Love Unscripted - Kylie Scott - E-Book

Love Unscripted E-Book

Kylie Scott

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Beschreibung

Fake ist manchmal echter als echt ...

Kellnerin Norah Peers ist Single und chronisch pleite. Als der Hollywoodstar Patrick Walsh sie bittet, für eine stolze Summe seine Fake-Freundin zu spielen, willigt sie kurzerhand ein. Obwohl Patrick in Wirklichkeit alles andere als der charmante Verführer ist, den man von der Leinwand kennt, ist das heiße Prickeln zwischen ihnen definitiv oscarreif. Von Paparazzi gejagt zu werden ist allerdings nicht Norahs Vorstellung von einer Traumbeziehung - auch nicht von einer vorgetäuschten. Daher sollte es eigentlich kein Problem sein, wieder in ihr ruhiges, durchschnittliches Leben zurückzukehren. Dumm nur, dass sich diese Fake-Beziehung realer anfühlt als jede echte, die sie je hatte ...

»Ich liebe dieses Buch so sehr! Eine Cinderella-Story, die absolut romantisch, witzig und sexy ist.« ESCAPIST BOOK BLOG

Band 1 des WEST-HOLLYWOOD-Duetts

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Seitenzahl: 335

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

Die Autorin

Die Romane von Kylie Scott bei LYX

Impressum

Kylie Scott

Love Unscripted

Roman

Ins Deutsche übertragen von Katrin Reichardt

Zu diesem Buch

Kellnerin Norah Peers ist chronisch pleite und hat den Männern abgeschworen. Ihr Job in einem kleinen, schäbigen Restaurant in L. A. hält sie gerade so über Wasser. Dass der unverschämt attraktive Hollywoodstar Patrick Walsh zu ihren Stammgästen gehört, ist für sie ebenso Alltag wie Pasta servieren. Und Walsh gibt gutes Trinkgeld, damit er einfach nur seine Ruhe hat. Umso überraschter ist Norah, als der Schauspieler ihr ohne Vor-warnung viel Geld dafür bietet, sechs Monate lang seine Fake-Freundin zu spielen. Nach einem Skandal muss Walsh sein Image dringend aufpolieren, und dafür braucht er jemanden, der so bodenständig wie möglich ist. Und so zieht Norah kurzerhand in sein luxuriöses Anwesen ein, lässt ihren Job und ihre Anonymität hinter sich und lernt den glamourösen Lifestyle Hollywoods kennen. Obwohl Patrick in Wirklichkeit alles andere als der charmante Verführer ist, den man von der Leinwand kennt, ist die Chemie zwischen ihnen nicht zu leugnen. Doch die gnadenlose Presse und Paparazzi stellen Norah gewaltig auf die Probe. Nicht genug, dass sie dem Paar ständig auf den Fersen sind – es wird auch jede Peinlichkeit aus Norahs Vergangenheit ans Licht gezerrt. Daher sollte es eigentlich kein Problem für sie sein, bald wieder in ihr ruhiges, durchschnittliches Leben zurückzukehren. Dumm nur, dass sich diese Fake-Beziehung realer anfühlt als jede echte, die sie je hatte …

1. Kapitel

Er kam am Nachmittag mit seiner üblichen finsteren Miene ins Restaurant geschlichen. Ohne dem »Geschlossen«-Schild Beachtung zu schenken, setzte er sich in eine der hinteren Sitznischen. Das durfte sonst niemand. Nur er. Sein heutiges Outfit bestand aus schwarzen Jeans, Converse-Schuhen und einem Button-down-Hemd. Zweifellos Designerklamotten. Und wie die Hemdsärmel sich um seinen Bizeps schmiegten … Also wirklich, sie sollten sich was schämen. Ich war ganz kurz davor, sie anzufahren: »Nehmt euch gefälligst ein Zimmer.«

Stattdessen fragte ich: »Das Übliche?«

Er saß zusammengesunken in der Ecke der Nische und neigte als Antwort das Kinn. Dafür, dass er so ein großer Kerl war, gab er sich wirklich verdammt viel Mühe, sich zu verstecken.

Ich sagte nichts. Worte waren weder gewollt noch erwünscht, was mir nur recht war, denn a) war ich müde und b) gab er für Ruhe und Frieden gutes Trinkgeld.

Hinten war Vinnie, der Koch, mit den Vorbereitungen für den Abend beschäftigt und machte mit dem Messer gerade kurzen Prozess mit einer Zwiebel.

»Er ist da«, sagte ich.

Ein Lächeln breitete sich auf Vinnies Gesicht aus. Er war ein großer Fan von den Actionfilmen dieses Mannes. Von denen, die er gedreht hatte, bevor er groß rausgekommen und zu ernsthafteren, dramatischen Rollen gewechselt war. Dass er sich entschlossen hatte, ungefähr einmal im Monat im Restaurant vorbeizukommen, war für Vinnie das Größte. Insbesondere, da das Restaurant, das den Namen Little Italy trug, der Inbegriff einer Spelunke war. Hier verkehrte in der Regel keine Hollywood-Elite. Ich war zwar kein ganz so großer Fan von ihm, aber trotzdem ein Fan. Na ja, irgendwie so.

»Bring ihm sein Bier«, beauftragte mich Vinnie.

Als ob ich meinen Job nicht beherrschen würde. Also wirklich.

Er war mit seinem Handy beschäftigt, als ich das Peroni vor ihm abstellte. Kein Glas. Er trank direkt aus der Flasche, wie ein wildes Tier. In diesem Augenblick kam eine Frau in einem roten Sweaterkleid und hellbraunen Stiefeletten mit Zwölfzentimeterabsätzen zur Tür herein.

»Tut mir leid, wir haben geschlossen«, informierte ich sie.

»Ich gehöre zu ihm.« Sie marschierte direkt auf seine Nische zu und setzte sich mit mürrischer Miene ihm gegenüber. »Du kannst nicht einfach abhauen, Patrick. Du wirst dich für eine von ihnen entscheiden müssen.«

»Vergiss es.« Er trank einen Schluck von seinem Bier. »Die waren alle Scheiße.«

»Es muss doch zumindest eine geben, die akzeptabel ist.«

»Nicht mal annähernd.«

Sie seufzte. »Mach so weiter, und du bist nächste Woche passé. Vergessen. Dann ist dir nicht mehr zu helfen.«

»Geh weg, Angie.«

»Nur ein weiterer talentierter, aber leider abgehalfterter Mann in Hollywood. So liest man es in den sozialen Medien.«

»Ist mir scheißegal.«

»Lügner«, entgegnete sie gedehnt.

Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte. Einerseits kannten die beiden sich offenbar, doch andererseits schien er sie nicht hier haben zu wollen. Und eigentlich hätte sie auch nicht hier sein dürfen. Vinnie hatte nur einer einzigen Person gestattet, sich außerhalb der Öffnungszeiten hier aufzuhalten. Allerdings würde sie vermutlich ihre Anwälte auf mich hetzen, wenn ich sie bitten würde zu gehen. Sie sah so aus.

Die Frau bemerkte, dass ich noch immer am Tisch herumstand. »Bring mir ein Glas Rotwein.«

»Sie bleibt nicht«, widersprach Patrick.

Angie bewegte sich keinen Zentimeter. »Sie waren alle brauchbar. Anschmiegsam. Jung. Diskret. Keine schrägen oder anrüchigen Sachen in ihrer Vergangenheit.«

»Das hätte sie vielleicht etwas interessanter gemacht.«

»Interessante Frauen sind der Grund dafür, dass du jetzt in diesem Schlamassel steckst.« Die Frau musterte mich stirnrunzelnd. Ich stand noch immer unschlüssig herum. Eine ihrer perfekt geformten Augenbrauen hob sich fragend. »Ja, bitte? Gibt es ein Problem?«

Nun war es an Patrick, zu seufzen und mir zuzunicken. Seine Kieferpartie und seine Wangenknochen waren traumhaft schön – genau wie alles andere an ihm. Eine klassische männliche Hollywood-Schönheit. Insbesondere mit seinem kurzen, hellbraunen, kunstvoll zerzausten Haar und den leichten Bartstoppeln. Manchmal war es wirklich schwierig, ihn nicht anzustarren. Wahrscheinlich schrie deshalb seine Persönlichkeit eher »Lass mich in Ruhe«.

Ich ging in den kleinen Barbereich im hinteren Teil des Restaurants und holte, wie es sich für eine brave, kleine Kellnerin gehörte, den Wein.

»Wir sollten das nicht hier besprechen«, meinte Angie und musterte naserümpfend den Raum. Ganz schön herablassend. Ich fand die unverputzten Backsteinwände und die klobigen Holztische cool. Ganz zu schweigen von Vinnies Sammlung alter Schwarz-Weiß-Fotos der Freeways in Los Angeles. Keine Ahnung, was dahintersteckte.

Patrick sackte noch mehr in sich zusammen. »Ich gehe nicht wieder zurück. Ich bin fertig damit.«

»Hier ist es nicht sicher.« Angie sah sich nervös um. »Lass uns –«

»Wir sind hier gut aufgehoben. Ich komme schon seit Jahren her.«

»Du bist gerade aus einem großen Filmprojekt geflogen, Patrick«, sagte sie, und es klang ein wenig verzweifelt. »In der Filmindustrie hält man dich anscheinend nicht mehr für rentabel, aber ich bin mir sicher, dass sich Klatschgeschichten über dich weiterhin sehr gut verkaufen. Diese Woche zumindest.«

Der Angesprochene gab lediglich ein Schnauben von sich.

»Der Plan wird funktionieren, wenn du es zulässt. Alles ist organisiert und startklar. Das ist die perfekte Gelegenheit, um die ganze Geschichte zu deinen Gunsten zu drehen.« Als sie das Wort »deinen« aussprach, deutete sie zur Unterstreichung mit dem Finger auf ihn. Die Frau schien es wirklich äußerst ernst zu meinen.

Ich stellte das Glas Wein vor sie, kehrte zu meinem Platz weiter hinten im Raum zurück und begann, das Besteck zu polieren, Salz und Pfeffer nachzufüllen – eben all die Dinge, die man am besten erledigte, wenn nicht viel los war. Und ja, es war neugierig und falsch, die Unterhaltung zu belauschen, aber ich konnte nichts dafür, dass es im Raum so still war, dass ich jedes Wort verstehen konnte.

»Keine von ihnen kommt mir authentisch vor«, sagte er und unterbrach sich gleich darauf, um noch etwas von seinem Bier zu trinken.

Die Frau schnaubte. »Das kommt daher, dass sie es nicht sind.«

»Du weißt, was ich meine.«

»Als du zum ersten Mal zu mir kamst, hast du gesagt, dass du ein Star werden, qualitativ hochwertige Filme drehen und einen Oscar gewinnen willst. In dieser Reihenfolge«, zählte sie auf. »So, wie die Dinge jetzt stehen, könntest du es vielleicht schaffen, deine Karriere bis zu einem gewissen Grad auf dem Indie-Markt wiederzubeleben. Hier und da eine Rolle zu finden und dich selbst langsam wieder aufzubauen. Aber das würde Jahre dauern, und du würdest wahrscheinlich niemals im Rennen um diese goldene Statuette sein. Von diesem Traum könntest du dich verabschieden.«

Patrick fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare.

»Du hast dir den Hintern abgearbeitet, um so weit zu kommen«, sagte sie. »Willst du jetzt wirklich aufgeben?«

»Fuck«, murmelte er.

»Liv ist gerade damit beschäftigt, ihren eigenen Hintern zu retten, und du bist nicht bereit, die Sache richtigzustellen. Obwohl dir momentan wahrscheinlich niemand auch nur annähernd glauben würde. Dementsprechend sind deine Möglichkeiten begrenzt.« Sie nahm ihr Weinglas, trank einen vorsichtigen Schluck und rümpfte angewidert die Nase. Da der Wein aus einem Karton stammte, war das nicht weiter verwunderlich. Sie hatte nur um ein Glas Rotwein gebeten. Von Qualität hatte sie nichts erwähnt. »Ich weiß, dass du gehofft hast, alles würde im Sande verlaufen, aber die Leute reden noch immer. Und was die sozialen Medien angeht, war das der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um in einen Skandal verwickelt zu werden. Doch es gibt Hoffnung. Wir können die Sache noch retten, wenn du nur mit uns zusammenarbeitest. Aber wir müssen jetzt handeln.«

Patrick war offenbar nicht willens zu antworten.

Vor einem Monat war die Geschichte überall im Internet gewesen. Fotos von ihm, wie er in aller Herrgottsfrühe Liv Anders’ Haus in Malibu verlassen hatte. Und es war eindeutig ein Morgen-danach-Foto gewesen. Unverkennbar ein Walk of Shame. Er hatte völlig zerzaust ausgesehen und einen knittrigen Smoking getragen. Dass Liv die eine Hälfte des derzeitigen Vorzeigepärchens von Hollywood war, war Teil des Problems. Ebenso wie die Tatsache, dass Patrick gerade gemeinsam mit Livs Ehemann Grant einen Film gedreht hatte und die beiden angeblich die dicksten Freunde waren. Dass Patrick in seinen frühen Jahren eine ganze Reihe Models gedatet und gern heftig gefeiert hatte, sprach auch nicht gerade für ihn. Sein Ruf war inzwischen zementiert. Schlagzeilen wie »Patrick der Player«, »Walsh ruiniert Eheglück«, »Gescheiterte Freundschaft« und »Der nicht besonders heldenhafte Ehezerstörer« las man nun überall. Gut möglich, dass es in der Woche ansonsten nicht viel zu berichten gegeben hatte, aber es war trotzdem überraschend, wie viel Hass ihm von allen Seiten entgegenschlug.

Selbstverständlich musste hinter dieser Geschichte mehr stecken. So war es doch immer. Allerdings war Liv am folgenden Tag dabei beobachtet worden, wie sie mit ihrem Mann die Praxis eines Eheberaters betreten und irritierend fotogen geweint hatte. Seitdem klebten die beiden auf dem roten Teppich geradezu aneinander. Patrick dagegen war unten durch. Schlimmer noch. Er war das pure Kassengift.

Es konnte durchaus alles stimmen. Er konnte tatsächlich einer dieser nichtsnutzigen Kerle sein, die nur mit dem Schwanz dachten, heuchelten und manipulierten. Da ich auch schon einen Haufen fragwürdiger Typen gedatet hatte, hätte es mich nicht überrascht. Und eine ganze Menge Arschlöcher waren in letzter Zeit öffentlich geoutet worden. Männer, die ihren Ruhm und ihre Macht für niedere Zwecke missbraucht hatten.

Doch für mich klang das alles trotzdem eher nach einer Klatschgeschichte.

Zunächst einmal gab es keine richtigen Beweise dafür, dass es bei dieser ganzen Angelegenheit nicht einfach nur um zwei erwachsene Menschen ging, die hinter geschlossenen Türen in gegenseitigem Einvernehmen getan hatten, wonach ihnen der Sinn stand. Patrick hatte kein Ehegelübde abgelegt, und Liv hatte ihm keine Misshandlungen oder Ähnliches vorgeworfen. Eigentlich hatte Liv zu allem überhaupt nichts gesagt. Aber dass Patrick und Grant die besten Freunde waren … Also das war wirklich ein ziemlich übler Verrat. Sofern die ganze Geschichte der Wahrheit entsprach.

»Na schön, ich mache es«, sagte er, wobei sich seine Stimme hob. »Aber nicht mit einer von denen.«

»Patrick, wir haben wochenlang Bewerbungsgespräche geführt, um diese drei Auswahlmöglichkeiten für dich zu finden«, erwiderte sie. »Eine von ihnen muss doch passabel, wenn nicht sogar perfekt sein.«

»Sie muss nicht perfekt sein. Sie muss echt sein.«

»Echt?«, fragte Angie leicht entrüstet. »Ich fasse es nicht. Das ist verdammt noch mal das Allerletzte, was wir im Moment gebrauchen können.«

Hinten in der Küche erklang die Glocke. Vinnie zwinkerte mir zu und wies mit einem Nicken auf das bereitstehende Essen: Penne Ragù und Fleischbällchen mit Parmesan. Es roch göttlich. Der Umfang meines Pos war ein deutliches Zeichen dafür, dass ich Kohlenhydrate liebte und sie mich ebenfalls. Aber was war bitte schön wichtiger: die Jeansgröße oder das allgemeine Lebensglück?

Vinnie war stolz auf sein Essen. Stolz auf sein Restaurant. Was ein Grund dafür war, dass ich gern für ihn arbeitete.

»Sie warten alle. Komm zurück ins Büro«, sagte Angie gerade, als ich den Raum wieder betrat.

»Nein.«

»Patrick, wie zum Teufel willst du denn sonst jemanden finden? Wenn ans Licht käme, was wir getan haben …«

»Das wird nicht passieren.«

Die Frau blickte hilfesuchend gen Himmel, doch von dort kam auch keine Unterstützung. »Wen willst du sonst nehmen, wenn du dir keine von ihnen aussuchen willst?«

»Ich weiß es nicht«, grummelte er.

Ich stellte das Essen so dezent wie nur möglich vor ihm ab. Unsichtbarkeit war eine Kunstform. Eine, in der ich mich in seiner Gegenwart nicht gerade hervortat. Das war nicht meine Schuld. Attraktive Männer machten mich eben nervös. Und wie zu erwarten bekam ich das Besteck nicht richtig zu fassen, und die Gabel landete klirrend auf dem Tisch.

»Sie«, sagte er und starrte mich direkt an. Das war wahrscheinlich das erste Mal überhaupt, dass wir direkten Blickkontakt miteinander hatten. Es war, als würde man direkt in die Sonne blicken. Ich war geradezu geblendet. Der Mann war einfach zu viel des Guten.

»Was?!«, kreischte Angie.

Ich erstarrte. Er konnte unmöglich mich meinen. Außer vielleicht im Zusammenhang mit so was wie »Du bist so tollpatschig, du kriegst heute kein Trinkgeld« oder dergleichen.

»Das kann nicht dein Ernst sein«, stieß Angie hervor und musterte mich mit Augen so groß wie Vollmonde. »Sie ist so … durchschnittlich.«

»Genau«, stimmte er begeistert zu.

Wow, ganz schön unverschämt. Ich war auf meine eigene Art hübsch. Beigefarbene Haut und lange, gewellte, blonde Haare. Die eine oder andere Sommersprosse im Gesicht. Und was meinen Körper anging – nun ja, nicht jeder in dieser Stadt musste klapperdürr sein. Aber egal. Das Wichtigste war, dass ich ein netter Mensch war. Meistens. Und ich war liebenswürdig. Zumindest versuchte ich es. Persönliche Weiterentwicklung konnte ganz schön verzwickt sein.

»Guten Appetit«, sagte ich irritiert.

»Setz dich einen Augenblick.« Patrick deutete auf den freien Platz neben sich. »Bitte.«

Ich verschränkte stattdessen die Arme.

»Ich würde gern mit dir über ein Jobangebot sprechen.«

Angie gab einen erstickten Laut von sich.

»Ich habe einen Job«, entgegnete ich. »Eigentlich sogar zwei.«

»Wie heißt du?«, fragte er.

»Du machst wohl Witze«, fauchte Angie. »Das nimmt uns kein Mensch ab.«

»Norah«, antwortete ich.

»Hey, Norah. Ich bin Patrick.«

»Ich weiß«, gab ich knochentrocken zurück.

Um ein Haar hätte er gelächelt. Seine Lippen hatten eindeutig gezuckt. Für jemanden, dessen vor Charme strotzendes, oberlässiges Grinsen schon Plakatwände im ganzen Land geziert hatte, schaffte er es ziemlich gut, sein Lächeln unter Verschluss zu halten. »Wie würde es dir gefallen, einen Haufen Geld zu verdienen?«

»Sag kein Wort mehr, bevor sie eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben hat.« Angie presste sich die Hand auf die Brust und schien entweder zu hyperventilieren oder einen Herzinfarkt zu haben. »Das ist mein Ernst!«

Patrick seufzte nur. »Angie, entspann dich. Ich komme schon seit Jahren hierher, und sie hat kein einziges Mal etwas in den sozialen Medien gepostet oder heimlich Fotos gemacht. Ich möchte wetten, dass du keiner Seele etwas von mir erzählt hast, nicht wahr, Norah?«

Dann respektierte ich eben seine Privatsphäre. Na und? Verklag mich doch. Außerdem gefiel es mir irgendwie, ihn meinen Namen sagen zu hören. Allein, dass er ihn kannte, versetzte mir einen richtigen Kick. Ich hatte definitiv weiche Knie. »Du scheinst die Anonymität zu schätzen.«

»Sie hat sogar ein Mädchen davon abgehalten, mich um ein Autogramm zu bitten.«

»Die Tochter des Besitzers«, erläuterte ich. »Sie redet immer noch kein Wort mit mir.«

Wieder ein Fast-Lächeln. Seine hübschen blauen Augen funkelten unverkennbar amüsiert.

Angie kippte den Rest ihres Kartonweins mit einem einzigen großen Schluck in sich hinein.

Patrick und ich starrten uns an, als wäre es eine Art Wettbewerb. Wer würde es wagen, zuerst wegzusehen? Offensichtlich ich.

»Was ist das für ein Job?«

»Ich brauche dich für einige Monate in Vollzeit«, sagte er.

»Für ein Jahr, inklusive Wohnen vor Ort«, korrigierte Angie.

Patrick verzog das Gesicht. »Sechs Monate und Wohnen vor Ort. Länger nicht.«

Angie winkte resigniert ab und gab es auf.

Ich räusperte mich. »Ähm, und was genau hätte ich zu tun? Wäre ich dein Mädchen für alles oder deine Assistentin oder etwas in dieser Art? Oder brauchst du eher einen Hausmeister oder eine Reinigungskraft?«

»Nein«, sagte er seelenruhig. »Ich möchte, dass du meine Fake-Freundin bist.«

2. Kapitel

Patrick Walsh wohnte in West Hollywood, im Stadtteil The Bird Streets – was so ziemlich die exklusivste und teuerste Gegend war. Der Wagen setzte mich in den Hügeln oberhalb des Sunset Strip am Ende einer ruhigen Sackgasse ab. Durch die Gitterstäbe des Tors hindurch konnte ich eine private Auffahrt sehen, die einen Bogen beschrieb. Viel Grün, hauptsächlich Sukkulenten und Olivenbäume. Das Mietshaus, in dem ich bisher gewohnt hatte, konnte in puncto Landschaftsgestaltung nur einen Parkplatz mit überquellenden Mülltonnen vorweisen.

Ich atmete tief durch und versuchte, meinen Mut zusammenzunehmen. So gut es eben ging. Denn das alles war zweifellos eine schlechte Idee. Eine furchtbare, grauenhafte Idee. Doch hier stand ich nun, mit unterzeichnetem Vertrag und Bargeld in der Hand. Einer ganzen Menge davon. Und es würde noch mehr kommen. Ich hatte schon dafür sorgen können, dass Gran in ihr eigenes Zimmer in einem viel schöneren Seniorenheim mit besserer Pflege und Ausstattung umziehen konnte. Außerdem hatte ich meine Jobs aufgegeben und meine Wohnung gekündigt. So viel zum Thema am Rande des Abgrunds stehen.

Plötzlich begann sich das Tor zu öffnen, und ich trat überrascht zurück. Wahrscheinlich hatte jemand die Überwachungskameras im Auge gehabt. Die Räder meines ramponierten Koffers ratterten hinter mir auf dem Asphalt. Ich hatte nur wenige Lieblingssachen dabei. Der Großteil meiner Besitztümer war eingelagert. Die notwendige Hollywood-Freundinnen-Garderobe würde mir gestellt werden. Was immer das beinhalten mochte.

Und das war in Ordnung. Alles würde super klappen. Weil ich eine erwachsene Frau war, die das alles problemlos hinbekommen würde. Das hier war ein Abenteuer, das es anzunehmen und zu genießen galt.

Verdammt noch mal, ja.

Ich glaubte genauso lange an meine Worte, bis ich ihn im Eingang des weißen, weitläufigen, einstöckigen Gebäudes stehen sah, das entweder modern war oder aber aus der Mitte des Jahrhunderts stammte oder vielleicht auch eine Mischung aus beidem war. Das Haus war cool, jedoch nichts im Vergleich dazu, Patrick Walsh in natura wiederzusehen. Er war wie ein Kunstwerk und hatte die ihm zuteilwerdende Verehrung mehr als verdient. Wenn man in L. A. aufwuchs, begegnete man zwangsläufig immer wieder Prominenten, doch das hier war etwas anderes. Wie seine Präsenz mich direkt ins Herz und in die Lenden traf. Womöglich würde ich mich niemals an ihn gewöhnen. Ziemlich ärgerlich und peinlich, denn schließlich war er jetzt mein Boss.

Ich hatte nicht erwartet, von ihm höchstpersönlich empfangen zu werden, sondern war davon ausgegangen, dass er dafür zu wichtig und beschäftigt wäre. Für jemanden wie mich. Seit neulich im Restaurant hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Seine »Leute«, sprich seine Anwälte, hatten alles abgewickelt. Wahrscheinlich durfte ich in den kommenden sechs Monaten ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung nicht mal niesen.

Die Frage Warumausgerechnetich? war mir inzwischen ziemlich oft durch den Kopf gegangen. Ich war, wie Angie es so treffend formuliert hatte, durchschnittlich. Aber wahrscheinlich war mein fehlender Glamourfaktor für die Geläuterter-und-nicht-mehr-oberflächlicher-Frauenheld-Fassade, die sie inszenieren wollten, eher von Vorteil. Keine Ahnung. Doch er hatte mir viel dafür gezahlt, dass ich mein Leben auf Eis legte und seinen Ruf wiederherstellte. Und deswegen würde ich mich nach Kräften bemühen, genau das zu tun.

»Norah«, sagte er mit einem Stirnrunzeln, das sein Standardgesichtsausdruck zu sein schien. »Lass mich dir das abnehmen.«

»Okay.«

»Danke, dass du … ähm … das tust.«

»Na klar«, antwortete ich.

Mit meinem Koffer im Schlepptau ging er hinein. Auch wenn es falsch war, einen Menschen auf sein Äußeres zu reduzieren, stellte ich fest, dass der Mann einfach einen klasse Hintern hatte, den seine Jeans hervorragend zur Geltung brachten. Ich hätte mich nie als Po-Liebhaberin bezeichnet, aber dieses Exemplar war schon außergewöhnlich. Von seinen breiten Schultern ganz zu schweigen.

Das Innere des Hauses war auch nicht zu verachten. Offene Bauweise mit glänzenden Betonfußböden und blütenweißen Wänden. Eine klobige cremefarbene Couch und ein zotteliger grauer Teppich, kombiniert mit einem offenen Kamin und diversen Kunstgegenständen. Eine Seite des Gebäudes schien nur aus verglasten Wänden oder Glastüren zu bestehen. Da es am Hang eines Hügels lag, konnte man die gesamte Stadt überblicken. Was für ein Wow-Anblick. Fast lenkte er mich vom Zittern meiner Hände ab.

Im Wohnzimmer wurden wir von zwei Personen erwartet. Eine davon war seine Pressesprecherin Angie. Alias die Drachenlady – was Drachen gegenüber ziemlich gemein und taktlos war, aber egal.

»Du musst Norah sein«, sagte eine asiatische Frau mit wunderschönem Gesicht und schulterlangem dunklen Haar. »Ich bin Mei, Paddys Assistentin.«

»Freut mich, dich kennenzulernen.«

Sie lächelte strahlend. »Also wirklich, ihr beiden seht toll zusammen aus. Die Presse wird ganz verrückt nach euch sein!«

Patrick bedachte mich mit einem genervten Seitenblick. Als wäre es nicht seine brillante Idee gewesen, mich in diesen großartigen Plan mithineinzuziehen. Idiot.

»Danke«, nuschelte ich.

»Ich habe noch was zu tun.« Er entfernte sich ein paar Schritte, blieb jedoch wieder stehen, drehte sich nach mir um und legte die Stirn in Falten. »Bis später, Baby. Babe.«

Mein Magen schlug keinen Purzelbaum. Das waren nur Blähungen oder so. »Bis später.«

»Das fühlt sich nicht richtig an.«

Ich erstarrte. »Nicht?«

»Nein. Das ist nicht der richtige Kosename.« Er kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Daran arbeiten wir noch.«

»Okay.«

Mei schien von unserem schrulligen Verhalten entzückt zu sein. Angie hatte entschieden, dass sie unser erstes Publikum sein sollte. Eine Art Testzuschauerin, wenn man so wollte, um unsere Rollen auszuprobieren und zu sehen, ob wir als Paar auch nur ansatzweise glaubhaft wirkten. Ich bezweifelte, dass wir gute Chancen hatten, sie zu täuschen.

»Brauchst du noch irgendetwas?«, fragte er.

»Nein, danke, alles bestens.«

Er nickte und kam einen kleinen, vorsichtigen Schritt auf mich zu. Als wollte er mich auf die Wange küssen oder mir den Kopf tätscheln oder irgendetwas tun, was grob als Zärtlichkeit durchging. Doch dann überlegte er es sich im letzten Augenblick anders.

Na so was.

Gemein zu sein lag mir wirklich fern, aber was er hier ablieferte, gehörte definitiv nicht zu seinen schauspielerischen Glanzleistungen. (Ich persönlich fand seine Arbeit in Zombie Run weitaus besser, wo er zu einer Gruppe von Leuten gehört hatte, die gerade einen Marathon beendete, als es zu einem Virusausbruch kam. Ein cooler, aber auch ziemlich gruseliger Film.) Er vollführte eine Kehrtwende und marschierte in Richtung des anderen Endes des Hauses davon. Vermutlich lagen dort die Schlafzimmer und so weiter. Der Bereich, in dem wir uns gerade befanden, bestand aus dem Wohnzimmer, dem Esszimmer und der Küche. Draußen, am hinteren Ende des Hauses, gab es einen nierenförmigen hellblauen Swimmingpool, der in der Morgensonne glitzerte.

So lebten also die oberen Zehntausend. Nicht schlecht.

Mei beugte sich vertraulich zu mir. »Wundere dich nicht über ihn. Patrick ist es nicht gerade gewohnt, eine Beziehung zu führen. Jemanden in seinem Privatbereich um sich zu haben. Wenn du verstehst, was ich meine.«

»Ja, ich verstehe«, schwindelte ich.

»Natürlich tust du das. Dass er dich gebeten hat, hier bei ihm zu wohnen, ist schon enorm.«

»Na ja, mein, ähm, Mietvertrag war sowieso ausgelaufen, und da meinte er, warum nicht?«

»Das ist fantastisch. Das könnte die erste spontane Sache sein, die dieser Mann je getan hat. Wahrscheinlich merkt man es einfach, wenn man die Richtige trifft«, fuhr sie fort. »Ich habe ihm immer gesagt, dass er sich eine Zivilistin suchen soll. Eine Frau, die nichts mit dem Filmgeschäft zu tun hat. Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie ihr beiden euch kennengelernt habt und so weiter. Solche stürmischen Romanzen sind so … romantisch.«

Für diesen Augenblick hatte ich die ganze vergangene Woche lang geübt. Hauptsächlich vor dem Badezimmerspiegel. Nach einer besonders intensiven Trainingssession im Falschlächeln hatten mir dermaßen die Wangen wehgetan, dass ich sie von innen mit Wodka, Soda und Limette hatte kühlen müssen. Da ich damals in der Highschool auf die Theater-AG verzichtet hatte, musste ich einiges nachholen.

Ich lächelte. Es war mein Glückliches-und-leicht-verschmitztes-Lächeln. Nicht unbedingt das einfachste in meinem Repertoire, aber ich fand, dass es irgendwie nach »jung und verliebt« aussah – was mir für die aktuelle Situation angemessen erschien. Und da Patrick mir Höchstpreise zahlte, war es wichtig, dass ich alles gab. »Wir haben uns an meinem Arbeitsplatz kennengelernt, in einem Restaurant. Er, ähm, ist regelmäßig vorbeigekommen, und irgendwann haben wir angefangen, uns zu unterhalten, und –«

»Der Rest ist Geschichte«, beendete Angie den Satz für mich.

Mei lächelte mich noch immer strahlend an. In ihrem Gesicht war keine Spur von Skepsis zu entdecken. »Das ist so süß.«

Puh. Ich hatte es geschafft. Jemand glaubte tatsächlich, dass ich etwas mit einem Hollywood-Beau hatte. Wie befremdlich. Ein Triumphgefühl packte mich vom Kopf bis zu den Zehen. Obwohl es natürlich nicht gut war, andere zu belügen. Und Mei schien ein netter Mensch zu sein. Aber es handelte sich ja nur um eine kleine Notlüge. Mehr oder weniger. Okay, na gut, in Wahrheit war diese ganze Sache moralisch verdammt fragwürdig. Aber unterm Strich brauchte ich das Geld, und keiner würde Schaden nehmen. Und nur das zählte.

Ein aus einer Person bestehendes Publikum jagte mir weit weniger Angst ein als die unvermeidlichen Red-Carpet-Events, die mir in Zukunft zweifellos noch bevorstünden. Allein beim Gedanken daran wurde mir schlecht. Der letzte formelle Anlass, an dem ich teilgenommen hatte, war mein Abschlussball vor mehr als zehn Jahren gewesen. Mein Begleiter hatte an jenem Abend unser Date damit beschlossen, dass er besoffen in einen der Rosenbüsche meiner Großmutter gefallen war und sich von oben bis unten zerkratzt hatte. Leider hatte sich mein Männergeschmack seit damals kaum gebessert. Kein Wunder also, dass ich schon seit ungefähr einem Jahr keine Dates mehr gehabt hatte.

Angies Handy pingte. »Das werden das Kosmetikerinnen-Team und die anderen sein.«

»Das was?«, fragte ich.

»Betrachte sie einfach als deine persönlichen Problemlöserinnen«, sagte Mei.

»Um mein Äußeres in Ordnung zu bringen, braucht es gleich ein ganzes Team?« Ich lachte auf, weil oberpeinlich. »Steht es wirklich so schlimm um mich?«

Angie bleckte die Zähne zu einem Lächeln. »Allerdings.«

»Das ist Schwachsinn«, nörgelte ich.

»Na, na.« Mei tätschelte meine Hand. »Die French Nails sehen toll aus, und dein Haar ist so weich und glänzend.«

Angie nahm den Blick nicht von ihrem Handy. »Was hast du für ein Problem?«

»Sagen wir mal so: Das war ein sehr umfangreiches Waxing«, erwiderte ich. »Und ich finde wirklich, dass ich bei einigen Stellen ein Mitspracherecht hätte haben sollen.«

»Au naturel war nicht akzeptabel. Was, wenn wir im Rahmen des geplanten ›Relaxen zu Hause‹-Artikels ein Bikini-Shooting machen wollen?«, fragte Angie. »Das geht mit einem Urwald dort unten nicht. Selbst Photoshop kommt irgendwann an seine Grenzen.«

»So schlimm war es nun auch wieder nicht. Und ein Bikini-Shooting?«, fragte ich entsetzt. »Davon hat niemand etwas erwähnt.«

»Was tun wir nicht alles aus Liebe«, sagte Mei.

Angie ignorierte mich.

Aber ich war verdammt noch mal noch nicht fertig. »Der Busch einer Frau ist heilig, und sein Zustand sollte niemanden etwas angehen außer sie selbst.«

Mei lachte auf, räusperte sich jedoch hastig. »Ja. Absolut. Sehr wahr.«

»Also«, sagte Angie und hob die Brauen, »ich wusste ja nicht, dass ihr beiden so leidenschaftlich über dieses Thema denkt.«

Patrick kam hereingeschlendert. »Welches Thema?«

Den ganzen Tag über hatte er sich am anderen Ende des Hauses versteckt gehalten, während unzählige Leute in seinem Heim ein und aus gegangen waren. Die Nageltechnikerin, die Haarstylisten, der Facialist und die Kosmetikerin, die die Ganzkörperbehandlungen und das Waxing durchgeführt hatte. Eine Stylistin, die mir meine neue Garderobe erklärt hatte, während ich wie eine Idiotin in meiner Unterwäsche herumgestanden hatte. Außerdem die Visagistin, die mir Unterricht im Shading und so weiter gegeben hatte. Und ausgerechnet jetzt musste er hier auftauchen?

»Schambehaarung«, erklärte Mei.

Patrick wurde blass. »Vergiss, dass ich gefragt habe.«

»Hab dich nicht so«, sagte Angie tadelnd, erhob sich und ging zur Tür. »Wir haben dich alle schon mit Schamhaartoupet gesehen. Wie dem auch sei, für heute sind wir hier fertig.«

»Bis dann.« Mei winkte ihr nach, während sie die Kissen auf dem großen, modernen Plüschsofa geraderückte. »Okay, Paddy, Zeit für dein tägliches Update. Ich habe deiner Mom Blumen geschickt und eine vollständige Rückerstattung für die New-York-Reise bekommen. Der neue Personal Trainer ist für morgen gebucht, und in deinem Kleiderschrank hängen einige Stücke von diesem Designer, von dem ich dir erzählt hatte. Und Mary hat das Treffen morgen Abend abgesagt.«

»Hat sie?«, fragte er und klang gekränkt.

»Ja. Tut mir leid. Sie hat nicht gesagt, warum.«

Er machte ein finsteres Gesicht.

»Braucht ihr beiden sonst noch etwas?«, fragte Mei uns.

»Nur noch einen Ausdruck von dem Freisen-Drehbuch«, sagte er und lehnte sich total cool, sexy und verdrossen an die Wand. Kein Wunder, schließlich war er schon cool und sexy, wenn er atmete oder einfach nur existierte.

»Es liegt auf dem Schreibtisch.«

»Danke.«

»Und damit bin ich fertig. Bis morgen!«

Zum allerersten Mal überhaupt waren wir allein. Ganz schön nervenaufreibend. Patrick ließ den Blick über mich schweifen und begutachtete das Werk des heutigen Tages. Das Team hatte gute Arbeit geleistet. Ich sah noch immer aus wie ich selbst, allerdings wie eine leicht verbesserte Version. Seine Miene blieb jedoch vollkommen ausdruckslos. Absolut undurchdringlich. Wahrscheinlich wäre es ihm auch egal gewesen, wenn ich mir ein Pony auf die Stirn hätte tätowieren lassen. Als Nächstes verschränkte er die Arme vor dem Oberkörper und wandte seine Aufmerksamkeit dem Ausblick zu. Ich hatte den Eindruck, dass er es selbst in seinem eigenen Zuhause nicht schaffte, sich gänzlich zu entspannen. Aber das konnte auch etwas mit meiner Anwesenheit zu tun haben.

Zwar wusste ich, dass es ihm am liebsten war, wenn ich mich still und unterwürfig verhielt, doch ich konnte unmöglich sechs Monate lang den Mund halten. »Was ist ein Schamhaartoupet?«

»Eine Perücke für untenrum. Manchmal werden sie bei Sexszenen verwendet, um das beste Stück zu verstecken.«

»Aha.«

Er sagte nichts mehr. Die Stille war überhaupt nicht unangenehm oder so.

»Wir müssen über die Wohnsituation sprechen«, sagte ich und setzte mich auf die Couch. »Im Vertrag steht nicht wirklich etwas dazu, außer dass ich niemanden ins Haus einladen und die Adresse nicht weitergeben darf und so weiter. Was vollkommen nachvollziehbar ist. Deine Privatsphäre muss geschützt werden.«

Er zog die Brauen zusammen, sagte jedoch kein Wort.

»Wenn es dir lieber wäre, dass ich die Abende außer Haus oder in meinem Zimmer verbringe –«

»Du wirst ein halbes Jahr hier wohnen, Norah. Ich erwarte nicht von dir, dass du dich die ganze Zeit über versteckst. Wir werden uns schon aneinander gewöhnen.« Der Gute klang nicht überzeugt. Auch zurecht. Schließlich machte ich mir keine Illusionen. Das hier war ein rein geschäftliches Arrangement. Wir würden keine dicken Freunde oder was auch immer werden.

»Okay«, sagte ich.

Sein Stirnrunzeln steigerte sich auf Stufe elf. Wie konnte ein so hübscher Kerl so verdrossen sein? Er wohnte in diesem wundervollen Haus und bekam alles zu Füßen gelegt. Mal abgesehen von dem aktuellen Skandal, der seine Karriere ruiniert und ihn gezwungen hatte, sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen, um darin Platz für mich und dieses ganze Täuschungsmanöver zu schaffen. Vermutlich hatte ich mir meine Frage gerade selbst beantwortet.

Er seufzte. Es war wahrscheinlich der tiefste und leidvollste Seufzer aller Zeiten. Kein Mensch vor ihm war jemals derart gebeutelt, so sehr missverstanden worden. »Ich verpatze es gerade. Fangen wir noch mal von vorne an. Hast du Hunger?«

»Du musst nicht –«

»Ich weiß, dass ich das nicht muss. Aber wir müssen einander gut genug kennenlernen, damit man uns diese Nummer abkauft. Also können wir genauso gut etwas Zeit miteinander verbringen und das gleich erledigen«, meinte er. »Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich bin am Verhungern.«

Ich stand auf und folgte ihm in die Küche. Sie war schön, mit einer langen, weißen, steinernen Kücheninsel/Frühstücksbar und einem großen Gasherd mit sechs Flammen. Es gab einen Kühlschrank voll mit Vitamingetränken, Obst und Fertiggerichten. Als er den Blick über den Inhalt schweifen ließ, war seine Stirn ein einziges Faltengebirge. Trotzdem sah er immer noch gut aus.

»Hähnchen, Rind oder vegetarisch?«, fragte er. »Dazu gibt es Süßkartoffelpüree und gedämpften Brokkoli. Bei der vegetarischen Variante sind auch noch Blumenkohl und Tofu dabei.«

Ich öffnete den Mund, klappte ihn wieder zu und suchte nach den richtigen Worten. Applaus für mich, dass ich nicht sofort den ersten Gedanken, der mir bezüglich seiner Ernährungsgewohnheiten durch den Kopf schoss, laut herausposaunte. »Für deinen perfekten Körper und so weiter musst du dich wohl sehr gesund ernähren.«

Seine Miene entspannte sich ein wenig. »Klingt ziemlich fade, hm?«

»Also … Ja, schon.«

»Jetzt weißt du, warum ich gerne im Little Italy vorbeischaue. Das darf ich nur nicht zu oft tun.«

»Du musst äußerst diszipliniert sein.«

Eine seiner muskulösen Schultern hob sich gleichgültig.

»Ich bin diszipliniert genug, um nach dem sechsten Pop-Tart aufzuhören, aber das war’s auch schon.«

Einer seiner Mundwinkel zuckte. »Aha.«

»Ich nehme das mit Hähnchen«, sagte ich. »Vielen Dank.«

Er nickte und schob zwei Gerichte zum Aufwärmen in den Ofen. Ich stand so dicht bei ihm, dass es schier unmöglich war, ihn nicht zu riechen. Er hatte einen leicht salzigen, frischen Geruch. Ein Hauch von Holz und Salbei lag auch darin. Als wäre er dem Ozean entstiegen und durch den Wald getollt, bevor er die Küche betreten hatte. Jede Wette, dass es sich dabei um ein Eau de Cologne einer Edelmarke handelte. Und an ihm zu schnüffeln war wirklich schräg, weshalb ich das sofort sein lassen musste.

Als Nächstes stellte er einen Krug mit kaltem Wasser und zwei Gläser auf den Esstisch. Er war rund und schien aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zu stammen. Rundherum standen vier Stühle. Anscheinend hatte er keinen Hang dazu, große Dinnerpartys zu veranstalten. Ich fragte mich, ob er die Möbel selbst ausgesucht oder ob ihm ein Innenausstatter dabei geholfen hatte. Eigentlich war ich auf so ziemlich alles neugierig, was diesen Mann betraf.

»Also, wir haben uns in diesem Restaurant, in dem du gearbeitet hast, kennengelernt, und ich habe dich gefragt, ob du mit mir ausgehen willst«, sagte er, setzte sich und goss Wasser in die beiden Gläser. Die gewandten Bewegungen, die er dabei vollführte, kamen mir bekannt vor.

»Du hast schon mal als Kellner gearbeitet«, stellte ich fest.

»Ich bezweifle, dass es Schauspieler gibt, die anfangs nicht in einem Restaurant gearbeitet oder hinter einer Bar gestanden haben.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Angie meinte, wir sollten aus dem Ganzen so eine Art wahrgewordene Riesenfan-darf-Idol-daten-Fantasie machen.«

»Okay«, sagte ich gleichmütig. »Können wir machen.«

Er kniff die Augen zusammen. »Aber du bist kein Fan?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Doch du hast auch nichts Gegenteiliges behauptet.«

»Muss ich denn ein Fan sein?«, fragte ich.

»Nein.« Wieder ein Fast-Lächeln. »Ich bin nur neugierig.«

»Einige deiner Filme gefallen mir. Aber du bist nicht gerade der Screensaver auf meinem Handy oder so.« Ich zermarterte mir den Kopf nach den richtigen Worten. »Ich finde, du bist ein guter Schauspieler. Und ganz offensichtlich bist du auch ein gut aussehender Vertreter des männlichen Geschlechts.«

Er saß vollkommen reglos da und sah mich an. Trotz seiner ausdruckslosen Miene war ich mir ziemlich sicher, dass er sich köstlich amüsierte.

»Du hast es ja auch nicht nötig, von mir angeschmachtet zu werden. Die Zahl deiner Follower muss in die Millionen gehen.«

Er neigte zustimmend das Kinn. »Du scheinst mir ein recht ehrlicher, direkter Mensch zu sein. Wirst du ein Problem damit bekommen, anderen bezüglich unserer Beziehung etwas vorzugaukeln?«

»Wenn es so wäre, hätte ich diesen Job nicht angenommen. Allerdings scheint Mei nett zu sein. Es gefällt mir nicht, sie zu belügen.«

Er nickte. »Ja. Ich bezweifle, dass sie es uns abkauft.«

»Tatsächlich?«

»Mei ist einer der klügsten Menschen, die ich kenne.«

Ich wusste nicht recht, ob ich mich deswegen nun besser oder noch schlechter fühlen sollte.

»Du hast erwähnt, dass du zwei Jobs gehabt hast. Was war der andere?«, wollte er wissen.

»Ach, Kontenpflege und Preiskalkulation für die Boutique eines Freundes. Nur nach Bedarf, ein paar Tage die Woche.« Ich trank einen Schluck Wasser, um meine trockene Kehle zu befeuchten. »Manchmal, wenn das Little Italy geschlossen hatte, habe ich für ein anderes Restaurant Bestellungen ausgeliefert. Bis vor einigen Monaten mein Auto kaputtgegangen ist.«

»Also eigentlich drei Jobs. Du bist tüchtig.«

Ich zuckte nur mit den Schultern. Das war doch nichts Besonderes. Ich musste eben meine Rechnungen bezahlen, wie jeder andere auch.

»College?«, fragte er.

Ich nahm die Schultern zurück und setzte mich aufrechter hin. Nicht, dass mir das Thema irgendwie unangenehm gewesen wäre oder so. »Ich habe im zweiten Jahr abgebrochen. Und du?«

»Schauspiel an der USC.«

»Aber du kommst doch ursprünglich aus Phoenix, oder?«

Er neigte den Kopf. »Du hast mich gegoogelt? Mich in der Wikipedia nachgeschlagen?«

»Ähm …«

»Ist schon in Ordnung, Norah«, sagte er. »Das war Recherche für den Job, nicht wahr?«

»Genau.«

»Was hast du herausgefunden?« Er lehnte sich ganz relaxt zurück. Mit gespreizten Beinen und einem Arm auf dem Tisch. So entspannt hatte ich ihn noch nie erlebt. Doch trotzdem blieb eine gewisse Anspannung, eine Art unterschwellige Unzufriedenheit.

»Nun, du bist sechsunddreißig Jahre alt. Geboren und aufgewachsen in Arizona, aber du lebst seit deinem achtzehnten Lebensjahr in L. A.«

»Mm-hmmm.«

»Du hast zwei jüngere Schwestern. Du hast in achtundzwanzig Filmen und einigen Fernsehserien mitgespielt«, trug ich aus dem Gedächtnis vor. »Du unterstützt die World Wildlife Foundation und bist ein Dodgers-Fan. Und vor einer Weile wurdest du zum sexysten Mann des Jahres gekürt. Herzlichen Glückwunsch.«

»Danke«, entgegnete er trocken. »Das war gute PR. So viel muss ich zugeben.«

Draußen breiteten sich die Lichter der nächtlichen Stadt aus. Und in weiter Ferne wogte das Meer so majestätisch wie üblich.

»Im Großen und Ganzen war es das«, sagte ich.

»Keine Gerüchte oder pikanten Klatschgeschichten, die du dieser Liste noch hinzufügen möchtest?«

Ich holte tief Luft. »Ich bin mir sicher, dass du weißt, wie die Leute über dich reden. Es ist nicht nötig, dass ich davon irgendetwas wiederhole.«

Er klopfte mit den Fingern leise und rhythmisch auf den Tisch. »Du musst doch neugierig sein auf die Sache mit Liv und diesem ganzen beschissenen Schlamassel.«

»Das geht mich nichts an.«

»Schon, aber früher oder später wirst du danach gefragt werden.«

»Und wenn es so weit ist, werde ich der betreffenden Person erklären, dass jeder eine Vergangenheit hat«, sagte ich. »Egal, mit wem du früher mal zusammen gewesen bist – das hat nichts mit uns hier und jetzt zu tun. Außerdem könnten die anderen mit unserer reinen, wahren Liebe ohnehin nicht mithalten. Weil gegen uns Cinderella und ihr Traumprinz arm aussehen.«

Er schnaubte, und es klang fast ein wenig fröhlich. Ein Punkt für mich.

»Oder etwas in dieser Art.« Ich hob die Schultern. »Was immer du und Angie wollen, das ich sage.«

»Hast du irgendwelche Schauspielerfahrungen?«

»Kein bisschen.«

Wieder ein Fast-Lächeln. »Du bekommst das sicher hin. Sei einfach du selbst.«

Schön, dass wenigstens einer von uns an mich glaubte.

»Erzähl mir von dir.«

»Also bitte«, sagte ich. »Ich weiß genau, dass du einen Privatdetektiv angeheuert hast, der meine Vorgeschichte zweifellos sehr ausführlich durchleuchtet hat. Die Anwälte haben es ein oder zwölf Mal erwähnt.«

Er sah mich ausdruckslos an. »Ja, Norah, das habe ich getan. Anschließend habe ich Angie gebeten, den Bericht durchzulesen und mir mitzuteilen, ob ihr irgendwelche besonders problematischen Punkte aufgefallen sind. Das war nicht der Fall, und damit hatte es sich erledigt.«

»Du hast ihn nicht gelesen?«

»Nein.«

Ich war mir nicht sicher, ob ich beleidigt oder erleichtert sein sollte. Vielleicht etwas von beidem.

»Erzähl mir von dir«, forderte er noch einmal.

»Dreißig Jahre alt. Von den anderthalb Jahren auf dem College weißt du ja schon«, sagte ich. »Ich bin hier geboren und aufgewachsen.«

»Was wolltest du studieren?«

»Wirtschaft vielleicht. Ich hatte mich noch nicht entschieden.«

»Warum hast du abgebrochen?«

»Das Leben kam mir dazwischen.« Ich rieb mit den Händen seitlich über meine weitgeschnittenen Jeans. Sie waren hellblau und sehr hübsch. Weil Patrick Walshs Freundin zu Hause natürlich nicht in einer labbrigen, alten Yogahose herumlief. »Du weißt schon. Manchmal laufen die Dinge eben … nicht so, wie ursprünglich erwartet.«

Er nickte und ließ das Thema auf sich beruhen.