu mir, und ich verdrehte die Augen, während tausend Erinnerungen auf mich einprasselten, die mir das Herz schwer machten. Vor seinem Weggang nach New York war dies das übliche Muster gewesen. Rob und Abigail stichelten, zankten und stritten sich, während Noah und ich amüsiert zusahen und herauszufinden versuchten, wer die Wette zwischen uns gewann.
Wie oft würde Abigail Rob vorwerfen, er sei ein Kontrollfreak?
Wie oft würde Rob Abigail um Erlaubnis fragen, etwas machen zu dürfen, das sie nicht gut fand, um ihr dann vorzuwerfen, sie sei in ihrer Ehe der Kontrollfreak?
Wie viele Flaschen Wein würden wir leeren?
Erinnerte er sich auch an all das?
»Also, mal abgesehen von den Flugstunden, wie sehen deine Pläne aus?«, fragte Abigail.
Während Noah und sie sich unterhielten, stellte Rob diverse Speisen auf den Tisch und setzte sich schließlich. Dann fingen wir an zu essen, reichten die Schüsseln und Soßen herum, taten uns Kartoffeln auf und schnitten Tranchen vom Hähnchen ab.
Wie konnte es nur so einfach sein, wieder in alte Gewohnheiten mit diesem Mann zu verfallen, der mir so viel bedeutet hatte? Erleichterung überkam mich, gleichzeitig aber auch Frustration. Hätte sich Noah doch in einen Mistkerl verwandelt oder wäre verheiratet. Oder wenigstens inzwischen kahl geworden.
Zumindest war die gespannte Erwartung jetzt vorbei.
Ich musste einsehen, dass Noah noch genauso wie immer war. Ich war es, die sich ändern musste. Die sich nicht noch mal in ihn verlieben durfte. Er sah eine Freundin in mir, und in dieser Kiste würde auch ich ihn lassen – fest mit einem Deckel verschlossen.
Wie lange würde das Pochen in meiner Brust anhalten, würden meine Wangen brennen und es beim Gehen in meinen Beinen kribbeln? Es ging doch nichts darüber, sich in fünfzehntausend Fuß Höhe aus einem Flugzeug zu stürzen, um seinen Körper aufzurütteln. Ich nahm meinen Helm ab, atmete aus und streifte dann meinen Overall ab. Als ich Jeans und T-Shirt aus dem Spind nahm, kam Dave, einer der beiden Lehrer, die mit mir gesprungen waren, in die Umkleide.
»Das war verdammt geil«, sagte ich.
»Gibt nichts Besseres.«
»Den Tandemsprung letztes Jahr fand ich schon toll, aber der heute …«
»Der Adrenalinrausch ist viel heftiger.«
»Stimmt.« Spürte er ihn immer noch? Während das Flugzeug in die Höhe gegangen war, hatte er erzählt, dass er schon über dreitausend Mal gesprungen war. Ich hatte ihn fragen wollen, ob es ihn je langweilte. Ich liebte es, aber nach so vielen Sprüngen war der Rausch doch bestimmt nicht mehr derselbe.
»Nächste Woche machen wir den Sprung vor dem Unterricht – vorausgesetzt, das Wetter hält«, sagte er.
»Hört sich gut an.« Dave und ich klatschten uns ab, dann fuhr ich mir mit den Fingern durch die Haare und ging hinaus auf den Parkplatz.
»Hey«, winkte ich Rob zu, der wartend an der Fahrertür seines Wagens lehnte.
»Du bist irre«, sagte Rob kopfschüttelnd, während ich näher kam. »Ich habe gesehen, wie du gelandet bist. Ist es nicht einfacher – vielleicht sogar sicherer –, sich Heroinkonsum zur Gewohnheit zu machen als das hier?«
Leise lachend rutschte ich auf den Beifahrersitz. »Nope, das hier macht viel mehr Spaß.« Das Hochgefühl nach einem Fallschirmsprung war nicht der Grund, warum ich es machte. Ich konnte verstehen, wieso das für manche Leute der Antrieb war, aber mir ging es eher darum, nichts zu verpassen. Für mich kam alles infrage, es sei denn, ich wollte etwas nicht machen. Uns blieb so wenig Zeit auf dieser Erde – da wollte ich alles hineinpacken, was ging.
»Sei ehrlich, hast du dir nicht halb in die Hosen gemacht?« Rob ließ den Motor an und setzte aus der Parklücke zurück.
»Angst hatte ich überhaupt keine.« Vor meinem Unfall hätte ich Panik geschoben, aber heute nicht mehr. Wahrscheinlich sollte es eher andersherum sein, aber ich wollte das meiste aus meinem Leben rausholen. So viel wie möglich erleben. »Wenn der Sommer zu Ende geht, werde ich allein springen, ohne den Lehrer. Vielleicht ist es dann beängstigender.«
»Ich dachte, du nimmst Flugstunden und keine Fallstunden.«
»Wie witzig«, erwiderte ich sarkastisch. »Das mit dem Fliegen mache ich auch noch. Fallschirmspringen geht so nebenher. Ich dachte mir, ich nehme es mit, solange ich nicht arbeite.«
»Ich wollte dich gerade fragen, ob du jemals einfach nur auf der Couch sitzt und Kesselchips isst, aber ein Kesselchips-und-Chill-Typ warst du noch nie.«
Truly stand auf Kesselchips. Wie hatte ich das nur vergessen können? Ich hatte so einiges über Truly vergessen, aber bei dem Mittagessen am Sonntag war mit einem Schlag alles wieder da gewesen. Ich hatte vergessen, wie gern ich in ihrer Nähe war. Wie lustig sie war – manchmal mit Absicht, manchmal nicht. Dass es sich immer so anfühlte, als könnte ich ihr wehtun, wenn ich sie nicht ganz vorsichtig umarmte. Dass sie nach Kokosshampoo duftete, von dem sie sagte, sie benutze es, um ihren Frizz zu bändigen. Nur dass ihre Haare noch nie kraus ausgesehen hatten, nicht mal wenn ihr das Shampoo ausging. Sie waren ganz weich. Wellig. Hübsch.
»Danke, dass du mir mit den Möbeln hilfst. Ich hätte auch jemanden anheuern können, aber ich dachte mir, du freust dich über einen Männerabend mit Bier, auch wenn Schleppen ansteht«, sagte ich.
»Für einen Männerabend bin ich immer zu haben«, erwiderte Rob, drückte dabei am Radio herum und zuckte zusammen, als Britney Spears ertönte. »Und wir haben jede Menge davon nachzuholen. Aus vier Jahren. Aber egal, ich will deine neue Wohnung sehen. Ich kann’s nicht fassen, dass du am Ende was in Marylebone gefunden hast, du Glückspilz.«
»Ja, ist schön zentral, aber trotzdem nur ein kurzer Weg raus aus der Stadt, wenn ich so Sachen wie heute machen will.«
»Eine Junggesellenbude. Läuft bei dir pausenlos Barry White?«
Verheiratete Leute interessierten sich immer mehr als alle anderen für mein Sexleben. »Barry White? Wie alt bist du?«
Schulterzuckend machte Rob das Radio aus. »Das war also vielleicht mein Fehler, als ich noch Dates hatte.«
»Hey, du hast Abigail geheiratet. Ich wüsste nicht, wo da der Fehler liegt.« Sie kamen dem perfekten Paar so nah, wie es nur ging. Ihr Gezanke machte sie nur noch liebenswerter. Ich wusste, dass Rob die Aufmerksamkeit im Stillen genoss. Zu merken, dass sich die Dynamik zwischen ihnen in den vergangenen vier Jahren nicht verändert hatte, war beruhigend.
»Ja, sie ist toll. Vielleicht solltest du dir auch eine Frau suchen.«
Ich lachte leise. »Das ist nichts für mich.«
»Hältst du dich immer noch strikt an deine Drei-Monats-Zyklen?«
»Du Idiot. Ich habe kein Zyklen.«
»Hast du wohl. Wann warst du zuletzt länger als drei Monate mit einer Frau zusammen?«
Ich wusste ohne nachzudenken, dass das noch nie vorgekommen war. Truly hatte mich immer deswegen verarscht. Ironischerweise war meine Freundschaft mit ihr die längste Beziehung, die ich je mit einer Frau gehabt hatte – auch wenn die platonisch gewesen war. Als wir uns zum ersten Mal begegneten, hatte ich mein Bestes gegeben, sie rumzukriegen, aber zum ersten Mal seit Schulzeiten einen Korb von einer Frau kassiert. »Ich mache das nicht absichtlich. Es ergibt sich einfach immer so.«
»Meinst du nicht, es wäre schön, mal Luft zu holen? Mal zur Ruhe zu kommen und bei einer Frau zu bleiben?«
»Es gab mal eine Zeit, da dachte ich, für mich würde es nichts anderes mehr als Ruhe geben. Jetzt, wo ich noch eine andere Wahl habe, bleibe ich lieber in Bewegung«, antwortete ich. Ich verstand absolut, dass manche Menschen, Rob eingeschlossen, nicht nachvollziehen konnten, warum ich immerzu diesen Drang hatte, mich zu steigern – noch schneller zu werden, noch stärker, noch erfolgreicher.
»Und, bist du mitten in einem Zyklus oder ist gerade einer zu Ende?«
»Reden wir hier über die Periode oder über Frauen?« Ich stellte bei meinen Beziehungen doch keinen Wecker. Und ich ging auch nicht fremd. Eine längerfristige Beziehung oder eine Ehe konnte ich mir einfach nicht vorstellen, und ich fühlte mich zu Partnerinnen hingezogen, denen es genauso ging. Es gab so viele Frauen, die ich noch nicht kennengelernt hatte. Es gefiel mir, herauszufinden, wie ein unbekannter Körper reagierte.
»Also, falls du eine Periode hast, solltest du echt dringend mal mit jemandem reden, aber eher mit einem Mediziner als mit mir.«
Ich grinste. Ich hatte Rob vermisst. Nachdem ich nach New York gezogen war, hatte ich ihn in regelmäßigen Abständen gesehen, und wir waren über E-Mail in Kontakt geblieben, aber das war nicht dasselbe. Freundschaften, die man schon als Teenager geschlossen hatte, waren etwas anderes als die Bekanntschaften, die ich gemacht hatte, seit ich arbeitete. Wenn ich heute Leute kennenlernte, schien es hauptsächlich ums Networking zu gehen. »Keine Frau. Jedenfalls keine besondere.«
»Keine in New York?«